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Agnes von Böhmen (1211–1282)

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Agnes von Böhmen pflegt einen Kranken, 1482

Agnes von Böhmen (auch Agnes von Prag; tschechisch Svatá (heilige) Anežka Česká, auch Anežka Přemyslovna; * wohl 20. Januar 1211 in Prag; † 6. März 1282 ebenda) war eine Klostergründerin und böhmische Prinzessin, die jüngste Tochter von Ottokar I. Přemysl und Konstanze von Ungarn. Sie wird in der römisch-katholischen Kirche seit 1989 als Heilige verehrt. Von 1235 bis 1237 war sie Äbtissin des Agnesklosters in der Prager Altstadt.

Leben

Jugend und Heiratspolitik

Agnes wurde bereits im Alter von drei Jahren in das Zisterzienserinnenkloster Trebnitz im Herzogtum Schlesien gegeben, wo sie unter der Obhut ihrer Tante, der später heiliggesprochenen Hedwig von Andechs, stand und erzogen wurde. Wegen gescheiterter dynastischer Heiratspläne des Böhmenkönigs in das Fürstenhaus der Schlesischen Piasten kehrte sie anschließend auf die Prager Burg zurück. Ihr siebtes und achtes Lebensjahr verbrachte die Prinzessin im Prämonstratenserinnenkloster Doksany. Aufgrund neuerlicher Vermählungspläne, diesmal in das staufische Kaiserhaus, schickte sie Ottokar an den Wiener Hof des Babenbergers Leopold VI., wohl weil sie sich dort höfische Etikette sowie standesgemäße Umgangsformen und Bildung aneignen sollte. Leopold hintertrieb allerdings die Pläne des böhmischen Verbündeten, indem er seine eigene Tochter als Gemahlin des noch jungen Heinrich (VII.) in Stellung zu bringen wusste. Es folgten weitere dynastische Anbindungsbemühungen der böhmischen Herrscherfamilie, die Agnes zum Gegenstand hatten, eine durch fortgeschrittene Verhandlungen dokumentierte ins englische Königshaus, in diesem Fall auf Heinrich III. gerichtet, und eine historisch ungesicherte, die sogar von dem verwitweten Kaiser Friedrich II. als Brautwerber spricht.

Eintritt ins Kloster

Darstellung der „Entlobung“ der „Jungfrau und Martyrerin“ Agnes über dem Portal der Marienkirche in Quakenbrück
Das Agneskloster in Prag
Das Agneskloster in Prag
Das Agneskloster in Prag
Das Agneskloster in Prag
Das Agneskloster in Prag
Das Agneskloster in Prag

Trotz dieser aus heutiger Sicht so skrupellos eingefädelten wie am Ende stets gescheiterten Vermählungspläne wird an Agnes’ früh ausgebildeter, tiefer religiöser Gesinnung nicht zu zweifeln sein; sie ging ihrem Entschluss voran, als Braut Christi, als sponsa Christi, einen geistliche Lebensweg zu wählen und gegen andere Pläne durchzusetzen. Nach dem Vorbild ihrer Kusine Elisabeth von Thüringen und Klaras, der Weggefährtin des Franziskus von Assisi, mit der sie bald in Schriftverkehr stand, entschloss sie sich zu einem religiösen Leben und zur Stiftung mehrerer geistlicher Einrichtungen, die sie zu einer der bedeutendsten Frauen über die Frühgeschichte des entstehenden Klarissenordens hinaus und zu einer der herausragenden Persönlichkeiten der böhmischen, ja europäischen Geschichte des 13. Jahrhunderts machen.

Wohl bald nach Elisabeths Tod 1230 und dem im selben Jahr stattfindenden, vollumfänglichen Herrschaftsantritt ihres Bruders Wenzel I., vermutlich gegen 1232, gründete sie – unter starker Unterstützung der wichtigsten Familienmitglieder – in der Prager Altstadt zunächst ein Spital für Arme und, baulich angeschlossen, ein Inklusenkloster. Nachdem bereits 1233 oder 1234 zahlreiche hochadelige Jungfrauen in das Damianitinnenkloster eingetreten waren, nahm sie selbst in feierlicher Zeremonie und unter Anwesenheit zahlreicher mitteleuropäischer Fürsten ein Jahr später den Schleier. Im engeren Umfeld dieses Schrittes wurde sie von dem hoch angesehenen Franziskanerprovinzial Johannes de Plano Carpini in das Amt der Äbtissin investiert, hatten ihr doch die spätestens 1232 am Ort eingetroffenen Minderbrüder die Vorstellungen eines armen Lebens in der Nachfolge Christi nahegebracht, die in Klara und Franziskus von Assisi, aber auch in Elisabeth von Thüringen ihre eifrigsten und bekanntesten Protagonisten gefunden hatte. Agnes’ Festhalten an einem Leben in absoluter, das heißt gemeinschaftlicher wie individueller Armut rieb sich indes an den Plänen Papst Gregors IX., dem an der wirtschaftlichen Absicherung von Kloster und Spital gelegen war und der sich keineswegs geneigt zeigte, jedem Anliegen der zeitgenössischen Armutsbewegung seine Zustimmung zu geben. Auch Agnes’ Vorbringen mehrerer eigener Regelvorstöße, die sich an der Lebensform Klaras von Assisi eng angelehnt haben dürften, erfuhr kein päpstliches Plazet – immerhin gab ihr aber Gregor das Privileg, nicht zur Annahme von Besitz gezwungen werden zu können. Dem Gehorsamsgebot und der Observanz verpflichtet, willigte die Klostervorsteherin königlicher Abstammung schließlich in die Auflösung des Verbundes der beiden, dem seraphischen Heiligen aus Assisi geweihten Einrichtungen ein und trat wohl noch 1238 vom Amt der Äbtissin zurück. Hernach begegnet sie uns lediglich als soror maior, als ältere Schwester, doch dürfte sie auf Leitung und Lenkung der armen eingeschlossenen Frauen einen über den Titel weit hinausgehenden gehörigen Einfluss gehabt haben. Aus der Spitalgemeinschaft, den Kreuzbrüdern mit dem Roten Stern, wurde unter päpstlicher Direktive sukzessive ein autonomer kanonikaler Hospitalorden herausgebildet, der, räumlich schnell getrennt vom Frauenkloster, 1251 schließlich sein eigenes Ordensabzeichen erhielt. Der einzige in Böhmen selbst beheimatete Orden war von Anbeginn reich ausgestattet und unterhielt auf dem Höhepunkt seiner Macht im 14. Jahrhundert zahlreiche Spitäler in Böhmen, Mähren und Schlesien, dort mit einem zweiten, weitgehend gleichberechtigt gestellten Mutterhaus in Breslau. Ganz nach ihrem Vorbild hatte Agnes’ Schwester, Anna von Schlesien, in der Residenzstadt der schlesischen Piasten eine gleichgerichtete Spitalgemeinschaft ausgebaut und ebenfalls ein Kloster für den weiblichen Zweig der Franziskaner gegründet. Wie die älteren Hospitalorden, die Johanniter oder die Templer, trat das karitative Element der böhmischen Ordensbrüder zusehends zurück und wich einem Herrschafts- und Selbstverständnis seiner leitenden Bruderschaft, das in dem gewandelten Namen, den sich spätestens seit dem frühen 14. Jahrhundert nun so nennenden Kreuzherren mit dem Roten Stern, einen sinnfälligen Ausdruck findet.

Prinzessin Agnes konnte im Gegenzug zu ihren Niederlagen in puncto des ordensrechtlichen Fundaments der bisherigen Stiftungen durchsetzen, dass an die Stelle des losgelösten Hospitals ein Franziskanerkonvent errichtet wurde, wodurch im Übrigen das erste franziskanische Doppelkloster nördlich der Alpen entstand, das später in Mitteleuropa noch mehrere architektonische Nachahmungen erfahren sollte. Die dem Frauenkloster benachbarten Mendikanten übernahmen fortan die seelsorgerischen Verpflichtungen, während die nahe dem Ungelthof sich niederlassenden Ordensbrüder von Sankt Jakob, der ältesten franziskanischen Unterkunft in Prag, ihr lokales Tätigkeitsfeld auf die vorwiegend von deutschen Handelstreibenden geprägte Kaufmannssiedlung ausrichteten, in der sie angesiedelt waren.

Weltliches Wirken

Trotz der vorgeschriebenen Klausur für ihr Kloster blieb Agnes’ Einfluss auf die Landespolitik auch als Ordensschwester erheblich, was nicht allein an ihrer andauernden Einwirkung auf die Geschicke und die Expansion der Hospitalgemeinschaft festzumachen ist. Darüber hinaus wirkte sie nachhaltig auf familiäre Entscheidungen und Spannungen ein, so vermittelte sie etwa einen Ausgleich zwischen ihrem Bruder König Wenzel und seinem aufmüpfigen Sohn Ottokar II. Das Kloster, in diesem Fall Ort der sinnfälligen zweiten Krönung Wenzels bildete noch während der heraufziehenden Fremdherrschaft, in den Jahren der so genannten Brandenburger Zeit, einen Hort přemyslidischer Positionen und Widerstände. Ihr Neffe, Ottokar II., hatte mit dem Anbau der prachtvollen, in gotischem Stil gehaltenen Erlöserkapelle an das bestehende Kloster in den 1260er Jahren auch in architektonischer Hinsicht ein über Böhmen hinausweisendes Zeichen gesetzt. Dass die Klosteranlage „Zu Sankt Franziskus“ innerhalb der Sakraltopographie Prags den Rang einer neben der Veitskathedrale fast ebenbürtigen Einrichtung gewann, lag aber auch an der Bestimmung des Ortes als Grablege der herrschenden Přemysliden, insbesondere seiner weiblichen Mitglieder, dem Erhalt mehrerer bedeutsamer Reliquien und der Anfertigung äußerst prächtiger Handschriften im Skriptorium der Klosteranlage.

Nachleben

Schon bald nach ihrem Tod am 2. März 1282 wurde Agnes als Heilige verehrt, doch der nach der Niederlage Ottokars auf dem Marchfeld 1278 einsetzende Bürgerkrieg im Lande, die während der noch längeren Unmündigkeit des heimischen Nachfolgers Wenzel II. obwaltende Fremdherrschaft wie die zahlreichen heftigen Hungersnöte und Epidemien der 1280er Jahre verhinderten, dass sich einflussreiche Kräfte zur rechten Zeit um die Heiligsprechung der Prinzessin bemühen konnten. Entsprechende Versuche der letzten přemyslidischen Königin Elisabeth 1328, in deren Umfeld die Abfassung der ältesten Hagiographie in ihren zentralen Textelementen zu verorten ist, blieben ebenso erfolglos wie eine ebensolche Initiative seitens des Ordens um 1339, in deren engeren Zusammenhang die überlieferte Legende Candor lucis eterne (Glanz des ewigen Lichts) gehört, oder dem in Rom vorgebrachten Begehren Karls IV. in der Mitte der 1350er Jahre.

Seligsprechung und Heiligsprechung

Die hussitische Vorreformation, die zur Aufgabe der Klosteranlage durch die Ordensmitglieder führte, unterband für lange Zeit jegliche Bemühung in Richtung einer approbierten Verehrung der Königstochter. Erst 1874 wurde sie seliggesprochen, nachdem sich gegenreformatorische und national gesinnte Kräfte über Jahrzehnte um eine Hebung des Wissens um die königliche Klarissin und der Entdeckung ihrer seit den Hussitenkriegen unauffindbaren Gebeine bemühten. Während zumindest Letzteres bis in die Gegenwart erfolglos bleiben sollte, nahm sie Papst Johannes Paul II. die Heiligsprechung am 12. November 1989, wenige Tage vor dem Ausbruch der Samtenen Revolution, in feierlicher Zeremonie und unter Anwesenheit von tausenden tschechischen und slowakischen Pilgern mit dem Dekret Salus Deo Nostro in das Heiligenverzeichnis der römisch-katholischen Kirche auf.

Rezeption

Agnes von Böhmen auf der Vorderseite der Medaille der Tschechischen Bischofskonferenz, 2012

Mehrere Gedenkmünzen, das Porträt auf dem 50-Kronen-Schein der sich 1993 konstituierenden Tschechischen Republik, die Weihung einiger Kirchen, die Feier ihres Namenstages und die Umbenennung von Straßen und Hotels sind Zeugnisse einer zarten zeitgenössischen Verehrung der Prinzessin, nunmehr als tschechische Nationalheilige. Denn nicht zuletzt die Ergebnisse des Zweiten Weltkrieges und der Kalte Krieg haben in den Hintergrund treten lassen, dass die Přemyslidin im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit schwerpunktmäßig nicht nur in Böhmen, sondern ebenso in Süddeutschland und Schlesien verehrt wurde. Trotz mancher Enttäuschungen, die die Katholische Kirche in Bezug auf die Restituierung ihrer Stellung in dem nachkommunistischen Land erfahren musste, verhalf doch die Kanonisation dazu, dass zumindest der seit 1263 so bezeichnete Klarissenorden und die dem Orden zugewandte Geschichtsschreibung die außerordentliche Bedeutung der Böhmin umfangreicher und angemessener würdigen und damit an seit Zeiten verlorene Wissensstände anknüpfen konnte.

Literatur

  • Ivan Hlaváček: Agnes. In: Lexikon des Mittelalters (LexMA). Band 1, Artemis & Winkler, München/Zürich 1980, ISBN 3-7608-8901-8, Sp. 213–214.
  • Svatá Anežka Česká - princezna a řeholnice. (Katalog zur gleichnamigen Ausstellung). Praha 2011, ISBN 978-80-7422-145-3.
  • Frederik Felskau: Hoc est quod cupio. Approaching the Religious Goals of Clare of Assisi, Agnes of Bohemia, and Isabelle of France. In: Magistra. 12,2 (2006), S. 1–28.
  • Candor lucis eterne – Glanz des ewigen Lichts. Die Legende der heiligen Agnes von Böhmen. übersetzt von Johannes Schneider, mit einer Einleitung von Christian-Frederik Felskau. (Johannes-Duns-Skotus-Akademie für franziskanische Geistesgeschichte und Spiritualität 25). B. Kühnen Verlag, Mönchengladbach 2007.
  • Frederik Felskau: Agnes von Böhmen und die Klosteranlage der Klarissen und Franziskaner in Prag. Leben und Institution, Legende und Verehrung. 2 Bde. Bautz Verlag, Nordhausen 2008.
  • Frederik Felskau: Agnes von Böhmen. In: Stefan Samerski (Hrsg.): Die Landespatrone der Böhmischen Länder. Geschichte – Verehrung – Gegenwart. Ferdinand Schöningh, Paderborn/ München/ Wien/ Zürich 2009, S. 67–84.
  • Josef Beran: Blahoslavená Anežka Česka. (Die selige Agnes von Böhmen) (Sůl země Bd. 7). Řim, 1974.
  • Helena Soukupová: Anežský klášter v Praze. (Das Agneskloster in Prag). 2. Auflage. Praha 2011.
  • Helena Soukupová: Svatá Anežska Česká: Život a Legenda. Praha 2015.
  • Maria P. Alberzoni: Elisabeth von Thüringen, Klara von Assisi und Agnes von Böhmen. Das franziskanische Modell der Nachfolge Christi diesseits und jenseits der Alpen. In: Elisabeth von Thüringen – eine europäische Heilige. Aufsätze, Petersberg 2007, S. 47–56.
  • Julius Glaubrecht: Die selige Königstochter Agnes von Böhmen und die letzten Premisliden. Regensburg 1874.
  • Vlastimir Kybal: Svatá Anežka Česká. Historický obraz ze 13. století. (Die heilige Agnes von Böhmen. Ein historisches Bild aus dem 13. Jahrhundert). (Pontes Pragenses Bd. 8). Brno 2001.
  • Jaroslav Němec: Die Verehrung der seligen Agnes von Böhmen und der Prozeß ihrer Heiligsprechung. Wien 1989.
  • Jaroslav Němec: Agnese di Boemia. La vita, il culto, la ‘legenda’. (Ricerche francescane Bd. 7)- Padova 1987.
  • Alfonso Marini: Agnese di Boemia. Con la collaborazione di Paola Ungarelli. (Biblio-theca Seraphico-Capuccina Bd. 38). Roma 1991.
  • Kaspar Elm: Klara von Assisi und Agnes von Prag – Na Františku und San Damiano. In: Dieter R. Bauer, Helmut Feld und Ulrich Köpf (Hrsg.): Franziskus von Assisi. Das Bild des Heiligen aus neuer Sicht. (Beihefte zum Archiv für Kulturgeschichte Hft. 54). Köln/ Weimar/ Wien 2005, S. 227–250.
  • Církev, žena a společnost ve středověku. Sv. Anežka a její doba. (Kirche, Frau und Gesellschaft im Mittelalter. Die Heilige Agnes und ihre Zeit). Oftis, Ústí nad Orlicí 2010.

Weblinks

 Commons: Agnes von Böhmen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
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