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Juden in Bamberg 1633–1802/03
Juden in Bamberg (1633–1802/03). Lebensverhältnisse und Handlungsspielräume einer städtischen Minderheit ist eine Monographie der deutschen Historikerin Michaela Schmölz-Häberlein. Das Werk befasst sich mit den Lebensverhältnissen und Handlungsspielräumen der städtischen Minderheit von Juden und Jüdinnen. Die interreligiöse Studie ist im Jahr 2014 in der Reihe «Judentum-Christentum-Islam» sowie im Stadtarchiv in Bamberg veröffentlicht worden. Die vorliegende Studie zur Geschichte der jüdischen Minderheit in der Stadt Bamberg ist die erste umfassende Darstellung des christlich-jüdischen Zusammenlebens vom Dreißigjährigen Krieg bis zum Ende des Alten Reiches, seitdem 1898 der Rabbiner Adolf Eckstein das Werk Geschichte der Juden im ehemaligen Fürstbistum Bamberg verfasste.[1]
Erkenntnisinteresse
Die lokalhistorische Studie soll eine umfassende Darstellung des christlich-jüdischen Zusammenlebens in Bamberg während des Dreißigjährigen Kriegs bis zum Ende des Alten Reichs zeigen (S. 11). Seit 1633 ist eine kontinuierliche jüdische Präsenz in der Gemeinde nachweisbar, welche erst in der Zeit des Nationalsozialismus endete. Die Autorin möchte mit ihrem Werk die Lücken über die Entfaltung der Juden in Bamberg schließen. Dabei arbeitete sie die engen Beziehungen zwischen jüdischen und christlichen Lebenswelten heraus (S. 16). Das Werk ist in die Themenbereiche der demographischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Entwicklung gegliedert. Damit soll ein differenziertes Bild der Geschichte der Bamberger Juden im 17. und 18. Jahrhundert aufzeigt werden können (S. 18).
In den letzten Jahrzehnten sind zahlreiche Gesamtdarstellungen und Forschungsüberblicke über das Leben der Juden/Jüdinnen in Deutschland entstanden. Die Geschichte der fränkischen Juden und Jüdinnen wurde indes wenig berücksichtigt; obwohl in dieser Region die größten sowie wirtschaftlich und kulturell bedeutendsten süddeutschen Judengemeinden bestanden. Mit ihrer Untersuchung wollte Schmölz-Häberlein die lückenhafte Forschungslage schließen. Dabei war es ihr ein Anliegen, die jüdische Geschichte des 17. und 18. Jahrhunderts nicht durch die retrospektive Brille der Shoa zu lesen. Anitjüdische Vorurteile und Diskriminierungen werden zwar nicht ausgeblendet, Urbanität und Autonomie der jüdischen Gemeinde Bambergs werden aber ebenso betont.
Für ihre Arbeit hat Schmölz-Häberlein auf die städtischen Rechnungsserien im Stadtarchiv, Regierungsakten und -protokolle des Hochstifts Bamberg (Bestand Geheime Kanzlei) im Staatsarchiv und die Sammlungen des Historischen Vereins Bamberg zurückgegriffen (S. 17).
Inhalt
Das Werk befasst sich mit zwei zentrale Themen: Mit der Entfaltung des jüdischen Lebens in Bamberg seit der Wiederansiedelung um 1633 einerseits und den daraus resultierenden Konflikten andererseits. Die Gemeinde Bamberg kann nach 1633 eine steigende Zahl an jüdischen Haushalte verzeichnen. Damit verbunden waren die Entstehung von Institutionen jüdischer Selbstverwaltung, die Verankerung der Juden im städtischen Wirtschaftsleben und das Heranwachsen einer reichen Gelehrtenkultur. Das enge Zusammenleben von Christen/Christinnen und Juden/Jüdinnen im 17. Jahrhundert war indes mit Konflikten verbunden, welche sich in Protesten, Unruhen und Wegweisungsforderungen äußerten. Die Obrigkeit belastete die jüdische Bevölkerung mit Sondersteuern, rechtlichen Benachteiligungen und sozialer Diskriminierung. Im Dreißigjährigen Krieg erlebten die Juden/Jüdinnen einen Rückgang von 12'000 zu 6'900 Personen. Diese Zahl verdreifachte sich aber zwischen 1650 und 1800 wieder um ca. 20'000 Personen (S. 18). Aufgrund der wachsenden jüdischen Bevölkerung entwickelten sich zahlreiche neue Gemeinden, die mit eigenen Synagogen, Mikwen, Rabbinern und Rabbinatsgerichten ausgestattet wurden.
Das Werk ist in zehn Kapiteln gegliedert und befasst sich mit der Entwicklung der jüdischen Gemeinde, der Rechtsstellung der Bamberger Juden/Jüdinnen, ihren Selbstverwaltungsorganen, den jüdischen Hoffaktoren, ihrem Erwerbsleben, zentralen religiösen Bräuchen, der Familie und des Lebenszyklus', dem Zusammenleben zwischen Juden/Jüdinnen und Christen/innen im Spannungsfeld von Koexistenz und Konflikt sowie abschließend dem Phänomen der Konversion.
Wirkung & Rezeption
André Griemert lobte das Werk als einen umfangreichen Beitrag für die Erforschung der Bamberger Lokal- und Regionalgeschichte - und damit zusammenhängend der lokalen Bamberger Identität.[2] Er deutet darauf hin, dass sich darin drei Phase erkennen ließen: Nach der Wiederansiedlung (1633-1680) seien in die personellen und organisatorischen Grundlagen geschaffen worden. Die Jahre von 1680 bis 1740, werden als eigentliche Blütezeit der Bamberger Juden/Jüdinnen dargestellt. Die dritte Phase (1740-1803) sei geprägt gewesen von Stagnation, wachsender Konkurrenz zu christlichen Kaufleuten, Autonomieverlust und zunehmenden innergemeindlichen Konflikten im Zuge der Aufklärung.[3]
Friedrich Battenberg hat in seiner Rezension des Buchs hervorgehoben, dass sich die Autorin in der Studie bewusst von älteren Forschungsperspektiven abhebe, in welchen Armut, Randgruppendasein, Verfolgung und Repression im Vordergrund stünden und die Eigenleistung der jüdischen Gemeinde mit ihrer urbanen Struktur vernachlässigt würden.[4] Schmölz-Häberlein lehne die eindimensional konstruierte Leidensgeschichte ab und möchte im Detail die Beziehung zwischen jüdischen und christlichen Lebenswelten herausarbeiten. Die Untersuchung sei eher traditionell aufgebaut, mit einer konservativen Zugangsweise zum Quellenmaterial.[5] Trotz der lückenhaften Forschungslage gelinge es ihr, ein differenziertes Bild zur Geschichte der Juden in der Stadt Bamberg zu vermitteln.[6]
Das Werk liefere eine vertiefte Einsicht in die Lebensverhältnisse der Bamberger Juden/Jüdinnen, so Griemert und biete eine solide Grundlage für weitere Untersuchungen zu diesem Thema.[7] Ihrem Anspruch, eine jüdische Geschichte Bambergs abseits der Perspektive einer Verfolgungsgeschichte zu schreiben, sei sie jedoch nicht gerecht geworden.[8]
Der Historiker Lutz Raphael deutet auf die Wichtigkeit der Sprache bzw. Kommunikation bei Recherchen hin, welche nicht lediglich auf der Basis von Textquellen stehen bleiben soll, da diese keinen objektiven Blick auf die Geschichte werfen.[9] Der Quellenkorpus zu Juden in Bamberg besteht aus differenziertem Material, doch wurde der von Raphael angemahnte Aspekt ausgelassen. Eine weiterführende Untersuchung gerichtet auf die Sprache und Kommunikation könnte daher zu einem tiefer gehenden Einblick in die Lebensverhältnisse der Jüdinnen/Juden führen. Die zwischenmenschlichen Kontakte zwischen jüdischen und christlichen Bewohnern Bambergs blieben holzschnittartig, was durch eine intensive Einbindung zentraler Veröffentlichungen der jüngsten Zeit hätte umgangen werden können, meint Griemert.[10] Das Werk besitze aber wertvolle Ansätze für die weiteren Erforschungen des alltäglichen Zusammenlebens.[11]
Ausgabe
- Juden in Bamberg (1633–1802/03). Lebensverhältnisse und Handlungsspielräume einer städtischen Minderheit. (= Judentum – Christentum – Islam. Interreligiöse Studien 11; zugleich Veröffentlichungen des Stadtarchivs Bamberg, Bd. 18), Ergon-Verlag, Würzburg 2014, ISBN 978-3-95650-019-0.
Weblinks
- Geschichte der Juden im ehemaligen Fürstbistum Bamberg auf der Webseite von Google Books
- European Jewry in the Age of Mercantilism, 1550-1750 auf der Website von Google Books
Einzelnachweise
- ↑ André Griemert: SEHEPUNKTE - Rezension von: Juden in Bamberg (1633-1802/03) - Ausgabe 16 (2016), Nr. 1. Abgerufen am 9. Juli 2019.
- ↑ André Griemert: SEHEPUNKTE - Rezension von: Juden in Bamberg (1633-1802/03) - Ausgabe 16 (2016), Nr. 1. Abgerufen am 9. Juli 2019.
- ↑ André Griemert: SEHEPUNKTE - Rezension von: Juden in Bamberg (1633-1802/03) - Ausgabe 16 (2016), Nr. 1. Abgerufen am 9. Juli 2019.
- ↑ Friedrich Battenberg, Rezension: Juden in Bamberg 1633-1802/03" In: Historische Zeitschrift. 2014.
- ↑ Friedrich Battenberg, Rezension: Juden in Bamberg 1633-1802/03" In: Historische Zeitschrift. 2014.
- ↑ Friedrich Battenberg, Rezension: Juden in Bamberg 1633-1802/03" In: Historische Zeitschrift. 2014.
- ↑ André Griemert, http://www.sehepunkte.de/2016/01/24795.html
- ↑ André Griemert, http://www.sehepunkte.de/2016/01/24795.html
- ↑ Raphael, Lutz: Geschichtswissenschaft im Zeitalter der Extreme. C.H.Beck, München 2010, ISBN 978-3-406-60344-0, S. 233.
- ↑ André Griemert, http://www.sehepunkte.de/2016/01/24795.html
- ↑ André Griemert, http://www.sehepunkte.de/2016/01/24795.html
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