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Hadith

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Der Begriff Hadith (arabisch أحاديث ,حديث hadīth, Pl. ahādīth, DMG ḥadīṯ, Pl. aḥādīṯ ‚Mitteilung, Erzählung, Bericht‘; im Deutschen als Maskulinum oder Neutrum gebraucht) steht für überlieferte Nachrichten im Islam sowohl profanen als auch religiösen Charakters. Im islamisch-religiösen Gebrauch bezeichnet der Begriff die Überlieferungen über Mohammed: über seine Anweisungen, nachahmenswerte Handlungen, Billigungen von Handlungen Dritter, Empfehlungen und vor allen Dingen Verbote und religiös-moralische Warnungen, die im Koran als solche nicht enthalten sind. Die Summe dieser Überlieferungen mit ihrem normativen Charakter bildet die Sunna des Propheten und ist somit Teil der religiösen Gesetze im Islam; die Sunna ist nach dem Koran die zweite Quelle der islamischen Jurisprudenz (Fiqh). Als koranischer Terminus ist hadith auch die Offenbarung Gottes:

„Gott hat die beste Verkündigung[1] (die man sich überhaupt denken kann, als Offenbarung) herabgesandt, eine sich gleichartig wiederholende Schrift…“

– Sure 39, Vers 23

Als Synonym verwendet die islamische Tradition – in inhaltlicher Anlehnung an den obigen Koranvers – den Begriff kalām („Rede“, „Parole“, „Aussage“), indem man den Propheten wie folgt zitiert: „die beste Rede (kalām) ist das Gotteswort (kalāmu ʾllāh) und die beste Leitung (zum Glauben) ist die Leitung Mohammeds“.

Überlieferungen, in denen Aussprüche und Taten der Gefährten (Sahaba) des Propheten enthalten sind, können ebenfalls – wie die Hadithe – richtungsweisend, für rituelle Bestimmungen und juristische Rechtsentscheidungen von Bedeutung sein. In diesem Fall spricht man nicht vom Hadith, sondern vom athar, Plural: āthār / آثار أثر / aṯar, Plural: āṯār /‚Spur, Zeichen‘, die man hinterlässt und erst in übertragenem Sinne heißt es: Tradition, Überlieferung nach den Gefährten des Propheten. Oft sind aber beide Begriffe, hadith und athar, austauschbar.

Anfänge der Hadithliteratur

In der zeitgenössischen Islamforschung ist es trotz einschlägiger Arbeiten von Aloys Sprenger, Ignaz Goldziher, Nabia Abbott, Fuat Sezgin und anderen umstritten, wann die schriftliche Fixierung, Sammlung und Überlieferung von Hadithen in ihrer Einheit von Isnad und Matn genau anzusetzen sind. Heute hält man es für wahrscheinlich, dass es schon im ersten muslimischen Jahrhundert (7. Jahrhundert n. Chr.) Aufzeichnungen von Prophetentraditionen gegeben hat, die nach ihrer mündlichen Überlieferung in kleinen Schriftrollen oder Heften zusammengefasst wurden. F. Sezgin hat in seiner Geschichte des arabischen Schrifttums (Bd. 1) anhand islamischer Quellen einige Nachrichten zusammengetragen, die zwar über die Existenz früher Hadith-Sammlungen berichten, aber über ihre Inhalte nur wenig Verwertbares aussagen. Am Forschungsstand hat sich in diesem Zusammenhang seit Goldzihers abwägender Feststellung im Wesentlichen nichts geändert:

„Nichts steht der Voraussetzung im Wege, dass die Genossen [Goldziher meint die sahaba] und Schüler Aussprüche und Verfügungen des Propheten durch schriftliche Aufzeichnung vor Vergessenheit bewahren wollten.“

Ignaz Goldziher: Muhammedanische Studien, Bd. 1, S. 9

Die ersten schriftlichen Aufzeichnungen trugen keine bestimmten Werktitel; man nannte sie sahifa صحيفة / ṣaḥīfa /‚Schriftrolle‘, oder dschuz' جزء / ǧuzʾ /‚Teil; Abschnitt; kleines Heft‘.[2] Diese Sammlungen, die Fuat Sezgin unter diesen Bezeichnungen aufzählt[3], gehen zwar auf Autoritäten im ersten und zweiten muslimischen Jahrhundert (7. bis 8. Jhd. n. Chr.) zurück, sind aber Abschriften, die etwa 500 Jahre später erstellt wurden. Die ältesten literarischen – d.h. außerkoranischen – Schriften auf Papyrus sind erstmalig durch die Publikationen von Nabia Abbott bekannt geworden.[4]

Zu erwähnen sind auch Widerstände in der Frühgeschichte des Islams gegen die Niederschrift von Mohammeds Aussagen und Lehrsprüchen, die durch die Überlieferungskette Isnad übermittelt wurden. Zur Zeit des Traditionariers al-Qasim ibn Muhammad († 728), des Enkels von Abu Bakr berichtete man, dass der Kalif Omar die schriftliche Fixierung des Hadith mit den Worten missbilligt haben soll: Das ist eine (schriftliche) „mathnat“ wie die „mathnat“ (aram.Mischna) der Schriftbesitzer.[5]

Unterschiedliche Arten der Klassifikation

Das umfangreiche Material der sunna wurde und wird von den religiösen Gelehrten (ʿulamāʾ) in mannigfaltige Kategorien eingeordnet. Nicht alle davon sind beispielsweise zur Beurteilung der Authentizität der aḥādīṯ in gleichem Maße relevant.

Nach Anzahl der Überlieferer

Die bedeutendste Klassifikation ist sicherlich diejenige, die sich nach der Anzahl derjenigen Personen richtet, die den jeweiligen ḥadīṯ überliefert. Üblicherweise werden in dieser Kategorie zwei Arten voneinander unterschieden, 1. die aḥādīṯ mutawātira, 2. die aḥādīṯ ʾaḥādīyya. Zusätzlich zu dieser dualistischen Einteilung, die allen Rechtsschulen zu eigen ist, werden in der hanafitischen Rechtschule die 3. aḥādīṯ mašhūra als eine dritte distinktive Gruppe angesehen.[6]

  • 1. aḥādīṯ mutawātira: In diese Kategorie fallen alle aḥādīṯ, die zu jeder Zeit der Überlieferung von so vielen Personen überliefert wurden, dass die schiere Anzahl der Überlieferer eine Fälschung - sei es durch Zufall oder Absprache - unmöglich oder zumindest sehr unwahrscheinlich macht. Auch wenn es heutzutage eines der bedeutendsten Faktoren zur Bewertung eines ḥadīṯ ist, lässt es sich geschichtlich erst relativ spät nachweisen.[7] Diese Definition ist natürlich in der Hinsicht unscharf, als dass die genaue Menge, die zur Erfüllung der Voraussetzungen nötig ist, nicht genau bestimmt wird. Hieraus ergeben sich in der Praxis gewisse Schwierigkeiten, da religiöse Gelehrte sehr unterschiedliche – mitunter willkürlich anmutende - Ansprüche an die Anzahl der Überlieferer stellten.
  • 2. aḥādīṯ ʾaḥādīyya: Diese Kategorien wurde häufig vor allem in Abgrenzung zur erstgenannten definiert. Sie umfasst diejenigen aḥādīṯ, die aufgrund der geringen Anzahl ihrer Überlieferer nicht als mutawātira klassifiziert werden können. Die oben skizzierte Unschärfe in der Definition der aḥādīṯ mutawātira überträgt damit zwangsläufig auch auf diese Kategorie. Die Übergänge zwischen den beiden Kategorien sind somit fließend.[8]
  • 3. aḥādīṯ mašhūra: In diese Kategorie fallen alle jene aḥādīṯ, die in den ersten Generationen nach Muḥammads Tod von einzelnen Personen überliefert wurden, im weiteren Verlauf der Geschichte aber größere Verbreitung und Akzeptanz in der umma gefunden haben und sich folglich auch vermehrt Überlieferer ausmachen lassen. Der Status der Nachricht wechselt also zu einem bestimmten Zeitpunkt von ʾaḥād auf mutawātir.

Nach Art der Verbindung des Isnad

Ein Hadith besteht aus seinem Inhalt (matn) und einer vorangestellten Überliefererkette (isnad), die die Namen der Überlieferer (Traditionarier) in ihrer chronologischen Kontinuität bis in die Zeit des Propheten enthält; das letztes Glied in dieser Kette sei immer einer der Prophetengefährten (sahaba), der als Zeuge die Aussage des Propheten zitiert. Die Kategorisierung der Hadithe orientiert sich entweder am Isnad oder am Inhalt desselben. Die Einteilung der Hadithe nach den Isnaden erfolgt somit nach äußeren, formalen Kriterien und sagt über die Echtheit der Inhalte der Überlieferungen zunächst nichts aus. Ein Isnad kann sein:

  • musnad / مسند /‚lückenlos auf die sahaba zurückgeführt‘ und muttasil / متصل /‚zusammenhängend; kontinuierlich‘: eine chronologisch ununterbrochene Überliefererkette mit dem Prophetengefährten als Kronzeugen der Aussage. Seiner Form nach spricht man in diesem Fall von einem hadith marfu' / حديث مرفوع / ḥadīṯ marfūʿ /‚zurückgeführt auf den Propheten‘.
  • mursal / مرسل /‚unvollständig‘: in der Kette fehlt der Prophetengefährte als Kronzeuge, obwohl die darauf folgende Autorität einen Prophetenspruch zitiert, oder der Prophetengefährte als direkter Vermittler der Tradition keine Anerkennung findet. In diesem Fall spricht die Traditionsliteratur von marasil as-sahaba, wie z. B. die mursal-Tradition des 'Abd Allah ibn 'Abbas, der im Todesjahr Mohammeds erst dreizehn Jahre alt gewesen sein soll.
  • munqati / منقطع /‚unterbrochen‘ ist mit dem mursal verwandt; in diesem Isnad fehlt ein Vermittler an einer anderen Stelle, z. B. zwischen der dritten und vierten Generation der Überlieferungschronologie. Seiner Form nach spricht man in diesem Fall von einem hadith maqtu' / حديث مقطوع / ḥadīṯ maqṭūʿ /‚unterbrochener Hadith‘.
  • mu'dil / معضل /‚rätselhaft‘ und mu'allaq / معلق /‚unentschieden; fraglich‘ ist ein Isnad, in dem zwei oder gar mehrere Vermittler in der Überliefererkette fehlen oder aus unterschiedlichen Gründen, die die Hadithkritik zu erörtern hat, absichtlich nicht genannt werden. Somit ist ein mu'dil auch munqati, also unterbrochen in der Kette, aber nicht alle munqati' sind mu'dil.

In der Entwicklungsgeschichte der Hadithliteratur und der Hadithkritik haben die islamischen Gelehrten durch ihre scharfsinnige Kritik an der Struktur der Isnade weitere Kategorien geschaffen.

Nach Authentizität

  • sahih / صحيح / ṣaḥīḥ /‚gesund, authentisch‘;
  • hasan / حسن / ḥasan /‚schön, gut‘ sind Traditionen nach dem Propheten, die sowohl inhaltlich als auch mit Hinblick auf ihre Überlieferer allgemeine Akzeptanz haben und somit normativen Charakter in der Anwendung der Sunna, der zweiten Quelle der Jurisprudenz besitzen;
  • da'if / ضعيف / ḍaʿīf /‚schwach‘ ist dagegen eine Tradition, die – wie es Ahmad ibn Hanbal definiert – man in der Rechtspraxis trotz ihrer zweifelhafter Authentizität in bestimmten Fällen als Sunna anwendet, bevor man auf die Analogie (qiyas) als weitere Quelle der Jurisprudenz zurückgreift. Allerdings hat sich diese im Traditionalismus und nicht im Fiqh verwurzelte Ansicht Ibn Hanbals in der Hadithkritik nicht durchgesetzt. Denn ein „schwacher“ Hadith ist in der Jurisprudenz keine Argumentationsgrundlage (huddscha / حجّة / ḥuǧǧa /‚Beweis; Argument‘).

Diese drei Hauptkategorien der Hadithe haben zahlreiche, von der islamischen Hadithwissenschaft nach unterschiedlichen Kriterien entwickelte und definierte Unterkategorien; die wichtigste unter ihnen ist ein hadith mutawatir / حديث متواتر / ḥadīṯ mutawātir /‚allgemein verbreiteter, von vielen zitierter Hadith‘, der als authentisch (sahih) gilt und zugleich über mehrere glaubwürdige Überliefererketten auf den Propheten zurückgeht.

  • maudu' / موضوع / mauḍūʿ /‚gefälscht‘ – aus dem Verb w-ḍ-ʿ = „erfinden“, im Sinne von „fälschen“ – ist ein Hadith, dessen Inhalt (matn) und Überliefererkette (Isnad) erfunden und somit als Fälschungen anzusehen sind.

Hadith-Kritik

Die Verbreitung des Traditionsmaterials in Form von Hadithen, in ihrer Einheit von Isnad und matn (Inhalt; die Aussage an sich), vor allem das Anwachsen dieses Materials führte zwangsläufig nicht nur zur Kategorisierung der Hadithe nach ihrer formalen Struktur, sondern förderte die Entstehung eines wichtigen Wissenschaftszweiges unter den islamischen Wissenschaften, den man als 'ilm al-ridschal / علم الرجال / ʿilmu ʾr-riǧāl /‚die Wissenschaft (über) die „Männer“, d. h. der Überlieferer von Hadithen‘ bezeichnet. Dieser Wissenschaftszweig ist bereits in der zweiten Hälfte des 2. muslimischen Jahrhunderts (Ende des 8. Jahrhunderts) die Grundlage der Hadithkritik gewesen und hatte nicht die Traditionen oder den formalen Aufbau der Isnade zum Gegenstand, sondern untersuchte die Lebensumstände und die wissenschaftlichen Qualifikationen der in den Isnaden genannten Überlieferer (der „Männer“). Diese hadithkritischen Untersuchungen der Traditionarier – der Überlieferer der Hadithe  (ruwat al-hadith)– fanden schließlich in der Herausbildung einer umfangreichen biographischen Literatur ihren Niederschlag, die von den kleinen, kurzgefassten Namenslisten in den Anfängen zu großangelegten, mehrbändigen Biographien im islamischen Mittelalter führten. Man nennt diese Werke kutub ar-ridschal / كتب الرجال / kutubu ʾr-riǧāl /‚Bücher über die Traditionarier‘ in denen sowohl der Lebenslauf der angegebenen Personen, ihre Kontakte zu anderen Gelehrten als auch die hadith-kritischen Prädikate, die man mit ihren Namen jeweils verbunden hat, Erwähnung finden. Es war stets wichtig, auf das Lehrer-Schüler-Verhältnis des Überlieferers hinzuweisen, um die Kriterien seiner Zuverlässigkeit als Überlieferer nach seinen älteren Quellen - nach seinen Lehrern und schriftlichen Aufzeichnungen in seinem Besitz - überprüfen zu können. Unter diesen umfassenden Gelehrtenbiographien sind die Werke von Al-Maqdisī, al-Mizzi, al-Dhahabi und Ibn Hadschar al-ʿAsqalānī die wichtigsten. Die Lokalhistoriker wiederum haben es verstanden, in ihren Werken zur Stadtgeschichte auch die Biographien derjenigen Traditionarier zu berücksichtigen und gemäß den Kriterien der Hadithkritik vorzustellen, die in der betreffenden Stadt oder Region gelebt und gewirkt haben. Die Werke von Ibn 'Asakir für die Stadtgeschichte von Damaskus und von al-Chatib al-Baghdadi für Bagdad sind in diesem Sinne konzipiert.

Die wichtigsten Prädikate, die die Hadithkritik zu vergeben hatte, sind: thiqa / ثقة / ṯiqa /‚glaubwürdig, zuverlässig‘; mutqin / متقن / mutqin /‚genau‘; huddscha / حجّة / ḥuǧǧa /‚beweiskräftig‘; 'adl / عدل / ʿadl /‚gerecht, korrekt‘; hasan al-hadith / حسن الحديث / ḥasanu ʾl-ḥadīṯ /‚guter (Überlieferer) von Hadithen‘. Auf der anderen Seite der Kritik stehen dann: da'if / ضعيف / ḍaʿīf /‚schwacher, nicht glaubwürdiger Traditionarier‘; kadhdhab / كذّاب / kaḏḏāb /‚Lügner‘; sariqu 'l-hadith / سارق الحديث / sāriqu ʾl-ḥadīṯ /‚Hadith-Dieb‘. Ein besonderes Prädikat ist mudallis / مدلّس: er verfälscht die Isnade dadurch, dass er die Namen „schwacher“ Traditionarier durch „glaubwürdige“ ersetzt, um ein Hadith als Argumentationsgrundlage im Recht, in der Theologie einsetzen zu können. In der Hadith-Literatur ist es verpönt, Hadithe zu überliefern, in deren Isnaden „schwache“ Traditionarier erscheinen. Daher hat man die Namen der „schwachen“, d. h. unzuverlässigen Traditionarier in den sog. kutub al-du'afa' / كتب الضعفاء / kutubu ʾḍ-ḍuʿafāʾ /‚Bücher über die schwachen (Traditionarier)‘ samt den von ihnen überlieferten Hadithen zusammengestellt. Die älteste Sammlung, die wiederum die Namen der glaubwürdigen Überlieferer, die im Irak gewirkt haben, enthält, ist unter dem Titel kitab al-thiqat / كتاب الثقات / kitābu ṯ-ṯiqāt /‚Das Buch der glaubwürdigen (Traditionarier)‘ aus dem späten 2. muslimischen Jahrhundert erhalten (frühes 9. Jahrhundert n. Chr.). Es handelt sich dabei um eine einfache Liste von Gelehrtennamen ohne weitere biographische Angaben.

Ignaz Goldziher hat in seinen bahnbrechenden Muhammedanischen Studien (Halle 1889-1890) das Wesen der Hadithkritik treffend zusammengefasst:

„Man ging jedem einzelnen der in den Isnaden erwähnten Gewährsmänner nach, um seinen Charakter zu ergründen, um zu erfahren, ob er moralisch und religiös unanfechtbar sei, ob er nicht Propaganda für antisunnitische Zwecke mache, ob seine Wahrheitsliebe im allgemeinen als erwiesen gelten könne, ob er die persönliche Fähigkeit habe, das Gehörte treu wiederzugeben, ob er ein Mann sei, dessen Zeugenschaft in civilrechtlichem Sinne vom Richter unbedenklich zugelassen würde. Denn die Hadithüberlieferung betrachtete man als die erhabenste Form der Schahāda, der Zeugenaussage, da der Rawi (d. h. der Überlieferer) ein für die Gestaltung des religiösen Lebens höchst wichtiges Zeugnis ablegt darüber, dass er diese oder jene Worte von dem oder jenem gehört habe.“

Muhammedanische Studien. II. S. 142

Philologische Hadith-Kommentare

Neben der Beschäftigung mit der Authentie der Traditionen und ihrer Überlieferer entwickelte sich bereits relativ früh, in der Mitte des 2. muslimischen Jahrhunderts (Ende des 8. Jahrhundert n. Chr.) ein neuer Wissenschaftszweig: die Interpretation und Erläuterung schwieriger, nicht allgemein bekannter und nur selten benutzer Wörter in den Hadithen. Die meistens alphabetisch angeordneten Sammlungen bezeichnete man als غريب الحديث / ġarīb al-ḥadīṯ /‚seltene (Begriffe) im Hadith‘. In diesen Werken griffen die Autoren neben den linguistischen Erklärungen von Wörtern auch auf Zeilen in der arabischen Poesie zurück, um durch sie die Verwendung und Bedeutung solcher Begriffe zu erklären. [9]

Hadith-Sammlungen

Maßgebliche Hadithsammlungen stammen unter anderem von Al-Buchari (gest 870), Muslim (gest 875), Malik ibn Anas und Ahmad Ibn Hanbal. Es ist allerdings bis heute umstritten, ob der Muwatta von Malik ibn Anas als eine Hadith-Sammlung, oder als ein corpus iuris der medinensischen Rechtsschule zu verstehen sei. Zwar folgt das Werk der Anordnung der klassischen Hadith-Sammlungen der Folgegenerationen, jedoch wird es durch lange Abschnitte rein juristischer Überlieferungen – auch durch die Darstellung von Ra'y (opinio) – unterbrochen.

Für Hadith-Sammlungen der Schiiten siehe: Kutub arba'a

Die sechs Bücher

Folgende „sechs Bücher“ (al-Kutub as-sitta) stellen den klassischen Kanon der Hadith-Sammlungen dar:

  • die zwei sog. „gesunden“ Sammlungen:
    • al-Buchari (810–870): Sahih al-Buchari, al-Dschami as-sahih („Die gesunde/authentische Sammlung“)
    • Muslim (817–875): Sahih Muslim, al-Dschami as-sahih („Die gesunde/authentische Sammlung“)
  • Ibn Madscha (824–887): Kitab as-sunan
  • Abu Dawud as-Sidschistani (817–889): Kitab as-sunan
  • At-Tirmidhi (824–892): al-Dschami as-sahih fi s-sunan
  • an-Nasa'i (830–915): Kitab as-sunan

Zu diesen sechs sog. „kanonischen“ Sammlungen fügt die islamische Traditionswissenschaft das Werk von

  • ad-Darimi(797-869)[10]: Kitab as-sunan hinzu, das in der Concordance et Indices de la Tradition Musulmane ebenfalls ausgewertet worden ist.

Unter diesen Hadithwerken ist das fünf Bände starke Werk von At-Tirmidhi das erste, das sich vor allem durch die kritischen Bemerkungen des Verfassers zu den Isnaden und durch die Erwähnung der Ansichten der Rechtsschulen über die einzelnen Hadithe – als Quellen der islamischen Jurisprudenz – auszeichnet. [11]

Die oben genannten Sammlungen bezeichnet man auch als Musannaf-Werke مصنف / muṣannaf, d.h. eine Anordnung der Hadithe nach inhaltlich gegliederten Kapiteln [12]; Kapitel über die rituelle Reinheit / Gebet / Pilgerfahrt / Eheschließung / Scheidung / Vertrags- und Kaufrecht usw. An dieser Anordnung orientieren sich spätestens seit Malik ibn Anas auch die ersten Rechtswerke der islamischen Gelehrsamkeit.

Folgende Hadith-Sammlungen sind noch von Bedeutung:

  • Malik ibn Anas: al-Muwatta`; ein Rechtswerk und Hadithsammlung zugleich, in dem der Verfasser die Rechtslehre von Medina im 2. muslimischen Jahrhundert (8. Jhd. n. Chr.) darstellt.
  • Ahmad Ibn Hanbal: Musnad ibn Hanbal; die Sammlung ist nach den Gefährten Mohammeds angeordnet, die als direkte Überlieferer der Aussagen und Taten des Propheten in den Isnaden erscheinen. Darunter werden auch anonyme Gefährten genannt, deren Namen man in der Folgegeneration nicht mehr kannte. Im letzten Band des Werkes werden die Frauen Mohammeds und andere Frauen, die nach dem Propheten überliefern konnten, genannt.

In der Hadith-Forschung der Gegenwart steht ein frühes, noch vor den sechs Büchern entstandenes Werk immer mehr im Mittelpunkt:

Für die Suche nach einem gegebenen Hadith empfiehlt sich die Arbeit mit der Hadith-Konkordanz von A. J. Wensinck et alii, die alle Hadithe der großen sechs Sammlungen sowie die Traditionen bei Malik ibn Anas und Ibn Hanbal nach den Regeln einer Konkordanz auflistet. Die Sammlung von Ahmad Ibn Hanbal war nicht thematisch geordnet und die Arbeit mit ihr stellte daher eine besondere Herausforderung dar. Sie sind inzwischen von A. M. Omar klassifiziert und thematisch geordnet worden. Die CD-ROM al-Alfiyya li-s-sunna al-nabawiyya الألفية للسنة النبوية erfasst 1300 Hadithsammlungen und hadithspezifische Bücher.

Eine beliebte kleine Sammlung von insgesamt 40 Überlieferungen moralischen Inhalts, das Kitab al-arba'in hadithan („Das Buch von den vierzig Hadithen“), wurde von dem syrischen Gelehrten Yahya ibn Scharaf ad-Din an-Nawawi, der 1278 verstarb, verfasst. Er stellte außerdem in den Riyad as-Salihin („Gärten der Tugendhaften“) eine umfangreiche Sammlung von Traditionen zu moralisch-erzieherischen Zwecken zusammen.

Sonderform: Hadith qudsi

Der hadith qudsi ist eine Sonderform Form des Hadith. Während der überwiegende Teil der Hadithe als prophetischen (نبوي / nabawī) Ursprungs gilt, wird ein hadith qudsī als göttlichen, heiligen (qudsī / قدسي) - auch hadith ilahi حديث إلاهي / ḥadīṯ ilāhī - Ursprungs angesehen. Ein hadith qudsi enthält die Worte Gottes nicht im Wortlaut wie im Koran, sondern nur sinngemäß und vom Propheten Mohammed weitergegeben. Ein solcher Hadith kann durch göttliche Inspiration (ilham) oder durch einen Traum entstehen und unterscheidet sich somit von der Offenbarung (wahy) des Koran, die nach muslimischem Glauben das reine Gotteswort darstellt. Glaubt jemand nicht an die Offenbarung, wird er des Unglaubens beschuldigt; dies ist in Bezug auf den hadith qudsi nicht der Fall. Solche Hadithe dürfen im islamischen Ritualgebet nicht gesprochen werden. Die ersten Sammlungen dieser Traditionen sind relativ späten Ursprungs und stammen aus dem 13. und 15. Jahrhundert.

Siehe auch

Literatur

Übersetzungen

  • Ṣaḥīḥ al-Buḫārī. Nachrichten von Taten und Aussprüchen des Propheten Muhammad. Reclam, Stuttgart 1991 (übersetzt von Dieter Ferchl), ISBN 3-15-004208-9.
  • Das Buch der Vierzig Hadithe. Kitab al-Arba'in. Mit dem Kommentar von Ibn Daqiq al-'Id al-Nawawi. Verlag der Weltreligionen, Frankfurt am Main 2007 (übersetzt von Marco Schöller), ISBN 978-3-458-70006-7.
  • Auszüge aus dem Ṣaḥīḥ al-Buḫāryy. Islamische Bibliothek, Düsseldorf 2008 (übersetzt von Muhammad Rassoul), ISBN 978-3-941111-02-8.

Sekundärliteratur

  • Ignaz Goldziher: Über die Entwicklung des Hadith. In: Muhammedanische Studien. Bd. II. Halle 1890. ISBN 3-487-12606-0 (Reprint 2004)
  • Josef Horovitz: Alter und Ursprung des Isnad. In: Islamica. 8/1918. S. 39 ff.
  • Birgit Krawietz: Hierarchie der Rechtsquellen im tradierten sunnitischen Islam, Berlin: Duncker & Humblot, 2002.
  • Rüdiger Lohlker (Hrsg.): Hadithstudien – Die Überlieferungen des Propheten im Gespräch. Festschrift für Prof. Dr. Tilman Nagel. Verlag Dr. Kovac, Hamburg 2009, ISBN 978-3-8300-4193-1.
  • Arent Jan Wensinck: Concordance et Indices de la tradition musulmane: les Six Livres, le Musnad d'Al-Darimi, le Muwatta` de Malik, le Musnad de Ahmad ibn Hanbal. Reprint. Leiden 1992. ISBN 90-04-09714-7
  • Miklos Muranyi: Fiqh. Der Ḥadīṯ als Quelle des Fiqh. In: Helmut Gätje (Hrsg.): Grundriss der Arabischen Philologie. Bd. II. Literaturwissenschaft. Wiesbaden 1987. S. 301–306. ISBN 3-88226-145-5
  • Fuat Sezgin: Geschichte des arabischen Schrifttums. Bd. I. Kap. Hadith. S. 53–233. Brill. Leiden 1967. ISBN 90-04-02007-1 (Reprint 1996)
  • John Burton: An Introduction to the Hadith. Edinburgh 1994 ISBN 0-7486-0435-9 (Reprint 2001)
  • Abdul Mannan Omar: Codification According to the Subject Heading of Musnad Imam Ahmad bin Muhammad bin Hanbal. 10 Bände. Noor Foundation. 2005.(Bd. I.). ISBN 0-9632067-6-1
  • The Encyclopaedia of Islam. New Edition. Bd. 3, S.28 (hadith qudsi)

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Allāhu nazzala aḥsana ʾl-ḥadīṯi...
  2. Fuat Sezgin: Geschichte des arabischen Schrifttums, Bd. 1, S. 54
  3. Fuat Sezgin, op.cit. 84ff
  4. Nabia Abbott: Studies in Arabic Literary Papyri. I. Historical Texts. Chicago University Press 1957
  5. Zitiert nach: Muhammad ibn Sa'd: K. at-Tabaqat (ed. K. V. Zetterstéen), Brill, Leiden 1905, Band 5, S. 140: „maṯnātun ka-maṯnāti ahli ʾl-kitāb“; Ignaz Goldziher: Muhammedanische Studien, Bd. 2, S. 209; Siehe auch: Encyclopedia Judaica, Bd. 9, S. 103.
  6. Birgit Krawietz (2002), S. 135.
  7. Yuynboll, G. H. A.: (Re)Appraisal of Some Technical Terms in Hadith Science, in: Islamic Law and Society, Vol. 8, Nr. 3, Leiden: Brill, 2001, S. 326.
  8. Birgit Krawietz (2002), S. 143.
  9. The Encyclopaedia of Islam. New Edition. Brill, Leiden. Bd 2, S. 1011 (gharīb)
  10. F. Sezgin: Geschichte des arabischen Schrifttums. Bd 1, S. 114-115
  11. F. Sezgin: Geschichte des arabischen Schrifttums. Bd 1, S. 154
  12. The Encyclopaedia of Islam. New Edition. Brill, Leiden. Bd 7, S. 662; F. Sezgin, Bd. 1, S. 55
  13. F. Sezgin, Bd. 1, S. 99; Harald Motzki: Die Entwicklung der islamischen Jurisprudenz. Ihre Entwicklung in Mekka bis zur Mitte des 2./8. Jahrhunderts.Abhandlungen für die Kunde des Morgenlandes. Bd. L,2. Stuttgart 1991; ders.: The Muṣannaf of ʿAbd al-Razzāq al-Ṣanʿānī as a source of authentic aḥādīth of the first century a.H. In: Journal of Near Eastern Studies (JNES), 50 (1991), S. 1-21
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