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Vagantendichtung
Die Vagantendichtung ist die weltliche lateinische Lyrik und Spruchdichtung des Mittelalters, insbesondere des 12. und 13. Jahrhunderts. Sie grenzt sich von der höfischen Dichtung durch Sprache und Thematik ab. Die Dichtungen der gleichzeitigen Minnesänger und Trobadore sind in den jeweiligen Volkssprachen verfasst (zum Beispiel mittelhochdeutsch oder okzitanisch) und spiegeln in der Thematik ein höfisches Leben wider, dagegen ist die Vagantendichtung lateinisch (obwohl volkssprachliche Einsprengsel vorkommen) und in der Thematik volksnah. Im Gegensatz zur mittellateinischen Gelehrtendichtung, die sich an den quantitierenden antiken Vorbildern orientierte, war die Vagantendichtung akzentuierend und gereimt.
Die Vagantendichtung war in ganz Europa verbreitet. Bedeutende Vertreter der Vagantendichtung sind Hugo Primas von Orléans, Hilarius von Orléans, Walter von Châtillon, Petrus von Blois und der Archipoeta.
Die Vaganten (von lateinisch vagari „umherschweifen“; in Frankreich auch Goliarden genannt) waren fahrende (das heißt herumziehende) Scholaren, also Kleriker ohne Anstellung, Studenten zwischen Studienorten, entlaufene Mönche und andere gelehrte Bohème. Vagantendichtung wurde allerdings nicht notwendig von „Vaganten“ verfasst. So wird argumentiert, dass ein Großteil der Vagantendichtung von Mönchen verfasst wurde,[1] bei anderen ist deren Nähe zu Universität oder Hof (zum Beispiel die enge Verbindung des Archipoeta zu Rainald von Dassel) bekannt.
Themen der Vagantendichtung sind einfache und alltägliche Dinge, die Freude am Leben und Sinnengenuss, Trinken, Spiel, Liebe und Lust. Auffällig ist die Neigung zu Parodie, Spott und Satire, die sich steigern kann zu scharfer Kritik an den Autoritäten, vor allem an der Kirche und ihren Institutionen. Trotz der thematischen Nähe zum Leben der einfachen Leute klingt die Gelehrsamkeit des Scholaren immer wieder durch in klassischen Anspielungen und Zitaten. Antike Vorbilder sind Vergil, Horaz, die römischen Elegiker und vor allem Ovid.
Als typisches Metrum der Vagantendichtung gilt der paargereimte (trochäische) Septenar mit Dihärese nach der vierten Hebung, aus dem sich später die deutsche Vagantenzeile entwickelte.
Wichtige Sammlungen
- Carmina Cantabrigiensia („Cambridger Liederhandschrift“) (um 1045)
- Carmina Burana (Anfang des 13. Jahrhunderts, Benediktbeuern)
- Hilarii Aurelianensis versus et ludi, epistolae, ludus Danielis Belovacensis (12. Jhd.)
Literatur
- Karl Langosch (Hrsg.): Vagantendichtung. Lateinisch und deutsch. 2. Aufl. Dieterich, Leipzig 1984 (= Sammlung Dieterich 316).
- Heinrich Naumann: Gab es eine Vaganten-Dichtung? In: Der altsprachliche Unterricht 12 (1969), H. 4, S. 69–105.
- J. Pucci: Goliardic Verse. In: Roland Greene, Stephen Cushman et al. (Hrsg.): The Princeton Encyclopedia of Poetry and Poetics. 4. Auflage. Princeton University Press, Princeton 2012, ISBN 978-0-691-13334-8, S. 574 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- Hans Steinger: Fahrende Dichter im deutschen Mittelalter. In: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 8 (1930), S. 61–81.
- Helen Waddell: The wandering scholars. Constable, London 1927.
- Gero von Wilpert: Sachwörterbuch der Literatur. 8. Auflage. Kröner, Stuttgart 2013, ISBN 978-3-520-84601-3, S. 869.
Einzelnachweise
- ↑ Bryan Gillingham: The social background to secular medieval Latin song. Institute of Mediaeval Music, Ottawa 1998, ISBN 1-896926-11-8.
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Vagantendichtung aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar. |