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Amnesty International
Amnesty International | |
---|---|
Gründung | 28. Mai 1961 |
Sitz | London |
Personen |
Pietro Antonioli (Vorsitzender des internationalen Exekutivkomitees), |
Schwerpunkt | Menschenrechtsorganisation |
Mitglieder | 3.000.000 |
Website | www.amnesty.org |
Amnesty International (von englisch amnesty‚ Begnadigung, Straferlass, Amnestie‘) ist eine nichtstaatliche (NGO) und Non-Profit-Organisation, die sich weltweit für Menschenrechte einsetzt. Grundlage ihrer Arbeit sind die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte und andere Menschenrechtsdokumente, wie beispielsweise der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte und der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte. Die Organisation recherchiert Menschenrechtsverletzungen, betreibt Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit und organisiert u. a. Brief- und Unterschriftenaktionen für alle Bereiche ihrer Tätigkeit.
Gründungsgeschichte
Gründung der Internationalen Organisation
Amnesty International wurde 1961 in London von dem englischen Rechtsanwalt Peter Benenson gegründet. Ihm soll die Idee zur Gründung gekommen sein, als er in der Zeitung zum wiederholten Mal über das ungerechtfertigte Handeln von Regierungen gegen die eigene Bevölkerung las. In einem 1983 geführten Interview erinnerte sich Benenson, dass der Artikel von zwei portugiesischen Studenten gehandelt habe, die in einem Restaurant in Lissabon auf die Freiheit angestoßen hatten und daraufhin zu Haftstrafen verurteilt worden waren. Nachträgliche Recherchen ergaben, dass es sich möglicherweise um eine Notiz in The Times vom 19. Dezember 1960 handelte, die allerdings keine Details über die „subversiven Aktivitäten“ der Verurteilten enthielt.[1] Am 28. Mai 1961 veröffentlichte Benenson in der britischen Zeitung The Observer den Artikel „The Forgotten Prisoners“ („Die vergessenen Gefangenen“), in dem er mehrere Fälle nennt, darunter Constantin Noica, Agostinho Neto und József Mindszenty, und die Leser aufrief, sich durch Briefe an die jeweiligen Regierungen für die Freilassung dieser Gefangenen einzusetzen.[2] Er schrieb: „Sie können Ihre Zeitung an jedem beliebigen Tag der Woche aufschlagen und Sie werden in ihr einen Bericht über jemanden finden, der irgendwo in der Welt gefangen genommen, gefoltert oder hingerichtet wird, weil seine Ansichten oder seine Religion seiner Regierung nicht gefallen.“ Die aus diesem Artikel entstandene Aktion, „Appeal for Amnesty, 1961“ gilt als der Anfang von Amnesty International. Zu den Gründungsmitgliedern gehörten Eric Baker und der irische Politiker Seán MacBride, der von 1961 bis 1974 auch Präsident der Organisation war.
Das Logo von Amnesty International ist eine mit Stacheldraht umwickelte Kerze. Es wurde von der englischen Künstlerin Diana Redhouse geschaffen und durch das Sprichwort Es ist besser, eine Kerze anzuzünden, als sich über die Dunkelheit zu beklagen inspiriert.
Die deutsche Sektion hatte bereits in den 1970er Jahren beschlossen, dieses Logo für sich nicht mehr zu verwenden. Stattdessen wurde bis 2008 ein blau-weißes Logo mit Kleinbuchstaben genutzt. In Deutschland, Österreich und der Schweiz bis Mitte 2008, wurde eine inzwischen aber nicht mehr verwendete Schreibweise mit Kleinbuchstaben und Abkürzungen verwendet: amnesty international, ai oder amnesty. Mitte 2008 wurde international ein neues, einheitliches Layout eingeführt, welches die Farben Gelb und Schwarz verwendet. Das Logo enthält den Schriftzug „Amnesty International“ in Großbuchstaben und die mit Stacheldraht umwickelte Kerze.
Gründung in Deutschland
Die bundesdeutsche Sektion von Amnesty International wurde Ende Juni 1961,[3] zwei Monate nach Gründung der internationalen Organisation, von Gerd Ruge, Carola Stern und Felix Rexhausen in Köln gegründet und im Juli 1961 als erste Sektion anerkannt. Damals hieß sie „Amnestie-Appell“.[4] Nach dem Fall der Mauer wurde die Organisation auch in den neuen Bundesländern aktiv, wo sie bis dahin verboten war.
Gründung in Österreich
Amnesty International Österreich wurde am 4. Mai 1970 gegründet. Derzeitiger Generalsekretär ist Heinz Patzelt.
Amnesty International Österreich gehörte am 14. November 2001 zu den ersten 44 Organisationen, die das Österreichische Spendengütesiegel verliehen bekamen.
Gründung in der Schweiz
Offiziell gegründet wurde die Schweizer Sektion 1970. Doch schon 1964 gab es die erste Sektion in Genf, deren Initiator Seán MacBride war, damaliger Generalsekretär und Mitbegründer von Amnesty International. Der erste Mitarbeiter wurde 1976 eingestellt, im Jahre 1987 waren es 14, und im Jahr 2000 schon deren 28. Derzeitige Geschäftsleiterin ist Manon Schick.[5]
Ziele und Arbeitsweise
Amnesty International recherchiert fortlaufend zur Menschenrechtssituation weltweit und führt Aktionen gegen spezifische Menschenrechtsverletzungen durch. Der Jahresbericht der Organisation (Amnesty International Report) enthält einen Überblick über die Lage der Menschenrechte in fast allen Ländern der Erde.
Die Organisation hat sich sieben Ziele unter dem Motto Gerechtigkeit globalisieren! gesetzt:
- Aufbau von gegenseitigem Respekt und Kampf gegen Diskriminierung
- Forderung nach Gerechtigkeit
- Sicherstellung der körperlichen und geistigen Unversehrtheit aller Menschen
- Schutz der Menschenrechte in bewaffneten Konflikten
- Schutz der Rechte von Flüchtlingen, Asylsuchenden, Binnenflüchtlingen und Migranten
- Schutz der Rechte von Frauen und Mädchen
- Förderung der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte
Von 2005 bis 2009 lief die internationale Kampagne „Gewalt gegen Frauen verhindern“, die sich gegen die vielfältigen Formen von Gewalt gegen Frauen, sowohl staatlicherseits als auch im häuslichen Umfeld, wandte. Nach einer schwierigen und kontroversen internen Diskussion beschloss die Internationale Ratstagung der Organisation 2007 in Morelos, Mexiko, eine begrenzte Position zum Schwangerschaftsabbruch. So soll die völlige Entkriminalisierung gefordert werden sowie Staaten aufgefordert werden, Abtreibung im Falle von Vergewaltigung, sexueller Nötigung, Inzest und bei schwerwiegender Gefahr für das Leben einer Frau zu legalisieren. Die Organisation bekräftigt, dass viele gesellschaftliche Faktoren und Zwänge zu ungewollten Schwangerschaften beitragen und damit auch zu der – weltweit jährlich in ca. 26 Millionen Fällen illegalen – Entscheidung der Frauen.
Zu den typischen Aktionsformen der Arbeit von Amnesty International zählen:
- Fallarbeit: Diese wird seit Gründung der Organisation betrieben und beinhaltet die langfristige Betreuung eines gewaltlosen politischen Gefangenen (prisoner of conscience) durch eine oder mehrere Amnesty-Gruppen, im Idealfall bis zu dessen Freilassung. Ein Grundsatz dabei war, dass Amnesty-Gruppen nicht zu Vorgängen im eigenen Land arbeiten.
- Urgent Actions (Eilaktionen): Sie wurden 1973 eingeführt, um auf drohende Menschenrechtsverletzungen schnell reagieren zu können. Dabei werden möglichst innerhalb von 48 Stunden Mitglieder und Unterstützer mobilisiert, um bei den verantwortlichen staatlichen Stellen zu appellieren. Im Jahr 2005 gab es 326 dieser Aktionen.
- Briefe gegen das Vergessen: Pro Monat werden drei Fälle aus verschiedenen Ländern vorgestellt, dabei geht es oft um Fälle von verschwundenen Personen, Langzeitinhaftierungen oder Verurteilungen aufgrund unfairer Gerichtsverfahren.
- Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit: Vielfältige Aktionen der Gruppen und die Arbeit des nationalen Sekretariats zielen darauf ab, das Bewusstsein für Menschenrechtsverletzungen in der Öffentlichkeit zu schärfen und Menschenrechtsverletzungen bekannt zu machen und so Unterstützung für die Anliegen zu gewinnen. Auf die Arbeit von Amnesty macht die jährlich vergebene Auszeichnung Botschafter des Gewissens aufmerksam.
- Menschenrechtsbildung: Aktionen in Schulen, öffentliche Vorträge etc. zur Verankerung von Wissen über die Menschenrechte.
- Onlinekampagnen: Mit E-Card Aktionen und Onlinepetitionen nutzt Amnesty verstärkt das Internet als Protestmedium für ihre Kampagnenarbeit.
Aufbau der Organisation
International
Zahlen und andere Daten zur Organisation
Amnesty International zählt nach eigenen Angaben mehr als drei Millionen Mitglieder und Unterstützer in mehr als 150 Staaten.[6] In 53 Staaten gibt es Sektionen, die eine kontinuierliche Menschenrechtsarbeit garantieren. Die größeren Sektionen unterhalten in der Regel ein Sekretariat mit hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Die Sektion koordiniert die Arbeit der Mitglieder und ist die Verbindungsstelle zwischen den Gruppen und dem Internationalen Sekretariat in London. Die Sektionen entsenden Vertreter in den internationalen Rat (engl. International Council Meeting, ICM), das oberste Gremium von Amnesty auf internationaler Ebene, das alle zwei Jahre zusammentritt. Der Rat legt Strategie und Arbeitsweise von Amnesty fest und wählt das Internationale Exekutivkomitee, dem die Führung der laufenden Geschäfte der Organisation obliegt. Unter der Verantwortung des Exekutivkomitees steht auch das Internationale Sekretariat in London, an dessen Spitze der Internationale Generalsekretär steht. Von 2001 bis Dezember 2009 war dies die Bengalin Irene Khan. Ihr Nachfolger ist Salil Shetty, der aus Indien stammt. Seit kurzem bemüht sich die Organisation, ihre Präsenz in Ländern des globalen Südens zu verstärken, indem dort neue Büros eingerichtet werden. Die dazu notwendige Umstrukturierung, auch im sensiblen Bereich der Recherchearbeit, ist derzeit umstritten (Stand 2013).
Generalsekretäre
Name | Amtszeit |
---|---|
Peter Benenson | 1961–1966 |
Eric Baker | 1966–1968 |
Martin Ennals | 1968–1980 |
Thomas Hammarberg | 1980–1986 |
Ian Martin | 1986–1992 |
Pierre Sané | 1992–2001 |
Irene Khan | 2001–2010 |
Salil Shetty | 2010– |
Deutsche Sektion
Mitgliedschaft und Strukturen sind in der Satzung und einem Arbeitsrahmen geregelt.[7] Mitglieder können sich einer Gruppe anschließen. Seit Beschluss der Jahresversammlung 2010 zahlen alle Mitglieder Beiträge, es gibt jedoch die Möglichkeit, sich davon befreien zu lassen. Von Gruppen wird aktiver Einsatz durch gezielte Aktionen vor Ort, Briefeschreiben, Öffentlichkeitsarbeit und Spendeneinwerbung erwartet. Alle Mitglieder erhalten auch unabhängig von Gruppenaktivitäten Mitmachangebote. In Deutschland gibt es rund 25.000 Mitglieder, davon ca. 9000 in über 600 lokalen Gruppen, die in 48 Bezirke aufgeteilt sind. Daneben gibt es sogenannte Koordinationsgruppen, die die Arbeit zu einzelnen Ländern oder bestimmten Menschenrechtsthemen sektionsweit koordinieren. Etwa 70.000 Förderer unterstützen die Organisation durch regelmäßige Beiträge. Geleitet und nach außen vertreten wird die deutsche Sektion durch einen ehrenamtlichen Vorstand, der zurzeit aus sieben Mitgliedern besteht.[8] Vorstandssprecher ist Oliver Hendrich, der gemeinsam mit dem Vorstandsmitglied für Finanzen, Roland Vogel, den geschäftsführenden Vorstand bildet.[9]
Das Sekretariat der Sektion hat im Juli 2012 endgültig seinen Standort in Bonn aufgegeben und ist nunmehr ausschließlich in Berlin angesiedelt. Darüber hinaus gibt es seit 2011 ein kleines Regionalbüro in München, das die Mitgliedschaft in Süddeutschland unterstützt, neben einem Regionalbüro in Berlin. Das Sekretariat erledigt administrative Aufgaben für die Mitgliedschaft, macht Öffentlichkeitsarbeit und übernimmt Lobby-Aufgaben. Es beschäftigt über 60 Teil- und Vollzeitkräfte und wird von Selmin Çalışkan, die im März 2013 Wolfgang Grenz [10] ablöste, als Generalsekretärin geleitet.[11]
Einmal jährlich findet über zweieinhalb Tage zu Pfingsten die Jahresversammlung der deutschen Sektion statt. Alle Mitglieder sind antrags- und stimmberechtigt, Gruppen haben zusätzliches Stimmrecht. Förderer haben kein Stimmrecht und können nicht teilnehmen. Die Jahresversammlung wählt den siebenköpfigen, ehrenamtlichen Vorstand und beschließt Schwerpunkte der inhaltlichen Arbeit der Sektion. Die Diskussionen sind vertraulich („intern“), nur auf Beschluss der JV können einzelne Beschlüsse öffentlich gemacht werden.
Die deutsche Sektion finanziert sich überwiegend aus Mitglieds- und Fördererbeiträgen und Spenden, zu einem geringeren Teil aus Erbschaften, Verkaufserlösen, Geldbußen und Sammlungen. Seit mehreren Jahren führt die Organisation Direktdialoge in Städten durch, um Förderer zu gewinnen. Im Jahr 2010 wurden ca. 15,7 Millionen Euro eingenommen. Davon wurden etwas über 4,6 Millionen Euro an das internationale Sekretariat abgeführt, der Rest für die eigene Arbeit verwendet.[12] Zur Unterstützung der Arbeit von Amnesty International wurde im Mai 2003 die Stiftung Menschenrechte – Förderstiftung Amnesty International mit Sitz in Berlin gegründet.
In seinem im Fischer Verlag publizierten Jahresbericht 2011 beklagte Amnesty International am 13. Mai 2011 Folter und Misshandlung in mindestens 98 Staaten (2010: 111 Staaten), unfaire Prozesse in 54 Ländern (2010: 55 Länder), Zensur in 89 Ländern (2010: 96 Länder). Insgesamt attestierte Amnesty 157 Staaten, die Menschenrechte verletzt zu haben. Kritisch sah Amnesty International auch die europäische Flüchtlingspolitik. Der Streit um die Verteilung der etwa 30.000 „Bootsflüchtlinge“ aus Nordafrika in Italien zeige, dass das Verteilungssystem innerhalb der EU nicht funktioniert.[13]
Aktionen und Kampagnen
Die Organisation führt immer wieder große und kleine, internationale Themenkampagnen durch, die teilweise längerfristig, über mehrere Jahre, angelegt sind.
Internationale größere Schwerpunkte derzeit sind:
- Demand Dignity WSK-Rechte – Mit Recht gegen Armut
- Control Arms: Kampagne zur Kontrolle des Waffenhandels mit Kleinwaffen, also Gewehren, Pistolen, Elektroschockwaffen usw., die weit verbreitet sind und mit denen schwere Menschenrechtsverletzungen begangen werden.
1988 gab es eine internationale Amnesty-Konzerttour unter dem Titel Human Rights NOW!, die der Organisation zahlreiche neue Mitglieder einbrachte. Am 10. Dezember 2005 – dem Internationalen Tag der Menschenrechte – wurde ein neues Musikprojekt unter dem Titel Make Some Noise gestartet. Dabei veröffentlichten bekannte internationale Künstler, darunter The Black Eyed Peas, Serj Tankian und The Cure, Coverversionen von John-Lennon-Songs exklusiv auf der Website von Amnesty. Parallel zur Musik werden dort konkrete Kampagnen und Fälle vorgestellt.
Auszeichnungen
- 1976: Erasmuspreis
- 1977: Friedensnobelpreis
- 1984: Four Freedoms Award, in der Kategorie Meinungsfreiheit
- 1988: Hans-Böckler-Preis[14]
- 2001: Orden der Freiheit (Portugal)
Menschenrechtspreis
Die Organisation vergibt seit 1998 selbst alle zwei Jahre einen Menschenrechtspreis. Der Preis soll Persönlichkeiten auszeichnen, unterstützen und schützen, die sich unter oftmals schwierigsten Bedingungen für die Menschenrechte engagieren. Letzter Preisträger war 2011 der Mexikaner Abel Barrera, der sich für die Rechte der Indigenen einsetzt[15]
Kritik
Regierungen und nahestehende Kommentatoren, die von Amnesty International in ihren Berichten kritisch beurteilt werden, haben verschiedentlich Kritik an Amnesty geübt. So wurde Amnesty z. B. aus China,[16] Russland und dem Kongo Einseitigkeit gegen nicht-westliche Länder bei seinen Beurteilungen vorgeworfen, sowie dass die Sicherheitsbedürfnisse (z. B. bei der Bekämpfung von Rebellen) nicht genügend beachtet würden. Umgekehrt wurde Amnesty z. B. nach der Kritik an der israelischen Politik im Gazastreifen vom American Jewish Congress und von der US-Regierung[17] nach der Kritik am Gefangenenlager der Guantanamo Bay Naval Base angegriffen. Abseits der Länderkontroversen stand Amnesty auch in der Kritik, nachdem es die sogenannte „Brutkastenlüge“ als wahr angenommen und verbreitet hatte.
Neben den Vorwürfen der Einseitigkeit von verschiedenen Seiten gibt es kritische Stimmen, die bemängeln, dass Amnesty zu sehr auf Öffentlichkeitsarbeit ausgerichtet sei. Der Jura-Professor Francis Boyle (ehemaliges AI-Exekutivkomiteemitglied in den USA) warf Amnesty vor, als Ziel zuerst für Gelder und Mitglieder zu werben und sich erst danach für Menschenrechte einzusetzen.[18]
Des Weiteren kommt auch interne Kritik an Amnesty auf, seit auf der internationalen Ratstagung in Dakar im August 2001 eine Ausweitung des Mandats auf den Einsatz auch für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte[19] beschlossen wurde. Der Organisation wird von Teilen der Mitgliedschaft vorgeworfen, an Profil zu verlieren und ihr Betätigungsfeld zu sehr auszuweiten. Dadurch bestehe die Gefahr, dass die Organisation zu einem „Menschenrechts-Gemischtwarenladen“ mutiere und an Glaubwürdigkeit verliere. Amnesty solle sich weiterhin auf die bürgerlichen und politischen Rechte konzentrieren.[20] Diese Bedenken wurden in einem BBC-Beitrag zum 50. Geburtstag der Organisation aufgegriffen,[21] in dem auch darauf hingewiesen wurde, dass Amnesty International es bisher nicht geschafft habe, eine nennenswerte Anzahl von Mitgliedern außerhalb von Europa, den Vereinigten Staaten, Kanada, Australien und Neuseeland zu gewinnen.
Kritisiert werden – auch vereinsintern – Zahlungen in Höhe von rund 500.000 Pfund an die ehemalige internationale Generalsekretärin Irene Khan im Zusammenhang mit ihrem Ausscheiden aus der Organisation.[22]
Nachdem bekannt geworden war, dass die Menschenrechtsorganisation beabsichtigt, sich zukünftig für eine Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruches in gewissen Grenzen sowie für ein Recht auf einen Schwangerschaftsabbruch im Falle von Vergewaltigung, Inzest oder schwerwiegender Gefahr für Gesundheit oder Leben der Mutter einzutreten, sagte der Kurienkardinal der Römisch-katholischen Kirche Renato Raffaele Martino in einem Interview, Katholiken und kirchliche Organisationen sollten überlegen, ob sie Amnesty International weiter unterstützen könnten.[23] Amnesty International erwiderte darauf, sich nicht für ein universelles Recht auf Abtreibung, sondern für die Entkriminalisierung von Frauen in einer Notlage einzusetzen. In der Umsetzung dieser Politik hat Amnesty International ein völliges Verbot des Schwangerschaftsabbruchs als Folter im Sinne der Anti-Folterkonvention bezeichnet[24] sowie einschlägige Mitgliedschaftsaktionen gestartet.
Literatur
- Amnesty International: Jahresbericht 2012. S. Fischer, Frankfurt/Main 2012, ISBN 978-3-10-000836-7.
- Roland Brauckmann: Amnesty International als Feindobjekt der DDR (PDF; 276 kB), Berlin 1996, Schriftenreihe des Berliner Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR, Band 3
- Uta Devries: Amnesty International gegen Folter – eine kritische Bilanz. In: Beiträge zur Politikwissenschaft. Bd. 71, Peter Lang, Frankfurt am Main 1998, ISBN 3-631-32748-X.
- K. E. Cox: Should Amnesty International Expand its Mandate to Cover Economic, Social, and Cultural Rights? In: Arizona Journal of International and Comparative Law. Vol. 16, T.2, S. 261–284, 1999.
- Heike Alefsen, Wolfgang Behlert, Stefan Keßler, Bernd Thomsen: 40 Jahre für die Menschenrechte. Neuwied/Kriftel 2001, ISBN 3-472-04738-0, Aufsatzsammlung, hrsg. von Amnesty International
(darin auch ein Aufsatz: Einmischung, Einseitigkeit und mangelnde Ausgewogenheit – Anmerkungen zur Kritik an amnesty international, S. 34–44). - Anja Mihr: Amnesty International in der DDR: der Einsatz für Menschenrechte im Visier der Stasi, Ch. Links Verlag, Berlin 2002, ISBN 3-86153-263-8.
- Stephen Hopgood: Keepers of the Flame. Understanding Amnesty International. Cornell University Press, Ithaca, N.Y. 2006, ISBN 0-8014-7251-2, (Inhaltsangabe:KEEPERS OF THE FLAME).
- ai Bibliography – Index: Publications on Health and Human Rights Themes. 1985–2005 Amnesty International | Working to Protect Human Rights
- Ingrid Heinrich-Jost: Abenteuer Amnesty. Freiheit und Menschenwürde, Verlag Carl Ueberreuter, Wien 1991, ISBN 3-8000-1458-0.
Weblinks
- Internationale Website von Amnesty International (englisch, französisch, spanisch, arabisch)
- Sektionen: Deutschland, Liechtenstein, Österreich, Schweiz
- Amnesty-Jugend Deutschland
- Website des Amnesty International Journals
Einzelnachweise
- ↑ Bill Shipsey: The "Toast to Freedom" That Led to Amnesty International, Huffington Post, 22. September 2011
- ↑ The Guardian: The Forgotten Prisoners
- ↑ Carola Stern im Gespräch, abgerufen am 22. November 2012
- ↑ 40 Jahre amnesty international, abgerufen am 22. November 2012
- ↑ Wechsel an der Spitze der Schweizer Sektion von Amnesty International, 22. Dezember 2010
- ↑ About ai, abgerufen am 21. März 2011
- ↑ Satzung und Arbeitsrahmen von Amnesty Deutschland www.amnesty.de
- ↑ Der ehrenamtliche Vorstand auf amnesty.de
- ↑ Jahresversammlung wählte neuen Vorstand
- ↑ [1] Porträt Wolfgang Grenz 15.07.2011
- ↑ Selmin Caliscan ist neue Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland, 28. Februar 2013
- ↑ amnesty.de: amnesty.de
- ↑ Amnesty Report 2011: EU muss sich Verantwortung in der arabischen Welt stellen Amnesty International (abgerufen am 13. Mai 2011)
- ↑ www.boeckler.de
- ↑ amnesty.de, abgerufen am 20. Dezember 2012
- ↑ The U.S. and China This Week, U.S.-China Policy Foundation, 16 February 2001.
- ↑ Press Briefing By Scott McClellan, The White House, 25. Mai 2005
- ↑ Dennis Bernstein: Interview: Amnesty on Jenin – Dennis Bernstein and Dr. Francis Boyle Discuss the Politics of Human Rights. Covert Action Quarterly. 2002. Archiviert vom Original am 5. August 2009. Abgerufen am 28. Dezember 2010.
- ↑ Jahresbericht Ai 2004, Abschnitt Förderung der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte
- ↑ Nina Streeck: Kann mal einer Amnesty helfen, bitte. Die Weltwoche, Nr. 1/2006
- ↑ To enlarge the campaign to concern itself with "prisoners of poverty" makes it so large and all-embracing as to be virtually meaningless. John Tusa: Mid-life crisis for Amnesty?, BBC News, 28. Dezember 2010
- ↑ Informationen zu Zahlungen an Irene Khan, Amnesty.de, abgerufen am 19. Mai 2011
- ↑ Radio Vatikan: Vatikan: Abrücken von Amnesty International? 13. Juni 2007
Spiegel Online: Vatikan ruft zum Boykott von Amnesty International auf
FTD: Vatikan fordert Boykott von Amnesty wegen Abtreibung - ↑ www.amnesty.org
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