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Farid Esack

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Farid Esack (* 1959 in Wynberg, Südafrika) ist ein südafrikanischer islamischer Theologe und politischer Aktivist. Bekanntheit erlangte er durch seine Arbeit gegen die Apartheid und wegen seiner Rolle als Aktivist für die antiisraelische Kampagne Boycott, Divestment and Sanctions (BDS).

Leben und Wirken

Jugend und Ausbildung

Farid Esack ist in Südafrika geboren und wuchs dort in ärmlichen Verhältnissen auf. Im Alter von neun Jahren trat er der Tablighi Jamaat-Bewegung bei, und im Alter von zehn Jahren unterrichtete er an einer Madrasa (religiösen Schule). Seit seiner Jugend engagierte er sich gegen die Apartheid. Er erhielt ein Stipendium für ein Studium in Pakistan. Farid Esack war sehr beeindruckt von den Beziehungen zwischen Muslimen und Christen in Pakistan. Das veranlasste ihn, den Koran aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Später studierte er im Vereinigten Königreich sowie in Deutschland an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt am Main.

Esack lehrte u.a. an der Universität des Westkaps, in Hamburg, an der Gadjah-Mada-Universität, am Union Theological Seminary in New York und an der Xavier University of Cincinnati und war Gastprofessor an der Harvard University in den USA. Seit 2008 ist er Professor für Islamische Theologie an der Universität Johannesburg.

Politisches Engagement

Ab 1994 war Esack vier Jahre lang Gleichstellungsbeauftragter der Regierung Nelson Mandelas. Darüber hinaus war er in zahlreichen Organisationen tätig, u.a. im Kampf gegen Aids und bei den Positive Muslims. Im Muslim Youth Movement (MYM) leitete er eine Kommission, die untersuchte, wie MYM am Einsatz gegen Apartheid engagiert war; Esack geriet mit konservativen Gruppen in Konflikt, die eine Kooperation mit Nichtmuslimen ablehnten, und auch mit ultralinken Gruppen wie dem Black Consciousness Movement. Darauf gründeten Esack und andere am 17. Juni 1984 die Organisation Call of Islam (COI), die sich der United Democratic Front anschloss und unter Muslimen dafür warb, nicht mit der Apartheids-Regierung zusammenzuarbeiten. Dazu wurden öffentliche Zusammenkünfte organisiert, Demonstrationen, Freitagsgebete, Türbesuche, Boykottaufrufe und politische Schriften verfasst.[1] Insgesamt wollte der COI ein politisches Bewusstsein unter Muslimen befördern, um „eine nicht-rassistische, nicht-sexistische und demokratische Gesellschaft in Südafrika aufzubauen“.[2]

Esack ist Vorstandsvorsitzender der antiisraelischen „BDS“-Bewegung von Südafrika.[3]

Esack werden Verbindungen zur Terrororganisation Volksfront zur Befreiung Palästinas vorgeworfen. So empfing er bei einer Spendenaktion im Jahr 2015 Leila Khaled.[4]

Politische Theorie und Konsequenzen

Im Islamischen Zentrum Hamburg forderte Esack: „Die Idee eines islamischen Staates in Deutschland muss vertreten werden dürfen“.[5]

Infolge einer Boykottkampagne beendete im März 2011 die Universität von Johannesburg alle Verbindungen mit der Ben-Gurion Universität in Israel. Insbesondere ging es um ein Forschungsprojekt zur Wasseraufbereitung. Einer der zentralen Koordinatoren und Protagonisten der Boykott-Initiative war Esack. Diese Boykottkampagne legte den Grundstein der Gründung der BDS-Bewegung unter Esack und Muhammed Desai.[6]

Nach den Terroranschlägen in Paris im November 2015, in deren Verlauf 130 Zivilisten ermordet wurden und 368 verwundet, publizierte Esack ein Statement auf Facebook:

„Am 15. November 2015 bete ich nicht für Paris; ich verurteile niemanden. Warum zur Hölle sollte ich das? Ich hatte nichts damit zu tun. Es macht mich krank, wie ständig erwartet wird, dass man etwas verurteilt. Ich wende mich ab von euren beschissenen rassistischen und islamophoben Erwartungen und davon, dass ich immer Entsetzen heucheln soll, wenn eure Hühner heimkommen zur Ruhstatt. Hört auf, Terrorwerkzeuge zu unterstützen und zu finanzieren, entfernt euch aus den Ländern und Kontinenten anderer Menschen, hört auf, friedfertigen Widerstand gegen Besatzungen für gesetzwidrig zu erklären, wie die Boycott, Divestment and Sanctions (BDS) Bewegung, gebt euren kulturellen Imperialismus auf, zerstört eure Waffenindustrie, die die Waffen bereitstellt, die jedes Jahr Hunderttausende töten. Die Logik ist ganz einfach: Wenn du isst, dann ist es dumm anzunehmen, dass niemals Scheiße aus deinem Körper kommen wird. Ja, ich fühle Mitleid mit den Opfern, auf die die Scheiße fällt. Aber, zur Hölle, nehmt sie euch zu eigen, es ist eure Scheiße!“[7]

Kontroversen

2015 wurden zwei Vorträge Esacks zu angeblichen Parallelen zwischen Israel und dem südafrikanischen Apartheidsregime an Universitäten in Tolouse und Paris im Rahmen einer Vortragsreise durch Frankreich nach Protestbriefen der Union des étudiants juifs de France und Bureau Nationnal de Vigilance Contre l'Antisémitsme abgesagt.[8] Esack äußerte sich dazu, dass er die erhobenen Vorwürfe nicht nachvollziehen könne, insbesondere nicht den eines Antisemitismus; er verwies darauf, dass er sich seit 25 Jahren wissenschaftlich mit Formen des Antisemitismus, insbesondere unter Muslimen, beschäftige und eindeutig dagegen ausspreche.[9]

Im Januar und Februar 2017 sollte Farid Esack in Berlin, Freiburg, Bonn und Hamburg[10] insbesondere zu „BDS und Antisemitismus“ sprechen. Gegen eine Veranstaltung des Café Palestine im Januar 2017 in einem Hörsaal der Universität Freiburg regte sich Protest, unter anderem durch die Deutsch-Israelische Gesellschaft in Berlin, Freiburger Studierendenvertreter sowie ein Freiburger Stadtratuelle. Universitätsrektor Hans-Jochen Schiewer und Universitätssprecher Rudolf-Werner Dreier erklärten dazu, dass die Veranstaltung durch die Universität nicht abgesagt werden könne. Die Universität sei ein Ort des Diskurses, der unterschiedliche und auch extreme Meinungen aushalten müsse.[11]

Im Wintersemester 2016/17 hatte die Akademie der Weltreligionen der Universität Hamburg Esack als Gastprofessor eingeladen. Eine Veranstaltung im Kaisersaal des Rathauses wurde allerdings abgesagt.[12] Kritisiert wurde vor allem sein Wirken als Aktivist für BDS-Südafrika.[13] Die israelische Botschaft, die Esack dabei antisemitische Äußerungen zuschrieb[4], die jüdische Gemeinde und mehrere Politiker, u.a. der CDU, den Grünen und der AfD intervenierten.[14][15] In Universitätskreisen wurde daraufhin seine Berufung als Fehlgriff bezeichnet.[16] Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank bezeichnete daraufhin Boykottaufrufe gegen Israel und das jüdische Volk als „völlig inakzeptabel“ und drängte auf eine Erklärung zu den Auswahlkriterien der Berufung Esacks; die Universität leitete ein internes Prüfverfahren ein.[17] Esack selbst äußerte, er könne die Vorwürfe nicht nachvollziehen; er habe sich stets gegen Antisemitismus ausgesprochen; sein Aktivismus bei BDS entspreche seinem Engagement gegen die südafrikanische Apartheid: „Dieser Boykott richtete sich damals nicht gegen weiße Menschen, sondern gegen ein bestimmtes Regime.“[18] Die Deutsch-Palästinensische Gesellschaft[19] und der taz-Journalist Daniel Bax kommentierten, Esack könne nicht als Antisemit gelten.[20]Die Universität sieht in ihrer Entscheidung seiner Haltung zu Israel einen Fehler: „Unter Berücksichtigung der jetzt bekannten Fakten würde eine Entscheidung, Prof. Dr. Esack auf eine Gastprofessur zu berufen, sicherlich anders ausgefallen sein.“ [21][22]

Schriften (Auswahl)

  • The Struggle. Call of Islam, Maitland, Südafrika 1988, ISBN 0-620-12519-5.
  • But Musa went to Fir´aun!, Call of Islam, Maitland, Südafrika 1989, ISBN 0-620-14105-0 (Zusammenstellung von Fragen und Antworten über die Rolle der Muslimen im südafrikanischen Kampf für Freiheit)
  • Qur´an, Liberation and Pluralism! an Islamic perspective of interreligious solidarity against oppression. OneWorld, Oxford 1997, ISBN 1-85168-121-3 (beschäftigt sich mit koranischen Aussagen, besonders zu den Beziehungen zwischen Muslimen und Angehörigen anderer Religionen)
  • Islam and Politics, Third World Foundation, London 1998.
  • On being a Muslim, finding a religious path in the world today, OneWorld, Oxford 1999 ISBN 1-85168-146-9 (thematisiert die Suche nach einem religiösen Weg, in der heutigen Welt)
  • Wahrheit und Dialog: Gedanken eines muslimischen Theologen, in: Wolfram Weiße (Hg.), Wahrheit und Dialog: theologische Grundlagen und Impulse gegenwärtiger Religionspädagogik (= Religionspädagogik in einer multikulturellen Gesellschaft Bd. 4), Waxmann, Münster u.a. 2002, ISBN 3-8309-1140-8, 43-52.
  • Islam and Gender Justice. Beyond Apologia, in: John C. Raines, Daniel C. Maguire (Hgg.): What Men owe Women: Men’s Voices from World Religions, Albany 2001, 187-210.
  • The Qur'an: A Short Introduction. OneWorld, Oxford 2002 ISBN 1-85168-231-7.
  • The Qur'an: A User's Guide. OneWorld, Oxford 2005 ISBN 1-85168-354-2.
  • hg. mit Sarah Chiddy: Islam and AIDS: Between Scorn, Pity, and Justice. Oneworld, Oxford 2009, ISBN 978-1-85168-633-9.
  • Unterwegs zu einer islamischen Befreiungstheologie, in: Klaus von Stosch, Muna Tatari (Hgg.): Gott und Befreiung. Befreiungstheologische Konzepte in Islam und Christentum, Paderborn 2012 (= Beiträge zur komparativen Theologie Bd. 5), ISBN 978-3-506-77317-3, 19-42.
  • Die Feuerprobe des Glaubens – Wirtschaftliche Gerechtigkeit in den frühen mekkanischen Suren, in: Christian Ströbele, Anja Middelbeck-Varwick, Amir Dziri, Muna Tatari (Hgg.): Armut und Gerechtigkeit. Christliche und islamische Perspektiven, Pustet, Regensburg 2016, ISBN 978-3-7917-2775-2, 30-54.

Literatur

  • Jocelyne Cesari: Encyclopedia of Islam in the United States. Greenwood Press, Westport 2007, S. 218-220 (Eintrag zu Esack).
  • Anja Middelbeck-Varwick: Mit dem Koran für Gerechtigkeit streiten. Zu Farid Esacks befreiungstheologischer Programmatik. In: Christian Ströbele, Anja Middelbeck-Varwick, Amir Dziri, Muna Tatari (Hrsg.): Armut und Gerechtigkeit. Christliche und islamische Perspektiven. Pustet, Regensburg 2016, S. 23-29.
  • Andreas Renz: Theologische Sicht und rechtliche Stellung des Christentums im Islam. Hermeneutische Neuansätze am Beispiel von Farid Esack und 'Abdullah An-Na'im. In: Münchner Theologische Zeitschrift 58 (2007), S. 146-159.
  • Muna Tatari: Eine Praxis der Gerechtigkeit und Liebe. Gemeinsamkeiten und Unterschiede in christlichen und islamischen Entwürfen einer Theologie der Befreiung ausgehend von Gustavo Gutiérrez und Farid Esack. In: Klaus von Stosch, Muna Tatari (Hrsg.): Gott und Befreiung. Befreiungstheologische Konzepte in Islam und Christentum. Paderborn 2012, S. 255-276.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Zum COI und Esacks Arbeit bei COI vgl. Inga Niehaus: Muslime Südafrikas im Spannungsfeld zwischen politischer Beteiligung und Ausgrenzung: Partizipation einer religiösen Minderheit im Demokratisierungsprozess, Waxmann, Münster 2008, ISBN 978-3-8309-1993-3, 158-162; Farid Esack: Three Islamic Strands in the South African Struggle for Justice, in: Third World Quarterly 10/2 (1988), 473-498; Heinrich Matthee: Muslim Identities and Political Strategies: A Case Study of Muslims in the Greater Cape Town Area of South Africa, 1994-2000, Kassel 2008, 89-96; 250-259 et passim.
  2. Niehaus 2008, 160.
  3. Siehe Website von BDS-Südafrika, abgerufen 20. Jan. 2017
  4. 4,0 4,1 Benjamin Weinthal: Palestinian terror group backer teaching at German university sparks row, The Jerusalem Post, 25. Januar 2017.
  5. Bernhard Sprengel: „Islamfeindlichkeit war noch nie so stark wie heute“. In: Die Welt. 16. Januar 2017, abgerufen am 25. Januar 2017.
  6. Esack: University of Johannesburg Upholds Academic Boycott of Israel. University of Johannesburg Upholds Academic Boycott of Israel, 9. Juli 2011, abgerufen am 25. Januar 2017.
  7. Übersetzung von Ahmed Aref: I’m not praying for Paris – SA Muslim academic. In: news24. 17. Januar 2017, abgerufen am 25. Januar 2017.: “November 15, 2015 I am not praying for Paris; I am not condemning anyone. Why the hell should I? I had nothing to do with it. I am sickened by the perpetual expectations to condemn. I walk away from your shitty racist and Islamophobic expectations that whenever your chickens come home to roost then I must feign horror. Stop supporting and funding terror outfits, get out of other people's lands and continents, stop outlawing peaceful resistance such as Boycott, Divestment and Sanctions (BDS) Movement, to occupations, abandon your cultural imperialism, destroy your arms industry that provides the weapons that kill hundreds of thousands of others every year. The logic is quite simple; When you eat, it's stupid to expect that no shit will ever come out from your body. Yes, I feel sorry for the victims on whom the shit falls. But, bloody hell, own it; it's yours!”
  8. Esack banned from speaking in France | Voice of the Cape. In: Voice of the Cape. 2015-03-26 (http://www.vocfm.co.za/esack-banned-from-speaking-in-france/).
  9. Interview vom 6.4.2015.
  10. Vgl. Kommentar von Audiatur-online vom 23. Januar 2017.
  11. Vgl. Simone Höhl: Umstrittener Vortrag in größerem Hörsaal, sowie Freiburger Café Palestine steht in der Kritik, jeweils in: Badische Zeitung vom 13. Januar 2017.
  12. Vgl. Artikel im Hamburger Abendblatt vom 26. Januar 2017.
  13. Christoph Heinemann, Christian Unger: Universität Hamburg Antisemit als Gastprofessor? Universität wehrt sich. In: hamburger abendblatt. 24. Januar 2017, abgerufen am 25. Januar 2017.
  14. Erklärung der CDU Hamburg, 25. Januar 2017.
  15. Jakob Koch: Universität prüft Vorwürfe gegen umstrittenen Dozenten, Welt.de, 24. Januar 2017.
  16. Jakob Koch: Volker Beck greift Hamburger Universität scharf an. Abgerufen am 26. Januar 2017 (deutsch).; Oliver Schirg: Streit um Dozent Esack: Grüner Volker Beck kritisiert Uni, in: Hamburger Abendblatt vom 28.01.2017.
  17. Jakob Koch: Fegebank setzt Hamburger Universität unter Druck, Welt.de, 3. Februar 2017.
  18. Vgl. Daniel Bax: Nachspiel wegen Israel-Kritik, taz.de, 6.  Februar  2017.
  19. Oliver Schirg: Streit um Dozent Esack: Grüner Volker Beck kritisiert Uni, Hamburger Abendblatt, 28. Januar 2017.
  20. Daniel Bax: Mehr als nur ein „Israelkritiker“, taz.de, 9. Februar 2017.
  21. Antisemitismus-Streit: Beirat der Akademie fürchtet um Ruf - WELT. Abgerufen am 19. Februar 2017.
  22. Oliver Schirg: Akademie-Beirat kritisiert umstrittenen Gastprofessor Esack. Abgerufen am 19. Februar 2017 (deutsch).
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