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Rezeption des römischen Rechts

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Mit der Rezeption des römischen Rechts ist die Beeinflussung der durch Gewohnheits- (consuetudo) und Partikularrecht zergliederten Rechtslandschaft im Alten Reich durch das römisch-kanonische Recht gemeint. Diese geschah, gerade im Alten Reich, sehr intensiv und in mehreren Phasen. Selbst im 19. Jahrhundert, nach dem Untergang des Reiches, kam es durch die Pandektenwissenschaft zu einer weiteren „Rezeptionswelle“, die die Entstehung des BGB in Deutschland maßgeblich beeinflusste. Wichtige Wegbegleiter der Rezeption sind vor allem eine Verwissenschaftlichung des Rechtswesens sowie die Bestrebung, Rechtssätze und Thesen niederzuschreiben.

Früh- und Spätphase

Die Rezeption des römischen Rechtes hat ihren Ursprung in der Wiederentdeckung des römischen Rechts an den Fakultäten von Pavia und Bologna im 11. Jahrhundert. Insbesondere der Bologneser Rechtsunterricht auf Grundlage der antiken Quellen, den wahrscheinlich Irnerius einführte, muss in diesem Zusammenhang Erwähnung finden, kann er doch als Geburtsstunde fachjuristischer Ausbildung im späten Mittelalter gelten. Hierbei sind mit dem römischen Recht die Texte des Codex Iustinianus, später dann auch des Decretum Gratiani (und des corpus iuris canonici) gemeint. Die Entdeckung eines Textes der beinahe in Vergessenheit geratenen Digesten (Littera Florentina) um 1070 gab den Anstoß zu einer Rechtswissenschaft, die sich wieder mit dem römischen Recht beschäftigte. Im Rahmen dieser Wiederentdeckung etablierte sich die Rechtswissenschaft als ein gelehrter Zweig der Scholastik, später dann als eigenständige Wissenschaft.

Sie wird in die Stadien der Früh- und der Spätrezeption eingeteilt. In der Frührezeption waren es vor allem die Klöster und geistlichen Gerichte, die Träger der Rezeption waren. Der Grund hierfür ist in den juristisch ausgebildeten Geistlichen zu sehen, die den Gerichten oder Klöstern vorstanden. Später besetzten in Italien ausgebildete Juristen immer häufiger Verwaltungs- und Rechtsprechungspositionen in den Ländern Europas und des Heiligen Römischen Reiches und konnten somit die dort anzufindenden juristischen Laien langsam ersetzen.

Ab dem 14. Jahrhundert können die neu gegründeten Universitäten als bedeutendster Träger der Spätrezeption angesehen werden. An diesen wurde nach der Gründungswelle Mitte des 14. Jahrhunderts sowohl das justitianische (römische), als auch das kanonische Recht gelehrt. Die Neugründung von Universitäten unterstützte die Ausbreitung des Rechtsunterrichts, so auch im Reich: Prag 1348, Wien 1365, Heidelberg 1386. Die hier ausgebildeten Juristen arbeiteten in den Verwaltungen des Reiches und der Territorien als Richter oder Rechtswissenschaftler. Trotzdem kann, durch die Gleichartigkeit der Rechtsquellen, von einer einheitlichen Juristenausbildung in Europa gesprochen werden. Diese erste Phase der Rezeption wird mit der Begründung des Reichskammergerichtes 1495 als beendet angesehen.

Glossatoren, Postglossatoren, Konsilitoren

Die erste eingehende Beschäftigung mit dem römischen Recht wurde im 12. Jahrhundert von den Rechtsgelehrten in Bologna und Pavia in Form einer Kommentierung der Texte des corpus iuris civilis erreicht. Hierbei wurden den ursprünglichen Texten Anmerkungen auf den entsprechenden Seiten hinzugefügt (Glossen). Man spricht daher auch von der Glossatorenzeit. (Gleiches gilt für die Bearbeitung des Decretum Gratiani oder Corpus iuris canonici). In diesem Zusammenhang ist Irnerius, der als Jurist an der Rechtsschule von Bologna tätig war (bis 1125), und der wahrscheinlich als erster mit der Kommentierung des corpus iuris begann, zu nennen. Die Bedeutung dieser Glossatoren liegt vor allem in ihrer Vorarbeit zum ius commune. Aber auch rechtsschöpferisch waren sie tätig (beispielsweise im Delikts- Sachen- und Schadensersatzrecht, außerdem entwickelten sie die Grundsätze der GoA und der ungerechtfertigten Bereicherung). Eine der umfangreichsten Glossen wurde von Accursius (1183–1286) in einem Sammelwerk, das Glossa ordinaria genannt wurde, zusammengestellt.

In der nachfolgenden Zeit wurden die Glossen immer umfangreicher, so dass diese in separaten Büchern zu Kommentaren wurden. Die in dieser Phase arbeitenden Juristen wandten sich außerdem immer mehr der Rechtspraxis in den Ländern Europas zu und beeinflussten diese durch die Anfertigung von Rechtsgutachten. Sie versuchten zum ersten Mal, Rechtsentscheidungen durch Abstraktion vom Einzelfall zu lösen und somit gemeinsame Grundsätze aus der Praxis zu entwickeln. Die Hinwendung zur Rechtspraxis machte eine ausführliche Untersuchung in den Rechtsgebieten des Handelsrechtes nötig.

Praktische Verbreitung in der Neuzeit

Nach Einrichtung des Reichskammergericht (RKG) wird diesem (und dem Reichshofrat) als obersten Gericht im HRR eine tragende Rolle bei der fortgeführten Rezeption des römischen Rechtes zugedacht. Obwohl dieses niemals offiziell zum Reichsrecht erhoben wurde und das Reichs-, Landes- und Gewohnheitsrecht (cunsuetudo) ihm offiziell vorgingen, war es die wichtigste begriffliche Quelle zur Einordnung von Rechtfiguren in der Neuzeit. Daher wurde das römisch- kanonische Recht von den Richtern auch meist bevorzugt angewandt, da es hier eine klare schriftliche und systematische Fixierung gab.

Wichtig für das Fortschreiten der praktischen Rezeption war ferner die Popularisierung des rezipierten Rechts durch leicht verständliche, deutschsprachige Rechtsbücher römisch-rechtlichen Inhalts, so namentlich und zuerst den Klagspiegel des Conrad Heyden (um 1436), sowie im 16. Jahrhundert u. a. Ulrich Tenglers Laienspiegel und Justin Goblers Rechtenspiegel. Derartige Schriften förderten das Eindringen des römischen Rechts auch in die unteren Ebenen der Rechtspraxis, die zu dieser Zeit noch weitgehend von Nichtjuristen geprägt waren. Mittelbare Folge war eine verstärkte Verrechtlichung des Alltagslebens.

Epoche des Usus modernus pandectarum

Wissenschaftlich wurde die Rezeption in der Epoche des Usus modernus pandectarum im Heiligen Römischen Reich wieder vorangetrieben. Auf Grund der Tatsache, dass das römisch-kanonische Recht nicht als Reichsrecht formell eingesetzt worden war, wurden die aufgestellten Rechtssätze in der Zeit des Heiligen Römischen Reiches fortlaufend der kritischen Prüfung unterzogen. Besonders intensiv gelang diese Auseinandersetzung im Usus modernus pandectarum, der nicht nur eine weitere Epoche in der Rezeption des römisch-kanonischen Rechtes darstellt, sondern dessen Verdienst es ist, dass aus der Rechtspraxis heraus eine einheitliche Rechtsordnung (für das Privatrecht) im Heiligen Römischen Reich gebildet werden konnte. In dieser Epoche, die in ihrer Entwicklung gesamteuropäisch zu sehen ist (mos gallicus, mos italicus), wurde das bereits bestehende partikulare Recht, die Rechtspraxis und das gelehrte römische Recht an die bestehenden Verhältnisse im Heiligen Römischen Reich angepasst, so dass eine einheitliche Rechtsordnung zu entstehen begann. Die Autoren hinterfragten, im Geiste des Humanismus, die Quellen des corpus iuris und des corpus iuris canonici und verglichen diese mit antiken rechtswissenschaftlichen Texten. Außerdem wurde versucht, das Partikularrecht und das gelehrte Recht zu vereinheitlichen. Das gesamte rezipierte römische Recht wurde kritisch neu bewertet. Auch die fallbezogene Literatur nahm in dieser Zeit zu. Am Ende der Epoche wurde der usus modernus schon von der beginnenden Aufklärung und der damit stattfindenden Auseinandersetzung mit dem Naturrecht durchsetzt.

Historisches Nachspiel

Die letzten Auswirkungen der Rezeption äußerten sich in Deutschland in jener Entwicklung, die letztendlich zur Kodifikation des BGB führten, nämlich die im 19. Jahrhundert auf Anregung Friedrich Carl von Savignys stattfindende historische Erneuerung, die eine Neubefassung mit den römischen Rechtsquellen forderte, auf deren Grundlage ein allgemeines deutsches bürgerliches Recht entstehen sollte (Pandektenwissenschaft).

Literatur

  • Paul Koschaker: Europa und das römische Recht. 4. Auflage. Beck, München 1966, DNB 457278439.
  • Franz Wieacker: Privatrechtsgeschichte der Neuzeit unter besonderer Berücksichtigung der deutschen Entwicklung. 2. Auflage. Vandenhoeck u. Ruprecht, Göttingen 1967, ISBN 3-525-18108-6.
  • Gerhard Wesenberg, Gunter Wesener: Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte im Rahmen der europäischen Rechtsentwicklung. 4. Auflage. Böhlau, Wien/ Köln/ Graz 1985, ISBN 3-205-08375-X.
  • Gunter Wesener: Einflüsse und Geltung des römisch-gemeinen Rechts in den altösterreichischen Ländern in der Neuzeit (16. bis 18. Jahrhundert). Böhlau, Wien/ Köln 1989, ISBN 3-205-05234-X (= Forschungen zur Neueren Privatrechtsgeschichte, 27)
  • J. Michael Rainer: Das Römische Recht in Europa. Von Justinian zum BGB. Manz, Wien 2012, ISBN 978-3-214-00785-0.
  • Udo Wolter: Ius canonicum in iure civili. Böhlau, Köln 1975, ISBN 3-412-02275-6. (Forschungen zur neueren Privatrechtsgeschichte, 23 )
  • H. Lange: Römisches Recht im Mittelalter. Band I: Die Glossatoren. Beck, München 1997, ISBN 3-406-41904-6.

Siehe auch

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