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Kirchengestühl

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Kirchenbank ist eine Weiterleitung auf diesen Artikel. Siehe auch: Kirchliches Kreditinstitut
Die elfenbeinerne Maximianskathedra in Ravenna
Leviten- und Zelebrantensitz aus dem 13. Jahrhundert im Kloster Kappel
Herrschaftsgestühl, Kirche Rerik
Kirchenvaterstuhl (kleine Loge rechts, mit Dach), St. Jakobus (Rottmersleben)
Laiengestühl von Notre-Dame-en-Saint-Melaine, Rennes


Unter Kirchengestühl versteht man die Sitzmöbel einer Kirche sowohl der die Liturgie ausführenden Personen, der Zelebranten, als auch der Gottesdienstbesucher. Deren Funktion und Bauweise ist durch unterschiedliche kirchliche Anlässe und Traditionen bestimmt. Daneben sind die Sitzmöbel kunsthistorisch und regional unterschiedlich geprägt und widerspiegeln teilweise kirchliche und weltliche Hierarchien.

Geschichte

Von der Kathedra des Bischofs und den Sedilien des Klerus abgesehen, gab es bis zum Hochmittelalter keine Bänke und Stühle in den Kirchen. Man wohnte der Liturgie stehend, kniend oder auch gehend bei. Erst im Spätmittelalter – Ende des 14. Jahrhunderts in einigen bayerischen Pfarrkirchen, im 15. Jahrhundert besonders in den Kirchen des Predigerordens – wurden Sitzgelegenheiten für die Gläubigen aufgestellt, die dann bald auch reservierbar waren. Allgemein wurde die Bestuhlung erst im Reformationszeitalter, ausgehend von den evangelischen Territorien, üblich.

Orthodoxer Kirchenbau

Orthodoxe Kirchenbauten sind traditionell ohne Stühle oder Bänke. Lediglich für Alte und Schwache gibt es häufig eine Sitzreihe an den seitlichen Wänden. Für hochgestellte Persönlichkeiten ist gegebenenfalls ähnlich wie in römisch-katholischen und evangelischen Kirchen standesgemäßes Gestühl vorgesehen. So verfügt beispielsweise die Mariä-Himmelfahrts-Kathedrale, die Krönungskirche der Zaren im Moskauer Kreml, nahe an der Ikonostase über einen Zarenthron von 1551 [1] und einen ebenfalls prächtigen Patriarchenstuhl. Peter der Große dagegen stand vor seinem Herren, allerdings hatte er dazu einen sehr repräsentativen Stehplatz in seiner Petersburger Peter-Paul-Kathedrale. In Griechenland sind heutzutage stapelbare Stühle üblich, in Gemeinden der Diaspora häufig auch Kirchenbänke. Einige Gläubige verzichten bewusst auf das Nutzen der Sitzgelegenheit.

Römisch-Katholischer Kirchbau

Eine Kathedrale verfügt über einen repräsentativen erhöhten Bischofsstuhl (griech. cathedra = Sitz), der sich im Chorraum befindet. Ein besonders kunstvolles Exemplar ist der frühbyzantinische Elfenbeinstuhl des Bischofs Maximian von Ravenna.

Viele alte Kirchen, soweit sie Kloster- oder Stiftskirchen sind oder waren, weisen im Chorraum ein typischerweise dem Kapitel vorbehaltenes Chorgestühl auf. Dieses ist in aller Regel aus edlerem Material und mit viel größerem künstlerischen und handwerklichen Aufwand als das Laiengestühl oder Volksgestühl hergestellt. Es ist daher auch nicht überraschend, dass es zu Letzterem kaum Literatur gibt.

Ein typischer Kirchenstuhl des Mittelalters ist der Dreisitz, auch Levitenstuhl oder Zelebrantensitz im Altarraum mit Plätzen für den zelebrierenden Priester in der Mitte sowie für Diakon und Subdiakon.

Evangelischer Kirchenbau

Patronatskirchen verfügten in Altarnähe oder an anderer bevorzugter Stelle über herausgehobene reservierte Sitzplätze für die Familie des Patrons, meist in Form einer Patronatsloge.

Daneben gab es für weitere kirchliche Amts- und Würdenträger besondere Sitzplätze, wie z. B. den Kirchenvaterstuhl für den „Kirchenvater“ oder Kirchvater (lat. vitricus ecclesiae), der dem heutigen Kirchenpfleger (Kirchenvorsteher) entspricht. Auch diese Plätze befanden sich in Altarnähe.

Dem ständischen System des Gemeinwesens entsprechend schlossen sich Kirchenstühle der Korporationen an, zunächst des Rates, dann der Gilden und Ämter/Zünfte oder der Schöppen, erst dann vermietete oder Privatplätze an. Das Gestühl war häufig als in sich geschlossenes Kastengestühl gestaltet und in evangelischen Kirchen auf die Kanzel hin ausgerichtet. Besonders reformierte Kirchen oder die gottesdienstlichen Räume evangelischer Freikirchen sind meist als Predigtkirchen konzipiert. Die Vermietungsgebühren von Stuhlplätzen, um die sich eine Stuhlfrau kümmerte, war eine wichtige regelmäßige Einnahme der Kirchengemeinden vor Einführung der Kirchensteuer.

Kirchenbänke

Kirchenbänke der Gustav-Vasa-Kirche in Stockholm

Das Laiengestühl oder Volksgestühl im Kirchenschiff ist erst seit der Neuzeit in fast allen römisch-katholischen und evangelischen Kirchen zu finden, in orthodoxen Kirchen fehlt es zumeist. Die in zwei parallelen Reihen aufgestellten Stühle oder Kirchenbänke für die Laien waren auf der Evangelienseite für Frauen und auf der Epistelseitefür Männer frei zugänglich.

Die ältesten erhaltenen Kirchenbänke etwa in England stammen aus dem späten 13. Jahrhundert.[2] Während sich Kirchenbänke in römisch-katholischen Kirchen nur langsam durchsetzten, waren sie von Beginn der Reformation an typisch für protestantische Kirchen. Diese Entwicklung hängt mit dem besonderen Gewicht zusammen, das der Protestantismus zum einen der Predigt als Medium der Heilsvermittlung, zum anderen dem persönlichen Glaubenserlebnis zumisst. Im Sitzen konnte sich der Gläubige ganz der Botschaft von der Kanzel oder aber seiner innerlichen Andacht widmen.[3]

Die unterschiedliche Liturgie der Konfessionen schlägt sich auch in der Bauart von Kirchenbänken nieder. So gibt ein Lehrbuch für Möbelschreiner aus dem Jahr 1892 an, dass die Höhe von Bänken für protestantische Kirchen bei etwa einem Meter anzusetzen sei, während sie in römisch-katholischen Kirchen bei nur 80 bis 90 cm liegt, da der römische Ritus ein wiederholtes Niederknien auf dem vor der Bank angebrachten Kniebrett erfordert.[4]

Da Volksgestühl nicht wie Chorgestühl erhöht auf einem Unterbau stand, war es häufig der aus dem Boden aufsteigenden Nässe und damit dem Zerfall stärker ausgesetzt. Zum ältesten vollständig erhaltenen Volksgestühl in Deutschland zählen die spätgotischen Kirchenbänke von Erhart Falckener in der Simultankirche Bechtolsheim (1496) und in der Pfarrkirche St. Valentinus in Kiedrich (1510). Dass diese Gestühle erhalten geblieben sind, dürfte auch der Armut der Gemeinden zuzuschreiben sein, die es verbot, dem verbreiteten Trend der Barockisierung Anfang des siebzehnten Jahrhunderts zu folgen.

Besonderheiten

Brautstühle

Viele Kirchen in Deutschland verfügen über zwei künstlerisch besonders gestaltete Lehnstühle oder Kniebänke, die als Brautstühle bei kirchlichen Trauungen Verwendung finden.

Hurenstühle

Eine regionale Besonderheit bildeten die sogenannten „Hurenstühle“, die z. B. in Baden-Württemberg unverheirateten schwangeren Frauen vorbehalten waren.[5]

Beichtstühle

Beichtstühle gibt es in allen katholischen Kirchen. Meist bieten sie eine Sitzgelegenheit für den Priester und eine Kniebank für den Beichtenden.

Gestühl am Abendmahlstisch

Stühle am Abendmahlstisch einer Baptistengemeinde

Um den Tischcharakter des Abendmahlstisches zu betonen, haben viele Kirchen reformierter und kongregationalistischer Prägung hinter dem Tisch Sitzgelegenheiten aufgestellt. In manchen dieser Kirchen nehmen hier die Abendmahlsteilnehmer in kleinen Gruppen Platz. In anderen Kirchen (zum Beispiel bei den Baptisten) sind die Sitzgelegenheiten für die Gemeindemitglieder bestimmt, die für den Ablauf der Mahlfeier und die Austeilung des Abendmahls Sorge tragen. In der Herrnhuter Brüdergemeine bleibt der mittlere Sitzplatz leer – ein Symbol für die unsichtbare Gegenwart des eigentlichen Tischherrn Jesus Christus.

Betstühle

Ein Betstuhl ist eine Kniebank.[6]. Betstühle sind nicht nur in Kirchen, sondern auch in Klosterzellen, Privatwohnungen, konfessionellen Altersheimen etc. in Gebrauch.

Literatur

  • C. Wels: Pfarrkirche zu Kiedrich und die spätgotischen Dorfkirchen im Rheingau. (PDF-Datei, 5,0 MB) Steinbach 2003, S. 59–62.
  • H. Sobel: Die Kirchenmöbel Erhart Falckeners und seiner Werkstatt. Mainz 1980 (PDF).

Weblinks

 Commons: Kirchenbänke – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Anmerkungen

  1. h. M. Johenning: Moskau, Peter Rump Verlag, Bielefeld 2010, S. 170
  2. Peter Draper: The Formation of English Gothic: Architecture and Identity. Yale University Press, New Haven 2006. S. 205. vgl. Eric Fernie: The Architecture of Norman England, Oxford University Press 2000. S. 231.
  3. Wolfgang Lück: Das Bild in der Kirche des Wortes: Eine Einführung in die Bilderwelt evangelischer Kirchen. LIT Verlag, Berlin, Hamburg, Münster 2001. S. 17ff.
  4. Theodor Krauth und Franz Sales Meyer: Die gesamte Möbelschreinerei. E. A. Seemann, Leipzig 1892; S. 179 ff.
  5. Zitat aus dem Link über Hurenstühle: „In den streng protestantischen Gebieten Württembergs war es teilweise bis zur Wende zum 20. Jahrhundert üblich, Frauen, die uneheliche Kinder erwarteten, in der Kirche auf einem separaten Platz, dem sogenannten Hurenstuhl, auszustellen.“
  6. http://www.zeno.org/Pierer-1857/A/Betstuhl?hl=betstuhl
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