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Gustav Brecher

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Gustav Brecher; Porträtfoto von Rudolf Dührkoop
Brecher leitete auch die Uraufführung von Ernst Kreneks Oper

Gustav Brecher (geb. 5. Februar 1879 in Eichwald, Österreich-Ungarn; Suizid Mai 1940 bei Ostende) war ein deutscher Dirigent, Komponist und Musikkritiker.

Leben

Seine jüdische[1] Familie zog 1889 aus Böhmen nach Leipzig. Brecher wurde dort von Salomon Jadassohn unterrichtet. Nach der Aufführung einer seiner Tondichtungen durch Richard Strauss 1896 debütierte er 1897 an der Leipziger Oper und dirigierte 1901 an der Wiener Hofoper „neben“[2] Gustav Mahler. Zwischen 1903 und 1911 war er Kapellmeister am Hamburgischen Stadttheater und dirigierte dort die Uraufführung von Busonis Die Brautwahl. Nach weiteren Dirigaten in Köln und Frankfurt wurde Brecher ab 1914[3] Generalmusikdirektor an der Leipziger Oper. Er war dort insbesondere wegen der Uraufführungen von Jonny spielt auf, Leben des Orest oder Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny umstritten.

„Das Haus tobte derart, daß man während des gesamten Stückschlusses auf der Bühne, ich hatte dort Dienst, vom Orchester buchstäblich nichts mehr zu hören bekam. Brecher dirigierte die Oper kalkbleich zu Ende.“

Bericht des Korrepetitors: Über die Leipziger Uraufführung von Brecht/Weills Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny[4]

Obwohl die Jonnyoper ein Erfolg war, wurde Brecher nach der „Machtergreifung“ der Nazis im Frühjahr 1933 auf Grund des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums entlassen. In der Zeitschrift für Musik schrieb der Musikwissenschaftler Alfred Heuß einen hämischen Kommentar anlässlich der Rienziaufführung im Rahmen der Wagner-Festspielwoche am 12. Februar 1933:

„Ahnungslos hat hier Brecher zum letzten Mal in einer Wagner-Vorstellung sein so kurioses Dirigentenstäblein gehandhabt.“

Die wohl letzte Aufführung unter seiner Leitung in Leipzig war Kurt Weills Der Silbersee – Ein Wintermärchen am 4. März 1933. Er verließ noch während dieser Veranstaltung das Dirigentenpult, weil die anwesende SA wegen seiner jüdischen Herkunft und anderer als Provokation empfundenen Eigenarten des Silbersees fortlaufend randalierte und störte. Der Oberbürgermeister Leipzigs Carl Friedrich Goerdeler beurlaubte ihn am 11. März 1933.

Sein Weg daraufhin ins Exil lässt sich im Einzelnen nicht mehr nachzeichnen. Er dirigierte in Leningrad das Rundfunk-Orchester und lebte in Berlin und Prag, von wo er 1938 erneut fliehen musste. Im Mai 1940 nahm er sich zusammen mit seiner Frau Gertrud Deutsch (Tochter von Felix Deutsch) das Leben, aus Angst, den deutschen Besatzern in Belgien in die Hände zu fallen.

Georges Sebastian schreibt 1934 in Leningrad:

„Die fürchterlichen Jahre in Deutschland waren eine moralische Erniedrigung für ihn. Brecher kam ganz niedergedrückt in Leningrad an. Alles, was geschehen konnte, war geschehen, aber der Erfolg nach außen war nicht da. Nach seinem zweiten Konzert saßen wir zusammen. Ich hatte durchgesetzt, ihn nominell zum Leiter des Leningrader Orchesters zu machen. Brecher sagte:, Lieber Freund, da ist nichts mehr zu machen – es ist vorbei – in meinem Alter. Man muss doch sprechen können.‘ Trotz seiner Sprachbegabung konnte er kein Wort sprechen. In seinem Innern war etwas, dem er nicht gewachsen war. Er fühlte sich ständig verfolgt – er hatte die fixe Idee, dass ihn irgendwo die Nazis doch erreichen würden.“

Erich Ebermayer notiert in Berlin, den 13. Oktober 1935 in sein Tagebuch:

„Heute hatte ich im Grunewald eine erschütternde Begegnung. Auf den einsamen schmalen Pfaden, die hinüber zur Havel führen, treffe ich vormittags niemals einen Menschen. Nur ein paar Rehe pflegen meine Spur zu kreuzen oder ich die ihre. Heute aber stieß ich auf zwei Menschen: den früheren Generalmusikdirektor von Leipzig Gustav Brecher und seine Gattin, die Tochter von Geheimrat Deutsch, dem Schöpfer der AEG und Freund Walther Rathenaus. Aber wie sehr haben sich diese beiden Menschen verändert, seit ich zuletzt in Leipzig in ihrem gastlichen Haus war! Vor allem Brecher selbst scheint unter der Verfemung tief zu leiden und im Kern seines Wesens getroffen zu sein; echter Musiker, der er ist, kann er ohne Musik nicht leben. Frau Brecher ist vitaler und sichtlich gewillt, die Nazis zu überleben. Noch haben beide ihr Vermögen, wohnen auch in ihrem schönen Dahlemer Haus und sind, wenigstens materiell, unabhängig. Aber wie lange noch? Wir haben ein längeres politisches Gespräch, bei dem allerdings Frau Brecher darart laut aufschreit, daß es lebensgefährlich wird. Glücklicherweise hören nur Eichkätzchen zu. Zum Schluß fragen Brechers scheu und verlegen, ob ich keine Bedenken trüge, einmal zu ihnen zum Tee zu kommen. Ich nehme freudig an. Wie sich die Zeiten ändern! Welche Auszeichnung war es dereinst, in Leipzig beim "General" geladen zu sein. …!“

Erich Ebermayer[6]

Vor der Hamburgischen Staatsoper erinnert ein Stolperstein an sein Schicksal.

Stolperstein für Gustav Brecher vor der Hamburgischen Staatsoper

Literatur

  • Björn Eggert: Brecher, Gustav. In: Hamburgische Biografie, Band 7, S. 44–45.
  • Jürgen Schebera: Gustav Brecher und die Leipziger Oper 1923–1933. Mit einem Beitrag von Heinrich Creuzburg: Erinnerungen an Gustav Brecher. Edition Peters, Leipzig 1990 ISBN 3-369-00230-2
  • Richard Wagner gepfändet: ein Leipziger Denkmal in Dokumenten 1931–1955. Ausgewählt und begleitet von Grit Hartmann. Forum-Verlag, Leipzig 2003, S. 57. ISBN 978-3-931801-35-9
  • Hannes Heer, Jürgen Kesting, Peter Schmidt: Verstummte Stimmen: die Bayreuther Festspiele und die „Juden“ 1876 bis 1945; eine Ausstellung. Festspielpark Bayreuth und Ausstellungshalle Neues Rathaus Bayreuth, 22. Juli bis 14. Oktober 2012. Metropol, Berlin 2012 ISBN 978-3-86331-087-5, 26

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Projekt „JUDEN in SACHSEN“ beim DRZ Sachsen e. V.: Leipzig bis 1933 – Juden in Sachsen. (Nicht mehr online verfügbar.) Archiviert vom Original am 21. Januar 2017; abgerufen am 21. Januar 2017. i Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.juden-in-sachsen.de
  2. So Jürgen Kesting: Auch ein Freitod kann Mord sein. In: Hamburger Abendblatt vom 23. November 2006.
  3. Kesting: 1914, Balatková: 1917.
  4. Heer/Kesting/Schmidt 2012
  5. Zitiert nach Kesting. Der ungarische Dirigent war bei Brecher in Leipzig gewesen und leitete seit 1931 das Moskauer Radioorchester.
  6. Denn heute gehört uns Deutschland…Persönliches und politisches Tagebuch von Erich Ebermayer von der Machtergreifung bis zum 31. Dezember 1935, Paul Zsolnay Verlag, Hamburg-Wien 1959, S. 610.

Vorlage:Navigationsleiste Generalmusikdirektoren der Oper Leipzig

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