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Body-Modification
Body-Modification (englisch für ‚Körpermodifikation‘ / ‚Körperveränderung‘, auch kurz BodMod; dt.: Körperschmuck) ist die Bezeichnung für eine Vielzahl durchgeführter Veränderungen am menschlichen Körper, heute meist durch darauf spezialisierte kommerzielle Anbieter. Im Gegensatz zu anderen Arten der Körpergestaltung, die Veränderungen beispielsweise durch oberflächliches Bemalen oder durch Training erreichen, sind Body-Modifications mit verletzenden Eingriffen in die Substanz des menschlichen Körpers (die Haut, teilweise auch darunter liegendes Knorpel- und Fettgewebe) und mit dauerhaften oder schwer rückgängig zu machenden Veränderungen verbunden. Zum Körperschmuck zählen Tätowierungen, Piercings, Implants sowie Brandings, Schmucknarben und andere Skarifizierungen. Körperschmuck kann als Teilgebiet der Körpergestaltung betrachtet werden.
Geschichte
Die meisten Formen gehen auf traditionelle Rituale zurück, die von verschiedenen Völkern schon seit Jahrhunderten praktiziert werden. Hingegen finden sich in Europa erst relativ spät Formen von Körpermodifikation. Tätowierungen sind in Europa schon seit Jahrhunderten bekannt. Mit der Entdeckung Polynesiens erhielt die Tätowierkunst einen ersten Aufschwung. Selten wurden damals auch schon Intimpiercings, die aus der Region um den Indischen Ozean kommen, an Europäern durchgeführt. Zu Ende des 19. Jahrhunderts erlebte die Tätowierkunst einen zweiten Aufschwung, der aber durch die beiden Weltkriege wieder völlig zunichtegemacht wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es für kurze Zeit keine hauptberuflichen Tätowierer in Deutschland, und das Piercinghandwerk geriet fast völlig in Vergessenheit.
Erst seit den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts erlebte die Tätowierkunst einen neuen Aufschwung, und seit den 80er Jahren wurde wieder vermehrt gepierct. In den 90er Jahren erlebte dann das Piercing einen riesigen Aufschwung, und andere Formen der Body-Modification kamen auch nach Deutschland. Heute gibt es eine vielfältige Szene, die extremen Body-Modifications (Zungenspaltung, Subinzision) sind aber in Deutschland immer noch selten und weitestgehend auf Nordamerika beschränkt, wo sich auch die Subkultur der Modern Primitives entwickelte.
Formen
Die bekanntesten und im Westen traditionsreichsten Formen sind Tätowierungen und Piercings. Darüber hinaus gibt es aber weitere Formen der Body-Modification, die teilweise erst seit jüngerer Zeit in westlichen Ländern Verbreitung finden.
Piercing
Hierbei wird Piercingschmuck in Form von Ringen oder Stäben an verschiedenen Stellen des menschlichen Körpers durch die Haut und darunter liegendes Fett- oder Knorpelgewebe hindurch angebracht. Piercings können an den verschiedensten Körperstellen angebracht werden. In der Regel sind dies Hautfalten oder Körperöffnungen (Mund, Nase, Ohr, Genitalien), liegen Ein- und Austrittsstelle auf einer Ebene spricht man von Oberflächenpiercings. Piercings können bis zu einem großen Durchmesser geweitet werden.
Transdermals
Transdermals, auch transdermale Implantate genannt, sind Implantate, bei welchen eine kleine Metallplatte unter die Haut gebracht wird. An dieser befindet sich ein Gewindestab, der zur Anbringung verschiedener Schmuckaufsätze dient. Eine Spezialform sind sogenannte Microdermals oder Dermal Anchors. Hierbei handelt es sich um Transdermals mit einer relativ kleinen Implantatfläche, die aufgrund ihrer schnellen Verheildauer sehr beliebt sind. Transdermals sind optisch den Oberflächenpiercings sehr ähnlich.
Tätowierung
Eine Tätowierung, auch Tatauierung oder Tattoo, ist ein Motiv, das mit Tinte oder anderen Farbmitteln in die Haut eingebracht wird. Dazu wird die Farbe in der Regel mit Hilfe einer Tätowiermaschine durch eine oder mehrere Nadeln (je nach gewünschtem Effekt) in die zweite Hautschicht gestochen und dabei ein Bild oder Text gezeichnet.
Skarifizierung
Skarifizierung bezeichnet das Anbringen von Ziernarben in die Haut. Je nach Methode verwendet man dafür auch die Begriffe Cutting für die Erzeugung von Narben durch Schnittwunden beziehungsweise Branding für äußerliche Brandmale.
Beschneidung
Bei der Beschneidung kommt es zu einer Entfernung von Gewebe an den Genitalien. Allgemein ist bei der Verwendung des Begriffs die Zirkumzision beim Mann gemeint. Hierbei kommt es zu einer teilweisen oder vollständigen Entfernung der Penisvorhaut. Aber auch bei Frauen können verschiedene operative Veränderungen der Vulva vorgenommen werden, etwa die Labioplastik (in der Regel eine Reduktion oder Entfernung der Schamlippen) oder die Klitorisvorhautreduktion. In Afrika ist die sogenannte Beschneidung weiblicher Genitalien verbreitet, ein Oberbegriff, unter den verschiedene (meist unfreiwillige) Eingriffe zusammengefasst werden, die meist aus Gründen gesellschaftlicher Sexualmoral vorgenommen werden.
Weitere Formen
Neben den genannten Modifikationen, welche relativ häufig anzutreffen sind, existieren weitere, eher seltenere Formen der Körpermodifikation. Beispielsweise können bestimmte Körperteile gespalten werden, beispielsweise die Zungenspaltung oder die eher bei indigenen Völkern verbreitete Subinzision und Bifurkation, bei denen es zu einer Spaltung des vorderen Teils der Harnröhre kommt. Weiterhin kommt es zum Einsetzen von Zierimplantaten, sogenannten Implants oder den nur temporär sichtbaren Bagelheads.
Weiterhin existieren verschiedenen Formen der Körpermodifikation, die auf bestimmte Ethnien oder Kulturkreise beschränkt sind oder waren und im Westen nicht praktiziert werden, beispielsweise Lotosfuß, Brustbügeln, Tellerlippen, Lippenpflock, Schädeldeformation oder Padaung.
Die Abgrenzung gegenüber schönheitschirurgischen Eingriffe ist teilweise nicht eindeutig. So wird eine Brustvergrößerung oder Rippenentfernung in der Regel nicht zu dem Bereich Body-Modification gezählt, andere Silikonimplantate hingegen schon. Ebenso würde eine religiös motivierte Zirkumzision nicht dazuzählen. Es entscheidet im konkreten Fall das Motiv für den Eingriff, ob er in die Kategorie der Body-Modification fällt.
Motive
Die Motive einer Person, ihren Körper durch physische Eingriffe permanent zu verändern, sind facettenreich. Sie variieren zwischen Individuen und Kulturen.[1]
Ästhetische Motive
Das wohl heutzutage häufigst anzutreffende Motiv ist schlichtweg die Verschönerung und Zierde des Körpers. Was jeweils als schön anzusehen ist, wird stark durch soziale und kulturelle Vorgaben beeinflusst und manifestiert sich im vorherrschenden Schönheitsideal. Dieses unterscheidet sich je nach Epoche und Kulturkreis. Bezüglich Körpermodifikationen ist auffallend, dass seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts das Schönheitsideal in westlichen Kulturen zunehmend durch Einflüsse aus Indigene Völkern inspiriert wurde. Zahlreiche Formen der Körpermodifikation wie Piercing oder Branding, die heute von der jungen Generation als schön und ästhetisch angesehen werden und weitgehend akzeptiert sind, wurden vor wenigen Jahrzehnten im Westen sozial geächtet und als „primitive Stammesrituale“ betrachtet. Weiterhin spielt in der modernen Gesellschaft der Faktor Schönheit gegenüber früher eine wesentlich größerer Rolle. Die Partnerwahl findet heute frei von Standes- und Rollenkonventionen statt, die Medien konfrontieren mit perfekten Vorbildern und das Aussehen nimmt mehr als früher auch in beruflichen Kontexten eine wichtige Funktion ein, was zu Ausgrenzung bis hin zu Lookism führen kann.[1]
Rituelle Motive
In vielen archaischen Kulturkreisen stellt die Veränderung des menschlichen Körpers einen rituellen Eingriff dar, der als Initiationsritual dient. Die Modifikation erfolgt meist im späten Kindes- oder frühem Jugendalter und stellt den Übergang zur Welt der Erwachsenen dar. Eine wesentliche Komponente des Rituals ist das Aushalten und Transzendieren der mit dem Eingriff einhergehenden Schmerzen.[2] Auch als Abgrenzung gegenüber anderen Stämmen werden Körpermodifikationen eingesetzt.[1]
Mitunter werden von einigen Wissenschaftlern auch die heutigen Formen der Körpermodifikation als Merkmal einer Autoinitiation angesehen: in unserer heutigen, entritualisierten Welt, wird dem Bedürfnis nach einer Markierung des Übergangs zum Erwachsensein selbst entsprochen. Dafür spricht die Tatsache, dass ein Großteil der Erst-Piercings beziehungsweise Tattoos im Alter zwischen 16 und 24 Jahren gestochen wird. So kann ein zum 18. Geburtstag gestochenes Piercing das Ende der Adoleszenz symbolisiert zum Ausdruck bringen.[1]
Kulturelle Identität
Körperschmuck stellt ein Mittel dar, um die Zugehörigkeit zu einer bestimmten kulturellen bzw. subkulturellen Gruppe darzustellen. Dies waren in der Vergangenheit und bis in die Gegenwart hinein verschiedene Stämme oder Clans. So können sich sowohl die Modifikationen zwischen den Stämmen unterscheiden – ein Lippenteller oder Padaung weist auf die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Stamm hin – als auch an sich gleiche Modifikationen in geringen Nuancen variieren und Aufschluss über die Herkunft geben. Bei vielen benachbarten afrikanischen Stämmen sind beispielsweise Skarifizierung oder Tätowierung verbreitet, wobei Muster oder Motive die Stammeszugehörigkeit codieren. Auch bei der japanischen Yakuza dienen Tätowierungen dazu, die Zugehörigkeit zur Vereinigung zu demonstrieren.[1]
Vergleichbar mit einem Ehering in der westlichen Gesellschaft können Körpermodifikationen in einigen traditionellen Kulturen als Zeichen für die Zusammengehörigkeit von Mann und Frau dienen. Insbesondere gilt dies für Intimpiercings.[3]
In der heutigen modernen Gesellschaft sind es vielmehr subkulturelle Bewegungen, mit denen eine Identifikation stattfindet. Piercing hielt seit den 1980er Jahren Einzug in den westlichen Kulturkreis. Zu diesem Zeitpunkt war der Körperschmuck als Zeichen von Rebellion gegen das Establishment und Gegenkultur anzusehen. Mit der inzwischen weitgehenden Verbreitung durch alle Bevölkerungsschichten und der Akzeptanz in der Gesellschaft hat der Aspekt der Abgrenzung gegen den Mainstream an Bedeutung verloren. Mittlerweile werden Piercings im Westen primär wegen ihrer ästhetischen Komponente geschätzt.
Funktionale Gründe
Einige Modifikationen haben über ihre ästhetische und kulturelle Bedeutung hinaus funktionale Aspekte. Diese können unterschiedlicher Natur sein und führen dazu, dass bestimmte Bereiche des Lebens verbessert werden. So führt die von vielen Kulturen praktizierte Zirkumzision zu einer Verbesserung der Hygiene und einer geringeren Gefahr der Ansteckung mit Geschlechtskrankheiten, jedoch zu verminderter sexuellen Empfindsamkeit. Die bei den Aborigines verbreitete Subinzision kann als Maßnahme der Geburtenkontrolle angesehen werden. Verschiedene Intimpiercings, wie das Apadravya beim Mann oder das Klitorisvorhautpiercing bei der Frau, sollen zu einer Intensivierung der Stimulation beim Geschlechtsverkehr und einer Verstärkung das sexuelle Erleben führen.[1]
Kontroversen
Bei jeder Körpermodifikation besteht die Gefahr ungewollter Auswirkungen auf den Körper, insbesondere wenn Modifikationen (zum Beispiel durch unlizenzierte Chirurgen) außerhalb eines Krankenhauses oder sogar zu Hause durchgeführt werden, was lebensgefährlich sein kann und in manchen Ländern und Staaten illegal ist.
Umstritten ist der Versuch, andere Kulturen beziehungsweise Völker nachzuahmen, um ihnen damit zu ähneln, beispielsweise, dass Asiaten ihre Epikanthus-Falte operieren lassen, um europäische, nichtasiatische Augen nachzuahmen, die Haut durch Farbstoffe oder Operationen aufgehellt wird oder Afrikaner ihre Haare glätten und ihre Nasen durch Rhinoplastik zu verändern suchen.
Kritiker führen an, der Versuch, die natürliche Form des Körpers künstlich zu verändern, könne zu Entstellungen und Verstümmelungen führen, außerdem dass insbesondere extreme Formen der Körpermodifikation Symptom einer psychischen Erkrankung wie der Dysmorphophobie oder unbeherrschter Eitelkeit sein können.
Siehe auch
Portal:Body Modification – Übersicht zu Wikipedia-Inhalten zum Thema Body Modification
- Body Modification E-Zine, ein großes Internetportal zum Thema Körpermodifikation
- Schönheitsideal
- Zahnschmuck
- Grill (Schmuck)
Filmografie
- 2005: Modify, Regie: Jason Gary und Greg Jacobson.
Literatur
- Rhea Kälin: Body Modification. Psychologische Aspekte von Piercings und anderen Körperveränderungen, Universität Zürich, 2008, Online PDF-Datei
- Erich Kasten: Body-Modification. Psychologische und medizinische Aspekte von Piercing, Tattoo, Selbstverletzung und anderen Körperveränderungen. Reinhardt, München/Basel 2006, ISBN 3-497-01847-3
- Tobias Prüwer: Fürs Leben gezeichnet. Body Modification und Körperdiskurse. Parodos, Berlin 2012, ISBN 978-3-93888-049-4.
Weblinks
- www.Body-Modification.org - Deutsche Webseite zum Thema Körpermodifikationen
- www.BodyMod.org - Webseite zum Thema Körpermodifikationen (engl.)
- Modify in der deutschen und englischen Version der Internet Movie Database
Einzelnachweise
- ↑ 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5 Erich Kasten: Body-Modification. Psychologische und medizinische Aspekte von Piercing, Tattoo, Selbstverletzung und anderen Körperveränderungen. Reinhardt, München/Basel 2006
- ↑ Point #61: An Exploration of Pain - Quarterly journal of the Association of Professional Piercers
- ↑ Rowanchilde, R (1996): Male genital modification: A sexual selection interpretation. Human Nature, Vol. 7, Nr. 2, 189-215, doi:10.1007/BF02692110
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