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Professionalisierung
Unter Professionalisierung im weiteren Sinne versteht man die Entwicklung einer privat oder ehrenamtlich ausgeübten Tätigkeit zu einem Beruf (entspricht: Verberuflichung). Eine solche Professionalisierung geht oft mit einer Steigerung der Effizienz einher. Im Rahmen der Professionalisierung werden häufig Qualitätsverbesserungen und Standardisierungen erreicht. Im engeren Sinne bezeichnet Professionalisierung die Entwicklung eines Berufs zu einer Profession (von lateinisch professio „Bekenntnis/Gewerbe/Beruf“). Als Profession wird dabei ein akademischer Beruf mit hohem Prestige betrachtet, der vor allem wegen der Herausforderung, die in der Aufgabe liegt, ausgeübt wird. Weitere Merkmale einer Profession sind: ein hoher Grad an beruflicher Organisation (Standesorganisation), persönliche und sachliche Gestaltungs- und Entscheidungsfreiheit in der Tätigkeit sowie eine eigene Berufsethik. Die Profession wird abgegrenzt gegen den Job (befristete Tätigkeit, ausschließlich zum Gelderwerb) und zum Beruf, der den Lebensunterhalt auf Dauer sichern soll. Zu den Professionen gehörten zunächst nur wenige Berufe wie Arzt, Jurist, Geistlicher.
Andere Berufe wie Beratung (Counseling) oder Soziale Arbeit befinden sich auf dem Weg zur Profession (Stichwort Wissensgesellschaft, Verwissenschaftlichung). Die Tendenz der beratenden Berufe zur Professionalisierung ist jedoch nicht unumkehrbar, weil in vielen Beratungsbereichen praxiserfahrene Laien (Facilitators), die mit einer nicht zu starren Methodik arbeiten und gut vernetzt sind, ebenso gute Erfolge erzielen wie Professionals (z.B. Employment Counseling, Arbeitsvermittlung, Career Counseling, Health Counseling).
Historische Entwicklung
Rudolf Stichweh[1] beschreibt das Phänomen der Professionen durch den Wandel der Ständegesellschaft zur funktional differenzierten Gesellschaft, sowie ihrer Relevanz in ihr. Professionen entwickelten sich je nach Land unterschiedlich, ein Beispiel hierfür ist der Unterschied zwischen dem angloamerikanischen und dem kontinentaleuropäischen Raum. In Amerika wurde großer Wert auf die Verwaltung der praktischen Ausbildung und Prüfung des Nachwuchses gelegt. Zudem gilt es, die Ordnungen innerhalb der Professionen zu berücksichtigen. Deutschland und Frankreich hingegen unterschieden stark innerhalb der professionellen Berufe zwischen praktischem und dem akademisch-wissenschaftlichen Wissen. Heute zeichnen sich Professionen durch eine akademisch wissenschaftliche Ausbildung aus, sind teilautonom, aber zugleich vom Staat beeinflusst. Die Professionen der Frühmoderne charakterisierten sich durch das Einbeziehen aller gesellschaftlichen Problemzüge des Menschen und nehmen daher auf die ganze Gesellschaft Bezug. Die Professionen des 20. Jhd. konzentrieren sich stärker auf die Funktion gesellschaftlicher Teilbereiche, die sich mit der Veränderung ihrer personalen Umwelt beschäftigen.
Professionsmodelle
Die klassische Professionssoziologie dominierte bis in die sechziger Jahre im anglo-amerikanischen Raum und fand insbesondere mit den Werken von Hansjürgen Daheim und Albrecht Hesse[2] seinen Weg in den deutschsprachigen Bereich. Nach Thomas Kurtz[3] können über die Beschreibung äußerer Merkmale von Professionen hinaus (Attributemodell) fünf theoretische Positionen unterschieden werden, die dem Prozess der Professionalisierung eine andere Bedeutung zuschreiben.
Attributemodell
- Wissenschaftlich fundiertes Sonderwissen, spezielle Fachterminologie
- langandauernde, theoretisch fundierte Ausbildungsgänge auf akademischem Niveau (staatl. Lizenz)
- berufständische Normen (code of ethics), Eigeninteressen gesetzlich beschränkt (non-profit)
- exklusives Handlungskompetenzmonopol
- Tätigkeitsbereich besteht aus gemeinnützigen Funktionen, Aufgaben von grundlegender Bedeutung
- Autonomie bei der Berufsausübung (Fach- und Sachautorität)
- Selbstkontrolle durch Berufsverbände, Interessenvertretung
Strukturfunktionalistische Sichtweise
Nach Talcott Parsons bestehen und entstehen Professionen aus einem tätigkeitsspezifischen Wertekonsens, damit in der Lösung von bestimmten Problemen, deren Streben danach eine hohe gesellschaftliche Wertschätzung genießt. Eine weitere Prämisse für Profession stellt für Parsons das Risiko des Scheiterns bei dieser Tätigkeit dar. Weitere Gemeinsamkeiten sieht er in den Strukturgleichheiten der Profession: -professionelle Berufsarbeit -ökonomisches Marktverhalten -bürokratische Verwaltung
Symbolisch-Interaktionstheoretische Sichtweise
Die Arbeit an Personen ist in der interaktionistischen Sichtweise zentrales Merkmal einer Profession. Erst die Interaktion mit dem Klienten definiert das spezifische Tätigkeitsfeld des Experten schrittweise. Experte und Laie bzw. Klient entstammen dabei aus verschiedenen Sinnwelten, deren Abstand in der Auseinandersetzung miteinander und in nächträglicher bzw. zwischenzeitlicher Supervision zu überwinden ist.[4]
Machttheoretischer Ansatz
In diesem Ansatz wurde den Professionen von der Gesellschaft die Erlaubnis erteilt, in bestimmte Bereiche der Privatsphäre ihrer Mitglieder einzugreifen. Da die Gesellschaft auf die Leistungen der Professionen (Heilen, Recht sprechen,…) angewiesen ist, werden den entsprechenden Berufsgruppen besondere Privilegien zugesprochen. Neben den klientenorientierten Fähigkeiten spielt bei den Professionen der Erhalt der ihnen gewährten Privilegien eine wichtige Rolle. Hierzu üben sie auch eine Kontrolle über ihren jeweiligen Markt aus.[5]
Strukturtheoretischer Ansatz
Ulrich Oevermann sieht in der Profession die „Vermittlung zwischen Theorie und Praxis im Hinblick auf die Lösung manifester Probleme von Klienten.“ Durch eine stellvertretende Deutung verknüpft der professionell Handelnde sein generalisiertes Regelwissen und hermeneutisches Fallverstehen mit den Strukturproblemen der Lebenspraxis seiner Klienten. Anderen Professionstheorien wirft Oevermann ein theoretisches Defizit vor, das darin liege, dass sie strukturtheoretisch nicht imstande sind zu erklären, wie die professionellen Tätigkeiten ablaufen, deren Aufgabe es ist, Krisen zu bewältigen.
Systemtheoretische Sichtweise
In dem Begriff der Profession ist aus systemtheoretischer Perspektive der Beruf als erlernte und historisch gewachsene Erwerbsarbeit eine Teilmenge. Die Profession als ein autopoietisches Subsystem zeichnet sich nach Kurtz durch eine „spezifische Ausbildung für einen besonderen Tätigkeitsbereich“ aus. Als Zwei-Seiten-Formen bildet sie sich nach Luhmann entlang eines binären Codes heraus (am Beispiel der Wissenschaft wahr/unwahr) und differenziert sich dabei immer mehr aus. Professionen bilden dabei symbolisch generalisierte Kommunikationsmedien heraus, um die Wahrscheinlichkeit gelingender Kommunikation zu erhöhen, d.h. die Kommunikation innerhalb eines Teilsystems zu vereinfachen. Eine Sonderrolle nehmen hierbei die Tätigkeitsfelder ein, die sich um Probleme der Inklusion bemühen. Dort ist die Generalisierung von Kommunikation nicht möglich und wird ersetzt durch „professionell betreute Interaktion unter Anwesenden“. Leitprofessionen spielen eine bedeutende Rolle für das Funktionssystem. Sie verwalten das Wissen auf der Handlungsebene, kontrollieren und delegieren zugleich. Stichweh benutzt den Begriff des monoberuflichen Funktionssystems, das heißt, dass nur eine Berufsgruppe die Einheit eines Systems darstellt. Die Binnenperspektive wird nun zur Aufgabe der Professionen. Sie beschäftigen sich auf der Handlungsebene mit verschiedenen Inklusionsproblematiken der jeweiligen Funktionssysteme. Die Professionen sind dabei immer mit der Aufgabe konfrontiert, Wissen zu verwalten. Dabei handelt es sich nicht um wissenschaftliches Wissen, sondern um das Wissen in den Systemen.
Neuere Modelle
In neuerer Zeit sind Professionsmodelle entstanden, die auch den sozialen und strukturellen Entwicklungen der (nach-)industriellen Gesellschaft gerecht werden. Dies ermöglicht weiteren Berufen, mit berechtigtem Professionsanspruch (wie z.B. Soziale Arbeit), sich als solche zu beschreiben. Die neueren Modelle konzentrieren sich auf Punkt 1 und Punkt 3 des »Indikationstheoretischen Modells«, also auf die wissenschaftliche Begründungspflicht und den Berufskodex. Beispiele hierfür sind zum einen das »Modell der reflexiven Professionalität« nach Dewe/ Otto und das »Wert- und wissenschaftstheoretische Modell« nach Obrecht.
Eine Professionalisierung von Frauendomänen und eine Berücksichtigung von weiblich konnotierten Anforderungen in der Arbeitsbewertung gelten als eine Strategie zur Überwindung der Spaltung der Sektoren für Männer und Frauen.[6]
Siehe auch
Literatur
- Buchholz, Michael B.: Psychotherapie als Profession. Psychosozial-Verlag, Gießen 1999.
- Combe, Arno / Helsper, Werner (Hrsg.): Pädagogische Professionalität: Untersuchungen zum Typus pädagogischen Handelns, Frankfurt a. M. 1996.
- Faust, Dennis: Die Professionalisierung politischer Karrieren: eine empirische Untersuchung der Mitglieder des 14.-16. Deutschen Bundestages. Saarbrücken : VDM Verl., 2007, ISBN 978-3-8364-5198-7
- Freitag, Christine / Solzbacher, Claudia: Wege zur Mündigkeit – Herausforderungen pädagogischer Professionalisierung. Osnabrück: Rasch 1999, ISBN 9783932147678.
- Geuter, Ulfried: Die Professionalisierung der deutschen Psychologie im Nationalsozialismus. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1984, Taschenbuchausgabe 1988: ISBN 3518283014
- Lemmermöhle, Doris / Jahreis, Dirk (Hrsg.): Professionalisierung der Lehrerbildung. Perspektiven und Ansätze in internationalen Kontexten. Weinheim 2003 (Die Deutsche Schule, 7. Beiheft).
- Mieg, Harald A.: Professionalisierung. In: F. Rauner (Hrsg.): Handbuch Berufsbildungsforschung. (S. 342-349). Bertelsmann: Bielefeld 2005.
- Mieg, Harald A. / Pfadenhauer, Michaela (Hrsg.): Professionelle Leistung - Professional Performance: Positionen der Professionssoziologie. UVK, Konstanz 2003.
- Osterchrist, Renate: Professionalisierung im Bereich Human Ressourcen. Eine qualitative Untersuchung zu Lern- und Veränderungsprozessen im Rahmen der Ausbildung zum systemischen Berater. Diplomarbeit im Fach Psychologie an der Universität Mannheim, 1996.
- Pfadenhauer, Michaela: Professionalität. Eine wissenssoziologische Rekonstruktion institutionalisierter Kompetenzdarstellungskompetenz. Opladen 2005.
- Ruiz Ben, Esther: Professionalisierung der Informatik: Chance für die Beteiligung von Frauen? Wiesbaden: Deutsche Universitätsverlag. 2005.
Weblinks
- Leseliste der Sektion Professionssoziologie der Deutschen Gesellschaft für Soziologie
Einzelnachweise
- ↑ Rudolf Stichweh: Professionen in einer funktional ausdifferenzierten Gesellschaft. In: Arno Combe & Werner Helsper (Hrsg.): Pädagogische Professionalität. Untersuchungen zum Typus pädagogischen Handelns. Suhrkamp, Frankfurt 1996, ISBN 3-518-28830-X, S. 49-69
- ↑ Hans Albrecht Hesse: Berufe im Wandel. Ein Beitrag zum Problem der Professionalisierung. Enke, Stuttgart 1968
- ↑ Thomas Kurtz: Die Berufsform der Gesellschaft. Velbrück, Weilerswist 2005, ISBN 3-934730-91-4, S. 36
- ↑ Fritz Böhle, G. Günter Voß & Günther Wachtler (Hrsg.): Handbuch Arbeitssoziologie. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2010, ISBN 978-3-531-15432-9
- ↑ Hansjürgen Daheim: Zum Stand der Professionssoziologie. Rekonstruktion machttheoretischer Modelle der Profession. In: Bernd Dewe, Wilfried Ferchhoff & Frank-Olaf Radtke (Hrsg.): Erziehen als Profession. Zur Logik professionellen Handelns in pädagogischen Feldern. Leske und Budrich, Opladen 1992, ISBN 3-8100-0840-0, S. 21-35
- ↑ Barbara Stiegler: Geschlechter in Verhältnissen. Denkanstöße für die Arbeit in Gender Mainstreaming Prozessen. (PDF; 225 kB) Wirtschafts- und sozialpolitisches Forschungs- und Beratungszentrum der Friedrich-Ebert-Stiftung, November 2004, abgerufen am 6. Juni 2008 (ISBN 3-89892-211-1). S. 22.
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