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Jugendamtsskandal in Gelsenkirchen

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Der Jugendamtsskandal in Gelsenkirchen begann nach der Ausstrahlung eines Beitrages im Fernsehmagazins Monitor am 30. April 2015 bekannt zu werden.[1] Es ging dabei um personelle Verflechtungen der Leitung des Jugendamts der Stadt Gelsenkirchen, des Ortsverbands des Kinderschutzbundes in Gelsenkirchen, des deutschen Trägers eines Kinderheims in Ungarn und weiterer Institutionen.

Vorwürfe

Alfons W., Leiter des Jugendamts Gelsenkirchen, und Thomas F. als sein Stellvertreter wurden von Monitor beschuldigt, immer mehr Kinder und Jugendliche an das katholische St.-Josef-Heim in Gelsenkirchen geschickt zu haben, von dem aus Kinder und Jugendliche weiter an ein Heim in Pécs, Ungarn, des Unternehmens Neustart Reszocializációs Kft. geschickt wurden. Gesellschafter von Neustart waren W. und F.; Neustart erhielt pro Kind monatlich 5500 Euro vom deutschen Staat.[2] Die Kinder wurden nicht nach einem pädagogischen Konzept betreut, auch war die Schulbildung nicht sichergestellt.[2] F. hatte zudem dafür gesorgt, dass der Gelsenkirchener Ortsverband des Deutschen Kinderschutzbundes die Buchhaltung für Neustart ausführt. Der Ortsverband des Kinderschutzbunds erhielt hierfür 5 Euro pro Tag und Jugendlichem. Stellvertretender Vorsitzender des Gelsenkirchener Ortsverbands war Thomas F.[2] Der Vertrag wurde von einem weiteren Angehörigen des Vorstandsmitglied unterzeichnet, die selbst Mitarbeiterin des Jugendamts war.[3]

Die Stadt Gelsenkirchen genehmigte 2004 W. die Nebentätigkeit als Geschäftsführer und Betreiber des Heims in Ungarn, W. wiederum erteilte seinem Stellvertreter F. die Genehmigung.[4] Nach einer internen Kritik versicherte W. daraufhin gegenüber seinem Vorgesetzten, zum 1. April 2005 seine Tätigkeit als Geschäftsführer bei Neustart einzustellen und die Gesellschaftsanteile abzutreten; W. gab jedoch auch danach weiter Weisungen, wie 2015 bekannt wurde.[5] W. übertrug seinen Gesellschafteranteil seiner Frau, F. seinem Bruder.[2] Die Neustart Reszocializációs Kft war unter der Firmenregistrierungsnummer 02-09-069761 seit 4. Januar 2005 unter zwei Domizilen in Pécs notiert: Körömvirág utca 12 sowie Erdész utca 145. Das Stammkapital betrug 3 Millionen Forint.[6] 2009 wurde die Einrichtung wegen finanzieller Probleme abgestoßen.[4][6]

Anja G., Leiterin des St.-Josefs-Heims in Gelsenkirchen, habe in mindestens fünf Fällen in Gladbeck im Rahmen sogenannter Hilfeplan-Gespräche, an denen Amt, Eltern und Jugendliche beteiligt gewesen seien, zur intensivpädagogischen Maßnahme in Ungarn geraten.[4] Recherchen hatten auch ergeben, dass in einer Informationsbroschüre von Neustart das St.-Josefs-Heim als Kooperationspartner und Anja G. als Ansprechpartnerin genannt worden war.[7]

Im Zeitraum von 2005 bis 2008 sollen bei Neustart Kft. in Pecs acht Kinder aus Gladbeck und eines aus Herne untergebracht gewesen sein, aber kein Kind aus Gelsenkirchen.[8]

Reaktionen

Die Stadt Gelsenkirchen reagierte mit einer Stellungnahme, man wolle eine objektive Aufklärung ermöglichen.[9] Auch Alfons W. nahm Stellung:[10] „Im Jahr 2004 entwickelten Herr F. und ich die Idee ein intensivpädagogisches Konzept zu entwickeln, mit hoher pädagogischer Dichte. Dieses sollte im Ausland sein, um jungen Menschen in einem neuen Setting einen Neustart zu ermöglichen. (…) Es ging uns bei Neustart darum, eine hochqualifizierte, hauptamtlich geführte intensivpädagogische Maßnahme anzubieten. Dass das nun als Kassemachen interpretiert wird, schockt mich. Ich habe damit kein Geld gemacht, sondern werde eher in die Verlustzone rutschen, weil die Immobilie nur zu einem deutlich reduziertem Kaufpreis veräußert werden kann bzw. scheint sie fast unverkäuflich zu sein.“

Alfons W. und Thomas F. wurden von Oberbürgermeister Frank Baranowski (SPD) am 1. Mai 2015 freigestellt; mit dem Amtsleiter Alfons W. wurde ein Auflösungsvertrag geschlossen, sein Stellvertreter Thomas F. erhielt eine fristlose Kündigung.[3] Die St. Augustinus Heime GmbH, Träger des St.-Josef-Heims in Gelsenkirchen, stellte die Leiterin Anja G. frei.[4]

Die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses wurde bereits in der Sondersitzung des Rates am 4. Mai 2015 gefordert.[11] Die Staatsanwaltschaft Essen nahm kurze Zeit nach der Monitor-Veröffentlichung Ermittlungen wegen eines Anfangsverdachts auf.[12] Die Stadt Gelsenkirchen beauftragte im Mai 2015 eine unabhängige Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mit der Aufarbeitung des Falls. Ferner bildete der Rat am 21. Mai 2015 einen Untersuchungsausschuss.[8]

Das Fernsehmagazin Westpol befragte im Mai 2015 sämtliche 187 Jugendämter Nordrhein-Westfalens und erhielt von 70 % der befragten Ämter eine Antwort. Demzufolge seien 247 Kinder in 22 Ländern weltweit untergebracht. Das Landesjugendamt führe keine Statistik.[13]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Monitor, 30. April 2015
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 http://www.derwesten.de/staedte/gelsenkirchen/pecs-und-neustart-kft-sorgen-fuer-eine-atemraubende-woche-in-gelsenkirchen-id10650660.html
  3. 3,0 3,1 http://www.derwesten.de/staedte/gelsenkirchen/gelsenkirchener-jugendamtsleiter-geraet-weiter-unter-druck-id10666375.html
  4. 4,0 4,1 4,2 4,3 http://www.ruhrnachrichten.de/nachrichten/vermischtes/aktuelles_berichte/Jugendamtsskandal-Neue-Vorwuerfe-gegen-katholische-Einrichtung;art29854,2702587
  5. http://www.rp-online.de/nrw/panorama/gelsenkirchen-jugendamt-interne-mail-belastet-alfons-wissmann-schwer-aid-1.5078454
  6. 6,0 6,1 http://www.pesterlloyd.net/html/1519jugendamtschalke.html
  7. http://www.domradio.de/themen/soziales/2015-05-07/kinderschutzbund-und-kinderheim-gelsenkirchener-jugendamtsskandal-verwickelt
  8. 8,0 8,1 http://www.derwesten.de/staedte/gelsenkirchen/gelsenkirchener-rat-bildet-untersuchungsausschuss-id10697225.html
  9. http://www.lokalkompass.de/gelsenkirchen/leute/stellungnahme-der-stadt-gelsenkirchen-zu-einem-bericht-der-ard-sendung-monitor-vom-30-april-2015-die-stadt-gelsenkirchen-hat-umgehend-die-aufklaerun-d541973.html
  10. http://www.lokalkompass.de/gelsenkirchen/leute/presseerklaerung-von-alfons-wissmann-zur-monitor-berichterstattung-vom-30042015-d542912.html
  11. http://www1.wdr.de/themen/infokompakt/nachrichten/nrwkompakt/jugendamt-skandal-gelsenkirchen-100.html
  12. http://www.domradio.de/themen/kirche-und-politik/2015-05-05/skandal-um-gelsenkirchener-jugendamt-zieht-weitere-kreise
  13. http://www1.wdr.de/themen/politik/jugendhilfeskandal-100.html
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