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Eichtheorie

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Dieser Artikel behandelt abelsche Eichtheorien. Nichtabelsche Eichtheorien werden im Artikel Yang-Mills-Theorie behandelt.

Unter einer Eichtheorie oder Eichfeldtheorie versteht man eine physikalische Feldtheorie, die einer lokalen Eichsymmetrie genügt.

Anschaulich bedeutet dies, dass die von der Theorie vorhergesagten Wechselwirkungen sich nicht ändern, wenn eine bestimmte Größe lokal frei gewählt wird. Diese Möglichkeit, eine Größe an jedem Ort unabhängig festzulegen – zu eichen wie einen Maßstab – veranlasste den deutschen Mathematiker Hermann Weyl in den 1920er Jahren zur Wahl des Namens Eichinvarianz bzw. Eichsymmetrie.

Geschichte

Das Vektorpotential wurde schon im 19. Jahrhundert in der elektrodynamischen Theorie verwendet, zum Beispiel von Franz Ernst Neumann (1847), Gustav Kirchhoff (1857) und Hermann von Helmholtz (1870 bis 1874). Letzterer war schon nahe an der Entdeckung der Invarianz unter Eichtransformationen und führte eine Lorenz-Eichung ein, allerdings nur für quasistatische Probleme. Die Invarianz unter Eichtransformationen wurde auch von James Clerk Maxwell zum Beispiel in seinem Hauptwerk Treatise on Electricity and Magnetism formuliert, doch noch nicht in allgemeinster Form (er bevorzugte die Coulomb-Eichung). Die Lorenz-Eichung für volle retardierte Potentiale stammt von Ludvig Lorenz (1867)[1] und wurde außerdem rund 25 Jahre später von dem bekannten theoretischen Physiker Hendrik Antoon Lorentz dargestellt. Später wurde die Lorenz-Eichung vielfach auf H. A. Lorentz und nicht auf seinen dänischen Vorgänger zurückgeführt.

Die moderne Auffassung einer Eichtheorie als Folge eines lokal veränderlichen Phasenfaktors der Wellenfunktion wird meist Hermann Weyl (1929) zugeschrieben, findet sich aber auch schon 1926 von Wladimir Fock formuliert.[2] Das geschah im Rahmen der Diskussion der relativistischen Wellengleichung für massive skalare Teilchen, wobei das Vektorpotential über die minimale Kopplung (siehe unten) einfließt. Gleichzeitig mit Fock veröffentlichten Erwin Schrödinger und Oskar Klein entsprechende Arbeiten. Weyl hatte schon 1919 vor der Entwicklung der Quantenmechanik im Rahmen eines Versuchs der Erweiterung der Allgemeinen Relativitätstheorie, die auch die Elektrodynamik umfasst, einen lokal veränderlichen Längenmaßstab als Eichfaktor eingeführt.[3] Durch eine Umformulierung auf komplexe Phasen im Rahmen der Quantenmechanik gab er 1929 die Formulierung von Eichtheorien im heutigen Sinn,[4] was unabhängig auch zuvor schon Fritz London tat.[5][6]

Die Elektrodynamik ist der einfachste Fall einer Eichtheorie mit abelscher Eichgruppe U(1), den Fall nichtabelscher Eichgruppen (Yang-Mills-Theorie, nichtabelsche Eichtheorie) behandelten zuerst Chen Ning Yang und Robert L. Mills 1954.[7]

Eichtheorien in der Physik der Elementarteilchen

Die moderne Teilchenphysik ist bestrebt, das Verhalten der elementaren Teilchen aus möglichst einfachen ersten Prinzipien abzuleiten. Ein nützliches Hilfsmittel ist dabei die Forderung nach einer Gruppe von Transformationen (z. B. Rotationen) der beteiligten Felder, unter der die Dynamik der Teilchen invariant bleibt. Diese Symmetrie oder Eichfreiheit schränkt die Gestalt der zu konstruierenden Lagrangedichte enorm ein und hilft so bei der Konstruktion der gesuchten Theorie.

Allgemein lässt sich in einer Eichtheorie eine kovariante Ableitung definieren, aus dieser ein Feldstärketensor und somit eine Lagrangedichte und eine Wirkung konstruieren, aus der sich per Variation die Bewegungsgleichungen und Erhaltungsgrößen ergeben.

Das Standardmodell der Elementarteilchenphysik enthält zwei solcher Eichtheorien:

Das Noether-Theorem garantiert, dass jedem Teilchen, das der zu beschreibenden Wechselwirkung unterliegt, eindeutig eine erhaltene Ladung zugeordnet werden kann, z. B. elektrische Ladung , Hyperladung , schwacher Isospin , Farbladung . Diese Ladung gibt an, wie stark ein Teilchen an die Eichbosonen koppelt sowie das Vorzeichen dieser Kopplung (z. B. anziehend/abstoßend im elektromagnetischen Fall).

Eichtheorie am Beispiel der Elektrodynamik

Eichsymmetrie der Bewegungsgleichung von Punktteilchen

Die Energie eines Teilchens in einem äußeren statischen Potenzial lässt sich schreiben als

mit vorgegebenem Potenzial .

Definiert man nun den Impuls als

,

so kann man die Energie auch schreiben als

.

Wenn man nach der hamiltonschen Mechanik die Energie als Funktion von Ort und Impuls beschreibt, also

dann erhält man aus deren Ableitungen die Bewegungsgleichungen:

Für die oben genannte Energie ergibt das:

Wenn man zum Potenzial und zum Impuls jeweils noch einen konstanten Term hinzufügt, also definiert:

und dann die Bewegung des Teilchens mittels der „Index-1-Größen“ beschreibt, so lautet die Energie

und die Bewegungsgleichungen sind:

Da außerdem

gilt (denn Konstanten verschwinden ja in der Ableitung), sind das genau dieselben Bewegungsgleichungen.

Es ist also möglich, sowohl für die Energie als auch für den Impuls einen konstanten Summanden festzulegen, ohne die dadurch beschriebene Physik zu verändern. Diese Eigenschaft nennt man globale Eichsymmetrie.

Nun stellt sich die Frage, ob man stattdessen auch nichtkonstante Größen addieren kann, ohne die Bewegungsgleichungen zu verändern, also allgemein

wobei die Konstante q herausgezogen wurde, weil es sich nachher als praktisch erweisen wird; für die Argumentation hat diese Tatsache aber keine Bedeutung.

Es ist unmittelbar klar, dass es nicht möglich ist, beliebige Funktionen für und zu verwenden, da z. B. ein beliebiges wie ein zusätzliches Potenzial wirkt. Nimmt man für beide Größen beliebige Funktionen an, so zeigt Nachrechnen, dass die Bewegungsgleichungen gegeben sind durch:

Dies sind aber gerade die Bewegungsgleichungen, die man erwarten würde, wenn das Teilchen die Ladung q hat und sich außer im Potenzial V auch noch im elektrischen Feld

und im magnetischen Feld

bewegt.

Die Bewegung wird nun nicht geändert, wenn die Änderung von und nicht die Felder und ändert (also insbesondere die Felder auf null lässt, wenn sie vorher null waren). Da die Rotation eines Gradientenfeldes stets null ist, ist klar, dass durch die Addition des Gradienten einer beliebigen orts- und zeitabhängigen skalaren Funktion zum Vektorpotenzial nichts am magnetischen Feld geändert wird. Allerdings ändert dies das elektrische Feld um die Zeitableitung ebendieses Gradienten; diese Änderung kann jedoch kompensiert werden, indem das skalare Potenzial um die Zeitableitung derselben Funktion verringert wird.

Eichsymmetrie der quantenmechanischen Wellenfunktion

In der Quantenmechanik werden Teilchen nicht mehr durch Ort und Impuls, sondern durch die sogenannte Wellenfunktion beschrieben. Diese ist ein Feld, also eine Funktion von Raum und Zeit, und im Allgemeinen komplex (z. B. ist sie in der nichtrelativistischen Schrödingergleichung ein komplexer Skalar und in der Dirac-Gleichung ein komplexer Spinor). Allerdings ist sie nicht eindeutig: Die Wellenfunktionen und mit beliebig gewähltem, reellen beschreiben beide denselben Zustand. Hierbei handelt es sich wiederum um eine globale Symmetrie. Mathematisch wird diese Symmetrie durch die Lie-Gruppe U(1) beschrieben, denn diese besteht genau aus den Zahlen .

Wie vorher im Fall der klassischen Bewegungsgleichung stellt sich hier die Frage, ob man statt der globalen Phase auch eine orts- und zeitabhängige Phase einführen könnte. Nun treten jedoch in der Bewegungsgleichung der Wellenfunktion (Schrödingergleichung, Dirac-Gleichung etc.) partielle Ableitungen auf, die bei der so veränderten Wellenfunktion zu Zusatztermen führen:

Diese Beziehungen kann man auch so interpretieren, dass die partiellen Orts- und Zeitableitungen durch die Ableitungsoperatoren

ersetzt werden. Der Zusammenhang mit dem elektromagnetischen Feld erschließt sich, wenn man die Form der Schrödingergleichung betrachtet:

wobei im Hamiltonoperator die Ortsableitungen über die Komponenten des Impulsoperators

auftreten. Ersetzen wir im Impulsoperator nun durch , so erhalten wir:

Es tritt also ein zusätzlicher Summand auf, der wie ein Beitrag zum elektromagnetischen Vektorpotential aussieht. Analog ergibt sich beim Einsetzen von in die Schrödingergleichung ein zusätzlicher Potentialterm der Form . Diese zusätzlichen elektromagnetischen Potentiale erfüllen aber gerade die Eichbedingung für elektromagnetische Felder, sodass die Physik in der Tat durch die lokale Phase nicht beeinflusst wird, sondern nur in der Beschreibung die elektromagnetischen Potentiale angepasst werden müssen.

Im Zusammenhang mit Beziehungen der Art spricht man oft von „minimaler Kopplung“.

Eichtheorien in der Mathematik

In der Mathematik spielen Eichtheorien ebenfalls eine bedeutende Rolle bei der Klassifikation vierdimensionaler Mannigfaltigkeiten. So konnten Edward Witten und Nathan Seiberg 1994 mit eichtheoretischen Methoden topologische Invarianten, die sogenannten Seiberg-Witten-Invarianten, definieren.

Literatur

  • David Bailin, Alexander Love: Introduction to gauge field theory. Revised edition. Institute of Physics Publishing, Bristol u. a. 1994, ISBN 0-7503-0281-X.
  • Ta-Pei Cheng, Ling-Fong Li: Gauge theory of elementary particle physics. Reprinted edition. Oxford University Press, Oxford u. a. 2006, ISBN 0-19-851961-3.
  • Dietmar Ebert: Eichtheorien. Grundlage der Elementarteilchenphysik. VCH-Verlag, Weinheim u. a. 1989, ISBN 3-527-27819-2.
  • Richard Healey: Gauging What's Real. The Conceptual Foundations of Gauge Theories. Oxford University Press, Oxford u. a. 2007, ISBN 978-0-19-928796-3, Review von Ward Struyve.

Zur Geschichte:

Einzelnachweise

  1. L. Lorenz: Über die Identität der Schwingungen des Lichts mit den elektrischen Strömen. In: Ann. der Physik und Chemie. Band 131, 1867, S. 243–263.
  2. W. Fock: Über die invariante Form der Wellen- und Bewegungsgleichungen für einen geladenen Massenpunkt. In: Zeitschrift für Physik. Band 39, 1926, S. 226–232
  3. H. Weyl: Eine neue Erweiterung der Relativitätstheorie. In: Annalen der Physik. 59, 1919, S. 101–133.
  4. H. Weyl: Elektron und Gravitation. In: Z. f. Physik. Band 56, 1929, S. 330–352 (Gravitation and the electron. In: Proc. Nat. Acad. Sci. 15, 1929, S. 323–334).
  5. F. London: Die Theorie von Weyl und die Quantenmechanik. In: Naturwissenschaften. 15, 1927, 187.
  6. F. London: Quantenmechanische Deutung der Theorie von Weyl. In: Z. f. Physik. Band 42, 1927, S. 375–389.
  7. C. N. Yang, R. L. Mills: Conservation of isotopic spin and isotopic gauge invariance. In: Physical Review. Band 96, 1954, S. 191–195.
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