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Geschlechtertheorie

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Die Geschlechtertheorie ist ein Begriff aus dem mathematischen Teilgebiet der algebraischen Zahlentheorie. Die Geschlechtertheorie gibt in vielen Fällen eine befriedigende Antwort auf die Frage nach der Darstellung von Primzahlen durch nicht äquivalente, binäre quadratische Formen mit gleicher Diskriminante. Das heißt, sie gestattet es zu entscheiden, ob eine Primzahl durch eine quadratische Form in zwei Variablen dargestellt wird oder nicht. Sie macht jedoch im Allgemeinen keine Aussagen über die Darstellung allgemeiner Formen.

Geschlechter

In seiner Disquisitiones Arithmeticae entwickelte Carl Friedrich Gauß die Geschlechtertheorie als die Theorie der Geschlechter quadratischer Formen. Eine der größten Errungenschaften, die Gauß zur Geschlechtertheorie leistete, ist die Berechnung der Anzahl der Geschlechter von Formen mit gegebener Diskriminante . Er konnte schließlich zeigen, dass ihre Anzahl gleich ist, wobei die Anzahl der in enthaltenen Primfaktoren bezeichnet. Darüber hinaus wies er nach, dass stets ein Teiler der (echten) Äquivalenzklassen von primitiven, positiv definiten Formen mit Diskriminante ist. Im Folgenden bezeichne den Ganzheitsring der quadratischen Zahlkörper . Die Geschlechtertheorie kann neben den quadratischen Formen auch mit Idealklassen behandelt werden. Ist nun die Einteilung in Idealklassen im engeren Sinne feiner als die im gewöhnlichen, dann ist die Einteilung in Geschlechter sehr grob. Man nennt zwei von verschiedene Ideale ähnlich (im Zeichen ), wenn für ihre Normen gilt, mit einem von verschiedenem total positivem . Die zugehörigen Äquivalenzklassen nennt man Geschlechter.

Insbesondere bildet die Menge aller Geschlechter eine abelsche Gruppe, die so genannte Geschlechterklassengruppe . Das Einselement von nennt man das Hauptgeschlecht. Es ist dasjenige, welches die Hauptideale im engeren Sinne enthält. Ideale, welche im engeren Sinne äquivalent sind, gehören offenbar zu demselben Geschlecht, wenn sie zu prim sind. Man kann nun zeigen, dass Ideale genau dann ähnlich sind, wenn sie zum selben Geschlecht gehören, wenn sich also ihre Idealklassen im engeren Sinne um ein Quadrat unterscheiden, das heißt, es gilt

für ein Ideal .

Damit ist die Geschlechterklassengruppe isomorph zu , wobei die Idealklassengruppe im engeren Sinne bezeichnet. Mann kann zeigen, dass in einem quadratischen Zahlkörper mit Diskriminante die Anzahl der Geschlechter gleich ist. Es folgt dann unmittelbar, dass die Anzahl der Klassen in jedem Geschlecht ist, wobei die Anzahl der verschiedenen Primteiler von bezeichnet.

Korrespondenz

In der algebraischen Zahlentheorie gibt es einen Korrespondenzsatz, der eine Aussage, über den Zusammenhang zwischen echten Äquivalenzklassen primitiver quadratischer Formen und den Äquivalenzklassen von Idealen im engeren Sinne macht.

Sei ( kein Quadrat) eine Fundamentaldiskriminante. Dann gibt es eine bijektive Korrespondenz zwischen den echten Äquivalenzklassen primitiver quadratischer Formen mit Diskriminante und den Äquivalenzklassen im engeren Sinne von Idealen von . Insbesondere ist die Anzahl der Äquivalenzklassen von Idealen im engeren Sinne gleich der Klassenzahl .

Im Beweis wird die Korrespondenz zwischen Idealen und quadratischen Formen explizit konstruiert, siehe Korrespondenzsatz der algebraischen Zahlentheorie.

Man beachte, dass es im Allgemeinen keine Bijektion zwischen den Äquivalenzklassen von primitiven, positiv definiten quadratischen Formen und den Idealklassen im gewöhnlichen Sinne gibt. Ist etwa , dann gilt und . Im Gegensatz dazu ist . Der Grund hierfür ist, dass die fundamentale Einheit von total positiv ist.

Einteilung in Geschlechterklassen

Sei eine quadratische Form mit Diskriminante und zwei beliebige durch die Form dargestellte Zahlen (dabei ist es egal, ob die Zahlen Primzahlen sind oder nicht), dann kann das Produkt immer in die Form gebracht werden.

Beispiel

wobei ,

dann geht die Form durch eine unimodulare Transformation mit

und

in die Form über. Dann ist deren Diskriminante von der Form , also das Produkt von der Form .

Für die Einteilung der quadratischen Formen in Geschlechterklassen ergibt sich damit:

1. Seien für ungerade in aufgehende Primzahlen, dann hat für jede natürliche Zahl , welche sich durch die Form darstellen lässt und für die kein Teiler von ist, das Legendre-Symbol

ein und denselben Wert. Denn sind zwei beliebige zu teilerfremde Zahlen, welche sich durch darstellen lassen, dann folgt dass

und damit , also . Man nennt einen dirichletschen Charakter modulo .

2. Sei . Dann hat für alle durch diese Form dargestellten ungeraden Zahlen der Ausdruck

ein und denselben Wert. Denn sind zwei beliebige ungerade Zahlen, dann ist und da das Produkt ungerade ist, muss eine der beiden Zahlen gerade, die andere ungerade sein. Das impliziert also auch und damit .

3. Sei . Dann hat für alle durch diese Form dargestellten ungeraden Zahlen der Ausdruck

ein und denselben Wert.

4. Ist . Dann hat für alle, durch diese Form dargestellten, ungeraden Zahlen der Ausdruck

ein und denselben Wert.

5. Sei . Dann hat für alle durch diese Form dargestellten ungeraden Zahlen den Ausdruck

ein und denselben Wert.

6. Sei . Dann hat für alle durch dieselbe Form darstellbaren ungeraden Zahlen jeder der beiden Ausdrücke

und

einen für sich unveränderlichen Wert. Denn aus folgt .

Damit ist die Einteilungen binär quadratischer Formen mit gegebener Diskriminante in Geschlechter gefunden und man erhält zusammengefasst:

Diskriminante Zugehörige Charaktere

Ist nun die Menge aller zugehörigen Charaktere gegeben durch und ihre Anzahl durch , wobei wieder die Anzahl der in aufgehenden verschiedenen Primzahlen beschreibt, dann heißt die Menge, der bestimmten Werte , die diesen Charakteren für eine bestimmte Form zukommen, der Totalcharakter der Form. Je nachdem, wie das Ergebnis des Totalcharakters ausfällt, teilen sich sämtliche Formen mit gleicher Diskriminante und gleicher Art in Geschlechter ein. D.h. je zwei Formen gehören in dasselbe Geschlecht oder in zwei verschiedene Geschlechter, je nachdem ob der Totalcharakter der einen Form mit dem anderen übereinstimmt oder nicht.

Damit ist ein Geschlecht der Inbegriff aller ursprünglichen Formen von gleicher Diskriminante und gleicher Art, für die jeder der Charaktere für sich genommen den gleichen Wert besitzt. Da alle Zahlen, welche durch eine bestimmte Form darstellbar sind, auch durch ihre (echt) äquivalenten Formen dargestellt werden, gehören all diese Formen derselben Klasse auch in dasselbe Geschlecht. Es zeigt sich, dass die einzelnen Charaktere einer gegebenen primitiven Form sich immer aus einem der Koeffizienten erkennen lassen. Denn so oft ein Primteiler von ist, so wird sicher eine der Zahlen durch nicht teilbar sein, denn wären beide durch teilbar, dann würde auch in und damit auch in aufgehen. Damit wäre die Form aber nicht primitiv.

Beispiel

Für die Diskriminante erhält man die beiden primitiven nicht äquivalenten reduzierten Formen und . Die Determinante lässt sich zerlegen: . Daraus folgt . Also liegen genau zwei Geschlechter vor und in jedem der Geschlechter liegt genau eine der Formen. Nun ist . Man erhält daher die beiden Charaktere:

und .

Nun stellt man leicht fest, dass der Totalcharakter von den Wert besitzt. Also ist die Menge das Hauptgeschlecht. Und da den Totalcharakter hat, ist das Nichthauptgeschlecht. Ist nun eine ungerade Primzahl, dann wird genau dann durch dargestellt, wenn

und .

Dies ist genau dann der Fall, wenn ist. Analog dazu erhält man, dass genau dann durch dargestellt wird, wenn

und .

Also wenn ist.

Damit ist die Darstellung der Primzahlen durch die Formen und eindeutig charakterisiert.

Die Grenzen der Geschlechtertheorie

Leonhard Euler behandelt in seiner 1744 publizierten Arbeit unter anderem die Form . Betrachtet man diese Form und versucht die Einteilung von Primzahlen in Geschlechter vorzunehmen, so stellt man zunächst fest, dass die quadratische Kongruenz für genau die Primzahlen nicht trivial lösbar ist, für die ein Quadrat im Restklassenkörper ist. Aus dem quadratischen Reziprozitätsgesetz folgt dann, dass das außer für oder nur für die Primzahlen gilt. Zur Diskriminante existieren die vier reduzierten, primitiven Formen:

.

Die Diskriminante lässt sich in die zwei verschiedenen Primteiler und zerlegen. Also gibt es genau verschiedene Geschlechter. Zudem folgt aus , dass die Anzahl der Klassen in jedem Geschlecht genau beträgt. Nun ist . Also sind die folgenden drei Charaktere zu betrachten:

Das Hauptgeschlecht besteht aus den Formen . Diese haben den Totalcharakter . Das Nichthauptgeschlecht aus den Formen mit den Totalcharakter . Daraus folgt nun, dass eine Primzahl durch oder genau dann dargestellt wird, wenn

gilt. Durch einfache Berechnung erhält man, dass dies genau dann der Fall ist, wenn . Es kann jedoch keine Aussage darüber getroffen werden, ob durch bzw. dargestellt wird. Analog stellt man leicht fest, dass eine Primzahl genau dann durch oder dargestellt wird, wenn ist. Wieder lässt sich keine Bedingung ableitet, ob durch bzw. dargestellt wird.

Dies zeigt, dass die Geschlechtertheorie an ihre Grenzen stößt und nicht alle Fragen, bezüglich der Darstellung von Primzahlen durch binär quadratische Formen, befriedigend beantworten kann. Solche Fragestellungen und Probleme lassen sich heute mithilfe der Klassenkörpertheorie behandeln.

Weblinks

Literatur

Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Geschlechtertheorie aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.