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Bulgarisches Exarchat

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Die Kathedrale Sankt Stefan im heutigen Istanbul (frühes 20. Jahrhundert).
Der Ferman zur Errichtung des Exarchats

Das Bulgarische Exarchat (bulgarisch Българска Екзархия) war eine unabhängige kirchliche Organisation in Bulgarien und im osmanischen Reich, die aufgrund des Fermans zur Errichtung des Bulgarischen Exarchats von Sultan Abdülaziz, dem Herrscher des osmanischen Reichs, am 28. Februar 1870 errichtet wurde. Dadurch erhielt die Bulgarisch-Orthodoxe Kirche nach einer Jahrhunderte andauernden osmanischen Herrschaft eine begrenzte Unabhängigkeit. Das bulgarische Exarchat war eine Kirchenorganisation, die die religiösen Belange der Bulgaren selbst regeln sollte und nur dem Sultan unterstellt war. Die Grenzen der Diözesen wurden im Artikel 10 des Fermans festgelegt.[1] Sitz des bulgarischen Exarchen wurde die Sankt-Stefan-Kathedrale im Istanbuler Stadtviertel Fener.

Die Einrichtung des bulgarischen Exarchats war eine Vorstufe zur Erringung der nationalen Unabhängigkeit Bulgariens. Sie ermöglichte die Abhaltung von Gottesdiensten in bulgarischer Sprache und die Besetzung von zuvor fast ausschließlich durch Griechen verwalteten Bischofssitzen durch Bulgaren.

Vorgeschichte

Die Errichtung des Exarchats war eine Folge der bulgarischen Emanzipationsbewegung (Bulgarische Wiedergeburt), die schon im 18. Jahrhundert eingesetzt hatte. Einige der maßgebenden Personen waren Paisi Hilendarski, Sophronius von Wraza, der Verleger Alexander Exarch (Alexander Stoilow), Neofit Bozweli, Neofit Rilski, Ilarion Makariopolski, Najden Gerow und Petko Slawejkow.

Als erster Schritt wird der 1824 erfolgte Versuch, den Bischof von Wraza zu ersetzen, angesehen. Weitere Schritte in diese Richtung taten die Einwohner von Samokow (1829) und Skopje (1825), indem sie zum Ostergottesdienst die griechischen Priester vertrieben und das Ökumenische Patriarchat von Konstantinopel um eine Weihe von einheimischen Kandidaten ersuchten[2]. Als Antwort entsandte jedoch der Konstantinopeler Patriarch erneut Griechen. Die Bestrebungen unterstützte auch bald die Eparchie von Tarnowo, wo unter anderem Ilarion Makariopolski und Neofit Bozweli tätig waren. Ein 1839 unter dem Druck der europäischen Mächte von Sultan Abdülmecid I. erlassenes Reformdekret änderte jedoch nichts, im Gegenteil, es verstärkte das Streben nach einer Selbstständigkeit in der kirchlichen Frage. In Widin gab 1840 die Hohe Pforte dem Druck der lokalen Bevölkerung nach und schickte auf Empfehlung des örtlichen Gouverneurs den Diakon Dionys nach Istanbul, doch er starb vor der Bischofsweihe.

1844 verfassten Bozweli und Makariopolski ein Schreiben, in dem sie die Hohe Pforte unter anderem um Erlaubnis für die Einsetzung von vom bulgarischen Volk gewählten Bischöfen, Abhaltung der Liturgie auf Bulgarisch, Wahl eines bulgarischen Vertreter in der Regierung, oder die Errichtung einer bulgarischen Kirche in Istanbul forderten. Als Reaktion und vor allem auf Druck des Ökumenischen Patriarchen wurden die beiden Priester in das Hilandar-Kloster in der Mönchsrepublik Athos verbannt. Dort starb Neofit Bozweli im Jahre 1848.

Erste Erfolge in der Errichtung einer eigenen Kirche konnte die in Istanbul lebende bulgarische Kolonie aufweisen. 1848 schrieb Stefan Bogoridi, ein hoher osmanischer Politiker bulgarischer Abstammung, eine Bittschrift an den Sultan, in der er erneut um die Erlaubnis bat, eine bulgarische Kirche in Istanbul zu errichten, in der die Liturgie auf Bulgarisch und von bulgarischen Priestern abgehalten werden soll. 1849 gestattete ihm Sultan Abdülmecid I. in einem Ferman die Errichtung der bulgarischen Kapelle »Sweti Stefan«. Ein weiterer Ferman von 1850 legalisierte die dortigen zahlreichen bulgarischen Gemeinden und erkannte die Bulgaren erstmals als eine Nation innerhalb des Osmanischen Reiches an.

In der Kirche »Sweti Stefan« vollzog Bischof Ilarion Makariopolski an 3. Apriljul./ 15. April 1860greg. beim Ostergottesdienst einen demonstrativen Akt, indem er die liturgisch vorgeschriebene Namensnennung des Konstantinopeler Patriarchen unterließ und stattdessen im Gebet »des Ganzen orthodoxen Episkopats« gedachte. In den kirchlichen Kanones wurde dieser Akt mit der Nichtanerkennung des kirchlichen Oberhauptes, des Konstantinopeler Patriarchen, gleichgesetzt. Auch in Bulgarien folgten zahlreiche Geistliche seinem Beispiel und sagten sich damit faktisch vom Ökumenischen Patriarchat ab. Aus diesem Grund wurde Ilarion Makariopolski erneut (1861–1864) mit weiteren Priestern in das Hilandar Kloster verbannt[3].

Auch in die sich parallel entfaltende nationale Befreiungsbewegung wurde durch kirchliche Würdenträger unterstützt. Maßgeblich beteiligten sich Klöster und Geistliche, wobei für die letzteren das geistliche Gewand kein Hinderungsgrund war, selbst die Waffe zu ergreifen, um für die nationale Freiheit zu kämpfen. So etwa tat es auch der Mönchsdiakon Ignatij, indem er seit 1868 eine Reihe von Revolutionskomitees (siehe Innere Revolutionäre Organisation) gründete und bewaffnete Einheiten organisierte, denen auch Priester und Mönche angehörten. Bekannt wurde er unter dem Namen Wasil Lewski. Etwa 1870/1871 schuf er das Statut des Bulgarischen revolutionären Zentralkomitees (BRZK). Er selbst leitete vom Trojan-Kloster aus eines der Komitees, bevor er in die Hände der Türken fiel.

Einige Jahre später, nachdem der Ökumenische Patriarch zahlreiche Projektvorschläge verworfen hatte, ermöglichte ein am 28. Februar 1870 vom Sultan Abdülaziz erlassener Ferman die Gründung der Bulgarisch-Orthodoxen Kirche in Form eines Exarchats.

Errichtung des Exarchats

Das Kirchenkonzil von 1871

Durch die Gründung des bulgarischen Exarchats sicherte man der bulgarischen Kirche eine gewisse Autonomie zu, jedoch musste, nach Artikel 3. der Fermans von 1870, der von den Bulgaren gewählte Exarch vom Sultan und vom Patriarchen bestätigt werden. Der Exarch hatte nach Artikel 4 den Namen des Patriarchen im Gottesdienst zu nennen und sollte nach Artikel 7 weiterhin das Myron (Salböl) vom Patriarchen entgegennehmen. Anfang 1871 trat in Istanbul eine Versammlung aus Vertretern von Klerus und Laien zu einer Synode zusammen, die einen Exarchatsstatut (Ustaw) verabschiedete. Am 31. Januarjul./ 12. Februar 1871greg. wählte das Kirchenkonzil (Synode) den Metropolit (Bischof) der Diözese Lowetsch Ilarion I. zum Exarchen. Als er jedoch nicht vom Ökumenischen Patriarchen bestätigt wurde, trat die Synode erneut zusammen und einigte sich auf einen neuen Kandidaten, der dann auch vom Patriarchen akzeptiert wurde. Am 4. Februarjul./ 16. Februar 1871greg. wählte das Konzil den Metropoliten von Widin Antim I. zum ersten bulgarischen Exarchen.

Das Gebiet des bulgarischen Exarchats

Bis zu den Balkankriegen 1912/1913 umfasste das bulgarische Exarchat 23 Eparchien (Diözesen) in Bulgarien, Thrakien und Mazedonien:

Widin, Wraza, Lowetsch, Weliko Tarnowo, Russe, Silistra, Warna und Preslaw, Sliwen, Stara Sagora, Plowdiw, Sofia, Samokow, Kjustendil, Skopje, Debar, Bitola, Ohrid, Veles, Strumiza und Newrokop. Weitere Gebiete konnten nach Artikel 10 des Fermans von 1870 hinzugefügt werden, wenn dort die bulgarische Bevölkerung eine 2/3-Mehrheit der Gesamtbevölkerung darstellte. Die Leiter der Eparchien, die Metropoliten (Erzbischöfe) wurde durch einen Erlass des osmanischen Sultans, ein so genannter Berât eingesetzt.

In 8 Eparchien konnte aufgrund des Drucks der griechischen und serbischen Bevölkerungsteile, die dem Patriarchat von Konstantinopel angehörten, nur ein bulgarischer Geistlicher die kirchlichen Interessen vertreten. Die Errichtung der Diözesen in den makedonischen Ohrid, Veles, Bitola, Newrokop und Skopje, abgesichert durch Sultansberate, erfolgte jedoch erst 1890, als Folge der gemäßigter Politik gegenüber dem osmanischen Reich des bulgarischen Ministerpräsidenten Stefan Stambolow. Bis zu diesem Zeitpunkt konnte das Patriarchat von Konstantinopel dieses verhindern[4].

In den ersten Jahren war die bulgarische Kirche fast ohne jede gebildete nationale Geistlichkeit und besaß sehr wenige Gotteshäuser. Noch vor der Befreiung Bulgarien wurde 1874 im Peter und Paul Kloster bei der Stadt Ljaskowez die erste theologische Schule eröffnet. Das Exarchat eröffnete weiter 1885 eine Priesterschule in Prilep, die 1886 nach Ohrid verlegt wurde. Eine geistliche Schule entstand 1883 in Adrianopel, wurde 1893 als geistliches Seminar nach Istanbul und 1915 nach Plowdiw verlegt. 1895 wurde eine weitere geistliche Schule in Samokow eröffnet, die bald als geistliches Seminar nach Sofia verlegt wurde[1].

Die Errichtung des bulgarischen Exarchats und insbesondere eines bulgarischen Schul- und Bildungssystems führte aber auch zu schweren Spannungen mit dem bis dahin bestimmenden, griechischen Patriarchat von Konstantinopel. Am 11. Maijul./ 23. Mai 1872greg., am Kyrill und Method Gedenktag, erklärte der Exarch Antim I. in der bulgarischen Kirche in Konstantinopel die Unabhängigkeit von dem Ökumenischen Patriarchat. Als Antwort darauf erklärte das Konstantinopeler Patriarchat auf einer Synode im Jahr 1872 das Bulgarische Exarchat für schismatisch und bezichtigte es der Häresie des Phyletismus. Zudem wurde der bulgarischen Kirche vorgeworfen, dass sie in Gestalt des in Istanbul (Konstantinopel) residierenden Exarchen den unkanonischen Zustand herbeiführe, dass zwei Bischöfe in ein und derselben Stadt amtierten.

Die in den darauffolgenden Jahren sich entfaltende nationale Befreiungsbewegung wurde auch kirchlicherseits unterstützt. So sind mehr als vierzig Namen von Geistlichen bekannt, die am misslungenen Aufstand von Stara Sagora 1875 teilnahmen. Auch an der Vorbereitung und Durchführung des Aprilaufstand von 1876 war eine ganze Reihe von Klöstern beteiligt.

Ernennungsurkunde (Berât) für Ilarion, Metropolit von Nevrokop (1894)

Auch Exarch Antim I. trat entscheidend für die Interessen seines Volkes ein. So überreichte er den Gesandten der Großmächte in Istanbul mehrere Denkschriften über türkische Gewalttaten. Auch während der internationalen Konferenz von Konstantinopel 1876/1877 versuchte er mehrmals auf die Rechte des bulgarischen Volkes hinzuweisen. Dieses Auftreten und seine prorussische Haltung kostete ihn vor dem Russisch-Osmanischen Krieg den Exarchenthron. Am 12. Apriljul./ 24. April 1877greg. wurde er entthront und nach Kleinasien in die Verbannung geschickt, weitere bulgarische Bischöfe anathematisiert. Anstelle Antims wurde am 22. Apriljul./ 4. Mai 1877greg. der damaligen Metropolit von Lowetsch zum Exarch Josef I.

Nach der Befreiung Bulgariens 1878 teilte das Exarchat seine Aufgaben. Während der Exarch in Istanbul weiter für die Gebiete Ostrumeliens und Makedoniens zuständig war, war die Heilige Synode für das nach dem Berliner Kongress erschaffene Fürstentum Bulgarien zuständig. In der von der konstituierenden Volksversammlung 1879 verabschiedeten Verfassung von Tarnowo bezeichnet die Bulgarisch-Orthodoxe-Kirche (BOK) als vorherrschende Kirche, die Heilige Synode als oberste geistliche Gewalt der BOK (Artikel 38 und 39).

Durch die Niederlagen und territorialen Einbußen Bulgariens im 2. Balkankrieg und im Ersten Weltkrieg wurde das Exarchat auf die nationalen Grenzen Bulgariens vermindert. Die nationalen Strömungen »Russophilie« (pro-russisch) und »Russophobie« (pro-westlich) fanden sich auch in den Reihen der Würdenträger. In den innerkirchlichen Konflikten versuchten sich die beiden Gruppen gegenseitig auszuspielen, um eine größere Einflussnahme in der Bevölkerung zu erziehen. Durch diese internen Konflikte gelang es der kirchlichen Synode zwischen 1915 und 1953 nicht (mit einer Ausnahme von Exarch Stefan I.) einen Exarchen zu bestimmen. In diesem Zeitraum regierten die Vorsitzenden der kirchlichen Heiligen Synode als Oberhaupt des Exarchats, jedoch nicht in dem Rang eines Exarchen.

Als erste orthodoxe Kirche nahm die Rumänische 1922 die volle sakramentale Gemeinschaft mit der Bulgarisch-Orthodoxen Kirche auf, was einer Anerkennung gleichgesetzt wird. Die anderen folgten nach. 1945 hob der Ökumenische Patriarch das 1872 erklärte Schisma nach Druck der russisch-orthodoxen Kirche auf. Wegen interner Konflikten konnte aber erst 1953 nach der Wahl von Kiril der Rang des Exarchen in den eines Patriarchen erhoben werden.

Das Bulgarische Exarchat ging 1953 in dem wiederhergestellten selbstständigen Bulgarischen Patriarchat auf.

Exarchen

Literatur

  • Edgar Hösch: Geschichte der Balkanländer: von der Frühzeit bis zur Gegenwart, C.H.Beck, 2008, S. 152/53, S. 175ff
  • Ernst Reinhardt: Die Entstehung des bulgarischen Exarchats, R. Berger Verlag, 1912
  • Fikret Adanir: Die makedonische Frage : ihre Entstehung u. Entwicklung, 1979, S. 57 ff
  • Fikret Adanır: Die Gründung des bulgarischen Exarchats in Die makedonische Frage, Band 20 von Frankfurter historische Abhandlungen, S. 42 ff
  • Gerhard Müller (Hrsg.): Theologische Realenzyklopädie, Band 10, Ausgaben 1–2, Walter de Gruyter, 1977, S. 436 ff
  • Hans-Dieter Döpmann: Kirche in Bulgarien von den Anfängen bis zur Gegenwart, München, Biblion Verlag, 2006, ISBN 3-932331-90-7
  • Gunnar Hering: Der Konflikt des Ökumenischen Patriarchats und des bulgarischen Exarchats mit der Pforte 1890. (1988)
  • Ioannis Zelepos: Die Ethnisierung griechischer Identität, 1870-1912: Staat und private Akteure vor dem Hintergrund der "Megali Idea", Band 113 von Südosteuropäische Arbeiten, Verlag Oldenbourg, Wissenschaftsverlag, 2002, S. 271
  • Jansen, Christian/Borggräfe, Henning: Nation – Nationalität – Nationalismus. Band 1 von Historische Einführungen, Campus Verlag, 2007, S. 167ff
  • Kirche im Osten Band 24/1981, Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, S. 68ff
  • Constantin Jireček: Geschichte der Bulgaren, Georg Olm Verlag, 1977 (Orig.: Verlag von F. Tempsky, Prag, 1876)
  • Lexikon zur Geschichte Südosteuropas, S. 141, S. 225
  • Petar Angelow: Istorija na Balgarija (aus dem bulg. Geschichte Bulgariens). SOFI-R, Sofija 2003, Band 1: ISBN 954-638-121-7, Band 2: ISBN 954-638-122-5
  • Nikolaj Owtscharow: Geschichte Bulgariens. Kurzer Abriss, Lettera Verlag, Plowdiw, 2006, ISBN 954-516-584-7

Weblinks

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Döpmann, 2006, S. 55 - S. 70.
  2. C. Jireček: Geschichte der Bulgaren
  3. Döpmann, 2006, S. 51.
  4. R. J. Crampton: A Concise History of Bulgaria. 2. Auflage. Cambridge University Press, 9. Januar 2006, ISBN 978-0-521-61637-9, S. 137ff.
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