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Zvi Liebermann

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Zvi Liebermann (2004)

Zvi Liebermann (geb. 1. Juli 1926 in Stryj, Polen; gest. 15. Mai 2007 in Tel Aviv, Israel) war ein israelischer Jurist, der lange in Düsseldorf lebte und sich dort in der Jüdischen Gemeinde sehr engagierte.

Leben

Zvi Liebermann (alternative Schreibweise Zvi Liberman) stammte aus der Stadt Stryj im Bezirk Lemberg (Lwow), wo er 1926 zur Welt kam. Schon als Kind war er mit der Mehrsprachigkeit konfrontiert. In einer Stadt, in der die Mehrheit der Bevölkerung Polnisch oder Ukrainisch sprach, redete der Vater zu Hause ausschliesslich Hebräisch, die Sprache, die er auch als Lehrer unterrichtete und dem Sohn beibrachte. Die Liebermanns waren nicht sehr orthodox, wohl aber traditionell, deswegen besuchte Zvi Liebermann die hebräische Tarbuth-Schule, die auch Kindern aus säkularen Familien offen stand.

Liebermanns Vater war ein angesehener Bürger und als jüdischer Delegierter Mitglied des Stadtrates – eine Besonderheit der ethnischen Autonomieregelungen im damaligen Polen. Diese Position und der Respekt, den die Polen Vater Liebermann entgegenbrachten, sicherten in den düsteren Kriegsjahren letztendlich das Überleben der Familie. Ein polnischer Freund und Stadtratskollege sowie Liebermanns Schwager – ein Förster – halfen ihnen. Der Schwager baute eine kleine Waldhütte, und gemeinsam mit einem Freund versorgte er die Familie mit Lebensmitteln. Aus Dank für die heldenhaften Taten veranlasste der Sohn, dass dieser Förster[1] in der israelischen Gedenkstätte Yad Vashem als "Gerechter unter den Völkern" Anerkennung fand.

Von Juni 1943 bis Juli 1944 versteckten sich die Liebermanns im Wald, bis schliesslich die sowjetische Armee in die Region einmarschierte. Siebzehn Jahre war Zvi damals alt und voller Rachegefühle, die sowohl den Nazis wie auch den Ukrainern galten, die mit den Deutschen, insbesondere bei der "Judenvernichtung", kollaborierten. "Sechzigtausend Ukrainer haben sich bei den Nazis gemeldet für die Aufstellung einer SS-Freiwilligen-Division, dagegen nur dreihundert auf der polnischen Seite", berichtete Zvi Liebermann später die genauen Zahlen und zeigte nur wenig Sympathie für die Ukraine. Er meldete sich als Freiwilliger bei der sowjetischen Armee, wo er im polnischen Regiment dienen wollte. Er erhielt jedoch eine Absage, mit der Begründung, dass die "polnische Armee überjudet sei". Trotzdem schaffte er es mit Hilfe seiner Sprachkenntnisse, die in seinem ganzen Leben eine wichtige Rolle spielen sollten[2], auf die polnische Seite zu wechseln, diesmal als Dolmetscher für Russisch-Polnisch.

Schon 1945 verliess er das Militär und holte 1946 an einem Krakauer Gymnasium das Abitur nach. Dasselbe Gymnasium hatte wenige Jahre zuvor ein gewisser Karol Woytila, der spätere Papst Johannes Paul II., besucht. Doch selbst nach Ende der Naziherrschaft fühlte sich Zvi Liebermann wegen der antijüdischen Pogrome in Polen nicht sicher. Nach dem Abitur verliess er das Land und ging nach Frankreich, damals eines der wenigen Länder, das Juden ein Einreisevisum gewährte. Dort studierte er Politologie an der angesehenen Pariser Sorbonne, schloss jedoch das Studium nicht ab und reiste weiter.

Israel wurde zu seiner nächsten Station, dort brachte er auch sein Studium zu Ende. An der Hebräischen Universität in Jerusalem studierte er Judaistik und Jura. Tel Aviv und später Netanja waren weitere Stationen seines Lebens. Dort arbeitete er als Jurist in unterschiedlichen Funktionen: als Staatsanwalt, Richter und Strafverteidiger. Auch während seines längsten Lebensabschnitts an einem Ort unternahm er Reisen in andere Länder. 1961 ging er nach Boston, wo er sich an der Harvard Law School weiterbildete.

1984 schliesslich arbeitete er zum ersten Mal als Jurist in Deutschland, in Düsseldorf. Warum er 1989 für immer Israel verliess und in Düsseldorf ansässig wurde, hatte ausschliesslich Gründe, die in seinem Privatleben zu suchen sind, und nach eigener Aussage "nicht mit wirtschaftlichen oder politischen Gründen zu tun". Düsseldorf und die Jüdische Gemeinde der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt, zu der Zvi Liebermann schon 1984 den Kontakt aufgenommen hatte, wurden zu seiner neuen Heimat. Obwohl er mehrere Städte in Deutschland kannte, war für ihn Düsseldorf die schönste Stadt.

Seinen Anwaltsberuf hing er an den Nagel und widmete sich komplett der Religion, war dabei kulturell und geschichtlich sehr interessiert und arbeitete nebenbei als Dolmetscher für die Polizei. Später übernahm er zusätzlich noch Aufgaben als Rabbinerassistent für die russischsprachigen Zuwanderer der jüdischen Gemeinde Düsseldorf, eine Aufgabe, die er dann bald hauptamtlich ausübte. Immer wenn der eigentliche Gemeinderabbiner wegen Sprachschwierigkeiten nicht weiterkam, war Zvi Liebermann zur Stelle, nahm Beerdigungen vor, war Vorbeter am Schabbat und führte Veranstaltungen im Rahmen der Erwachsenenbildung durch. Einmal wöchentlich hielt er Sprechstunden ab, bei denen sich die russischsprachigen Gemeindemitglieder in religiösen Angelegenheiten an ihn wenden konnten. Die Fragen gingen aber oft weit darüber hinaus und betrafen ganz allgemein Geschichte und Kultur des jüdischen Volkes, aber auch viele gänzlich banale Alltagsfragen.

Zvi Liebermann und Michael Kühntopf waren gute Freunde, die über Jahre hinweg sehr viele G'ttesdienste und Veranstaltungen in und ausserhalb der Düsseldorfer Synagoge regelmässig gemeinsam besuchten.

Zvi Liebermann war ein sehr liebenswürdiger, immer freundlich und gut gelaunter Mensch und verfügte über eine umfassende Bildung. In Fragen des jüdischen Kalenders war er sehr versiert und konnte über Jahre hinweg vorwärts und rückwärts beliebige Kalenderdaten im Kopf konvertieren. Als er sein Ende kommen fühlte, ging er nach Israel, um dort zu sterben. Sein Sohn Amos Liebermann kümmerte sich aufopferungsvoll um seinen Vater in dieser letzten, schwierigen Lebensphase. Bereits Jahre zuvor hatte Zvi Liebermann in Israel einen Begräbnisplatz erworben. Er wurde in Petach Tikwa würdig beerdigt.

Hinweis

Der Text dieses Jewiki-Artikels orientiert sich an einem am 15. Januar 2004 in der Jüdischen Allgemeinen, Seite 21, erschienenen Porträt Zvi Liebermanns unter dem Titel Anwalt der Zuwanderer. Düsseldorf: Zvi Liebermann hilft neuen Gemeindemitgliedern (Autorin: Erika Rubinstein) und beruht darüber hinaus auf Eigenaussagen von Zvi Liebermann gegenüber Michael Kühntopf und persönlichem Erleben.

Einzelnachweise

  1. Zvi Liebermann nannte ihn immer, halb anerkennend, halb scherzhaft, "mein Schindler"
  2. Er verstand und sprach ca. 25 Sprachen, mindestens 15 fliessend, darunter Polnisch, Ukrainisch, Russisch, Hebräisch, Jiddisch, Arabisch, Englisch, Französisch, Deutsch, Bulgarisch, Rumänisch

Siehe auch

Dieser Artikel / Artikelstub / diese Liste wurde in Jewiki verfasst und steht unter der Lizenz Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. Hauptautor des Artikels (siehe Autorenliste) war Michael Kühntopf. Weitere Artikel, an denen dieser Autor / diese Autorin maßgeblich beteiligt war: 2.655 Artikel (davon 1.531 in Jewiki angelegt und 1.124 aus Wikipedia übernommen). Bitte beachten Sie die Hinweise auf der Seite Jewiki:Statistik.