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Jüdische Grabsteine in Ulm
Die jüdischen Grabsteine in Ulm wurden von mittelalterlichen jüdischen Friedhöfen der Reichsstadt Ulm geraubt, um als Steine für den Bau des Ulmer Münsters sowie beim Wohnungsbau verwendet zu werden.
Provenienz
Ein erster jüdischer Friedhof befand sich am Neuen Tor, das heißt im Kreuzungsbereich der Kelter-, Wengen- und Sterngasse. Erstmals 1281 erwähnt, wurde er bis ins 14. Jahrhundert genutzt. Eine Stadterweiterung machte es notwendig, den Friedhof zu verlegen. Dieser zweite mittelalterliche jüdische Friedhof wurde 1356 erstmals erwähnt und befand sich im Bereich der Hauptpost. Im Jahr 1499 wurde er abgeräumt und die Steine als Spolien verbaut.[1]
Entdeckung, Dokumentation, Verlust
Schon im 17. Jahrhundert wurden drei Grabsteine als Spolien entdeckt und ihre hebräischen Inschriften entziffert. Am Ende des 18. Jahrhunderts fand man gleich neun. Anfang des 20. Jahrhunderts kannte man die Inschriften von 24 solcher Grabsteine, von denen allerdings einige verschollen waren.[2] Die ausführlichste Bearbeitung der Inschriften legte Markus Brann 1917 vor. Während der NS-Diktatur wurde auch der (neuzeitliche) alte jüdische Friedhof, an dessen Mauer einige der mittelalterlichen Grabsteine standen, zerstört.
Namen und Daten auf den Grabsteinen
Nicht alle Grabinschriften sind vollständig lesbar. In zeitlicher Ordnung bietet Markus Brann folgende Übersicht mit der Angabe des Ortes, an dem dieses Steine, soweit noch vorhanden, 1917 aufgestellt waren:[3]
Verstorbene(r) | Vater | Todesjahr | Inschriftträger | Bemerkungen |
---|---|---|---|---|
Frau Bellet | Rabbi Salomo haLevi | 1243 | Sandstein, 130 cm hoch, 50 cm breit.[4] | |
Frau Zeruja | Rabbi Kalonymos | 1274 | ||
Frau Ottilie | 1298 | Gelber Kalkstein (Jura), 150 cm hoch, 55 cm breit. | Da der Vatersname fehlt, erwog Brann, dass es sich um eine Proselytin handeln könne.[5] | |
Frau Miriam | Rabbi Salomo | 1305 | Sandstein, 150 cm hoch, 75 cm breit. | Der Grabstein wurde schon 1607 im Garten des Zeughauses am Gänsetor aufgefunden und in das Ulmer Münster gebracht, wo er an der Wand des nördlichen Seitenschiffs befestigt wurde.[6] |
Rabbi Mose | Rabbi Natan | 1306 | ||
Rabbi Mose | Rabbi Abraham | 1306 | ||
Frau Hanna | Rabbi Eljakim | 1331 | Der Grabstein ist im ersten Stock des Hauses Rabengasse 7 an der Fassade angebracht. | |
Rabbi Chajim | Rabbi Rechabja haKohen | 1335 | ||
Rabbi Mose | Rabbi Eleasar | 1341 | Sandstein, 200 cm hoch, 100 cm breit. | Auf der Rückseite befindet sich das Grundsteinlegungsrelief vom Brauttor des Münsters. |
Frau Hanna | Rabbi Natan | 1344 | ||
Rabbi Elija | Rabbi Jehuda haKohen | 1355 | ||
Frau Jutta | Rabbi Josef | 1361 | ||
Rabbi Josef | Menachem | 1363 | ||
Rabbi Rechabja | Rabbi Alexander | 1367 | ||
Rabbi Mose | Rabbi Gerschon | 1379 | Sandstein, verwittert, 130 cm hoch, 50 cm breit | Rechts vom Eingang des alten jüdischen Friedhofs aufgestellt.[7] |
Rabbi Kalonymos | Rabbi Schlumiel | 1383 | 80 cm hoch, 60 cm breit | Ebenfalls in die Umfassungsmauer des jüdischen Friedhofs eingelassen.[7] |
Frau Mina | Rabbi Mose | 1435 | Sandstein, noch 200 cm hoch, 100 cm breit | Auf der Vorderseite des Steins das Wappen des Hauseigentümers 1509, des Mediziners Johannes Stocker, und seiner Frau Barbara, dazu Psalm 115,1 (Vulgata). Der Anfang der Inschrift fehlt. Frau Mina war die Ehefrau des aus Ulmer Urkunden bekannten Rabbiners Seligmann.[8] |
Frau Hünlin | Rabbi Chiskija | 1457 | Nürtinger Sandstein, 165 cm hoch, 95 cm breit | In der Bauhütte des Münsters. |
Frau Miriam | Rabbi Isaak, Gelehrter | 1471 | Grauer Sandstein, oben abgerundet, 130 cm hoch, 80 cm breit | Rabbi Ascher haLevi ließ diesen Grabstein für seine Ehefrau setzen. Der Grabstein wurde in einem Wohnhaus entdeckt und an der Umfassungsmauer des alten jüdischen Friedhofs angebracht. Übersetzung der Grabinschrift: „Da liegt nun begraben in der Fülle des leides, das gewaltig ist, [mein] Kranz und [meine] Krone, mein frommes und biederes, frommes und sittenreines Weib, Frau Mina, die mir entrissen ward…“[9] |
Rabbi Menachem | Rabbi Simeon | 1489 | ||
Rabbi Simon | Rabbi Menachem | 1491 | Nürtinger Sandstein (Keuper), 85 cm hoch, 60 cm breit | In der Bauhütte des Münsters. |
Frau Brunlin | Rabbi Jakob | ohne Jahr | 80 cm hoch, 60 cm breit | Es fehlt das Ende der Inschrift mit der Jahreszahl. |
Frau Gula und Rabbi Abraham | Rabbi Abraham (Vater der Frau) | ohne Jahr | Grabstein eines Ehepaares, nur der mittlere Teil ist erhalten. | |
Frau Esther, die Greisin | Rabbi Meschullam | ohne Jahr | Gelber Kalkstein (Jura), 80 cm hoch, 60 cm breit | Wird im Münster aufbewahrt. |
Im Ulmer Münster verbaute Steine
Grundsteinlegungsrelief
Am Brautportal des Münsters befindet sich ein Relief, das zeigt, wie Lutz Krafft als Vertreter der Ulmer Bürgerschaft Maria kniend das Modell der Kirche darreicht. Er ist eine Kopie. Im Jahr 1869 entschied man sich, das Original auszutauschen, um es vor Verwitterung zu schützen. Bei der Abnahme stellte sich heraus, dass es sich um die Rückseite eines jüdischen Grabsteins handelte. Er bezeichnete das Grab des Rabbi Mose, Sohn des Rabbi Eleasar, der im Jahr 1341 verstorben und auf dem jüdischen Friedhof im Bereich des heutigen Bahnhofs beigesetzt worden war. Der christliche Steinraub fand offenbar schon bald nach der Beisetzung statt, da das Grundsteinlegungsrelief nach 1377 datiert wird.[10]
Grabstein der Mina
Dieser Grabstein ist heute im Eingangsbereich des Münsters unter dem Israel-Fenster ausgestellt. Er ist datiert auf den 26. August 1288. Im Jahr 1377 wurde er von dem ersten Baupfleger des zu errichtenden Münsters, Heinrich Füsinger, umgewidmet. Anschließend hat man den Stein in die Südmauer des Ulmer Münsters eingelassen.
Hebräisch | Deutsch |
---|---|
האבן הזאת | Diesen Stein |
שמתי מצבה | setzte ich als Steinmal |
לראש מרת מינה | zu Häupten der Frau Mina, |
בת ר יצחק הלבי | Tochter des Rabbi Yitzḥaḳ haLevi, |
הנפטרת ביום ו | Sie verstarb ist am Tag 6 (=Freitag) |
כ׳ו באלול מ׳ח | (dem) 26. im Elul 48 |
לפרט לעלף השש | nach der Zählung des sechsten Jahrtausends. |
מנוחתה בגן עדן | Ihre Ruhe sei im Garten Eden. |
אמן א א סלה | Amen, ich sage: Sela. |
In Wohnhäusern verbaute Steine
Der kleine Grabstein des Rabbi Mose (1379) ist bis heute im ersten Stock des Hauses Rabengasse 7 zu sehen.
Bei dem sogenannten Stocker-Stein am Haus des Ulmer Stadtarztes Johannes Stocker, Donaustraße 8, ist von einer antijüdischen Motivation des Bauherren auszugehen, denn dieser hatte 1490 Ulmer Juden bezichtigt, giftige Arzeneien zu verkaufen. Indem er 1509 einen jüdischen Grabstein zu einem Wappenstein für sein Haus umgestalten ließ, dokumentierte er wohl seinen Erfolg gegenüber der Konkurrenz jüdischer Mediziner.
Weblinks
- Jüdischer Historischer Verein von Augsburg: Die alten jüdischen Friedhöfe von Ulm
Literatur
- Markus Brann: Jüdische Grabsteine in Ulm. In: Württembergischer Rabbiner-Verein (Hrsg.): Festschrift zum 70. Geburtstage des Oberkirchenrats Dr. Kroner, Stuttgart / Breslau 1917. S. 162–188. (online)
- Georg Veesenmeister: Etwas von dem ehemaligen Aufenthalte der Juden in Ulm. Ulm 1797, S.6–12. (online)
Einzelnachweise
- ↑ Jüdische Friedhöfe in Baden-Württemberg. Abgerufen am 2. Januar 2019.
- ↑ Markus Brann: Jüdische Grabsteine in Ulm. S. 167.
- ↑ Markus Brann: Jüdische Grabsteine im Ulmer Münster. S. 168-169.
- ↑ Markus Brann: Jüdische Grabsteine in Ulm. S. 172.
- ↑ Markus Brann: Jüdische Grabsteine in Ulm. S. 174.
- ↑ Markus Brann: Jüdische Grabsteine in Ulm. S. 175.
- ↑ 7,0 7,1 Markus Brann: Jüdische Grabsteine in Ulm. S. 187.
- ↑ Jüdische Grabsteine. S. 182.
- ↑ Markus Brann: Jüdische Grabsteine in Ulm. S. 184.
- ↑ Grundsteinlegungsrelief des Ulmer Münsters mit rückseitiger jüdischer Grabinschrift. In: Museum Ulm. museum-digital, abgerufen am 2. Januar 2019.
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