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Ernest Dichter

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Ernest Dichter (geb. 14. August 1907 in Wien; gest. 22. November 1991 in Peekskill, New York) war ein österreichisch-amerikanischer Psychologe und Pionier der Marktpsychologie.

Leben

Ernest Dichter wurde 1907 als ältester von drei Söhnen einer jüdischen Familie (mütterlicherseits aus dem Sudentenland, väterlicherseits aus Galizien) in Wien geboren. [1] Ab 1930 studierte er deutsche Literatur und Romanistik an der Universität Wien, danach setzte er sein Studium an der Sorbonne in Paris fort. 1932-1934 studierte er, zurückgekehrt nach Wien, Psychologie bei Moritz Schlick, Karl und Charlotte Bühler, Paul Lazarsfeld, Alfred Adler und Rudolf Carnap. Neben dem Wiener Kreis prägten Dichter auch die Auseinandersetzung mit Sigmund Freuds Psychoanalyse (vermittelt über Wilhelm Stekel und Rudolf Aichhorn). 1934 folgte die Dissertation bei Karl Bühler zum Thema: „Die Selbstbeurteilung der eigenen Fähigkeiten und Leistungen“. [2]

1934-1936 eröffnete Ernest Dichter eine psychoanalytische Praxis, zugleich arbeitete bei der Österreichischen Wirtschaftspsychologischen Forschungsstelle (Marktforschung - gemeinsam mit Paul Lazarsfeld), und am Psychotechnischen Institut der Stadt Wien (Leitung Karl Hackl). 1935 Eheschließung mit der Konzertpianistin Hedy Langfelder (* 16. August 1911)

1937 emigrierte Dichter zunächst nach Paris, danach 1938 in die USA. Ab 1938 begann die eigentliche Karriere Dichters als Marktforscher, zunächst bis 1943 als Mitarbeiter diverser Marktforschungsinstitute (unter anderem „Market Analysts“ mit Aufträgen für Esquire, Ivory Soap und Plymouth (Chrysler). Danach arbeitete er als Programmpsychologe bei der CBS Corporation und beschäftigt sich unter anderem damit, weshalb Frauen Soap Operas hören.

1946 gründete Dichter ein eigenes Motivforschungsinstitut, zunächst als Institute in Mass Motivations (Manhattan), dann als Institute for Motivational Research (Croton-on-Hudson bei New York). In späteren Jahren kamen Partner-Institute in Frankfurt, Zürich, Paris, Tokyo, London, Barcelona, Wien, München, Panama, Miami hinzu. 1957 wurde er einem größeren Publikum durch das kritisch gemeinte Buch Die geheimen Verführer („The Hidden Persuaders“) des Publizisten Vance Packard bekannt.

Von 1946-1991 umfangreiche Tätigkeit als Berater in Politik und Wirtschaft, Vortragender und Lehrer in diversen Organisationen und Institutionen (American Psychological Association, American Marketing Association, Professor für Marketing / MBA Programm an der Long Island University, Professor für Verhaltensforschung an der Universität Haifa).

Am 21. November 1991 starb er in Peekskill (New York)

Werk

Ernest Dichter gilt als Begründer der tiefenpsychologisch fundierten Marktforschung und als „Vater der Motivforschung“ [3].

Anders als im mainstream der statistisch orientierten Marktforschung nach dem Zweiten Weltkrieg üblich, betrachtete Ernest Dichter den Markt nicht länger aus Sicht der Hersteller, sondern stellte die verborgenen, sich in Kaufentscheidungen manifestierenden Wünsche der Konsumenten in den Mittelpunkt seiner Analysen. Durch seinen psychoanalytischen Hintergrund geschult, betonte er die Rolle und Bedeutung unbewusster Motive für Kaufentscheidungen und reformulierte psychoanalytische Konzepte für die Marktforschung und das Marketing. Die latenten Motive der Verbraucher gelten als wirkmächtiger Antrieb des Handelns. Dabei etablierte Dichter Methoden aus der klinischen Psychologie in der Marktforschung, zum Beispiel die auch heute noch viel verwendeten projektiven Verfahren.

Auch Produkte sind Dichter zufolge nicht ausschließlich rationale Objekte, sondern haben symbolische und psychologische Schichten, die es aufzuklären gilt, um Produkte erfolgreich vermarkten zu können.[4]

Mit den 1961 und 1964 zuerst erschienenen Büchern „Strategie im Reiche der Wünsche“ und „Handbuch der Kaufmotive“ legte Dichter eine umfassende Darstellung seiner Vorgehensweise und ein Kompendium vielfältiger Kaufmotive jenseits rationaler Entscheidungen vor.

Mehr als 4000 Marktstudien, 1500 unselbständige Publikationen (Artikel) und an die 20 Bücher sind die Bilanz seines beruflichen Lebens. Dabei reicht die Spannweite der Studien von „The Psychology of Breakfast Cereals“ (1940) über „ The A-B-C of Humor in Advertising“ (1967) bis hin zu „Universal Studios Europe - Site Preference and Concept Analysis“ (1989).[5]

2005 fand in Wien ein umfangreiches Symposium zu Leben und Werk Ernest Dichters statt.

Wirkung

Ernest Dichters Wirkung ist nicht leicht einzuschätzen, da sein Werk neben öffentlich zugänglichen Publikationen aus einer Vielzahl unpublizierter Studien steht. Als weitaus bekanntester Marktforscher der 50er und 60er Jahre polarisieren seine Publikationen die Öffentlichkeit: Verehrung auf den einen („Werbepapst“, „Vater der Motivforschung“), Verdammung als „Verführer“ unschuldiger Konsumenten auf der anderen Seite.

Jenseits öffentlicher Polemiken gibt es jedoch eine Vielzahl von dauerhaften Einflüssen in der Werbe-, Marketing- und Marktforschung. Ernest Dichter hat psychologische Konzepte, Begriffe und Methoden innerhalb der Marktforschung etabliert: Projektive Verfahren, das Tiefeninterview oder auch der Begriff „Image“ gehören seither zum Arsenal qualitativer Marktforschung.[6] Auch die Idee, dass Produkte und Marken personalisiert werden können („Markenpersönlichkeit“) zählt zum Erbe Dichters.

Zudem gilt Dichter als Initiator und Stimulusgeber auf vielen Gebieten moderner Konsumforschung. Nach Peter Lunt[7] steht außer Frage, dass Dichter „bereits vor einigen Jahrzehnten wesentliche Themen der heutigen Konsumpsychologie vorweggenommen hat: Die Einteilung von Produkten nach ihrem symbolischen Wert, die Multi-Dimensionalität der Konsumpsychologie, die Wichtigkeit von Gütern für die Identitätsbildung, die Bedeutung der Freizeit, die Verknüpfung von politisch-gesellschaftlichem Handeln und Konsumverhalten – „Bürger“ und „Konsument“, die Rolle psychologischer Expertisen in Politik und Wirtschaft.

Mittlerweile entdeckt die historisch-soziologische Forschung Ernst Dichter als vielschichtige Figur bei der Durchsetzung neuer hedonistischer Konsummuster und -orientierungen in den 1960er und 1970er Jahren.[8]

Ernest Dichter Archiv

Eröffnung am 5. Oktober 1995 am Fachbereich Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien (http://www.ernest-dichter.net/, http://bibliothek.univie.ac.at/sammlungen/ernest_dichterarchiv.html)

Auszeichnungen

Bibliografie

Eigene Publikationen

  • 1947: The psychology of everyday living, New York: Barnes&Noble
  • 1961: Strategie im Reich der Wünsche, Düsseldorf: Econ
  • o.J (1962): Europas unsichtbare Mauern. Die Rolle nationaler Vorurteile und ihre Überwindung, Düsseldorf: Europa Union
  • 1964: Handbuch der Kaufmotive. Der Sellingappeal von Waren, Werkstoffen und Dienstleistungen, Wien u.a.: Econ
  • 1971: Warum eigentlich nicht? Das Why-Not Management-Prinzip. Ein Seminar Frankfurt am Main: Lorch
  • 1971: Motivating Human Behavior. NY u.a.: McGraw-Hill
  • 1975: Die zweite Karriere. Neue Wege zu einem erfüllten Berufsleben, Wien u.a.: Econ ISBN 3-430-12083-7
  • 1975: Der nackte Manager. Erfolgreiches Management ohne Systemzwang, Frankfurt am Main: Lorch ISBN 3-87496-006-4
  • 1977: Motivforschung - mein Leben. Die Autobiographie eines kreativ Unzufriedenen, Frankfurt am Main: Lorch ISBN 3-87496-035-8
  • 1979: Getting motivated: the secret behind individual motivations by the man who was not afraid to ask "why?", New York u.a.: Pergamon Press ISBN 0-08-023687-1
  • 1981: Das große Buch der Kaufmotive, Düsseldorf u.a.: Econ ISBN 3-430-12086-1
  • 1981: Überzeugen - nicht verführen. Die Kunst, Menschen zu beeinflussen, Landsberg am Lech: mvg (identisch mit: Gezielte Motivforschung) ISBN 3-478-02740-3
  • 1984: So führen Manager ihr Unternehmen zu Spitzenleistungen. Auf der Suche nach den Erfolgsfaktoren der Führung, Landsberg am Lech: mvg ISBN 3-478-32920-5
  • 1991: Neues Denken bringt neue Märkte. Analyse der unbewußten Faktoren, Umsetzung ins Marketing, Anregungen und Beispiele, Wien: Ueberreuther ISBN 3-8000-3375-5
  • 1991: Gezielte Motivforschung. So machen Sie mehr aus Ihrem Produkt! Landsberg am Lech: mvg (identisch mit Überzeugen - nicht verführen) ISBN 3-478-81122-8

Sekundärliteratur

  • Antreich, Evelyne 1999: Wo wurzelt kreative Unzufriedenheit? Eine Suche nach den sozialwissenschaftlichen Quellen der Motivforschung von Ern(e)st Dichter. Diplomarbeit am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaften der Universität Wien, Wien
  • Cudlik, Thomas 1999: Ernest Dichter. Depth Boy. Motivation als Imperativ der Informationsgesellschaft. Eine Systematisierung von Theorie und Praxis des „Vaters der Motivforschung“ mit einer Einschätzung seiner aktuellen Praxisrelevanz. Diplomarbeit am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaften der Universität Wien, Wien
  • Cudlik, Thomas / Steiner, Christoph 2002: „Rabbi Ernst“. Der Stratege im Reich der Wünsche – ein Portrait, in: Kreuzer, Franz / Prechtl, Gerd / Steiner, Christoph (Hg.): Tiger im Tank. Ernest Dichter – Ein Österreicher als Werbeguru, Wien: Manz, S. 45-83 ISBN 3-214-13251-2
  • Gries, Rainer 2003: Produkte als Medien. Kulturgeschichte der Produktkommunikation in der Bundesrepublik und der DDR, Leipzig: Leipziger Universitätsverlag ISBN 3-935693-81-8
  • Gries, Rainer / Schwarzkopf, Stefan (Hg.) 2007: Ernest Dichter - Doyen der Verführer. Zum 100. Geburtstag des Vaters der Motivforschung, Wien Mucha ISBN 978-3-900823-58-0, ISBN 3-900823-58-8
  • Hellmann, Kai-Uwe 2007: „Ernest Dichter als Geburtshelfer und Erzieher. Ein Beitrag zur Soziologie des Konsumenten“, in: Gries/Schwarzkopf 2007, S. 146-156
  • Horowitz, Daniel: 2007 „Von Wien in die USA und zurück. Ernest Dichter und die amerikanische Konsumkultur“, in: Gries/Schwarzkopf 2007, S. 108-126
  • Kreuzer, Franz / Prechtl, Gerd / Steiner, Christoph (Hg.) 2002: Tiger im Tank. Ernest Dichter – Ein Österreicher als Werbeguru, Wien: Manz ISBN 3-214-13251-2
  • Kreuzer, Franz 1984: Warum - Warum nicht? Franz Kreuzer im Gespräch mit Ernest Dichter und Peter R. Hofstätter, Wien: Franz Deuticke ISBN 3-7005-4496-0
  • Lunt, Peter 2007: „Kulturkritik bei Vance Packard und bei Ernest Dichter“, in: Gries/Schwarzkopf 2007 2007, S. 76-94
  • Medien & Zeit, Themenheft: Ernest Dichter – „Vater“ der Motivforschung. Wien 2005: Medien & Zeit Jg 20, Heft 4 ISSN 0259-7446
  • Parkin, Katherine 2007: „’Die Macht von echtem, unverfälschtem Sex’. Ernest Dichter, die Libido und die amerikanische Werbindustrie“, in: Gries/Schwarzkopf 2007, S. 128-144
  • Reithner, Gabriele / Führer, Christian 2004.: Ernest Dichter – Vater der Motivforschung, Wien (http://www.vmoe.at/show_content2.php?s2id=94)
  • Schindelbeck, Dirk 2007: „Ernest Dichter und seine deutschen Kollegen. Dargestellt am Beispiel seines Verhältnisses zu Hans Wündrich-Meißen“, in: Gries/Schwarzkopf 2007, S. 234-254

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Zur Biografie s. Cudlik 1999, Reithner /Führer 2004, Cudlik / Steiner 2002, S. 46ff., Ernest Dichter Archiv, Abschnitt „Leben“
  2. Signatur der Universitätsbibliothek Wien: D-3480
  3. Reithner, Gabriele/Führer, Christian: Ernest Dichter - Vater der Motivforschung, medien&zeit, Heft 4/2005, Themenheft Ernest Dichter – „Vater“ der Motivforschung
  4. Ernest Dichter 1964: Strategie im Reich der Wünsche. München: dtv, S. 88-115: „Die Seele der Dinge“, Rainer Gries 2005: „Die Geburt des Werbeexperten aus dem Geist der Psychologie“, in: Medien & Zeit Heft 4 (2005), S. 10f.
  5. Siehe den Ernest Dichter-Nachlass in der Bibliothek des Fachbereichs Publizistik und Kommunikationswissenschaft an der Universität Wien, erschlossen durch das Ernest Dichter Archiv
  6. Zu projektiven Verfahren und Tiefeninterview: Dichter 1961, S. 311 ff., zum Begriff „Image“ Kreuzer et.al 2002, S.13, 45. Zur länderspezifischen Rezeption in Deutschland: Semrad 2005, 62 f. , Gries 2003, S. 53ff.; Schindelbeck 2007, S. 243ff., zu Italien: Arvidsson 2007, zu Großbritannien: Schwarzkopf 2007
  7. Lunt 2007, S. 83f.
  8. Siehe die Aufsätze von Hellmann, Horowitz, Lunt und Parkin in Gries / Schwarzkopf 2007
  9. Aufstellung aller durch den Bundespräsidenten verliehenen Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich ab 1952 (PDF-Datei; 6,59 MB)
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