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Bruder Hitler

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Zeitgenössischer Druck des Essays 1939 in der Exilzeitschrift »Das neue Tage-Buch«

Bruder Hitler ist ein Essay von Thomas Mann, entstanden vom 4. bis zum 21. April 1938 (in Beverly Hills, Kalifornien) und vom 1. August bis zum 4. September 1938 (in Küsnacht, Schweiz). Der Erstdruck trug den Titel »Der Bruder. Tagebuchblätter.« (1938). Die Druckbögen wurden zurückgezogen. Nur wenige sind erhalten (Online). Die Zweitveröffentlichung erschien in englischer Sprache am 3. März 1939 unter dem Titel »That man is my brother« in der Chicagoer Zeitschrift »Esquire«. Die Abbildung zeigt das Heft, in dem die dritte Fassung erschienen ist unter dem endgültigen Titel »Bruder Hitler«

Inhalt

Die Apostrophierung Hitlers als Bruder irritiert. Thomas Mann wollte mit dieser merkwürdigen Gleichsetzung der Welt vor Augen führen, dass es sich bei dem Politiker Adolf Hitler im Kern um einen Künstler handelt, einen gescheiterten und verkommenen Künstler. In den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg hatte Hitler sich in Wien als Postkartenmaler über Wasser gehalten, ohne festen Wohnsitz, in Asylen und Herbergen nächtigend. Die Wiener Akademie hatte sein Aufnahmegesuch abgelehnt.

Die Schlüsselvokabel des Essays lautet Verhunzung.[1] Hitler wird entlarvt als verhunzter Künstler, der wegen seines Mangels an Kreativität zum Verbrecher wurde. Zu Hitlers Künstlernaturell schreibt Thomas Mann:

„Es ist, auf eine gewisse beschämende Weise, alles da: die »Schwierigkeit«, Faulheit und klägliche Undefiniertheit der Frühe, das »Nicht-unterzubringen-Sein«, das »Was-willst-du-nun-eigentlich?«, das halb blöde Hinvegetieren in tiefster sozialer und seelischer Boheme, das im Grunde hochmütige, im Grunde sich für zu gut haltende Abweisen jeder vernünftigen und ehrenwerten Tätigkeit - auf Grund wovon? Auf Grund einer dumpfen Ahnung, vorbehalten zu sein für etwas ganz Unbestimmbares, bei dessen Nennung, wenn es zu nennen wäre, die Menschen in Gelächter ausbrechen würden.“

Auf der Suche nach der Identität des Künstlers hatte der junge Thomas Mann ähnliche Wesenszüge bei sich erkannt und literarisch beschrieben. Als Beispiele können Der Bajazzo (1897) genannt werden und ein Jahrzehnt später, nachdem der Ruhm sich eingestellt hatte, die heitere Selbstpersiflage Im Spiegel (1907).

Hitler wird als Décadent bloßgestellt, „der nichts gelernt hat, aus vagem und störrischem Hochmut nie etwas hat lernen wollen, der auch rein technisch und physisch nichts kann, was Männer können, kein Pferd reiten, kein Automobil oder Flugzeug lenken, nicht einmal ein Kind zeugen,“ – dafür jedoch eine „unsäglich inferiore, aber massenwirksame Beredsamkeit“ ausgebildet hat.[2]

„Unergründliche Ressentiments, die tief schwärende Rachsucht des Untauglichen, Unmöglichen, zehnfach gescheiterten, des extrem faulen, zu keiner Arbeit fähigen Dauer-Asylisten und abgewiesenen Viertelskünstlers, des ganz und gar schlecht weggekommenen“,[3] – der sich in „seiner beleidigten Größe“ nun die Welt unterwerfen will.

„Ein Künstler, ein Bruder. Aber die Solidarität, das Wiedererkennen sind Ausdruck einer Selbstverachtung der Kunst, welche denn doch zuletzt nicht ganz beim Wort genommen werden möchte.“

Weiter beklagt Thomas Mann die "Verhunzung" des Begriffes vom ´großen Mann´, den die Deutschen in Hitler mit seinem fatalen Charisma gesehen haben. Thomas Mann greift hier auf das Wort "Magnetismus" zurück, einen veralteten Begriff für Hypnose, und meint damit Hitlers suggestives "Genie", – das sich bei ihm mit "moralischem und geistigem Tiefstand" paart.

Ausgaben (Print)

Literatur

  • Tobias Temming: "Bruder Hitler"? Zur Bedeutung des politischen Thomas Mann. Essays und Reden aus dem Exil. Wissenschaftlicher Verlag, Berlin 2008 ISBN 3865733778

Weblinks

 Wikiversity: Titelblatt des Erstdruck unter der Titel: Der Bruder. Tagebuchblätter. – Kursmaterialien, Forschungsprojekte und wissenschaftlicher Austausch

Einzelnachweise

  1. Kurzke, Herrmann und Stephan Stachorski (Hrsg.): Thomas Mann. Essays Band 1. Frankfurt am Main: S. Fischer 1993, S. 435.
  2. Thomas Mann bescheinigt Hitler einen Mangel an Virilität und vermutet Impotenz („nicht einmal ein Kind zeugen“).
  3. Die »Schlechtweggekommenen« ist eine stehende Wortverbindung Nietzsches im Zusammenhang mit seiner Definition von Ressentiment, einem zentralen Begriff in Nietzsches Philosophie: »Die Schlechtweggekommenen, deren unterster Instinkt Rache ist … Eine ganze Gattung des bösartigen „Idealismus“«. Ecce homo. Transkription des Manuskriptes von Anneliese Claus, Tafel 45, Zeile 24/25. Wiesbaden: L. Reichert 1985.
  4. enthält: Gedanken an den Krieg 1914, Von deutscher Republik 1922, Kultur und Sozialismus 1928, Deutsche Ansprache 1930, Bekenntnis zum Sozialismus 1933, Briefwechsel mit Bonn 1936, Vom kommenden Sieg der Demokratie 1937, Bruder Hitler 1939, Das Problem der Freiheit 1939, Deutschland und die Deutschen 1945, Meine Zeit 1950, Ansprache vor Hamburger Studenten 1953
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