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Intonation (Sprachwissenschaft)
Intonation ist in der Linguistik ein Teilbereich oder ein Merkmal der Prosodie. In der Phonetik versteht man unter Intonation den wahrgenommenen, zeitlichen Verlauf der Tonhöhe innerhalb eines Wortes (Wortmelodie), Satzes oder Sprechakts. Intonation wird fälschlicherweise oft gleichgesetzt mit der Prosodie, ist jedoch im engeren Sinne nur ein Teil davon.
Synonyme mit unterschiedlichem Fokus
Spricht man von Sprachmelodie, so wird der Fokus auf die Intonation als sprachliche Eigenschaft gelegt. Spricht man von Satzmelodie, so ist der Tonhöhenverlauf eines Satzes als Dialogabschnitt gemeint. Die Stimmführung betont, dass Menschen die prosodischen Eigenschaften der Sprache bewusst steuern können.
Sprachwissenschaftliche Definition
Im Lexikon der Sprachwissenschaften definiert Bussmann die Intonation folgendermaßen:
Intonation (von lat. intonare ‚anstimmen‘, zu lat. tonare ‚donnern‘)
1. Im weiteren Sinne: Gesamtheit der prosodischen Eigenschaften lautsprachlicher Äußerungen (Silben, Wörter, Phrasen), die nicht an einen Einzellaut gebunden sind (diese Definition ist ähnlich zur Definition von Prosodie). Die Intonation beruht auf dem Zusammenwirken von:
- Akzent (auch: Betonung) durch erhöhten Druck (Schallintensität bzw. Lautheit) auf einer Silbe.
- Tonhöhenverlauf
- Pausengliederung, die jedoch kaum unabhängig von Akzent und Tonhöhenverlauf zu erfassen ist.
Diese Definition zeigt das häufig synchrone Auftreten prosodischer Eigenschaften der Sprache.
2. Im engeren Sinne (besonders in der Slawistik): auf morphologisch definierten Einheiten (Silben, Wörter) bezogene Phänomene des Tonhöhenverlaufs.
Mikroprosodie und Makroprosodie
In der Phonetik ist die Unterscheidung von Mikro- und Makroprosodie von Bedeutung. Dabei werden unter Mikroprosodie Änderungen im Grundfrequenzverlauf verstanden, die der Sprecher nicht willentlich kontrolliert. Solche Änderungen können etwa auf die Anatomie des Vokaltraktes zurückzuführen sein, so ist etwa bekannt, dass unterschiedliche Vokale im Zusammenhang mit der sie hervorbringenden artikulatorischen Konfiguration eine intrinsische Tonhöhe haben.[1]
Unter Makroprosodie werden die Änderungen im Grundfrequenzverlauf verstanden, die der Sprecher bewusst produziert. Es sind diese Änderungen, die linguistisch von größerer Bedeutung sind. Viele Ansätze in der Intonationsforschung, etwa das von Johan 't Hart et al. entwickelte IPO-Modell[2] oder das von Janet Pierrehumbert entwickelte Tonsequenzmodell, gehen von einer endlichen Menge an intonatorischen Strukturen innerhalb einer Sprache, vergleichbar den Phonemen, aus, die vom Sprecher gewissen Regeln folgend eingesetzt werden.
Im Bezug auf eine Untersuchung der Bedeutung von Intonationskonturen, wie etwa eine mögliche Unterscheidung von "Fragekonturen", "Rufkonturen" und Vergleichbarem, ist natürlich primär die Beschäftigung mit der Makroprosodie von Bedeutung.
Intonationsarten
„Steigende Intonation“ heißt, dass die Tonhöhe der Stimme steigt, „fallende Intonation“ heißt, dass sie sinkt. Neben der Höhe des Tons kann insbesondere auch dessen Länge wichtig sein. Die Tondauern einer Sprache werden als Chroneme klassifiziert.
Funktion der Intonation
Manche Sprachen verwenden die Intonation syntaktisch, zum Beispiel um Überraschung oder Ironie auszudrücken und um Frage- und Antwortsätze voneinander zu unterscheiden. Zu diesen Sprachen gehören Deutsch und Englisch ("Ach, wirklich?"). In anderen Sprachen verändert die Änderung der Tonhöhe die Bedeutung einzelner Wörter oder Sätze.
Sprachen, in denen man Silben nach der Tonhöhe unterscheidet, nennt man tonale Sprachen. Dabei wird zwischen Sprachen unterschieden, bei denen der Grundfrequenzverlauf auf der Silbe von Bedeutung ist, den sogenannten Konturtonsprachen und den Sprachen, bei denen lediglich eine von mehreren Tonhöhen ausschlaggebend ist, den sogenannten Registertonsprachen. Zu den ersteren gehören zum Beispiel Chinesisch, Lao und Thai. Als Beispiel für die letzteren wird Hausa genannt. Eine Zwischenposition zwischen Tonsprachen und Druckakzentsprachen nehmen Sprachen mit einem dynamisch-melodischen Akzent ein, wie zum Beispiel Schwedisch, Serbisch oder Ripuarisch-Limburgisch. In manchen Sprachen, wie etwa in den westafrikanischen Sprachen Twi und Bini, hat die Tonhöhe keine lexikalische, sondern eine grammatische Funktion. In diesen Sprachen wird durch hohe bzw. tiefe Töne ein unterschiedliches Tempus angezeigt.
Linguistische Modelle der Intonation
Intonation kann auf verschiedene Weise modelliert werden. Dabei werden phonologische Phänomene beschrieben, welche in der Grundfrequenzkontur (dem Pendant zum Tonhöhenverlauf in der Signalverarbeitung) eines Sprachmusters zu finden sind. Modelliert werden meistens Akzente (Gipfel und Täler), Grenzsteigungen und Intonationsrücksetzungen (Pitch Resets). Akzente können auf Silben-, Wort-, Phrasen- und Satzebene beschrieben werden. Zudem werden in einigen Modellen auch andere prosodische Eigenschaften wie Pausendauern und Sprechgeschwindigkeiten berücksichtigt.
Beispiele von Intonationsmodellen:
- Das Ton-Sequenz-Modell (autosegmental-metrisches Modell der Intonation) nach Pierrehumbert (1980)[3]
- ToBI (Grundgerüst für einzelsprachliche Ausarbeitungen wie etwa German Tones and Break Indices für die Aussprache des Standarddeutschen)
- Das Kieler Intonationsmodell (KIM), Christian-Albrechts-Universität, Institut für Phonetik und digitale Sprachverarbeitung, Klaus J. Kohler (1991)[4]
- Das Modell nach Fujisaki et al. (1979)[5][6]
- Das Rise/Fall/Connection Model nach Paul A. Taylor (RFC-Modell, 1994)[7]
Siehe auch
Einzelbelege
- ↑ Bernd Pompino-Marschall: Einführung in die Phonetik, 2. Aufl. de Gruyter, Berlin 2003, S. 42.
- ↑ Johan 't Hart et al.: A perceptual study of intonation. An experimental-phonetic approach to speech melody. Cambridge University Press, New York u.a. 1990.
- ↑ The phonology and phonetics of English intonation. (PDF; 2,9 MB), PhD thesis, [[]]
- ↑ http://www.ipds.uni-kiel.de/kjk/forschung/kim.de.html
- ↑ IMS Univ. Stuttgart (PDF; 203 kB); engl. Fujisaki's Intonation Model
- ↑ H. Fujisaki, In Vocal Physiology: Voice Production, Mechanisms and Functions, Raven Press, 1988.
- ↑ Paul A. Taylor, The rise/fall/connection model of intonation. Speech Communication, 15:169-186, 1995 (PDF; 125 kB)
Literatur
- Stefan Baumann, Martine Grice, Ralf Benzmueller: GToBI. A Phonological System For The Transcription Of German Intonation. In: Stanisław Puppel (Hrsg.): Prosody 2000. Speech Recognition and Synthesis. 2 – 5 October 2000, Kraków, Poland. Uniwersytet Im. Adama Mickiewicza, Poznan 2001, ISBN 83-87314-26-9, S. 21–28.
- Hadumod Bußmann (Hrsg.): Lexikon der Sprachwissenschaft. 3. aktualisierte und erweiterte Auflage. Alfred Kröner, Stuttgart 2002, ISBN 3-520-45203-0.
- Klaus J. Kohler: The Kiel Intonation Model (KIM), its Implementation in TTS Synthesis and its Application to the Study of Spontaneous Speech. Webseite, 1991. KIM.
- D. Robert Ladd: Intonational Phonology. 2. Auflage. Cambridge University Press, Cambridge u. a. 2008, ISBN 978-0-521-86117-5 (Cambridge studies in linguistics 119).
- Bernd Möbius: Ein quantitatives Modell der deutschen Intonation. Analyse und Synthese von Grundfrequenzverläufen. Niemeyer Verlag, Tübingen 1993, ISBN 3-484-30305-0 (Linguistische Arbeiten 305), (Zugleich: Bonn, Univ., Diss., 1992).
- Janet Breckenridge Pierrehumbert: The Phonology and Phonetics of English Intonation. Indiana University Linguistics Club, Bloomington IN 1987 (Zugleich: Cambridge MA, Harvard Univ., Diss., 1980).
- Kim Silverman, Mary Beckman, John Pitrelli, Mori Ostendorf, Colin Wightman, Patti Price, Janet Pierrehumbert, Julia Hirschberg: TOBI. A Standard For Labeling English Prosody. In: ICSLP 92 proceedings. International Conference on Spoken Language Processing, October 12 – 16, 1992, International Conference Centre, Banff, Alberta, Canada. Band 2. University of Alberta, Edmonton 1992, ISBN 0-88864-806-5, S. 867–870, online (PDF; 419 KB).
- Paul Alexander Taylor: A Phonetic Model of the English Intonation. Indiana University Linguistics Club, Bloomington IN 1994 (Revised version. Edinburgh, University, Phil. Diss., 1992).
- Paul Taylor: The rise/fall/connecting model of intonation. In: Speech Communication. 15, 1994, ISSN 0167-6393, S. 169–186.
Weblinks
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Intonation (Sprachwissenschaft) aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar. |