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Kamasutra

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Dieser Artikel behandelt die indische Handschrift Kamasutra; für den Film (1996) siehe Kama Sutra: A Tale of Love

Das Kamasutra (Sanskrit: कामसूत्र kāmasūtra = Verse des Verlangens) wurde vermutlich zwischen 200 und 300 n. Chr. von Vatsyayana Mallanaga verfasst, über dessen Leben keine weiteren Kenntnisse vorliegen. Der vollständige Titel lautet Vatsyayana Kamasutra. Das Werk gehört zur indischen Tradition der Lehrwerke über Erotik (Kamashastra). Als ein Leitfaden der Erotik und der Liebe steht das Kamasutra in einer Beziehung zum Tantra, in dem es um die Transformation der Sexualität geht.[1] Es enthält Beschreibungen von Positionen beim Geschlechtsverkehr.

Etymologie

Darstellung des Geschlechtsverkehrs aus einer Kamasutra-Ausgabe des 19. Jahrhunderts

Das Wort Kamasutra ist aus den Wörtern Kama und Sutra zusammengesetzt:[1]

  • Kāma (Sanskrit काम) bezeichnet das sinnliche Verlangen und seine Wunscherfüllung als eine Kraft der Evolution
  • Sūtra (Sanskrit सूत्र) ist die Versform indischer Lehrtexte.

Kama zählt im Hinduismus zu den vier Lebenszielen des Menschen (purushartha). Die anderen drei Ziele sind

  1. Artha: Wohlstand
  2. Dharma: Rechtschaffenheit
  3. Moksha: Erlösung.[2]

Geschichte

Das Kamasutra − geschrieben von Vatsyayana Mallanaga in einer keuschen Lebensweise − entstand um 250 n. Chr. im Nordosten Indiens am Südufer des Ganges in der damaligen Stadt Pataliputra, dem heutigen Patna im Bundesstaat Bihar. Die Ortsangabe Pataliputra bestätigte auch Yashodhara, der im 13. Jahrhundert einen Kommentar zum Kamasutra verfasste.[3] Vatsyayana ist kein Alleinautor, sondern er bezieht sich auf ältere, nicht überlieferte Texte von weiteren Autoren zu speziellen Themen:[4]

  • Charayana über die Allgemeinen Bemerkungen (1. Buch)
  • Suvarnanabha über Sex (2. Buch)
  • Ghotakamukha über die Jungfrauen (3. Buch)
  • Gonardiya über die Ehefrauen (4. Buch)
  • Gonikaputra über die Ehefrauen anderer Männer (5. Buch)
  • Dattaka über die Kurtisanen (6. Buch)
  • Kuchumara über die Erotische Esoterika (7. Buch).

Diese Autoren, die Vatsyayana als Lehrer oder Gelehrte bezeichnet, stellen für ihn auch die andere Seite dar: Es sind diejenigen, die eine entgegengesetzte Meinung vertreten, es sind − im logischen und chronologischen Sinne − die Opponenten (purvapakshin).[3][5]

Aus dem 13. Jahrhundert stammt der Kommentar (Jayamangala) des Yashodhara, der von seinem Guru den Namen Indrapada erhalten hatte. Dieser Kommentar übertrifft an Textlänge die des Kamasutra um ein Vielfaches.[6] Einen Kommentar in Hindi, der 1964 veröffentlicht wurde, verfasste Davadatte Shastri (1912–1982), der als ein moderner Traditionalist eine Verknüpfung von spiritueller Philosophie und Sozialwissenschaft herstellte.[6]

In Europa erschien das Kamasutra erstmals im Jahr 1883 in einer Bearbeitung der Orientalisten Sir Richard Francis Burton und Forster Fitzgerald Arbuthnot. Die Übersetzung aus dem Sanskrit ins Englische hatten allerdings die beiden indischen Gelehrten Bhagavanlal Indrajit und Shivaram Parashuram Bhide besorgt, die ungenannt blieben. Burton übernahm hauptsächlich die Lektoratsarbeiten; Arbuthnot verfasste die Einleitung und das Vorwort. Das Verdienst der beiden Herausgeber bestand in dem Mut, die englische Zensur trickreich zu umgehen und das Werk in Europa zum ersten Mal zu veröffentlichen.[7]

In Deutschland veröffentliche Richard Schmidt im Jahr 1897 eine eigenständige und vollständige deutsche Übersetzung, die auch die Kommentare von Yashodhara umfasste. Die Ausgabe hatte mehrere Neuauflagen und gilt als beste europäische Übersetzung des Kamasutra. Dennoch wird ihr Nutzen zeitgenössisch gelegentlich geschmälert, wenn die Aussagekraft mancher Stellen in der lateinischen Sprache verschwindet. Klaus Mylius übersetzte den Kamasutra nochmals aus dem Sanskrit ins Deutsche, wobei er an Stelle der Kommentare von Yashodhara eigene Anmerkungen machte.[7] Diese Ausgabe kam 1987 in der DDR auf den Markt.

Im Jahr 2002 erschien in England eine kommentierte Neuübersetzung aus dem Sanskrit. Verantwortlich für diese Ausgabe zeichnen die Amerikanerin Wendy Doniger (Religionshistorikerin, Sanskritologin) und der Inder Sudhir Kakar (Psychoanalytiker, Muttersprachler in Hindi). Der englischen Ausgabe folgte die Übersetzung ins Deutsche, die Robin Cackett besorgte und die der Berliner Wagenbach-Verlag im Jahr 2004 veröffentlicht hat.[8]

Inhalt

Erstes Buch: Allgemeiner Teil (Sadharana)

Das allgemeine Teil im ersten Buch besteht aus fünf Kapiteln:[9]

  1. Kapitel Übersicht über das Buch
  2. Kapitel Die Erreichung der drei Lebensziele
  3. Kapitel Die Darlegung des Wissens
  4. Kapitel Das Leben der Elegants
  5. Kapitel Erörterung über die Freunde

Im ersten Kapitel beschreibt Vatsyayana den Aufbau des gesamten Kamasutras, um dann im zweiten Kapitel die drei Lebensziele − Religion, Macht und Lust − besonders hervorzuheben.[10]

Illustration aus einer arabischen Kamasutra-Ausgabe aus dem 19. Jhdt.

Zweites Buch: Über den Liebesgenuß (Samprayogika)

Das zweite Buch über den Liebsgenuss umfasst zehn Kapitel:[11]

  1. Kapitel Darstellung des Liebesgenusses, Die Arten der Liebe
  2. Kapitel Die Untersuchung über die Umarmungen
  3. Kapitel Die Mannigfaltigkeit der Küsse
  4. Kapitel Die Arten der Nägelwunden
  5. Kapitel Die Regeln für das Beißen mit den Zähnen
  6. Kapitel Stellungen beim Verkehr, De miris coiticus (Besondere Vereinigungen)
  7. Kapitel Die Anwendung von Schlägen, Die Ausführung des dabei gebräuchlichen sit-Machens
  8. Kapitel De coitu inverso (Vertauschter Verkehr (Rollentausch)), De viri inter coitum consuetudinibus (Gewohnheiten des Mannes beim Verkehr)
  9. Kapitel De auparistako (Über den Mundverkehr)
  10. Kapitel Anfang und Ende des Liebesgenusses, Die verschiedenen Arten der geschlechtlichen Liebe, Liebesstreit

Nach dem Erscheinen der englischen Übersetzung leistete das zweite Buch zum hohen Bekanntheitsgrad des Kamasutras einen erheblichen Beitrag. Dabei ging eine spezielle Wirkung vom 6. Kapitel über Stellungen beim Geschlechtsverkehr aus. Angesichts der Freizügigkeit infolge einer sexuellen Revolution verlor dieses Kapitel allmählich an Bedeutung.[12]

Drittes Buch: Über den Verkehr mit Mädchen (Kanyasamprayuktata)

Darstellung einer erotischen Szene in einer Kamasutra-Ausgabe aus dem 19. Jahrhundert

Im dritten Buch über den Verkehr mit Mädchen befinden sich fünf Kapitel:[13]

  1. Kapitel Die Regeln für das Freien, Die Prüfung der Verbindungen
  2. Kapitel Das Gewinnen des Vertrauens des Mädchens
  3. Kapitel Das Herangehen an ein Mädchen, Erklärung der Gebärden und des Äußeren
  4. Kapitel Bemühungen eines einzelnen Mannes, Das Aufsuchen des zu gewinnenden Mannes, Erlangung des Mädchens infolge der Annäherung
  5. Kapitel Die Hochzeitsfeier

Viertes Buch: Über die verheirateten Frauen (Bharyadhikarika)

Im vierten Teil über die verheirateten Frauen sind zwei Kapitel enthalten:[14]

  1. Kapitel Das Benehmen der einzigen Gattin, Der Wandel während der Reise des Mannes
  2. Kapitel Das Benehmen der ältesten Gattin, Das Benehmen der jüngsten Gattin, Das Benehmen der Witwe, die wieder geheiratet hat, Das Benehmen der zurückgesetzten Frau, Das Leben im Harem, Des Mannes Umgang mit mehreren Frauen

Fünftes Buch: Über die fremden Frauen (Paradika)

Der fünfte Teil behandelt in sechs Kapiteln den Umgang mit fremden Frauen, also den Frauen anderer Männer:[15]

  1. Kapitel Darstellung des Charakters von Mann und Frau, Die bei den Frauen vom Glücke begünstigten Männer, Die mühelos zu gewinnenden Frauen
  2. Kapitel Das Anknüpfen der Bekanntschaft, Die Annäherungen
  3. Kapitel Die Prüfung des Wesens
  4. Kapitel Die Taten der Botin
  5. Kapitel Das Liebesleben der Herren
  6. Kapitel Das Treiben der Frauen im Harem, Das Beschützen der Frauen

Sechstes Buch: Über die Hetären (Vaisika)

Die sechs Kapitel des sechsten Buches beschreiben den Umgang des Freiers mit Hetären:[16]

  1. Kapitel Untersuchung über die Freunde, die Besucher und Das Gewinnen der Besucher
  2. Kapitel Die Hingebung an den Geliebten
  3. Kapitel Die Mittel für den Erwerb von Vermögen, Das Erkennen der Gleichgültigkeit, Das Verfahren bei dem Fortjagen
  4. Kapitel Die Wiederaufnahme eines ruinierten Liebhabers
  5. Kapitel Die verschiedenen Arten des Gewinnes
  6. Kapitel Prüfung der Folgen und des Risikos bei Gewinn und Verlust

Das Kamasutra heißt die Witwenverbrennung gut, indem es beschreibt, auf welche Art sich eine Kurtisane wie eine gute Ehefrau verhalten kann. Innerhalb einer langen Aufzählung wird von dieser auch verlangt, dass sie „wünsche ihn nicht zu überleben“.[17]

Siebtes Buch: Die Upanisad (Geheimlehre)

Das siebte Buches behandelt in zwei Kapiteln die Geheimlehre:[18]

  1. Kapitel Das Bezaubern der Frauen, Das Gewinnen, Die Stimulantien
  2. Kapitel Wiedererweckung der erstorbenen Leidenschaft, Die Mittel, den Penis zu vergrößern, Besondere Praktiken

Intention

Der indische Kulturraum ist von starken sozialen Zuordnungen geprägt. Soziales Verhalten misst sich daran, was man in der eigenen Kaste tun darf und tun muss. Abweichungen vom Normverhalten werden sanktioniert. In allen Schichten und Kasten herrscht eine patriarchale und heterosexuelle Ordnung.

Die ausführliche Darstellung der Details der Suche nach einer geeigneten Sexualpartnerin entspringen nicht nur dem Bemühen um Aufklärung. Vielmehr ist diese Darstellung und Reglementierung ein für alte indische Schriften typisches Merkmal, das hier dazu verwendet wurde, um einen ebenso hohen Rang des Kamasutras anzudeuten. Ausdrücke wie: „Die 64 Glück verheißenden Zeichen einer guten Liebhaberin“, die nachfolgend einzeln, in Untergruppen aufgeteilt beschrieben werden, sollen an Systematiken wie den „Tausendblättrigen Lotus“ erinnern, das höchste Chakra, das ebenso systematisch abgehandelt wurde. Im Unterschied zu den religiösen Texten, welche die „niederen Gelüste“ als gefährliche Feinde der spirituellen Entwicklung anprangern, wird diesen im Kamasutra gehuldigt.

Rezeption

Neuere Interpreten wie Nuri Vittachi[19] und Volker Zotz[20] betonen, dass das Kamasutra weit über die Funktion einer erotischen Belehrung hinaus eine wesentliche Quelle für die Kultur des Managements und die persönliche Ethik von Führungskräften darstellen könne.

Werkausgaben

  • Wendy Doniger, Sudhir Kakar (Hrsg.): Kamasutra. Kommentierte Neuübersetzung aus dem Sanskrit. Oxford University Press, Oxford 2002
    • Deutsche Ausgabe: Kamasutra. Übersetzung aus dem Englischen von Robin Cackett. Wagenbach, Berlin 2004, ISBN 3-8031-3614-8
  • Klaus Mylius (Hrsg.): Das Kamasutra. Deutsche Übersetzung aus dem Sanskrit und eingeleitet von Klaus Mylius. Reclam, Leipzig 1987
  • Sandhya Mulchandani, Sudhir Kakar: Kamasutra. Die indische Liebeslehre. Heyne, München 2008, ISBN 3-89910-415-3
  • Richard Schmidt (Hrsg.): Das Kamasutram. Die indische Ars Amatoria. Nebst dem vollständigen Commentare (Jayamangala) des Yasodhara. Aus dem Sanskrit übersetzt von Richard Schmidt. Wilhelm Friedrich, Leipzig 1900

Literatur

  • Wendy Doniger: On the Kamasutra. In: Daedalus. Spring 2002, S. 126–129. (PDF-Datei; 461 kB)
  • Nuri Vittachi: Das Kamasutra für Manager: Führen, leisten und ethisch handeln. Barth, Frankfurt am Main 2008 ISBN 3-502-61191-2
  • Volker Zotz: Kamasutra im Management. Inspiration und Weisheiten aus Indien. Campus, Frankfurt am Main 2008, ISBN 3-593-38515-5

Siehe auch

Weblinks

 Commons: Kamasutra – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Martin Mittwede: Spirituelles Wörterbuch Sanskrit − Deutsch. Sathya Sai Vereinigung, Dietzenbach 1999, Lemma kāmasūtra.
  2. Martin Mittwede: Spirituelles Wörterbuch Sanskrit − Deutsch. Sathya Sai Vereinigung, Dietzenbach 1999, Lemma purushārtha.
  3. 3,0 3,1 Kamasutra. Übersetzung von Robin Cackett. Wagenbach, Berlin 2004, S. 13f.
  4. Kamasutra. Übersetzung von Robin Cackett. Wagenbach, Berlin 2004, S. 67.
  5. Martin Mittwede: Spirituelles Wörterbuch Sanskrit − Deutsch. Sathya Sai Vereinigung, Dietzenbach 1999, Lemma purvapakshin.
  6. 6,0 6,1 Kamasutra. Übersetzung von Robin Cackett. Wagenbach, Berlin 2004, S. 44–48.
  7. 7,0 7,1 Kamasutra. Übersetzung von Robin Cackett. Wagenbach, Berlin 2004, S. 49f.
  8. Kamasutra. Übersetzung von Robin Cackett. Wagenbach, Berlin 2004, S. 50f.
  9. Das Kāmasūtram des Vātsyāyana, Berlin 1922, S. 3
  10. Kamasutra. Übersetzung von Robin Cackett. Wagenbach, Berlin 2004, S. 67f.
  11. Das Kāmasūtram des Vātsyāyana, Berlin 1922, S. 95-99
  12. Kamasutra. Übersetzung von Robin Cackett. Wagenbach, Berlin 2004, S. 54-56.
  13. Das Kāmasūtram des Vātsyāyana. Berlin 1922, S. 238–241
  14. Das Kāmasūtram des Vātsyāyana. Berlin 1922, S. 289–293
  15. Das Kāmasūtram des Vātsyāyana. Berlin 1922, S. 319–323
  16. Das Kāmasūtram des Vātsyāyana. Berlin 1922, S. 386–389.
  17. Kamasutram, Buch 6, Kapitel 2.
  18. Das Kāmasūtram des Vātsyāyana. Berlin 1922, S. 465–469
  19. Nuri Vittachi: Das Kamasutra für Manager: Führen, leisten und ethisch handeln. Barth, Frankfurt am Main 2008
  20. Volker Zotz: Kamasutra im Management. Inspiration und Weisheiten aus Indien. Campus, Frankfurt am Main 2008
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