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Hans Vaihinger

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Hans Vaihinger

Hans Vaihinger (* 25. September 1852 in Nehren bei Tübingen; † 18. Dezember 1933 in Halle, Saale) war ein deutscher Philosoph und Kant-Forscher.

Leben und Wirken

Vaihinger war der Sohn eines evangelischen Pfarrers. Nach dem Besuch des Stuttgarter Gymnasiums studierte er zunächst Theologie, wechselte dann aber zur Philosophie. Studienorte waren Tübingen, wo er dem Corps Borussia Tübingen beitrat, dann Leipzig und Berlin. 1877 konnte er sich bei Ernst Laas (1837-1885), einem Vertreter des Positivismus, in Straßburg mit „Logischen Untersuchungen. 1. Teil: Die Lehre von der wissenschaftlichen Fiktion“ habilitieren. In Straßburg wurde Vaihinger 1883 zum außerordentlichen Professor ernannt. 1884 folgte er einem Ruf nach Halle, wo er 1894 zum Ordinarius berufen wurde. Vaihinger litt an einer Augenkrankheit, die zur völligen Erblindung führte; ihretwegen ließ er sich 1906 emeritieren.

Im Mittelpunkt seiner Arbeit stand die Kantforschung. Vaihinger verfasste einen Kommentar zu Kants Kritik der reinen Vernunft (1881/92). Außerdem stellte er die Kantforschung auf einen sicheren organisatorischen Boden, indem er zum einen die Kant-Studien (seit 1897), zum anderen die Kant-Gesellschaft gründete, letztere 1904, im hundertsten Todesjahr Kants. Gemeinsam mit seinem Schüler Raymund Schmidt gab er von 1919 bis 1930 die Annalen der Philosophie und von 1922 bis 1932 die Bausteine zu einer Philosophie des Als Ob heraus.

Vaihinger war auch einer der ersten akademischen Philosophen, die sich mit der Philosophie Friedrich Nietzsches auseinandersetzten. Er war seit deren Gründung bis zu seinem Tode Vorstandsmitglied der Stiftung Nietzsche-Archiv.

Von der Technischen Hochschule Dresden erhielt er die Ehrendoktorwürde.[1]

Philosophie des Als-Ob

Trotz aller Bemühungen um den deutschen Idealismus finden sich nicht nur in seinem 1876 bis 1878 entstandenen, aber erst 1911 veröffentlichten eigenständigen Hauptwerk, der Philosophie des Als Ob, Tendenzen, die Lebenspraxis suchen.

Die Ausgangsfrage seiner Philosophie des Als-Ob lautet: „Wieso erreichen wir oft Richtiges mit bewusst falschen Annahmen?“ Vaihinger schreibt dazu:

„Das menschliche Vorstellungsgebilde der Welt ist ein ungeheures Gewebe von Fiktionen voll logischer Widersprüche, d. h. von wissenschaftlichen Erdichtungen zu praktischen Zwecken bzw. von inadäquaten, subjektiven, bildlichen Vorstellungsweisen, deren Zusammentreffen mit der Wirklichkeit von vornherein ausgeschlossen ist.“

Hans Vaihinger: Philosophie des Als Ob, 1911, S. 14

Das Ende der Erkenntnis sieht Vaihinger darin, Unbekanntes nicht mehr auf Bekanntes reduzieren zu können. Erkennen heißt bei Vaihinger, Unbekanntes mit Bekanntem zu vergleichen.

Atom, Gott und Seele erklärt Vaihinger als nützliche Fiktionen. Sie erlangen Bedeutung, »als ob« sie wahr seien, auch wenn sie der Denkkonstruktion bewusst widersprechen. Nützliche Fiktionen erhalten ihre Legitimation durch den lebenspraktischen Zweck, damit sind sie für viele Bereiche unentbehrlich.

Auf dem Umweg des Als-ob erreicht man das Gegebene, so lange bis ein kürzerer Weg durch ein neues Modell von Wirklichkeit gefunden wird. Weitgehend vereinbar ist die Philosophie des Als Ob auch mit dem Konstruktivismus, der auch keinen Anspruch auf „die“ Wahrheit erhebt.

Wirkungsgeschichte

Das über achthundert Seiten starke Hauptwerk Vaihingers wurde in zwölf Sprachen, unter anderem auch ins Japanische, übersetzt und erschien auf deutsch bis 1938 in 10 Auflagen, darunter auch zwei gekürzte Volksausgaben und eine von Kultusminister Adolf Grimme in die Wege geleitete Schulausgabe für preußische Gymnasien.

Schriften

"Philosophie des Als-Ob"

  • Die Philosophie des Als Ob. System der theoretischen, praktischen und religiösen Fiktionen der Menschheit auf Grund eines idealistischen Positivismus. Mit einem Anhang über Kant und Nietzsche, 1911.
  • Zweite Auflage: 1913.
  • Dritte Auflage: 1918.
  • Vierte Auflage: 1920.
  • Fünfte und Sechste Auflage: 1920.
  • Siebente und Achte Auflage: 1922.
  • Neunte und Zehnte Auflage: 1927 (hiervon Neudruck: 1986).
  • Volksausgabe [auf Grundlage der "Neunten und Zehnten Auflage"]: 1923 (Zweite Auflage: 1924).
  • Engl. Ausgabe unter dem Titel: The Philosophy of »As If«. A System of the Theoretical, Practical and Religious Fictions of Mankind. Übersetzung der sechsten deutschen Auflage von C. K. Ogden: 1924 (hiervon: Vierte Auflage: 1965).
  • Italienische Ausgabe unter dem Titel: La filosofia del »come se«. Sistema delle finzioni scientifiche, etico - pratiche e religiose del genere umano. Trad. F. Voltaggio 1967.
  • "Die Philosophie des Als Ob." Mitteilungen über ein unter diesem Titel soeben erschienenes neues Werk. Von dessen Herausgeber H. Vaihinger, in: Kant-Studien, Bd. 16 (1911), 108-115.
  • Erklärung betr. meine Autorschaft an der "Philosophie des Als Ob", in: Kant-Studien. Bd. 16 (1911), 522f..

Weitere Werke

  • Die neueren Bewußtseinstheorien. Diss. Tübingen 1874 (nicht im Druck erschienen).
  • Goethe als Ideal universeller Bildung. Festrede, gehalten in der ersten gemeinschaftlichen Sitzung der »Vereinigten wissenschaftlichen Vereine« der Universität Leipzig, 1875.
  • Hartmann, Dühring und Lange. Zur Geschichte der deutschen Philosophie im XIX. Jahrhundert. Ein kritischer Essay, 1876.
  • Die drei Phasen des Czolbeschen Naturalismus, in: Philosophische Monatshefte, Bd. XII, 1876.
  • Der Begriff des Absoluten (mit Rücksicht auf H. Spencer), in: Vierteljahresschrift für wissenschaftliche Philosophie 2 (1878), 188-221.
  • Das Entwicklungsgesetz der Vorstellungen über das Reale, in: Vierteljahresschrift für wissenschaftliche Philosophie 2 (1878), 298-313. 415-448.
  • Commentar zu Kants Kritik der reinen Vernunft. Zum 100jährigen Jubiläum desselben herausgegeben. Bd. I: 1881 / Bd. 2: 1892 (Zweite Aufl. Bd. 1, 2 u. Ergänzungsband, hrsg. von Raymund. Schmidt, 1922; Neudruck der zweiten Auflage: 1970).
  • Zu Kants Widerlegung des Idealismus, in: Straßburger Abhandlungen zur Philosophie. Eduard Zeller zu seinem 70. Geburtstag, 1884, 85-164.
  • Mitteilungen aus dem kantischen Nachlaß, in: Zeitschrift für Philosophie und philosophische Kritik N.F., Bd. 96 (1888), 1-26.
  • Naturforschung und Schule. Eine Zurückweisung der Angriffe Preyers auf das Gymnasium vom Standpunkte der Entwicklungslehre. Vortrag, 1889.
  • Königin Luise als Erzieherin. Eine Gedächtnisrede, 1894.
  • Zur Einführung [der Kantstudien], in: Kant-Studien, Bd. 1 (1897), 1-8.
  • Siebzig textkritische Randglossen zur Analytik [Kants], in: Kant-Studien, Bd. 4 (1900), 452-463.
  • Kant - ein Metaphysiker?, in: Philosophische Abhandlungen. Christoph Sigwart zu seinem 70. Geburtstag von einer Reihe von Fachgenossen gewidmet, 1900, 133-158.
  • Nietzsche als Philosoph, 1902 (Zweite Auflage 1902; Dritte Auflage 1905; Vierte Auflage 1916; Fünfte Auflage 1930 = Bausteine zu einer Philosophie des Als Ob. N.F. H. 1).
  • Annalen der Philosophie. [zusammen mit Raymund Schmidt] Leipzig, Felix Meiner, 1919 ff; Bde I-VIII.

Autobiographische Schriften

  • Wie die Philosophie des Als Ob entstand, in: Die Deutsche Philosophie der Gegenwart in Selbstdarstellungen. Hrsg. von Raymund Schmidt, Bd. 2, Leipzig 1921 (2.Aufl. 1923), 175-203.
  • Mein Lebenslauf in fünf Etappen, in: Berliner Börsenzeitung. Ausgabe vom 8. August 1924 (Nachdruck: Besinnung. Illustrierte Monatsschrift für Deutsches Kulturgut 1 (1925), 89-92).
  • Yannik Behme: Die Korrespondenz Hans Vaihingers an Bahr. In: Müller, Martin Anton; Pias, Claus; Schnödl, Gottfried (Hgg.): Hermann Bahr – Österreichischer Kritiker europäischer Avantgarden. Jahrbuch für internationale Germanistik: Kongressberichte. Bern u.a: Peter Lang 2014, S. 151–164.

Literatur

  • Klaus Ceynowa: Zwischen Pragmatismus und Fiktionalismus. Hans Vaihingers „Philosophie des Als Ob.“ Königshausen und Neumann, Würzburg 1993, ISBN 3-88479-751-4.
  • Werner RauppHans Vaihinger. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 12, Herzberg 1997, ISBN 3-88309-068-9, Sp. 1018–1026.
  • Richard Remmy: Wird durch die Als-Ob-Betrachtung bei Kant die Realität Gottes in Frage gestellt? Dissertation. Erlangen 1920.
  • Otto Ritschl: Die doppelte Wahrheit in der Philosophie des Als Ob. Mit einem freundschaftlichen Eingangsschreiben an Herrn Geheimrat Vaihinger. 1925.
  • Heinrich Scholz: Die Religionsphilosophie des Als-ob. Eine Nachprüfung Kants und des idealistischen Positivismus. 1921.
  • Johannes Sperl: Die Kulturbedeutung des Als-Ob-Problems. Bausteine zu einer Philosophie des Als-Ob. Heft 2. Langensalza 1922.
  • August Seidel (Hrsg.): Die Philosophie des Als Ob und das Leben. Festschrift zu Hans Vaihingers 80. Geburtstag. Reuther & Reichard, Berlin 1932.
  • August Seidel: Wie die Philosophie des Als Ob entstand. In: Die Deutsche Philosophie der Gegenwart in Selbstdarstellungen. Band 2. Meiner, Leipzig 1921 ff., S. 175–203.
  • Andrea Wels: Die Fiktion des Begreifens und das Begreifen der Fiktion. Dimensionen und Defizite der Theorie der Fiktionen in Hans Vaihingers Philosophie des Als Ob. Lang, Frankfurt u.a. 1997, ISBN 3-631-32103-1.
  • Stephanie Willrodt: Semifiktionen und Vollfiktionen in Vaihingers Philosophie des Als Ob. Hirzel, Leipzig 1934.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Ehrenpromovenden der TH/TU Dresden. Technische Universität Dresden, abgerufen am 28. Januar 2015.

Weblinks

 Wikisource: Hans Vaihinger – Quellen und Volltexte
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