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Josef Fleckenstein
Josef Fleckenstein (* 18. Februar 1919 in Kämmeritz bei Querfurt; † 4. November 2004 in Göttingen) war ein deutscher Historiker, der die Geschichte des frühen und hohen Mittelalters erforschte. Fleckenstein bekleidete Professuren in Frankfurt und Freiburg und leitete von 1971 bis 1987 das Göttinger Max-Planck-Institut für Geschichte.
Leben und Wirken
Josef Fleckenstein legte 1939 das Abitur in Mainz ab. Er studierte Geschichte 1940/41 in Leipzig bei Hermann Heimpel und in Halle bei Martin Lintzel. Während des Studiums war er im Reichsarbeitsdienst und in der deutschen Luftwaffe tätig. In Nordafrika geriet er 1943 für mehrere Jahre in Kriegsgefangenschaft. Das Studium der Geschichte, Germanistik, Kunstgeschichte und lateinischen Philologie konnte er erst im Sommersemester 1948 in Mainz und seit 1949 in Freiburg wieder aufnehmen. Heimpel und Gerd Tellenbach waren seine wichtigsten akademischen Lehrer. In Freiburg wurde er 1952 mit einer Arbeit über die Bildungsreform Karls des Großen bei Tellenbach promoviert. In den fünfziger Jahren beteiligte er sich an den Forschungen seines Lehrers Tellenbach im „Freiburger Arbeitskreis“ über den frühmittelalterlichen Adel. 1958 folgte in Freiburg die Habilitation über „Die Hofkapelle der deutschen Könige“. 1960 ging er für ein Jahr als Lehrstuhlvertretung an die Georg-August-Universität Göttingen. 1962 erhielt Fleckenstein einen Ruf auf eine ordentliche Professur nach Frankfurt, 1965 als Nachfolger Tellenbachs nach Freiburg. Von 1971 bis 1987 stand er in der Nachfolge Heimpels als Direktor der Mittelalterabteilung des Max-Planck-Instituts für Geschichte in Göttingen vor, wo er von 1971 bis 1987 auch eine Honorarprofessur an der Philosophischen Fakultät innehatte. Seine bedeutendsten akademischen Schüler waren Lutz Fenske, Werner Rösener und Thomas Zotz. Nach seiner Emeritierung 1987 lehrte Fleckenstein im Wintersemester 1988/89 als Gastprofessor in Zürich. Nach langer Krankheit starb Fleckenstein nur wenige Monate nach seiner Frau am 4. November 2004 in Göttingen.
Fleckensteins Forschungsschwerpunkte waren die Karolingerzeit, die mittelalterliche Reichskirche und das Rittertum. In der Fachwelt verschaffte ihm das aus seiner Habilitation hervorgegangene und in der Tradition der prosopographischen Forschungen Tellenbachs stehende, zweibändige Werk „Die Hofkapelle der deutschen Könige“ (1959/1966) hohes Ansehen. Die Darstellung untersuchte die Rolle dieser Institution in der ottonisch-salischen Reichskirche bis 1056. Diese Forschungen führten zu zahlreichen allgemeineren Darstellungen. Seine Monographie über Karl den Großen wurde in das Holländische und Italienische übersetzt. Seine Abhandlung „Grundlagen und Beginn der deutschen Geschichte“ (1974) erschien auch in englischer Übersetzung. Im klassischen Handbuch der deutschen Geschichte (dem „Gebhardt“) verfasste er außerdem den Abschnitt über die Ottonenzeit im dritten Band der Neuauflage von 1970. Seine Darstellung war noch von der Lehre des 19. Jahrhunderts geprägt: Alle Aktivitäten des Königs waren in Fleckensteins Sicht darauf ausgerichtet, die eigene Macht gegenüber Adel und Kirche zu stärken.[1] In Göttingen widmete sich Fleckenstein hauptsächlich der Rittertumsforschung. Aus dieser Beschäftigung gingen zahlreiche Einzelstudien und die Sammelbände „Herrschaft und Stand“, „Das ritterliche Turnier im Mittelalter“ und „Curialitas“ hervor. Fleckenstein wurde durch seine Studien zum führenden Experten der ritterlich-höfischen Kultur und prägte die deutsche und internationale Forschung nachhaltig.[2] Eine umfassende Darstellung zur Geschichte des Rittertums im Mittelalter konnte er aber nicht mehr anfertigen. Außerdem verfasste er zahlreiche Lebensbilder bedeutender Historiker des 20. Jahrhunderts.
Fleckenstein war vielfach in der Wissenschaftsorganisation tätig. Von 1980 bis 1982 und wieder von 1984 bis 1986 war er Präsident der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen. Im Konstanzer Arbeitskreis für mittelalterliche Geschichte war Fleckenstein von 1968 bis 1971 Vorstandsvorsitzender und bis 1993 im Vorstand des Arbeitskreises tätig. Er war Mitglied im Senat und Hauptausschuss der Deutschen Forschungsgemeinschaft sowie Mitglied und zeitweise Vorsitzender in der Überleitungskommission beim Kultusministerium des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Fleckenstein war Mitglied der Gründungskommission für das Lehrfach Geschichte an der Universität Rostock
Fleckenstein wurden zahlreiche Ehrungen zuteil. Er war korrespondierendes Mitglied der Hollandsche Maatschappij der Wetenschappen, der Monumenta Germaniae Historica (1968), Mitglied der British Academy (1971), ordentliches Mitglied der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (1973), korrespondierendes Mitglied Österreichischen Akademie der Wissenschaften (1982) sowie auswärtiges Mitglied der Akademie gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt. 1994 erhielt Fleckenstein die Carl-Friedrich-Gauß-Medaille der Braunschweigischen Wissenschaftlichen Gesellschaft. Zum 65. Geburtstag wurde ihm eine Festschrift und aus Anlass seines 70. Geburtstages eine Aufsatzsammlung gewidmet.
Schriften
Ein Verzeichnis der Schriften bis 1988 enthält: Josef Fleckenstein: Ordnungen und formende Kräfte des Mittelalters. Ausgewählte Beiträge. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1989, S. 547–587.
Monographien
- Die Bildungsreform Karls des Großen als Verwirklichung der Norma rectitudinis. Josefs-Druck, Bigge-Ruhr 1953 (Zugleich: Freiburg (Breisgau), Univ., Diss., 1952).
- Die Hofkapelle der deutschen Könige (= Schriften der Monumenta Germaniae Historica. Bd. 16, 1–2, ISSN 0080-6951). 2 Bände. Hiersemann, Stuttgart 1959–1966
- Band 1: Grundlegung. Die karolingische Hofkapelle.
- Band 2: Die Hofkapelle im Rahmen der ottonisch-salischen Reichskirche.
- Karl der Große (= Persönlichkeit und Geschichte. Bd. 28, ZDB-ID 528992-0). Musterschmidt-Verlag, Göttingen u. a. 1962.
- Grundlagen und Beginn der deutschen Geschichte (= Deutsche Geschichte. Bd. 1 = Kleine Vandenhoeck-Reihe 1397). Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen 1974, ISBN 3-525-33361-7.
- Rittertum und ritterliche Welt. Unter Mitwirkung von Thomas Zotz, Siedler, Berlin 2002, ISBN 3-88680-733-9.
Herausgeberschaften
- Herrschaft und Stand. Untersuchungen zur Sozialgeschichte im 13. Jahrhundert (= Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte. Bd. 51). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1977, ISBN 3-525-35364-2.
- mit Manfred Hellmann: Die geistlichen Ritterorden Europas (= Konstanzer Arbeitskreis für mittelalterliche Geschichte. Vorträge und Forschungen. Bd. 26). Thorbecke, Sigmaringen 1980, ISBN 3-7995-6626-0.
- Das ritterliche Turnier im Mittelalter. Beiträge zu einer vergleichenden Formen- und Verhaltensgeschichte des Rittertums (= Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte. Bd. 80). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1985, ISBN 3-525-35396-0.
- Curialitas. Studien zu Grundfragen der höfisch-ritterlichen Kultur (= Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte. Bd. 100). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1990, ISBN 3-525-35637-4.
Literatur
- Michael Borgolte: Keine Geschichte ohne Not und Sehnsucht. Auf der Suche nach den Idealen, die unsere Welt verändert haben: Zum Tod des Mittelalterhistorikers Josef Fleckenstein. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11. November 2004, Nr. 264, S. 35.
- Joachim Ehlers: Laudatio anläßlich der Verleihung der Carl- Friedrich-Gauß-Medaille an Josef Fleckenstein am 10. Juni 1994. In: Braunschweigische Wissenschaftliche Gesellschaft. Jahrbuch 1994 (1995), S. 149–155.
- Lutz Fenske, Werner Rösener, Thomas Zotz (Hrsg.): Institutionen, Kultur und Gesellschaft im Mittelalter. Festschrift für Josef Fleckenstein zu seinem 65. Geburtstag. Thorbecke, Sigmaringen 1984, ISBN 3-7995-7024-1.
- Josef Fleckenstein. In: Jürgen Petersohn (Hrsg.): Veröffentlichungen des Konstanzer Arbeitskreises für Mittelalterliche Geschichte aus Anlaß seines fünfzigjährigen Bestehens 1951–2001. Band 2: Die Mitglieder und ihr Werk. Eine bio-bibliographische Dokumentation. Thorbecke, Stuttgart 2001, ISBN 3-7995-6906-5, S. 133–141.
- Othmar Hageneder: Josef Fleckenstein [Nachruf]. In: Almanach der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 155. Jahrgang (2004/2005), S. 541–549.
- Hagen Keller: Vom Hof Karls des Großen zur „höfischen“ Welt des Rittertums. Ein Blick auf das Werk von Josef Fleckenstein aus Anlaß seines 70. Geburtstages. In: Frühmittelalterliche Studien. Bd. 24, 1990, S. 23–35.
- Otto Gerhard Oexle: Nachruf Josef Fleckenstein 18. Februar 1919 – 4. November 2005. In: Jahrbuch der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen 2005, S. 323–325.
- Otto Gerhard Oexle (Hrsg.): Erinnern – Bewahren – Erinnerung fruchtbar machen. Zum Gedenken an Josef Fleckenstein. Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen 2007, ISBN 978-3-525-35808-5. (online)
- Rudolf Schieffer: Josef Fleckenstein [Nachruf]. In: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters. Bd. 61, 2005, S. 433–434. (online; PDF; 25 kB)
Weblinks
Anmerkungen
- ↑ Vgl. Gerd Althoff: Memoria, Schriftlichkeit, symbolische Kommunikation. Zur Neubewertung des 10. Jahrhunderts. In: Christoph Dartmann, Thomas Scharff, Christoph Friedrich Weber (Hrsg.): Zwischen Pragmatik und Performanz. Dimensionen mittelalterlicher Schriftkultur. Turnhout 2011, S. 85–101, S. 89ff.
- ↑ Vgl. Werner Hechberger: Adel, Ministerialität und Rittertum im Mittelalter. 2. Auflage. München 2010, S. 100.
Personendaten | |
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NAME | Fleckenstein, Josef |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Historiker |
GEBURTSDATUM | 18. Februar 1919 |
GEBURTSORT | Kämmeritz |
STERBEDATUM | 4. November 2004 |
STERBEORT | Göttingen |
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- Mittelalterhistoriker
- Hochschullehrer (Georg-August-Universität Göttingen)
- Hochschullehrer (Goethe-Universität Frankfurt am Main)
- Hochschullehrer (Albert-Ludwigs-Universität Freiburg)
- Wissenschaftliches Mitglied der Max-Planck-Gesellschaft
- Mitglied der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen
- Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
- Deutscher
- Geboren 1919
- Gestorben 2004
- Mann
- Träger der Carl-Friedrich-Gauß-Medaille