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Abschiebehaft

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Abschiebehaft oder Abschiebungshaft (in Österreich: Schubhaft, in der Schweiz Ausschaffungshaft) ist ein Begriff aus dem Ausländerrecht. Es handelt sich um eine Freiheitsentziehung, die in festgelegten Situationen in Zusammenhang mit einer Abschiebung für eine bestimmte Dauer durch einen Richter angeordnet werden kann.

Ehemaliges Abschiebehaftgefängnis, Zweibrücken

Deutschland

In Deutschland wird normativ der Begriff Abschiebungshaft (vgl. § 62 AufenthG) verwendet.

Ausländer dürfen sich in Deutschland nur dann aufhalten, wenn sie über ein Aufenthaltsrecht verfügen, z.B. als freizügigkeitsberechtigter EU-Bürger, als Inhaber eines gültigen Aufenthaltstitels oder wenn sie von Gesetzes wegen vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels befreit sind, z.B. im Rahmen eines kurzfristigen visumsfreien Aufenthalts (vgl. Länderliste in Anhang II der EU-VisumsVO) oder auf Grund sonstiger Vergünstigungen (vgl. §§ 15ff. AufenthV).

Ausländer, die kein explizites Recht zum Aufenthalt haben, sind auch ohne besondere Aufforderung verpflichtet, das Land zu verlassen (Ausreisepflicht, vgl. § 50 Abs. 2 AufenthG). Eine Duldung stellt insofern kein Aufenthaltsrecht dar, sondern sichert einem Ausländer nur eine befristete Aussetzung der Abschiebung zu.

Ist die Ausreisepflicht darüber hinaus vollziehbar (vgl. § 58 Abs. 2 AufenthG), eine gesetzte Ausreisefrist abgelaufen und die freiwillige Erfüllung der Ausreisepflicht nicht gesichert, dann hat die Behörde eine Abschiebung vorzunehmen, vgl. § 58 Abs. 1 AufenthG.

Nur wenn die Abschiebung nach den dargestellten Regelungen rechtlich möglich ist, kommt Abschiebehaft in Form von Sicherungshaft in Frage. Anderes gilt für die Vorbereitungshaft, welche jedoch vergleichsweise selten angeordnet wird.

Im deutschen Recht ist die Anordnung und der Vollzug von Abschiebungshaft von Minderjährigen nicht generell ausgeschlossen. Jedoch sind andere Unterbringungsformen stets vorzuziehen und Haft nur als letztes Mittel zulässig. Die antragstellende Behörde hat im Haftantrag entsprechend umfassend darzulegen, welche anderen Unterbringungsmöglichkeiten sie in Betracht gezogen hat und warum diese im konkreten Fall als unzureichend angesehen wurde. In der Praxis verletzt die Anordnung von Abschiebungshaft gegen Minderjährige in der Regel den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.[1]

Umsetzung

Die Abschiebehaft gibt es in zwei Formen:

Vorbereitungshaft
Diese wird angewandt, wenn der betroffene Ausländer zur Vorbereitung einer Ausweisung auf richterliche Anordnung in Haft genommen wird. Dies geschieht dann, wenn über die Ausweisung nicht sofort entschieden werden kann und die (nachfolgende) Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde.
Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten. Wenn über die Ausweisung zum Nachteil des Betroffenen entschieden wurde, kann die Haft ohne neue richterliche Anordnung bis zum Ende der angeordneten Haftdauer fortgesetzt werden.
Sicherungshaft
Diese wird angewandt, wenn
  1. der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist,
  2. die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort gewechselt hat, ohne der Ausländerbehörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist,
  3. er aus von ihm zu vertretenden Gründen zu einem für die Abschiebung angekündigten Termin nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde,
  4. er sich in sonstiger Weise der Abschiebung entzogen hat oder
  5. der begründete Verdacht besteht, dass er sich der Abschiebung entziehen will.
Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann in Fällen, in denen der Ausländer seine Abschiebung verhindert, um höchstens zwölf Monate verlängert werden.

Durchgeführt wird Abschiebungshaft teilweise in Gefängnissen für den Strafvollzug, in Untersuchungshaft oder in Polizeigewahrsam, wobei nach neuerer Rechtsprechung eine Unterbringung in Justizvollzugsanstalten grundsätzlich rechtswidrig ist und zwar auch dann, wenn die Häftlinge getrennt von Strafgefangenen untergebracht werden (vgl. (§ 62a AufenthG)).[2] In einigen Bundesländern existieren eigene Abschiebehaftanstalten.

Das größte europäische Abschiebegefängnis war die Justizvollzugsanstalt Büren in der Nähe von Paderborn. Hier befanden sich bis zu 530 männliche Abschiebegefangene. Sie wurde nach zwischenzeitiger Schließung im Mai 2015 als reine Abschiebehaftanstalt wiedereröffnet (100 Plätze). Weitere Abschiebehaftanstalten sind in Eisenhüttenstadt (Brandenburg, 108 Plätze), Mühldorf am Inn (Bayern, 68 Plätze für Männer, 14 Plätze für Frauen), Langenhagen (Niedersachsen, 15 bis 30 Plätze), Ingelheim am Rhein (Rheinland-Pfalz, 70 Plätze). Früher bestanden Abschiebehaftanstalten in Berlin-Köpenick und Rendsburg[3] (Schleswig-Holstein). Auch in der JVA Mannheim[4] (Baden-Württemberg) sowie in der JVA Volkstedt (Sachsen-Anhalt) wurde Abschiebehaft vollzogen.

Abschiebehaft wird von den Ausländerbehörden bei den Amtsgerichten beantragt; im Falle von Zurückschiebungen erfolgt die Antragstellung durch die Bundespolizei. Es gelten die Regeln des 7. Buches (Verfahren in Freiheitsentziehungssachen) des Familienverfahrensgesetzes (FamFG). Die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen von Verfahrenskostenhilfe (§§ 76ff. FamFG) ist möglich, in der Praxis erfolgt eine Entscheidung über die Verfahrenskostenhilfe jedoch häufig erst zusammen mit der Entscheidung über den Haftantrag selbst.

Wird Abschiebehaft in Justizvollzugsanstalten vollzogen, so gilt bei der Unterbringung das Strafvollzugsgesetz als Regelung für die Unterbringung. Viele der deutschen Länder haben zusätzliche Regelungen in Form von Gesetzen und Erlassen erstellt. Der EuGH entschied 2014, dass Deutschland und andere EU-Mitgliedsstaaten sich nicht auf das Fehlen spezieller Hafteinrichtungen in einem Teil des Hoheitsgebiets berufen dürfen, um abzuschiebende Drittstaatsangehörige in gewöhnlichen Haftanstalten unterzubringen.[5] Die Unterbringung von Abschiebehäftlingen im Strafvollzug war zuvor in zehn der 16 Bundesländer üblich, die über keine gesonderten Einrichtungen verfügten.[6]

Die Abschiebehaft gilt rechtlich nicht als Strafe. Erweist sich die Durchführung von Abschiebungshaft nachträglich als rechtswidrig, hat der Betroffene daher auch keinen Anspruch auf Haftentschädigung nach dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen. Allerdings besteht in der Regel ein Anspruch auf Schadensersatz im Rahmen der Amtshaftung oder nach Art. 5 Abs. 5 EMRK, wobei sich die Justizverwaltungen und die Rechtsprechung dann häufig an den Vorschriften zur Haftentschädigung nach dem StrEG orientieren.

Der Bundesgerichtshof befand im Juni 2014, dass Flüchtlinge, die auf ihre Überstellung in ein anderes EU-Land warten, nicht in Abschiebehaft genommen werden dürfen. Eine Inhaftnahme wäre dem Gericht zufolge nicht konform mit der nach dem 1. Januar 2014 unmittelbar anzuwendenden Dublin-III-Verordnung. Denn eine Inhaftierung setzt eine nach objektiven gesetzlich festgelegten Kriterien im Einzelfall feststellbare „erhebliche Fluchtgefahr“ voraus; das geltende deutsche Aufenthaltsgesetz legt jedoch keine solchen Kriterien fest.[7]

Geschichte

Eine erste Abschiebehaft-Regelung wurde in Bayern 1919 während der Nachkriegswirren verabschiedet. Am 25. Mai 1919 verabschiedeten die Ministerien für Inneres und militärische Angelegenheiten die „Bekanntmachungen über Aufenthalts- und Zuzugsbeschränkungen“, die das geltende Fremdenrecht unter der Maßgabe einer Revolutionsprävention (unmittelbar nach Ende der Münchner Räterepublik) verschärften. Mit diesen Änderungen wurde der Grundstein für die heutige Abschiebehaftpraxis und das heutige Ausländerrecht gelegt.

In der 1938 verabschiedeten „Ausländerpolizeiverordnung“ fand die bayrische Regelung im § 7 Eingang: „Der Ausländer ist (…) durch Anwendung unmittelbaren Zwanges aus dem Reichsgebiet abzuschieben, wenn er das Reichsgebiet nicht freiwillig verlässt oder wenn die Anwendung unmittelbaren Zwanges aus anderen Gründen geboten erscheint. Zur Sicherung der Abschiebung kann der Ausländer in Abschiebehaft genommen werden.“ Diese Regelung der Ausländerpolizeiverordnung galt in Westdeutschland unverändert bis 1965.

Von 1965 bis 2004 regelten die beiden Ausländergesetze die Abschiebehaft: Das Gesetz von 1965 in § 16 und das Gesetz von 1990 in § 57. Seit 2005 gilt in der Bundesrepublik Deutschland das Aufenthaltsgesetz. Darin regelt § 62 die Abschiebehaft.

Österreich

Die Inhaftierung von ausländischen Staatsbürgern unterliegt dem Verwaltungsrecht und wird seit 1. Jänner 2006 im „Bundesgesetz über die Ausübung der Fremdenpolizei, die Ausstellung von Dokumenten für Fremde und die Erteilung von Einreisetiteln (Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG)“ – vor allem §§ 76 bis 81 geregelt.

Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf Schubhaft verhängt werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen. Bei Minderjährigen ist das so genannte „gelindere Mittel“ etwa Meldepflichten vorzuziehen.

Die Haft wird von einem Beamten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl mittels Bescheid angeordnet. Diese Behörde ist dem Bundesministerium für Inneres unterstellt. Die maximale Dauer der Schubhaft beträgt zehn Monate.

In der Regel wird die Schubhaft in einem Polizeianhaltezentrum vollzogen, das den Bestimmungen des Verwaltungsstrafgesetzes bzw. der Anhalteordnung unterliegt. Als zuständige Oberbehörde tritt das Bundesministerium für Inneres auf. In nur wenigen Fällen wird auf Justizanstalten zurückgegriffen. Die einzelnen Gefangenenhäuser haben eine stark unterschiedliche Kapazität zwischen 7 und ca. 300 Häftlinge.

Die österreichische Schubhaftpraxis wird heftig kritisiert. Das Committee for the Prevention of Torture des Europarates (CPT) bezeichnete diese im letzten Jahresbericht (2005) wörtlich als „inakzeptabel“.[8]

Schweiz

Im Schweizer Recht wird zwischen Vorbereitungshaft, Ausschaffungshaft und Durchsetzungshaft unterschieden. Alle drei Haftarten sind zulässig für Erwachsene sowie für Minderjährige ab 15 Jahren. Es handelt sich um Administrativhaft, die von den zuständigen kantonalen Behörden - i.d.R. die Fremdenpolizei - angeordnet wird. Die Haft muss innerhalb einer bestimmten Frist von einem Haftrichter auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft werden. Die Inhaftierung von ausländischen Staatsbürgern ohne Aufenthaltsbewilligung ist im „Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer“ vom 1. Januar 2008[9], Art. 73-82, geregelt. Zu den Zwangsmassnahmen im Gesetz gehören auch die kurzfristige Festhaltung (max. 3 Tage) sowie die Ein- oder Ausgrenzung (Verbot, ein bestimmtes Gebiet zu verlassen oder zu betreten).

Die Vorbereitungshaft kann gegen Personen ohne Aufenthaltsbewilligung verhängt werden, um die Durchführung eines Wegweisungsverfahrens sicherzustellen. Mögliche Gründe für eine Vorbereitungshaft werden im Gesetz unter Art. 75 Abs. 1 Bst. a-h angeführt. Die Maximaldauer der Vorbereitungshaft ist 6 Monate.

Die Ausschaffungshaft kann anschließend an die Vorbereitungshaft oder neu angeordnet werden. Sie bezweckt die Sicherstellung des Vollzugs eines Weg- oder Ausweisungsentscheids oder kann wegen fehlender Mitwirkung bei der Beschaffung der Reisepapiere angeordnet werden. Die Maximaldauer der Ausschaffungshaft beträgt 60 Tage.

Die Durchsetzungshaft kann angeordnet werden, wenn eine Person die Schweiz nicht innerhalb der ihr gesetzten Frist verlassen hat und eine Weg- oder Ausweisung aufgrund ihres persönlichen Verhaltens nicht vollzogen werden kann. Sie kann auch angeordnet werden, wenn die Anordnung der Ausschaffungshaft nicht zulässig ist und eine mildere Maßnahme nicht zum Ziel (der Ausreise der Person) führt. Die Durchsetzungshaft kann für einen Monat angeordnet und mit Zustimmung der kantonalen richterlichen Behörde jeweils um zwei Monate verlängert werden.

Alle drei Haftarten dürfen zusammen die maximale Dauer von sechs Monaten nicht überschreiten. Mit Zustimmung der kantonalen richterlichen Behörde ist eine Verlängerung um maximal 12 Monate möglich, bei Minderjährigen zwischen 15 und 18 Jahren um sechs Monate. Für Personen ab 18 Jahren ergibt sich damit eine maximale Haftdauer von 1.5 Jahren, für Minderjährige ab 15 Jahren von einem Jahr.

Die Haft wird im Allgemeinen in den Gebäuden der Untersuchungs- und Strafhaft vollzogen. Die Betroffenen werden in der Regel von Strafgefangenen getrennt. Eigene Abschiebe-Einrichtungen gibt es in den Kantonen Aargau und Bern. Außerdem gibt es ein Flughafengefängnis in Zürich-Kloten.

Europäische Union

In der Rückführungsrichtlinie vom 16. Dezember 2008 ist eine Abschiebehaft von sechs Monaten, in Ausnahmefällen von bis zu 18 Monaten vorgesehen (Art. 15 Abs. 5 und 6 der Richtlinie).[10] Über die Dauer des Einreiseverbots wird in Anbetracht der jeweiligen Umstände des Einzelfalls entschieden; es darf grundsätzlich fünf Jahre nicht überschreiten (Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie). Zuvor hatten die Mitgliedstaaten eigenständig über die Abschiebehaft entschieden (in Estland, Großbritannien, den Niederlanden und sechs weiteren EU-Staaten gilt eine unbegrenzte Haftdauer). Von Menschenrechtsorganisationen wurde die Regelung als „Richtlinie der Schande“ kritisiert.[11]

Die am 19. Juli 2013 in Kraft getretene Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin III) sieht folgende sechs Haftgründe vor:[12]

  1. ungeklärte Identität,
  2. Beweissicherung im Asylverfahren,
  3. Prüfung des Einreiserechtes,
  4. verspätete Asylantragsstellung,
  5. aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung,
  6. Dublinverfahren.

Literatur

  • Heike Herzog, Eva Wälde: Sie suchten das Leben ... Suizide als Folge deutscher Flüchtlingspolitik. Münster, Hamburg. ISBN 3-89771-810-3
  • Gerda Heck: ›Illegale Einwanderung‹. Eine umkämpfte Konstruktion in Deutschland und den USA. Edition DISS Band 17. Münster 2008. ISBN 978-3-89771-746-6 (Interview heiseonline 10. November 2008)
  • Hubert Heinhold: Recht für Flüchtlinge. Ein Leitfaden durch das Asyl- und Ausländerrecht für die Praxis. Loeper Literaturverlag, 2007.
  • Steffi Holz: Alltägliche Ungewissheit. Erfahrungen von Frauen in Abschiebehaft. Münster, 2007. ISBN 978-3-89771-468-7
  • Julia Kühn: Abschiebungsanordnung und Abschiebungshaft. Eine Untersuchung zu § 58a und § 62 des Aufenthaltsgesetzes in verfassungsrechtlicher Hinsicht. Berlin 2009, ISBN 978-3-428-13091-7

Österreich:

  • Eberwein, Helgo/Pfleger, Eva: Fremdenrecht für Studium und Praxis, LexisNexis, Wien, 2011, ISBN 978-3-7007-5010-9

Einzelnachweise

Siehe auch

Weblinks

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