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Pinchas Minkowski

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Pinchas Minkowski

Pinchas Minkowski (18591924), russischer Chasan und Komponist

Leben

Wiedergegeben nach dem Artikel von Kantor Nathan Goldman, erschienen in der Gemeindezeitung der IRGW, Sept.-Nov. 2021, S. 11 bis 13:

Pinchas Minkowski (1859–1924) - Der König unter den Chasanim

Nachdem ich Ihnen in den letzten beiden Ausgaben den berühmten Komponisten aus dem Westen, Louis Lewandowski vorgestellt habe, welcher seinerzeit auch ein Chasan gewesen ist, lassen Sie uns nun erneut einen Blick nach Osteuropa werfen, denn wie bereits bekannt ist, war diese Region sehr bedeutend für die Entstehung und Entwicklung des kantoralen Gesangs. Dort wurden viele Chasonim ausgebildet, die später weltweit Bekanntheit erlangten und bis heute, zumindest in Fachkreisen, unvergessen geblieben sind und eine Inspirationsquelle für ihre Nachfolger darstellen. Dazu hat auch Pinchas Minkowski beigetragen, über den ich Ihnen diesmal erzählen möchte. Obwohl gesagt wird, dass über die Biographie des „Königs unter den Chasanim“, wie er zu Lebzeiten bezeichnet wurde, nicht sehr viel bekannt ist, möchte ich diese Gelegenheit nutzen und Ihnen diesen Mann vorstellen. Den Mann, dessen musikalische Werke ich sehr schätze und dessen Porträt aus diesem Grund in der Bildergalerie meiner Lieblingskantoren, die bei mir zu Hause an der Wand zu finden ist, nicht fehlen darf.

Pinchas (Pinie) Minkowski wird 1859 in Bila Zerkwa, in der heutigen Ukraine, geboren. Sein Vater ist Chasan und herausragend in seinem Beruf, welchen er für 45 Jahre in der ortsansässigen Großen Synagoge ausübt. Mütterlicherseits kann der Stammbaum bis ins 16. Jahrhundert bis zum bekannten Talmudgelehrten und Rabbiner Jomtow Lipmann Heller (1579-1654) nachverfolgt werden. Als Kind singt Minkowski zusammen mit seinem Vater und eignet sich nebenbei Kenntnisse in Musik an. Nach einem umfassenden Tora- und Talmudstudium, welches ihm eine umfassende religiöse Bildung ermöglicht, geht er nach Berdytschiw in die damalige Metropole des kantoralen Gesangs. Dort wird er Schüler des berühmten Chasans Nissi Belzer (1824-1906), der damals als der Vater des traditionellen Chasanuts, des traditionellen kantoralen Gesangs, in der Ukraine bezeich- net wird. Der junge Minkowski wird von ihm in die Welt des Chasanuts eingeführt und übernimmt bereits mit 18 Jahren dessen Nachfolge als Kantor der dortigen Synagoge. Nach ein paar Jahren geht er nach Chișinău (Kischinew) und bekommt dort in jungen Jahren das Amt des ersten Kantors der Choral-Synagoge.

Später geht er nach Wien, um seine allgemeinen Musikkenntnisse zu vertiefen, und widmet sich zudem einem ausgiebigen Studium der liturgischen Musik, welche sein Interesse geweckt hat. Seinen Meinungsgegnern, welche davon überzeugt sind, dass mit der Zerstörung des Tempels auch die typisch jüdische Musik bzw. die jüdischen Gebetsmelodien verschwanden, entgegnet Minkowski entschieden mit zahlreichen Beiträgen, die er in mehreren Sprachen verfasst und in denen er versucht das Gegenteil zu beweisen. Es wird gesagt, dass Minkowski zur richtigen Zeit kam, um das damals vorherrschende eher niedrige Niveau des Chasanuts und den Status des Chasans zu erhöhen, denn er ist es, der dafür sorgt, dass Menschen auch in der Diaspora Kenntnisse in Musiktheorie erlangen und die traditionellen Gebetsmelodien erlernen. Ein Umstand der wesentlich zur Verbesserung des kantoralen Gesangs beiträgt.

Sein Weg führt ihn dann über Engagements in den Städten Cherson, Lemberg und Odessa schließlich in den weiten Westen nach New York, wo er für drei Jahre Chasan der Khal Adath Jeshurun Gemeinde wird. Schließlich kehrt er Amerika jedoch den Rücken zu und geht im Jahre 1892 wieder zurück nach Odessa, um das ihm angebotene Amt des ersten Chasans der Brodsky Synagoge anzunehmen, welches er dann für dreißig Jahre ausübt. Die Brodsky Synagoge gehört damals – in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts – zu einem der wichtigsten Zentren des jüdisches Lebens und ist das Zuhause für einen großen Teil der jüdischen Bürger von Odessa. Von etwa 1880 bis in die 1920er Jahre ist die jüdische Gemeinde von Odessa die zweitgrößte im damaligen Russland, was dem enormen Anstieg der jüdischen Bevölkerung in diesen Jahren zu verdanken ist. Odessa wird zum Mittelpunkt jüdischen Lebens und zeichnet sich durch viele Kultur- und Bildungseinrichtungen aus.

Minkowski hat zu dieser Zeit den Ruf eines herausragenden Chasans inne, der sich durch seine Professionalität auszeichnet. Mit seiner süßlichen, jedoch nicht zu kraftvollen Tenorstimme konzentriert er sich auf den reinen Gesang, ohne dabei auf zusätzliche Gesangseffekte zurückzugreifen, wie beispielsweise Wortwiederholungen oder den Einsatz der Falsettstimme, einer erzwungenen Singtechnik, die es Männern möglich macht höher zu singen, als es ihr Stimmumfang eigentlich zulässt. Für ihn liegt der Schwerpunkt in der gesanglichen Interpretation der Gebete und dem Ausdruck des religiösen Gefühls. Neben seiner Anstellung als Chasan lehrt er am jüdischen Konservatorium, ist Vorsitzender eines Musikvereins und veröffentlicht viele Artikel über Chasanut und die jüdische Musik.

Daher ist es für ihn eine ganz besondere Freude, als er bei seiner Ankunft in der Brodsky Synagoge den berühmten jüdischen Komponisten und Musiklehrer David Novakowski (1848-1921) als Chorleiter vorfindet. Er nimmt seine Kompositionen in den Gottesdienst auf und man kann sagen, dass Minkowski seinen Erfolg nicht zuletzt auch diesen wunderschönen Kompositionen von Novakowski zu verdanken hat. Diese in Kombination mit der wundervollen Stimme von Minkowski und dem Synagogenchor sind ein Traum. So erlangt der Schabbatgottesdienst in der Brodsky Synagoge während der Minkowski-Novakowski-Periode europaweite Berühmtheit und lockt zahlreiche Besucher aus dem In-und Ausland nach Odessa. Das Duo sorgt für einen würdevollen Gottesdienst, der sich durch seine bezaubernden liturgischen Klänge auszeichnet und den Zuhörern sowohl geistige Erhebung als auch Freude bereitet.

Minkowski gelingt es die Synagoge als beispielhaften „Gebetstempel“ zu etablieren, wo die traditionellen Melodien seines Lehrers Nissi Belzers im Einklang mit den modernen Kompositionen von David Nowakowski zu hören sind und er wird zum Vorbild für seine Nachfolger. Pinchas Minkowski stirbt 1924 in Boston und wird in Philadelphia beigesetzt.

Ihnen ist bestimmt auch schon einmal eine Komposition von Minkowski begegnet, da bin ich mir ziemlich sicher, zumindest denjenigen von Ihnen, die noch vor Corona regelmäßig am Kiddusch am Schabbatmorgen dabei waren, denn die Melodie, in der wir üblicherweise das Tischgebet, das Birkat Hamazon singen, stammt von Pinchas Minkowski und nicht wie von einigen angenommen vom weltberühmten Chasan Jossele Rosenblatt.

Ihr Kantor Nathan Goldman

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