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Wirtschaftskreislauf

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Der Wirtschaftskreislauf ist ein Modell einer Volkswirtschaft, in dem die wesentlichen Tauschvorgänge als Geldströme und Güterströme zwischen den Wirtschaftssubjekten dargestellt werden. Geld- und Güterströme entsprechen sich in einem geschlossenen Kreislauf wertmäßig, verlaufen aber in entgegengesetzter Richtung. Die Kreislaufanalyse bildet die Grundlage der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung und damit auch der Makroökonomie.

Die Idee kam bereits bei Richard Cantillon auf. Später entwickelte François Quesnay das Tableau économique. Wichtige Weiterentwicklungen von Quesnays Tableaus waren Karl Marx' Reproduktionsschemata (im zweiten Band des "Kapital - Kritik der Politischen Ökonomie") und John Maynard Keynes' "Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes". Auf dieser Basis schuf Richard Stone für die UN und die OECD die Grundlage der heute international verwendeten Systeme.

Einfacher Wirtschaftskreislauf

Der einfache Wirtschaftskreislauf zwischen Haushalt und Unternehmen

Dieses Modell beschränkt sich auf die Beziehungen zwischen den Sektoren Konsumenten und Produzenten. Der Wirtschaftskreislauf stellt die wesentlichen Geldströme und Güterströme zwischen beiden dar. Einflüsse von Staat, Kreditinstituten, Kapitalsammelstellen sowie des Auslands werden dabei nicht betrachtet.

Der Geldstrom besteht aus dem Einkommen und Konsumausgaben der Haushalte sowie den Einnahmen und Ausgaben der Unternehmer.

Im Güterstrom fließen Wirtschaftsgüter (Waren und Dienstleistungen) von den Unternehmen zu den Konsumenten und die Produktionsfaktoren (Arbeit, Boden, Kapital) von den privaten Haushalten zu den Unternehmen.

Bei dieser Betrachtungsweise stellen die Haushalte den Unternehmen die Produktionsfaktoren, insbesondere den Faktor Arbeit, zur Verfügung und produzieren keine Güter. Dafür erhalten die Haushalte von den Unternehmen Einkommen (Lohn, Zins, Grundrente). Da es sich hierbei um Entgelte für die Produktionsfaktoren (Lohn, Zinsen, Miete, Pacht) handelt, bezeichnet man sie als Faktoreinkommen.

Die Einkommen fließen für Käufe von Konsumgütern von den Haushalten an die Unternehmen zurück. Die Unternehmen liefern ihrerseits Konsumgüter an die Haushalte. Zwischen Haushalten und Unternehmen fließen also zwei Güterströme (Produktionsfaktoren, Konsumgüter) und jeweils gegenläufig zwei Geldströme (Einkommen, Ausgaben für Konsumgüter). Somit ist der Kreislauf geschlossen, statisch (nicht wachsend).

Erweiterter Wirtschaftskreislauf (einschließlich Kreditvergabe)

Der erweiterte Wirtschaftskreislauf schließt die Möglichkeit ein, dass Haushalte nicht ihr gesamtes Einkommen konsumieren, sondern auch einen Teil davon sparen. Darunter ist jede Form von Vermögensbildung bzw. Vermögensverwaltung zu verstehen, z. B. auch Rücklagen in den Unternehmensbilanzen. Aus der Ersparnis fließen (scheinbar automatisch) ebenfalls Einkommen, nämlich Zinserträge. Zinserträge bedeuten einen Einnahmeüberschuss, der jedoch von einer Komplementärgruppe mittels Ausgabenüberschuss finanziert werden muss.

In klassischen Lehren wird es oft so dargestellt, dass von Banken verwaltete Sparguthaben an Wirtschaftssubjekte in Form von Krediten verliehen werden (Theorie des klassischen Kapitalmarkts). Das ist tatsächlich so aber nicht der Fall.[1] Kreditvergabe benötigt in der Bankbilanz zunächst keine Gegenposition in Form von Spareinlagen. Buchgeld wird per Kreditvergabe geschaffen[2] (Giralgeldschöpfung) und per Tilgung vernichtet (die Bilanz verkürzt) - aus der Mechanik der Kreditgewährung werden dem privaten (wie auch teilweise dem öffentlichen) Sektor Kreditgeld für Investitionen und/oder Konsumausgaben vorübergehend (gegen Geldverbindlichkeiten) zur Verfügung gestellt.

„Netto-Geldsparen“ aus Ausgabenverzicht und Finanzierungslücke

In einer Volkswirtschaft muss (nicht nachfragendes) Geldsparen mittels Ausgabeüberschüssen, also mittels gesamtsektoraler Nettokreditaufnahme kompensiert werden: Werden z. B. nicht ausreichend neue Kredite nachgefragt (oder sogar mehr Kreditvolumen getilgt als neu vergeben), stehen der Konjunktur eben nicht weiter ausreichend Geldmittel (sinkende Nachfrage) zu Verfügung (bei sonst gleichen Bedingungen), da das Geld für Kredittilgung (exkl. Verzinsung) nicht wieder zurück in den Kreislauf fließt.

Können also geplante Investitionen mangels Bankkrediten nicht finanziert werden, sinkt die Wirtschaftstätigkeit,[3] die Unternehmen reduzieren ihre Ausgaben und verringern damit auch die Höhe der Einnahmen innerhalb der Ökonomie.

Sofern keine Verringerung der Abweichung vom gesamtwirtschaftlichen Ausgabengleichschritt stattfindet (und kumulierte Einnahmeüberschüsse, also Geldsparvermögen innerhalb der jeweiligen Ökonomie auch nicht reduziert werden),[4] ist es notwendig, um den störungsfreien Wachstumsprozess der Volkswirtschaften zu gewährleisten, kreditfinanzierte Investitionen sogar mittels Erweiterung des Zahlungsmittelumlaufs zu forcieren.[5][6]

Werden die Geldströme zwischen den privaten Nichtunternehmern und den privaten Unternehmen in einer geschlossenen Volkswirtschaft gesamtwirtschaftlich betrachtet, ist jedenfalls eine Budgetlücke der Unternehmen in der Höhe der Einnahmeüberschüsse der privaten Nichtunternehmer und damit Finanzierungsbedarf zu erkennen[7] - somit würde (sofern sich die Unternehmen in Höhe der Finanzierungslücke nicht laufend selbst verschulden[8] bzw. durch andere Sektoren nicht kompensiert wird) der Wirtschaftskreislauf unterbrochen (ex post).[9]

Investitionsgüter-/Konsumgüterindustrie

Investitionen der Unternehmer (Business to Business)

Jede zusätzliche Investition innerhalb des Unternehmenssektors erhöht das Einkommen eines anderen Unternehmers, womit dieser, der Einnahmen aus der Investition des ersten erhält, wiederum Investitionen tätigen kann und ein weiteres Unternehmen daraus Einkommen generieren kann - insofern, wenn die Gesamtheit der Unternehmer, also diese im Ausgabengleichschritt Investitionen tätigen, finanzieren sich deren zusätzliche Investitionen sogar selbst und insofern entstehe den Unternehmen (untereinander) daraus kein Kreditbedarf.[10] Wilhelm Lautenbach formuliert dieses scheinbare Paradox auch wie folgt: „Die Nachfrage der Unternehmer ist nicht eine Funktion ihres Einkommens, sondern ihr Einkommen ist eine Funktion ihrer Nachfrage."[11]

Bilden die Unternehmen vermehrt Rücklagen (Sparen an den Ausgaben), wirkt dies auf die Konjunktur freilich abkühlend und setzt sich weiter fort, wenn weitere Haushalte verringerte Einnahmen (in Relation zum gewohnten Niveau) erzielen und selbst beginnen (aufgrund des reduzierten Einnahmeniveaus) sich in ihren Ausgaben einzuschränken.[12]

Vollständiger Wirtschaftskreislauf (einschließlich Staat)

Der Staat beeinflusst den Wirtschaftskreislauf in mehrfacher Hinsicht. Einerseits nimmt er Steuern und Sozialabgaben von den Wirtschaftssubjekten ein. Sowohl Haushalte als auch Unternehmen zahlen direkte und indirekte Steuern. Andererseits zahlt er Einkommen (Löhne und Transfereinkommen) an die Haushalte und tätigt bei den Unternehmen Käufe (staatlicher Konsum), wobei er auch die Möglichkeit hat, Subventionen an Unternehmen zu leisten. Hier steht dem Geldstrom keine direkte Gegenleistung in Form eines Güterstroms gegenüber.

Mögliche Kompensation der Finanzierungslücke der Unternehmen[13]

Die Beziehungen des Staates zu den Kreditinstituten verdeutlichen die Ambivalenz staatlicher Aktivitäten. Weist in einer Volkswirtschaft die Neuverschuldung durch Private in Bezug zu gewohnten Vorperioden eine sinkende Tendenz auf und wird der Ausgabenrückgang nicht durch Entsparen kompensiert,[14] so kann staatliche Schuldenaufnahme (Inland/Ausland) ein Gleichgewicht herstellen.

Wirtschaftskreislauf einer offenen Volkswirtschaft

In diesem Wirtschaftskreislauf wird zu den vorhandenen Sektoren der Sektor Ausland mit hinzugenommen. Er kann jeden Haushaltssektor beeinflussen. Die Haushalte können beispielsweise ausländische Faktoreinkommen erhalten (z. B. Arbeiter ist im Ausland beschäftigt und wohnt im Inland, sein Einkommen fließt also vom Ausland zu den inländischen Haushalten) und umgekehrt können inländische Faktoreinkommen von den Unternehmen ins Ausland fließen (z. B. Gastarbeiter im Inland nehmen Ihren Lohn/Gehalt mit ins Ausland). Des Weiteren können Sparleistungen vom Ausland in die inländischen Kapitalsammelstellen fließen (z. B. legt das Ausland Geld im Inland an, um Zinserträge zu bekommen), oder Sparleistungen von den inländischen Haushalten ins Ausland (z. B. versuchen Inländer im Ausland höhere Zinserträge zu erwirtschaften). Der wichtigste Teil in diesem Wirtschaftskreislauf ist der (positive/negative) Außenbeitrag. Dieser ergibt sich aus den beiden Strömen Export und Import. Beispiel: Wenn die Exporte die Importe übertreffen, so entsteht im Inland ein positiver Außenbeitrag, d. h. es fließt zusätzlich Geld vom Ausland ins Inland (Nettoexport). Umgekehrt liegt ein negativer Außenbeitrag vor, wenn die Exporte kleiner als die Importe sind (Leistungsbilanzdefizit). Die Geldmenge im Inland sinkt, da Geld ins Ausland fließt.

Ein Wirtschaftskreislauf mit den Sektoren private Haushalte, Staat und Ausland wird als offen bezeichnet.

Literatur

  • Carl Föhl: Geldschöpfung und Wirtschaftskreislauf. (1. Auflage 1937) Berlin 1997.
  • Emery K. Hunt, Howard J. Sherman: Volkswirtschaftslehre. Band 2. Makroökonomie. Frankfurt 1993. Insbesondere S. 47 ff.

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Hans Gestrich: Kredit und Sparen. Jena 1944. (1. Auflage) S. 73:
    „Im wesentlichen handelt es sich beim Sparen durch Ansammlung von Bankguthaben um Verwandlung von zirkulierendem in nicht zirkulierendes Giralgeld.“ [...] „Daß auch diese Form des Sparens kredithemmend wirkt, ist lange Zeit bestritten worden. Gerade hier tritt der Gegensatz zwischen traditioneller Auffassung und moderner Kredittheorie am schärfsten hervor.“
  2. Deutsche Bundesbank, 2012: Geld und Geldpolitik (PDF) S. 72: „Geschäftsbanken schaffen Geld durch Kreditvergabe.“
  3. Deutsche Bundesbank, 2012: Geld und Geldpolitik (PDF) S. 101.
  4. Wilhelm Lautenbach: Zins, Kredit und Produktion. (Hrsg. Wolfgang Stützel) Tübingen 1952. (PDF) S. 62:
    „Wenn die ersparten Beträge als Depositen bei den Banken gehalten werden, verschlechtert sich ceteris paribus die Liquidität [des Gesamtbankensystems]. Das Kreditvolumen wächst bei gleicher Kasse, so daß das Verhältnis von Gesamteinlagen zu Kasse sich verschlechtert. Denn hätten die Sparer nicht gespart, sondern ihr Einkommen verausgabt, so wären die Geldbeträge genau so nach Durchfluß durch den Einzelhandel unweigerlich im Kreislauf an die Banken gekommen; der Barmittelbestand der Banken wäre also der gleiche gewesen, das Kreditvolumen aber geringer, weil die zum Konsum verausgabten Beträge von Unternehmern vereinnahmt worden wären mit der Folge, daß ihr Kreditbedarf entsprechend geringer, ihr Umsatz aber höher gewesen wäre. Das ist ein nach jeder Richtung hin paradoxes Ergebnis. Verdienst, Liquidität und infolgedessen Neigung zu investieren, sind größer, wenn Lohn- und Gehaltsempfänger weniger sparen. Das Sparen erzeugt gerade erst Kreditbedarf bei verringertem Umsatz, umgekehrt wird, wenn Sparer frühere Ersparnisse verzehren, die Liquidität sowohl der Banken wie der Unternehmungen, gesteigert und zugleich das Unternehmereinkommen.“
  5. Alexander Mahr: Gesammelte Abhandlungen zur ökonomischen Theorie. Berlin 1967. (online) S. 151:
    „Es gehört geradezu zu den Voraussetzungen eines störungsfreien Wachstumsprozesses, daß die Investitionen höher sind als die Ersparungen, wobei das Mehr an Investitionen durch Erweiterung des Zahlungsmittelumlaufs finanziert wird.“
  6. Deutsche Bundesbank, 2012: Geld und Geldpolitik (PDF) S. 78:
    „Kreditvergabe und die damit verbundene Geldschöpfung führen deshalb in der Tendenz zu Investitionen und vorgezogenem Konsum – und auf diese Weise zu erhöhter Produktion und volkswirtschaftlicher Wertschöpfung.“
  7. Wolfgang Stützel: Volkswirtschaftliche Saldenmechanik. (Nachdruck der 2. Auflage) Tübingen 2011. S. 80:
    „Die Unternehmergewinne bleiben stets nur genau um jenen Betrag hinter dem Unternehmeraufwand für Konsum und Investition zurück, um den die Nichtunternehmer Einnahmeüberschüsse bilden.“
  8. Erich Schneider: Geld, Kredit, Volkseinkommen und Beschäftigung. Tübingen 1964. (8. Auflage) S. 129:
    „Wenn die beabsichtigte Ersparnis aus dem Einkommen Y die Höhe S hat, so kann dieses Einkommen dann und nur dann bestehen bleiben, wenn die Unternehmer freiwillig Investitionen in einer der beabsichtigten Ersparnis gleichen Höhe durchführen.“
  9. Wilhelm Lautenbach: Zins, Kredit und Produktion. (Hrsg. Wolfgang Stützel) Tübingen 1952. (PDF) S. 49:
    „Der Kreditbedarf der Unternehmer entsteht hier also gerade dadurch, daß Nichtunternehmer sparen, einerlei, ob es Private sind oder ob es die öffentliche Hand ist [...].“
  10. Wolfgang Stützel: Volkswirtschaftliche Saldenmechanik. Ein Beitrag zur Geldtheorie. Tübingen 2011 (Nachdruck d. 2. Auflage). S. 73.
  11. Wilhelm Lautenbach: Zins Kredit und Produktion. (Hrsg. Wolfgang Stützel) Tübingen 1952. S. 22.
  12. Erich Schneider: Geld, Kredit, Volkseinkommen und Beschäftigung. Tübingen 1964. (8. Auflage) S. 128:
    „Ist die beabsichtigte Nettoersparnis aus einem bestimmten Einkommen größer als die beabsichtigte Nettoinvestition, so wird ein das Volkseinkommen beschränkender Prozeß ausgelöst.“
  13. Ewald Nowotny: Gründe und Grenzen der öffentlichen Verschuldung. In: Ökonomie in Theorie und Praxis. Berlin u. Heidelberg 2002. (online) S. 261:
    „Typischerweise weisen dabei die privaten Haushalte erhebliche Überschüsse (Nettoersparnisse) auf. [...] Wirtschaftspolitisch bedeutungsvoll ist dabei die zwingende saldenmechanische Beziehung, ...“
  14. Leonhard Gleske: Die Liquidität in der Kreditwirtschaft. Frankfurt 1954. S. 64:
    „Das Ansammeln liquider Mittel, die der Wirtschaft als Erlösüberschüsse zugeflossen und auf Depositenkonten „angelegt“ worden sind sowie die Ersparnisbildung der Produktionsfaktoren, soweit sie sich auf Sparkonten im Kreditsystem vollzieht, bedeuten zunächst die Stilllegung von Geld, das bisher im Geldkreislauf gebunden war. Die Fortsetzung des Produktionsprozesses auf dem bisherigen Niveau ist bei einer solchen Geldstillegung nur durch eine „kompensatorische“ Geldschöpfung des Banksystems möglich, denn diese ist notwendig, um die „aktive“, der Befriedigung des zirkulatorischen Geldbedarfs dienende Geldmenge auf ihrem alten Stand zu halten.“
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