Jewiki unterstützen. Jewiki, die größte Online-Enzyklopädie zum Judentum.
Helfen Sie Jewiki mit einer kleinen oder auch größeren Spende. Einmalig oder regelmäßig, damit die Zukunft von Jewiki gesichert bleibt ... Vielen Dank für Ihr Engagement! (→ Spendenkonten) |
How to read Jewiki in your desired language · Comment lire Jewiki dans votre langue préférée · Cómo leer Jewiki en su idioma preferido · בשפה הרצויה Jewiki כיצד לקרוא · Как читать Jewiki на предпочитаемом вами языке · كيف تقرأ Jewiki باللغة التي تريدها · Como ler o Jewiki na sua língua preferida |
Generative Transformationsgrammatik
Die generative Transformationsgrammatik (TG; auch Erzeugungsgrammatik) ist eine generative Grammatik mit Transformationsregeln. Das Modell wurde in den 1950er Jahren von Noam Chomsky konzipiert und später mehrfach revidiert und erweitert. Die Diskussion um die semantische Komponente innerhalb der Transformationsgrammatik führte zu einer breit angelegten wissenschaftlichen Debatte (bei der vor allem George Lakoff als Kritiker Chomskys auftrat), in deren Verlauf Chomsky und seine Mitarbeiter ihre Vorstellungen in verschiedenen Versionen weiterentwickelten.
Beschreibung
Die generative Transformationsgrammatik stellt nach der Theorie Noam Chomskys eine Überwindung des taxonomischen Strukturalismus dar. Chomsky fragte, wie ein Sprecher einer beliebigen Sprache mit einer endlichen Anzahl von Regeln eine unendliche Anzahl von Sätzen produzieren kann und wie ein Hörer Sätze versteht, die er zuvor nie gehört hat.
Eine generative Transformationsgrammatik ist also ein Modell der Beschreibung des dynamischen Prozesses der Sprachproduktion und Sprachrezeption, der Fähigkeit des idealen Sprechers/Hörers, grammatikalische Ausdrücke zu erzeugen und zu verstehen (Kompetenz).
Diese Vorstellung eines idealen Sprechers ist verbunden mit dem Entwurf einer natürlichen Logik. Dabei orientierten sich die strukturellen Grammatiktheorien u. a. an Rudolf Carnap. Als Vertreter des logischen Empirismus arbeitete er an einer logischen Analyse der Sprache nach dem Muster der physikalischen Sprache, die er als Universalsprache der Wissenschaft betrachtete.
Eine weitere Voraussetzung für einen solchen Ansatz ist das Postulat, dass das Sprachsystem im Gehirn ähnlich funktioniert wie ein Computer. Nach Jerry Fodors Ansicht können die vielfältigen Strukturen und Bedeutungen der sprachlichen Äußerungen (Oberflächenstruktur) auf einen grammatikalischen Regelapparat (die Tiefenstrukturen) zurückgeführt werden, der einerseits durch Umformungen (Transformationen) die Sprachverwendung erzeugt (generiert) und andererseits das Verstehen ermöglicht. Entsprechend übernahmen die Linguisten bei ihren Notationen die – in der Informatik verwendeten – mathematischen Symbole der Graphentheorie in Verbindung mit Algorithmen: Grundform für die Konstituentenanalyse ist der Baumgraph.
Jerry Fodor bezeichnet die abstrakten Basisstrukturen als Sprache des Geistes, die in einzelnen Gehirnregionen lokalisiert sei und durch kausale Abfolgen und Regeln nachgebildet werden könnte. Da er wie Chomsky (unter dem Schlagwort „Cartesianische Linguistik“[1]) von einer genetischen Disposition ausgeht, nimmt er an, dass jeder Mensch über diese Sprachkompetenz verfügt und es möglich ist, eine die Teilsprachen übergreifende universelle Basissprache für einen idealen Sprecher/Hörer zu modellieren. Beim Sprechenlernen müsse das Kind nur noch die lexikalischen Einheiten und Morpheme erwerben und sie mit den Strukturen verbinden. Chomsky u. a. setzten diesen Ansatz in der Generativen Transformationsgrammatik um: Der Hörer versteht die sprachlichen Äußerungen, indem er die Bedeutung des Satzes aus der Bedeutung der einzelnen Bestandteile, der Formative, erschließt (interpretiert). Die Vorstellung eines idealen Sprechers/Hörers und das Transformationsregelsystem werden von neuen Forschungen der Kybernetik und der Kognitionswissenschaften in Frage gestellt.
Die Sprachverwendung dagegen bezeichnet Chomsky als Performanz. Die Standardversion besteht bei ihm aus einem Erzeugungsteil (Basis), der Tiefenstrukturen erzeugt, die im Transformationsteil nach einzelsprachlich (z. B. englisch, deutsch) unterschiedlichen Transformationen in die Oberflächenstrukturen überführt werden und dabei eine semantische und eine phonologische Interpretation erfahren. Die Basis dieser Grammatik ist syntaktisch. Eine solche Grammatik liefert also für jeden Satz, den sie generiert (hervorbringt), eine Tiefen- und eine Oberflächenstruktur sowie die Bedeutung und die lautliche Realisation.
Die Lakoff–Variante
→ Siehe auch Jerrold Katz: Die Semantische Theorie 1.1 Vorgeschichte 1.2 Das Modell der semantischen Interpretation 1.3 Diskussion 1.4 Literatur
Als Reaktion auf die Kritik an der Aspects-Version erweiterte Chomsky sein Modell der Transformationsgrammatik um die semantische Komponente, während Lakoff u. a. mit ihrer Generativen Semantik einen anderen Ansatz wählten:
- Im Gegensatz zu Chomskys Modell erzeugen die den Sätzen einer Sprache zugrunde liegenden abstrakten Basiskomponenten (Formationsregeln) in der Generativen Semantik nicht mehr syntaktische Tiefenstrukturen, sondern semantische Satzrepräsentationen, auch Tiefenstrukturen genannt (aber nicht in Chomskys Definition), welche die Satzbedeutung vollständig beschreiben. Das geschieht durch kleinste bedeutungstragende Bausteine (= atomare Prädikate), die in Großbuchstaben geschrieben werden. Deshalb kommt die Generative Semantik – im Unterschied zur Transformationsgrammatik – ohne auf den Tiefenstrukturen operierende semantische Komponenten aus.
- Die Transformationsgrammatik Chomskys geht dagegen bei den Ableitungsstufen von einer syntaktischen Komponente aus, welche die Basiskomponente (Formationsregeln + Lexikon) und die Tiefenstrukturen produziert. Diese wird erweitert um die Semantische Komponente (= semantische Regeln), die in der Tiefenstruktur die Semantische Repräsentationen generiert. Mit Hilfe von Transformationsregeln (Transformationskomponente) entstehen die Oberflächenstrukturen.
- Bei der Generativen Semantik ersetzt die an die semantische Satzrepräsentation anschließende Transformationskomponente die abstrakten atomaren Prädikate, die bereits Bedeutungsträger sind, durch Formative. Diese brauchen nur noch mit den bisher fehlenden phonologischen und syntaktischen Eigenschaften ausgestattet zu werden und stellen korrekt geformte - normalsprachliche - syntaktische Oberflächenstrukturen her.
- Zusammenfassung von 1 und 2: Es besteht eine prinzipiell unterschiedliche Auffassung bezüglich des Verhältnisses von Syntax und Semantik. Die Transformationsgrammatik setzt sich aus zwei unterschiedlichen Regelapparaten zusammen: generative Syntax und Semantik, welche die durch die Syntax aufgebauten Strukturen interpretiert. Strukturierungen und semantische Beziehungen sprachlicher Ausdrücke sind demnach zwei verschiedene sprachliche Aspekte. In der Generativen Semantik gibt es dagegen keine prinzipielle Differenz zwischen semantischen und syntaktischen Erscheinungen und deshalb nur einen einzigen semantischen Regelapparat. Vertreter der Transformationsgrammatik kritisieren, dass die Generative Semantik die zentralen semantischen Phänomene nicht mit ihrem Regelapparat, sondern durch die zusätzlichen Bedeutungspostulate erklärt. Es handele sich also nur um einen Zusatz zur Syntaxbeschreibung.
- Die Generative Semantik organisiert den Baumgraphen nicht in Nominalphrase (NP = Subjekt) und Verbalphrase (VP mit V + NP = Verb/Prädikat + Objekt) als unmittelbare Konstituenten des Satzes (S), sondern stellt das Verb mit den NP (Subjekt und Objekt) gleich. Damit erhält S eine Prädikat-Argument-Struktur wie in der Prädikatenlogik. Außerdem formalisiert die Generative Semantik Satzvoraussetzungen (Präsuppositionen) und Implikation nach Gottlob Freges Notationen, die in der generativen Syntax der Transformationsgrammatik nicht modelliert werden können.
S / | \ NP V NP / | | | \ Die Katze fraß den Kuchen
- Anders als die Transformationsgrammatik hat die Generative Semantik den Anspruch, auch sprachliche Kontextbeziehungen und Sprechsituationen in ihr Modell einzubeziehen, stößt dabei jedoch an Grenzen der mathematischen Formalisierbarkeit und wird deshalb von Vertretern der linguistischen Pragmatik kritisiert.
Siehe auch
Literatur
- Klaus Baumgärtner, Hugo Steger (Hrsg.): Funkkolleg Sprache. Eine Einführung in die moderne Linguistik. Band 9, S. 33–38 (Kritik an Fragestellung und Prämissen der Semantiktheorien innerhalb der Transformationsgrammatik), Band 10, S. 7 ff. (Kritik an der Sprachtheorie der Transformationsgrammatik). Beltz Weinheim 1972.
- Noam Chomsky: Syntactic Structure. 1957.
- Noam Chomsky: Aspekte der Syntaxtheorie (Übersetzung von: Aspects of the Theory of Syntax, 1965). Frankfurt 1969.
- Noam Chomsky: Cartesianische Linguistik. Ein Kapitel in der Geschichte des Rationalismus. Tübingen 1971. Übersetzung (R. Kruse) von: Noam Chomsky: Cartesian linguistics: a chapter in the history of rationalist thought. University Press of America, Lanham, Maryland 1965. Reprint: University Press, Cambridge 2009.
- Jerrold J. Katz, Jerry A. Fodor: Die Struktur einer semantischen Theorie. In: Hugo Steger (Hrsg.): Vorschläge für eine strukturale Grammatik des Deutschen. Darmstadt 1970, S. 202–268.
- George Lakoff: Linguistik und natürliche Logik. Frankfurt 1971.
- Hugo Steger (Hrsg.): Vorschläge für eine strukturale Grammatik des Deutschen. (= Wege der Forschung. Band 146). Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1970.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Noam Chomsky: Cartesianische Linguistik. Ein Kapitel in der Geschichte des Rationalismus. Tübingen 1971. Übersetzung (R. Kruse) von: Noam Chomsky: Cartesian linguistics: a chapter in the history of rationalist thought. University Press of America, Lanham, Maryland 1965. Reprint: University Press, Cambridge 2009.
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Generative Transformationsgrammatik aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar. |