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Vélodrome d’Hiver
Vélodrome d’Hiver (frz. ‚Winterradrennbahn‘), umgangssprachlich auch Vel' d’Hiv, war eine Sporthalle mit Radrennbahn in Paris in der Nähe des Eiffelturms. Die ursprüngliche Halle wurde 1900 erbaut, das Nachfolgebauwerk existierte von 1909 bis 1959. Im Jahre 1942 wurden dort rund 13.000 Juden vor ihrem Transport in Konzentrationslager gefangen gehalten. Dieses Ereignis wurde bekannt als „la Grande rafle du Vel’ d’Hiv" (Razzia des Wintervelodroms).
Die Vorläuferin
Das Vélodrome d’Hiver war ursprünglich eine Maschinenhalle, die für die Weltausstellung Paris 1900 errichtet worden war, deren Prunkstück der Eiffelturm (erbaut für die Weltausstellung 1889) war. Henri Desgrange, Herausgeber der Zeitschrift L’Auto und späterer Begründer der Tour de France, veranlasste im Jahre 1902, dass eine 333-Meter-Radrennbahn in die Halle eingebaut wurde. Die erste Veranstaltung am 20. Dezember 1903 im „Vel’ d’Hiv“ war ein Geher-Wettbewerb als Vorprogramm für ein Steherrennen mit den Stars der damaligen Zeit vor 20.000 Zuschauern. Der Eintritt kostete sieben Francs, es gab nur primitive Sitztribünen und keine Heizung.
- Siehe auch: Maschinenhalle Paris
Umzug und Namensänderung
1909 wurde die Maschinenhalle für den Abriss freigegeben. Desgrange suchte und fand eine neue Halle an der Ecke Boulevard de Grenelle/Rue Nélaton. Das neue Gebäude erhielt dann den Namen „Vélodrome d’Hiver“. Eine Radrennbahn von 253,16 Metern wurde eingebaut. Die Linie, auf der die Steher idealerweise fuhren, ergab genau eine Rundenlänge von 250 Metern. Der 2700 Quadratmeter große Innenraum wurde als Rollschuhbahn konzipiert. Erleuchtet wurde das Vel’ d’Hiv von 1253 Hängelampen. Erschwert wurden die Bauarbeiten durch ein Hochwasser der Seine, weshalb auch die Eröffnung der Halle verschoben werden musste.
Sechstagerennen
Das erste Sechstagerennen im ausverkauften Vel’ d’Hiv fand am 13. Januar 1913 statt. Unter den 20.000 Zuschauern waren zahlreiche Prominente, darunter Henri de Rothschild, der ein Preisgeld von 600 Francs, und die Tänzerin Mistinguett, die 1000 Francs aussetzte. Im Fahrerfeld befanden sich populäre Rennfahrer wie Émile Friol, Émile Georget, der Deutsche Walter Rütt und der Däne Thorvald Ellegaard sowie der Tour-de-France-Sieger Louis Trousselier.
Kriegsbedingt fand das nächste Sechstagerennen erst im Jahre 1921 statt, fortan jährlich, meist anfangs April. Unter den Siegern der Pariser Six days im Vel’ d’Hiv befanden sich bekannte Fahrer wie Oscar Egg, Georges Sérès, Émile Aerts, Piet van Kempen, Reggie McNamara, Georges Wambst, Jan Pijnenburg und Rik Van Steenbergen. Das letzte Pariser Sechstagerennen im Vel’ d’Hiv gewann Jacques Anquetil im November 1958, am Start waren zudem Fausto Coppi und Roger Rivière.
Ab 1926 wurde es Tradition, eine „Sechstage-Königin“ zu wählen, darunter Edith Piaf, die Schauspielerin Annie Cordy und die Akkordeonspielerin Yvette Horner, im letzten Jahr (1958) war dies die Schauspielerin Michèle Mercier („Angelique“). Passionierte Besucher der Six days waren Ernest Hemingway und Samuel Beckett, während sie in Paris lebten.
Weitere Veranstaltungen
Neben Sechstagerennen und anderen Wettkämpfen auf der Radrennbahn wie Steher-Rennen und Sprint-Wettbewerbe fanden viele weitere Sportveranstaltungen im Vel' d'Hiv statt wie Boxkämpfe, Ringen, Eislaufen – mit Sonja Henie oder den „Skating Vanities“ aus den USA – und Eishockey (dafür wurde der Innenraum in eine Eisfläche verwandelt) sowie Zirkusauftritte. 1951 wurde dort die Basketball-Europameisterschaft ausgetragen.
Die spektakulärste Zirkusshow im Jahre 1931, organisiert vom amerikanischen Box-Promoter Jeff Dickson, war gleichzeitig der größte Flop im Vel’ d’Hiv. Dickson hatte günstig 100 Löwen von einem Zirkus kaufen können und stellte eine Schau mit Kamelen und schwarzen Darstellern auf die Beine. Doch die Löwen waren krank und müde, Schreckschüsse in die Luft änderten daran nichts. Als Mitarbeiter begannen, die Löwen zu schlagen, protestierte das Publikum. Dickson versuchte, die Tiere loszuwerden, indem er etwa die Kamele aussetzen ließ – ohne Erfolg. Die Tiere wurden schließlich in einen deutschen Zoo geschafft. Das Debakel verursachte ein Minus von 700.000 Francs.
Die letzten 14 Jahre
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs fanden im Vel’ d’Hiv zahlreiche weitere Veranstaltungen statt wie Boxkämpfe, Catchen wie auch Roller-Catchen, ein Rodeo, Militär-Musikfestivals, Springreiten, Eisshows, Zirkusauftritte und natürlich weiterhin Sechstagerennen, aber auch politische Veranstaltungen.
Das letzte Sechstagerennen im Vel’ d’Hiv startete am 7. November 1958. Anschließend kam es zu einem Brand in der Halle, der Rest wurde schließlich 1959 abgerissen. Am 12. Mai 1959, eine Woche vor dem Abbruch, veranstaltete der Künstler Salvador Dalí eine Kunstaktion auf der Bühne des Vel’ d’Hiv, indem er dort das Modell eines Eiffelturms explodieren ließ.
Gedenken
Heute stehen Wohnblocks, wo einst das Velodrom stand. An der Stelle wurde im Jahre 1994 eine Gedenkplakette zur Erinnerung an die Judenverfolgung eingeweiht. Sie ist wegen der Kollaboration französischer Stellen im Land ein Politikum. Dabei wurden am 16. und 17. Juli 1942 von mehreren tausend französischen Polizisten etwa 13000 französische Bürgerinnen und Bürger jüdischen Glaubens und ausländische Juden festgenommen und an die deutsche Besatzungsmacht zur Deportation ausgeliefert. Das Sportstadion war einer der Sammelpunkte dieser Razzia. Gestaltet wurde das dortige Denkmal vom Architekten Mario Azagury und dem polnischen Bildhauer Walter Spitzer, der zu den Überlebenden von Auschwitz gehört.
Literatur
- Érik Orsenna. In: L'Exposition coloniale, Paris 1988. Dt. v. C. Josten u. S. Linster: Gabriel II. oder Was kostet die Welt. Kiepenheuer & Witsch, Köln 1989. Siehe das Kapitel Vélodrome d'hiver.
- Liliane Grumwald; Claude Cattaert, Le Vel’ d’Hiv. Paris 1979.
- Renate Franz, Der vergessene Weltmeister. Bielefeld 2007.
- Claude Levy, André Tillard: La Grande rafle du Vel’ d’Hiv, Paris 1967.
Weblinks
- Commons: Vélodrome d'Hiver (Paris) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Vélodrome d’Hiver aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar. |