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Alter Jüdischer Friedhof Frankfurt am Main

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Historische Grabmale auf dem Alten Jüdischen Friedhof in Frankfurt am Main

Der Alte Jüdische Friedhof Frankfurt am Main wurde 1180 erstmals urkundlich erwähnt, bis zum Jahr 1828 als solcher genutzt und ist trotz Schändungen, Entweihungen und Zerstörungen bis heute teilweise original erhalten.[1] Die ältesten noch verifizierbaren Gräber stammen aus dem Jahr 1272. Nach dem jüdischen Friedhof in Worms gilt der Alte Jüdische Friedhof von Frankfurt am Main als zweitältester Deutschlands.[2] Der Friedhof hatte bis zum 16. Jahrhundert überregionale Bedeutung; er diente auch jüdischen Gemeinden aus dem Raum Aschaffenburg (Unterfranken) und Wetzlar (Mittelhessen) als Begräbnisort.

Lage

Die Begräbnisstätte lag historisch zunächst außerhalb der Stadt, östlich der Staufenmauer, der romanischen Stadtbefestigung. Später wurde die Frankfurter Judengasse, das von 1462 bis 1796 bestehende jüdische Ghetto, stadtplanerisch auf die Lage des Friedhofsareals ausgerichtet. Der mittelalterliche Begräbnisplatz liegt heute im Carrée zwischen Battonnstraße, Lange Straße, Rechneigrabenstraße und Kurt-Schumacher-Straße. Er grenzt direkt an das Museum Judengasse und die Gedenkstätte Neuer Börneplatz.[3]

Historie

Matthäus Merian 1628: Alter Jüdischer Friedhof (ummauertes Areal mit Baumbewuchs und Grabmalen mittig in der rechten Bildhälfte) zwischen westlich gelegenem Dominikanerkloster, Staufenmauer mit Mönchsturm, Judengasse und südöstlicher Bastion "Judeneck"
1811: Alter Jüdischer Friedhof nördlich/oberhalb des ab 1793 trockengelegten Fischerfeldes (Bereich zwischen Friedhof und Main)
1862: Alter Jüdischer Friedhof, bezeichnet als Alter Israelitischer Begräbnisplatz, nordöstlich/oberhalb des Judenmarktes
1872: Alter Jüdischer Friedhof (rechts), Blick von Osten in Richtung des eingerüsteten Kaiserdomes St. Bartolomäus, links Israelitische Krankenkasse
Gedenkstein für Anne Frank, eingelassen in die Außenmauer des Alten Jüdischen Friedhofes in Frankfurt am Main

Der Alte Jüdische Friedhof wird als ältestes Zeugnis jüdischen Lebens in der Stadt Frankfurt am Main angesehen. Seine Größe ist historisch unverändert. Er lag gegenüber dem an der mittelalterlichen Staufenmauer ab 1233 entstehenden Dominikanerkloster zunächst außerhalb der Stadtmauern, wurde dann aber von der ab dem Jahr 1333 auf Erlaubnis des Kaisers Ludwig dem Bayern neu gezogenen Stadtmauer um die so genannte Neustadt eingeschlossen und befand sich seitdem innerhalb der Stadt und in relativer Nähe des Stadtzentrums, der heutigen Altstadt.

Die innerhalb der weiter bestehenden Staufenmauer lebenden Juden, die vor allem rings um die Stiftskirche St. Bartholomäus wohnten, konnten durch die Bornheimer Pforte der Staufenmauer in die Neustadt und zu den Grabstellen auf dem Jüdischen Friedhof gelangen. Die Bornheimer Pforte grenzte an das nordwestliche Ende des heute einzig erhaltenen Reststücks der Staufenmauer an der Fahrgasse südlich der Konstablerwache.

1241 wurden viele Frankfurter Juden während eines als „Frankfurter Judenschlacht“ bezeichneten Pogroms ermordet und fanden auf dem Friedhof ihre letzte Ruhe. Weitere gegen Juden gerichtete Pogrome entwickelten sich während der ab 1348 grassierenden Pest, die in der Ermordung sämtlicher Frankfurter Juden gipfelten. Ihr gesamtes Eigentum verfiel der Stadt. Ab 1360 siedelten sich erneut Juden in Frankfurt an, deren größte Liegenschaft der Friedhof war, der zu dieser Zeit an den Kustodiengarten des Bartholomäusstiftes grenzte.

Mehrmals wurde die Mauer des jüdischen Friedhofes aufgrund seiner strategischen Lage am südöstlichen Stadtrand – dem damals so bezeichneten "Judeneck" – in die Verteidigungsmaßnahmen der Stadt einbezogen. Als Frankfurt bei der Königswahl von 1349 Partei für den Kandidaten Günther von Schwarzburg ergriff und deshalb einem Angriff von Gegenkönig Karl IV. entgegensah, wurden um Altstadt und Judenfriedhof elf Erker mit Schießscharten für Wachtposten angebracht. Auch während des Städtekrieges wurde der jüdische Friedhof für Verteidigungsmaßnahmen vorbereitet.

Ab dem Jahr 1462 erhielten die Frankfurter Juden die städtische Auflage, den Bereich um den Kaiserdom zu verlassen und sich in der Judengasse (früherer Wollgraben vor der Staufenmauer) anzusiedeln. Diese verlief außerhalb der Staufenmauer und etwa parallel zu ihrem nordöstlichen Teil in der Neustadt, in ungefährer Bogenlinie zwischen Bornheimer Tor/Konstablerwache und Judenmarkt/Börneplatz, lief also auf den jüdischen Friedhof zu. Diese Nähe zum Friedhof hatten die Stadtherren nicht zufällig bestimmt.

1780 entstand am Friedhofsgelände das Fremdenhospital (später: Israelitisches Hospital). Dieses wurde einhundert Jahre später zugunsten der in den Jahren 1881/82 errichteten orthodoxen Horowitzsynagoge abgerissen, die mit ihrer Rückseite an die Friedhofsmauer grenzte und beim November-Pogrom 1938 zerstört wurde. Im Zuge der Trockenlegung des Fischerfeldes – der Bereich zwischen Altem Jüdischen Friedhof und Main – ab 1793 und der folgenden Schleifung der Stadtbefestigungen entstand vor dem südwestlichen Ende des Friedhofes ein größerer Platz, der Judenmarkt (später: Börneplatz), auf dem die jüdische Bevölkerung der Stadt und des Umlandes ihre Waren feilbot.

1828 fand auf dem restlos überfüllten Friedhof die letzte Beisetzung statt, danach wurde der gleichzeitig mit dem Hauptfriedhof neu angelegte jüdische Friedhof an der Rat-Beil-Straße genutzt, ab 1929 der neue jüdische Friedhof an der Eckenheimer Landstraße. Der jeweils ältere Friedhof blieb erhalten; für jüdische Begräbnisstätten gilt eine unantastbare Totenruhe, Auflösungen von Gräbern und Exhumierungen sind ausgeschlossen.

Bei einer Zählung zu Anfang des 20. Jahrhunderts wurden auf dem 11.850  m² großen Friedhofsgelände entlang der Battonnstraße rund 6.500 Grabstellen erfasst.[4]

Unmittelbar nach der Machterschleichung Adolf Hitlers forderte der Gauleiter Hessen-Nassau, Jakob Sprenger, von der Stadt die Entfernung der Grabsteine des Alten Jüdischen Friedhofes und empfahl die Umwidmung in einen Volkspark oder Kinderspielplatz. Diesem Ansinnen standen zunächst noch juristische Bedenken im Wege, zeitweise geriet die Angelegenheit in Vergessenheit bzw. wurde nachrangig behandelt. Schließlich drängte die Stadt Frankfurt am Main die Jüdische Gemeinde im so genannten "Judenvertrag" vom 3. April 1939 unter anderem zu einer Veräußerung des Friedhofsgeländes. 1942 bemühte sich das städtische Bauamt um Freiflächen, um für etwaige Zerstörungen der Altstadt durch Bombenangriffe über einen zentral gelegenen Trümmerschuttabladeplatz zu verfügen. Dabei fasste das Bauamt eine Einebnung des Alten Jüdischen Friedhofes ins Auge. Der Frankfurter Oberbürgermeister Friedrich Krebs erließ daher im November 1942 eine Anweisung zur Zerstörung des Friedhofes und der Grabstellen. In der Folge wurden ungefähr zwei Drittel der historischen Grabsteine überwiegend maschinell zerschlagen und in Trümmern hinterlassen. Diese sollten ggf. als Bruchsteine für die Wiedererrichtung kriegszerstörter Mauern dienen. Auf dem Friedhofsgelände überall verstreut liegende Glassplitter als Relikte der im Bombenkrieg zerstörten Fenster von Häusern der Altstadt zeugen noch heute von der kurzen Phase als Trümmerschuttabladeplatz. Dazu wurden rund fünfzig Bäume auf dem Friedhofsgelände gefällt und gerodet, Flächen eingeebnet, das ursprüngliche Ensemble auf Dauer zerstört. Immerhin wurde jedoch das Historische Museum angewiesen, bedeutende Grabsteine auszuwählen, um diese zu erhalten. Auf diese Weise gelangten etwa 175 Grabsteine während des Krieges auf den neueren jüdischen Friedhof an der Rat-Beil-Straße und wurden in den 1950er Jahren anlässlich einer initialen Instandsetzungsphase wieder auf dem Alten Jüdischen Friedhof an der Battonnstraße aufgestellt. Da deren ursprünglicher Standort jedoch nicht kartographiert worden war, stehen sie heute nicht mehr an ihrem Originalplatz. Der Friedhof ist daher jetzt nur noch zu einem sehr geringen Umfang im Originalzustand. Lediglich das östliche Gräberfeld bietet noch den Eindruck eines mittelalterlichen jüdischen Friedhofes.[5][6] Grabstein-Trümmer erinnern an die nazistische Zerstörungsfreude.[7][8][9] Komplett erhalten sind rund 2.675 Grabsteine, fragmentarisch rund 3.500, von denen mittlerweile 500 virtuell durch den Einsatz von Computertechnik zusammengefügt worden und somit wieder lesbar sind. An ihrer physischen Rekonstruktion wird seit einigen Jahren gearbeitet.[10]

Ab dem Jahr 1996 wurden an der Außenseite der Friedhofsmauer bislang 11.134 erhaben in den Verputz der Mauer integrierte Steine mit Namen jüdischer Bürger Frankfurts eingelassen, um an deren Schicksale während der Zeit des Nationalsozialismus zu erinnern.[11] Darunter befindet sich auch ein Stein für Anne Frank.

Grabmale

Art der Grabstellen

Jüdische Grabstellen in Frankfurt am Main weisen diverse Besonderheiten auf, die sie regional/international unterscheiden. Die überwiegende Mehrheit der zwischen etwa 100 und 150 cm hohen erhaltenen Grabsteine sind aus dem in Frankfurt am Main üblichen roten Sandstein gefertigt. Sie weisen Symbole wie segnende Priesterhände, Levitenkanne und -schale, Krug, Mond, Reuse oder Schild auf. Priesterhände bezeichnen den Status des Verstorbenen als Angehöriger der Kohanim (Priesterschaft), die Bestatteten tragen Namen wie Cohen, Kohn, Katz, Katzenstein... Die Levitenkanne mit -schale verweist auf eine levitische Herkunft des Verstorbenen. Levitim kam eine unterstützende Funktion von Priestern zu, beispielsweise das Assistieren bei kultischen Waschungen, daher die Kanne und die Schale. Diese Bestatteten tragen Namen wie Levi, Löw, Löwenstein, Levison, Weill... Andere Symbole bezeichnen das Haus, in dem die Verstorbenen gelebt haben. Hebräische Inschriften, die zumeist die gesamte Front eines Grabsteines füllen, charakterisieren knapp das Leben der Beigesetzten.[12]

Es gibt keinen Blumenschmuck an den Gräbern, stattdessen werden kleine Steine zur Erinnerung an die Wüste abgelegt. Grabsteine aschkenasischer Juden stehen aufrecht als Stele, die Grabplatten sephardischer Juden liegen flach auf dem Erdboden. Die Reihung der Grabsteine ist im original erhaltenen mittelalterlichen Bereich sehr eng und unregelmäßig, wegen sehr dichter Belegung auf dem nicht erweiterungsfähigen Areal typisch für jüdische Friedhöfe.

Bekannte Grabstellen

Grabmal für Meir Rothschild ben Anschel Rothschild (1744 – 1812), den Begründer des Bankhauses Rothschild

Zu den bekanntesten Grabstellen des historischen Friedhofsgeländes zählt das Grab von Meir Rothschild ben Anschel Rothschild, den Begründer des Bankhauses Rothschild.[13] Weitere Grabsteine bedeutender Persönlichkeiten wurden auf dem Ehrenfeld im südwestlich gelegenen Teil des Friedhofes aufgestellt, zum Beispiel von Nathan Adler, vom Frankfurter Oberrabbiner Josua Falk, Pinchas Ben Zwi Hirsch Ha-Levi (Pinchas Horowitz) oder Meir Schiff Katz.

Älteste Grabstelle

Der älteste erhaltene Grabstein für Channa bat Alexandern zeigt das Sterbedatum 12. Juli 1272. Er hat die Maße 73 x 63 x 27 cm und wurde an der inneren Friedhofsmauer aufgestellt. Er befindet sich somit nicht mehr an seinem ursprünglichen Platz. Die hebräische Inschrift lautet zeilenweise übersetzt:

Aufgestellt wurde ich, eine Stele,
zu Häupten der Angesehenen,
Frau Channa Tochter des Herrn
Alexandern,
die verschieden (ist) 14. des Mondes
Aw im Jahre 5 Tausend
32 der Zählung. Es sei
ihre Seele im Garten Eden.
A(men) Sela.[14][15]

Inventarisierung

Angesichts der historischen Bedeutung und des Erhaltungsgrades der verbliebenen Grabsteine des Friedhofes ergab sich der Bedarf einer Inventarisierung und epigraphischen Erfassung der Grabinschriften. Diese können in ihrem hebräischen Original und der deutschen Transkription online über eine Datenbank abgerufen werden. Der Verweis findet sich weiter unten bei den Weblinks.

Zugang

Der Friedhof ist dauerhaft geschlossen, der Schlüssel kann jedoch bei Besichtigungswünschen im benachbarten Museum Judengasse gegen Hinterlegung des Personalausweises entliehen werden. Zeitweise bzw. auf Anfrage werden sachkundige Führungen angeboten.[16]

Video on Demand

Literatur

  • Isidor Kracauer, ‘‘Geschichte der Juden in Frankfurt a. M. (1150-1824)‘‘. 2 Bände, Frankfurt am Main 1925/1927
  • Eugen Mayer: ‘‘Die Frankfurter Juden‘‘, Frankfurt am Main 1966, Waldemar Kramer Verlag
  • Valentin Senger (Autor), Klaus Meier-Ude (Fotograf): ‘‘Die jüdischen Friedhöfe in Frankfurt‘‘, Verlag Waldemar Kramer, Frankfurt am Main 1985, S. 10-20, ISBN 3-7829-0298-X
  • Fritz Backhaus (Hrsg.): ‘‘Und groß war bei der Tochter Jehudas Jammer und Klage... ‘‘: Die Ermordung der Frankfurter Juden im Jahre 1241. Schriftenreihe des Jüdischen Museums Frankfurt am Main, Band 1. Thorbecke-Verlag, Sigmaringen 1995, ISBN 3-7995-2315-4

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Valentin Senger, Klaus Meier-Ude: Die jüdischen Friedhöfe in Frankfurt, Verlag Waldemar Kramer, Frankfurt am Main 1985, S. 10-20
  2. Friedhof Battonnstraße auf: jg-ffm.de
  3. Gedenkstätte Neuer Börneplatz auf: stadtgeschichte-ffm.de
  4. Foto: Grabsteine auf dem Alten Jüdischen Friedhof, 1917 auf: ffmhist.de
  5. Foto: Historische Grabsteine auf dem Alten Jüdischen Friedhof Frankfurt am Main auf: alemannia-judaica.de
  6. Foto: Dichte Reihung historischer Grabsteine auf dem Alten Jüdischen Friedhof, Battonnstraße auf: flickr.de
  7. Foto: Aufgehäufte Grabstein-Trümmer auf dem Alten Jüdischen Friedhof Battonnstraße, 1985 auf: ffmhist.de
  8. Der Alte Jüdische Friedhof an der Battonnstraße auf: ffmhist.de
  9. Foto: Grabsteine und Grabstein-Trümmer auf dem Alten Jüdischen Friedhof, Battonnstraße auf: flickr.de
  10. "961 kleine Namenstafeln", in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 5. September 2006 auf: faz.net
  11. Foto: Jüdische Schicksale auf eingemauerten Steinen an der Friedhofsmauer Battonnstraße auf: juedische-pflegegeschichte.de
  12. Alter Jüdischer Friedhof Frankfurt am Main auf: judengasse.de
  13. Transkript der hebräischen Grabsteininschrift von Mayer Amschel Rothschild auf: steinheim-institut.de
  14. Übersetzung der hebräischen Inschrift des ältesten Grabsteins von 1272 auf: steinheim-institut.de
  15. Foto des ältesten Grabsteins auf dem Alten Jüdischen Friedhof Battonnstraße aus dem Jahr 1272 auf: steinheim-institut.de
  16. Führung über den Alten Jüdischen Friedhof Frankfurt am Main auf: juedischesmuseum.de
50.1124468.689799
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