Jewiki unterstützen. Jewiki, die größte Online-Enzyklopädie zum Judentum.
Helfen Sie Jewiki mit einer kleinen oder auch größeren Spende. Einmalig oder regelmäßig, damit die Zukunft von Jewiki gesichert bleibt ... Vielen Dank für Ihr Engagement! (→ Spendenkonten) |
How to read Jewiki in your desired language · Comment lire Jewiki dans votre langue préférée · Cómo leer Jewiki en su idioma preferido · בשפה הרצויה Jewiki כיצד לקרוא · Как читать Jewiki на предпочитаемом вами языке · كيف تقرأ Jewiki باللغة التي تريدها · Como ler o Jewiki na sua língua preferida |
Anaxagoras
Anaxagoras (griechisch Ἀναξαγόρας Anaxagóras; geb. 499 v. Chr.; gest. 428 v. Chr.) war ein Vorsokratiker aus Klazomenai in Kleinasien. Sein nur in Fragmenten und hauptsächlich von Aristoteles überliefertes philosophisches Denken wird als Zusammenführung der Ansätze Heraklits und der Eleaten gedeutet.[1] Mit Anaxagoras gelangte die ionische Aufklärung nach Athen, denn dort verbrachte er die wichtigsten Jahrzehnte seines Lebens und stand dem leitenden Staatsmann Perikles als philosophischer Lehrer und Berater nahe. [2] Auch der Tragödiendichter Euripides ließ sich von ihm in das philosophische Denken und Forschen einführen. Als Mathematiker beschäftigte er sich hauptsächlich mit der Quadratur des Kreises.
Leben
Anaxagoras ging um das Jahr 462 v. Chr. nach Athen, machte dort seine Lehren bekannt und erlebte den politischen Durchbruch zur entwickelten Attischen Demokratie. Nach Plutarch war er es, der Perikles „jene Kraft, jenen festen und standhaften Mut, das Volk zu leiten beibrachte, und überhaupt seinen Charakter zu einer besonderen Würde und Vollkommenheit erhob“. Perikles, der Anaxagoras außerordentlich schätzte, soll von ihm „in der Kenntnis überirdischer und himmlischer Dinge unterrichtet“ worden sein. Durch den Unterricht des Anaxagoras gelangte Perikles „zu einer hohen Denkungsart und zu einem erhabenen Vortrage, der von allem erkünstelten, auf Volksgunst abzielenden Gewäsch ganz rein war“.
Um ca. 430 v. Chr. der Gottlosigkeit angeklagt, wurde Anaxagoras durch den Einfluss des Perikles vor der Todesstrafe gerettet, aber auf Dauer verbannt. Seine letzten zwei, drei Lebensjahre verbrachte er in Lampsakos im Exil. Sein Werk „Über die Natur“ wurde für eine Drachme in Athen unter der Hand verkauft und beeindruckte auch Sokrates. [3]
Lehre und Kritik
Carl-Friedrich Geyer sieht Anaxagoras in der Tradition der ionischen Naturphilosophen auf der Suche nach den ersten Gründen der Welt und zugleich nach dem ordnenden Prinzip für die ursprünglich amorphe Masse der Welt. Anaxagoras gehe von einer Urmischung aus, in der unendlich viele kleine Bestandteile unterschiedlicher Art enthalten seien, die Homoiomerien. Demgegenüber zieht Rapp in Zweifel, dass Anaxagoras diesen Begriff überhaupt gebraucht hätte, und schreibt dessen Entstehung vielmehr der Anaxagoras-Deutung des Aristoteles zu.[4] Nach Rapp bilden vier Grundsätze den Kern von Anaxagoras’ philosophischem Denken. Sie besagen, dass am Anfang alles miteinander vermischt war, dass es in allem einen Anteil von allem gibt, dass es keinen kleinsten Teil von irgendetwas gibt und dass nichts aus etwas entsteht, was nicht ist.[5]
Neben den vermischten Stoff stellte Anaxagoras als eine Art zweites Prinzip einen unpersönlichen Weltgeist (Nous), der in Bewegung gesetzt und getrennt habe, was vordem zusammenruhte. In dem betreffenden Fragment B 12 heißt es dazu:
„Der Geist ist als einziges mit keiner anderen Sache vermischt, daher existiert nur er für sich selbst. Er ist unendlich und herrscht selbständig. Er ist die feinste und reinste von allen Sachen, hat von allem Kenntnis und besitzt die größte Kraft. Der Geist ist nicht nur Ursache der kosmischen Kreisbewegung, er hat auch alles geplant und arrangiert.[…][6]“
Die Sonne betrachtete Anaxagoras nicht wie viele seiner Zeitgenossen als Gottheit, sondern als einen rotglühenden Stein, der größer sei als die Peloponnes. Als erster Philosoph vertrat er die Erkenntnis, dass der Mond nicht von sich aus leuchtet, sondern nur indirekt, indem er von der Sonne angestrahlt wird.[7]
Nach Aristoteles (384–322 v. Chr.) soll Anaxagoras die Auffassung vertreten haben, dass die Menschen die klügsten Lebewesen seien, weil sie Hände haben. Die Hände seien also die Ursache dafür, dass der Mensch das intelligenteste Lebewesen geworden sei. Dieser materialistischen Erklärung widersprach Aristoteles, indem er ihr seine teleologische Erklärung entgegenstellte. Diesem Erklärungsansatz zufolge hätten die Menschen Hände, weil sie die klügsten Lebewesen seien. Die teleologische Erklärung setzt voraus, dass der Kosmos und die Natur zweckmäßig und sinnvoll aufgebaut sind. So sind für Aristoteles „Hände ein Werkzeug, und die Natur weist, ebenso wie ein kluger Mensch jegliches Ding immer demjenigen zu, der es gebrauchen kann.“ (Quelle: Aristoteles, Teile der Tiere IV 10, 687a 8-10). Anaxagoras’ Erklärung kommt, und das zeichnet sie aus, ohne diese Prämisse aus. In den modernen Naturwissenschaften ist daher die teleologische wieder durch die materialistische Erklärungsweise verdrängt worden – statt nach einer causa finalis (Zweck- bzw. Zielursache) wird nach einer causa efficiens (Wirkursache) gefragt; obwohl man den Funktionalismus wiederum als Weiterentwicklung der Zweckursache deuten könnte.
Auch die Untersuchung von Naturphänomenen auf experimenteller Basis beschäftigte Anaxagoras. Eine Wasseruhr, die sogenannte Klepsydra, diente ihm zu dem vermeintlichen Nachweis der Nichtexistenz des leeren Raumes. In Platons Dialog Phaidon sagt Sokrates (469-399), er habe sich in seiner Jugend sehr für die Naturwissenschaften interessiert (96A ff) und sich gefreut, in Anaxagoras einen guten Lehrer gefunden zu haben (97D). Er sei dann aber wieder von der Naturphilosophie abgekommen, denn Anaxagoras habe die entscheidende Frage nicht beantworten können, was denn die Vernunft sei, der wir unsere Einsichten in die Beschaffenheit der Natur verdanken. Es sei doch eine Scheinerklärung, zu sagen, dass jemand sich von einem Ort an einen anderen deshalb begebe, weil er zwei Beine habe. Die Erklärung müsse sich viel mehr auf die Gedanken beziehen, die jemanden zu diesem Ortswechsel veranlassen. Dies ist der Ausgangspunkt der Sokratischen Revolution gegenüber den Naturphilosophen. Diese fragten nach der Beschaffenheit der Natur, aber Sokrates fragte nach der Beschaffenheit unseres Denkens.
Zitate
- Das Sichtbare der Welt öffnet uns die Schau ins Unsichtbare.
- Und alles, was sich mischte und absonderte und voneinander schied, das alles erkannte der Geist. Und wie die Dinge werden sollten und wie sie waren und wie sie sind, all das ordnete der Geist an.
Textausgaben und Übersetzungen
- Hermann Diels, Walther Kranz: Die Fragmente der Vorsokratiker. 6. Auflage, 1951, Nr. 59 Digitalisat; griechisch-deutsch
- Wilhelm Capelle: Die Vorsokratiker. Die Fragmente und Quellenberichte. 9. Auflage, Alfred Kröner, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-520-11909-4 (Quellentexte in deutscher Übersetzung)
- Patricia Curd (Hrsg.): Anaxagoras of Clazomenae. Fragments and Testimonia. A Text and Translation with Notes and Essays (= The Phoenix Presocratics, 6. Phoenix Supplementary Volumes, 44). University of Toronto Press, Toronto 2007, ISBN 978-0-8020-9325-7
- Laura Gemelli Marciano (Hrsg.): Die Vorsokratiker. Band 3, Artemis & Winkler, Mannheim 2010, ISBN 978-3-538-03502-7, S. 6–179 (griechische Quellentexte mit deutscher Übersetzung, Erläuterungen sowie Einführung zu Leben und Werk)
Literatur
- Richard Goulet, Marie-Christine Hellmann: Anaxagore de Clazomènes. In: Richard Goulet (Hrsg.): Dictionnaire des philosophes antiques, Bd. 1, CNRS, Paris 1989, ISBN 2-222-04042-6, S. 183−187
- Carl-Friedrich Geyer: Die Vorsokratiker zur Einführung. Hamburg 1995.
- Christof Rapp: Vorsokratiker. München 1997.
- Georg Rechenauer: Anaxagoras. In: Hellmut Flashar u. a. (Hrsg.): Frühgriechische Philosophie (= Grundriss der Geschichte der Philosophie. Die Philosophie der Antike, Band 1), Halbband 2, Schwabe, Basel 2013, ISBN 978-3-7965-2598-8, S. 740–796
Weblinks
- Literatur von und über Anaxagoras im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Michael Patzia: Anaxagoras (c.500—428 BCE) in der Internet Encyclopedia of Philosophy (englisch, inklusive Literaturangaben)
- Patricia Curd: Eintrag in der Stanford Encyclopedia of Philosophy (englisch, inklusive Literaturangaben)
- Fragment: Über die Natur
- Hinweise und Quellen zu Biographie und Lehre
Fußnoten
- ↑ Geyer, S. 124.
- ↑ Donald Kagan, The Peloponnesian War. Athens and Sparta in Savage Conflict 431-404 BC, HarperCollinsPublishers, 2003, S. 12.
- ↑ Geyer, S. 124.
- ↑ Rapp, S. 197f.: „Daß Anaxagoras der Philosoph ist, der die Homoiomerien vertreten habe, findet sich fast in jeder Philosophiegeschichte. Die erhaltenen Fragmente erwähnen den Ausdruck homoiomerês jedoch nicht. Sprachvergleichende Untersuchungen machen es sogar unwahrscheinlich, dass Anaxagoras selbst einen solchen Ausdruck geprägt oder verwendet haben könnte.“
- ↑ Rapp, S. 194.
- ↑ Zitiert nach Rapp, S. 206.
- ↑ Ekschmitt, S. 80.
Personendaten | |
---|---|
NAME | Anaxagoras |
ALTERNATIVNAMEN | Αναξαγόρας (griechisch) |
KURZBESCHREIBUNG | griechischer Philosoph |
GEBURTSDATUM | 499 v. Chr. |
GEBURTSORT | Klazomenai |
STERBEDATUM | 428 v. Chr. |
STERBEORT | Lampsakos |
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Anaxagoras aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar. |