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Kriegsverbrechen
Kriegsverbrechen sind Verstöße gegen das Völkerrecht, die bei der Führung eines Krieges von den Krieg führenden Parteien begangen werden oder in engem Zusammenhang mit der Kriegsführung stehen. Verbrechen, die lediglich in zeitlichem oder örtlichen Zusammenhang mit Kampfhandlungen stehen, aber keine oder nur eine schwache ursächliche Verbindung damit haben, werden nicht als Kriegsverbrechen bezeichnet.
Begriffsbestimmung
Die völkerrechtliche Definition von Kriegsverbrechen und die Möglichkeiten, sie zu bestrafen, änderte sich im Laufe der Zeit. Heute versteht man unter Kriegsverbrechen im Allgemeinen Verstöße gegen die Genfer Konventionen oder die Haager Landkriegsordnung. Als solche Verstöße gelten seit Ende des Zweiten Weltkrieges aufgrund neuerer weltweiter Übereinkünfte dazu zum Beispiel die gezielte Tötung von Zivilisten, Zerstörung von Wasser- und Elektrizitätswerken, Aushungern der Zivilbevölkerung, Behinderung humanitärer Hilfe, Flächenbombardements, Angriff und Bombardierung unverteidigter Städte, Wohnungen oder Gebäude, Einsatz biologischer oder chemischer Waffen, die Tötung von Gefangenen, Geiselerschießungen, die Ausplünderung besetzter Gebiete oder der systematische Raub von Kulturgütern sowie Völkermord oder andere Massentötungen (Demozide).
Geschichtliche Entwicklung
Die Haager Landkriegsordnung
Geltendes Völkerrecht, das während eines Krieges für die Krieg führenden Parteien untereinander wie gegenüber neutralen Staaten galt, war seit 1899 die Haager Landkriegsordnung (Anlage zum II. Haager Abkommen von 1899[1] sowie zum IV. Haager Abkommen von 1907[2]) „betreffend die Gesetze und Gebräuche des Landkriegs”, die während der jeweiligen Haager Friedenskonferenzen unterzeichnet wurden.
Wichtigste Grundregel des Kriegsrechts war seit Inkrafttreten der Haager Landkriegsordnung die strenge Anweisung, Kriegshandlungen nur gegen militärische Objekte zu richten. Zivilpersonen und deren Eigentum dürfen nicht angegriffen werden. Kommen sie dennoch zu Schaden, werden solche »Kollateralschäden« vom Kriegsrecht nur geduldet, wenn sie als Nebenwirkungen in einem angemessenen Verhältnis zu dem angestrebten militärischen Erfolg stehen. Gezielte Angriffe auf zivile Objekte sind aber in jedem Fall verboten. Truppenteile, die sich ergeben, dürfen nicht weiter bekämpft werden.
Die Zwischenkriegszeit
Mit dem Genfer Protokoll von 1925[3] wurde das in Artikel 23 der Haager Landkriegsordnung enthaltene Verbot des Gebrauchs von giftigen Substanzen explizit bekräftigt und auf bakteriologische Waffen ausgeweitet. Im Jahr 1929 wurde mit der Genfer Konvention „über die Behandlung von Kriegsgefangenen“ ein separates Abkommen zur Behandlung der Kriegsgefangenen verabschiedet.
Entwicklung nach Ende des Zweiten Weltkriegs
Insbesondere als Reaktion auf Kriegsverbrechen im Zweiten Weltkrieg wurde das Kriegsvölkerrecht durch internationale Abkommen kodifiziert und neue Rechtsstandards geschaffen. Durch die schriftliche Niederlegung sollte die Strafbarkeit fester im Völkerrecht verankert werden, als dies durch die Präzedenzwirkung einzelner Urteile möglich war. Erstes wichtiges Ergebnis war die Genozid-Konvention, die im Dezember 1948 von der Generalversammlung der UNO einstimmig angenommen wurde. Vorläufiger Endpunkt der internationalen Bemühungen, die weit verbreitete Straflosigkeit von Kriegsverbrechen zu verhindern, ist die Einrichtung des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) in Den Haag.
Bei den Nürnberger Prozessen, die allgemein als Anfang internationaler Kriegsverbrecherprozesse gelten, wurden vor allem die Bestimmungen des Londoner Statuts (Statut des Internationalen Militärgerichtshofs (IMT)) zu Grunde gelegt. In Artikel 6b dieses Statuts ist der Begriff des Kriegsverbrechens folgendermaßen bestimmt:
Kriegsverbrechen: nämlich Verletzungen der Kriegsrechte oder Gebräuche. Solche Verletzungen umfassen, ohne darauf beschränkt zu sein, Mord, Mißhandlungen oder Verschleppung der entweder aus einem besetzten Gebiet stammenden oder dort befindlichen Zivilbevölkerung zur Zwangsarbeit oder zu irgendeinem anderen Zwecke; Ermordung oder Mißhandlung von Kriegsgefangenen oder Personen auf hoher See; Tötung von Geiseln; Raub öffentlichen oder privaten Eigentums; mutwillige Zerstörung von Städten, Märkten und Dörfern oder jede durch militärische Notwendigkeit nicht gerechtfertigte Verwüstung[4]
Weitere Tatkomplexe des Londoner Statuts, die aber von denen der Kriegsverbrechen unterschieden wurden, sind
- Verbrechen gegen den Frieden: Planen, Vorbereitung, Einleitung oder Durchführung eines Angriffskrieges oder eines Krieges unter Verletzung internationaler Verträge
- Verbrechen gegen die Menschlichkeit: Mord, Ausrottung, Versklavung, Deportation oder andere unmenschliche Handlungen, begangen an irgendeiner Zivilbevölkerung vor oder während des Krieges, Verfolgung aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen
Seit Verabschiedung des Rom-Statuts am 1. Juli 2002 können Kriegsverbrechen vom Internationalen Strafgerichtshof (IStGH bzw. ICC, International Criminal Court), mit Sitz in Den Haag, strafrechtlich verfolgt werden. Eine Reihe von Staaten, darunter die über Atomwaffen verfügenden Staaten China, Indien, Pakistan, Russland sowie die USA und Israel haben das Statut noch nicht ratifiziert (2010).
In der Bundesrepublik Deutschland sind Kriegsverbrechen als Straftaten in §§ 8–12 des Völkerstrafgesetzbuches geregelt. Die auf dem Londoner Statut beruhenden Prinzipien des Rom-Statuts wurden damit in deutsches Recht umgesetzt.
Auch die während des Zweiten Weltkriegs begangenen und nach dem Krieg justitiell geahndeten sogenannten „nationalsozialistischen Gewaltverbrechen“ werden häufig abkürzend als „Kriegsverbrechen“ bezeichnet, auch wenn sie nicht im Zusammenhang mit militärischen Operationen standen.
Literatur
- Sigrid Boysen: Kriegsverbrechen im Diskurs nationaler Gerichte. In: AVR 44, 2006, 363 ff.
- Roy Gutmann, David Rieff: Kriegsverbrechen. Was jeder wissen sollte. Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart 1999, ISBN 3-421-05343-X
- Anton Holzer: Das Lächeln der Henker. Der unbekannte Krieg gegen die Zivilbevölkerung 1914–1918. Primus Verlag, Darmstadt 2008, ISBN 978-3-89678-375-2.
- Gerd R. Ueberschär (Hrsg.), Wolfram Wette: Kriegsverbrechen im 20. Jahrhundert. Primus Verlag, Darmstadt 2001, ISBN 3-89678-417-X.
- Gerd R. Ueberschär (Hrsg): Orte des Grauens. Verbrechen im Zweiten Weltkrieg. Primus Verlag, Darmstadt 2003, ISBN 3-89678-232-0.
- Sönke Neitzel: Kriegsgreuel - die Entgrenzung der Gewalt in kriegerischen Konflikten vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert. Schöningh, Paderborn 2008, ISBN 978-3-506-76375-4.
Weblinks
- Informationen zu den Internationale Strafgerichtshöfe auf den Seiten des Auswärtigen Amtes
- Internationales Forschungs- und Dokumentationszentrum an der Philipps-Universität Marburg
- Kriegsverbrechen und die Möglichkeit ihrer Ahndung in Vergangenheit und Gegenwart. Von Gerd Hankel
Einzelnachweise
- ↑ Internationale Übereinkunft vom 29. Juli 1899 betreffend die Gesetze und Gebräuche des Landkriegs (mit Reglement) in der amtlichen Schweizer Übersetzung
- ↑ Abkommen vom 18. Oktober 1907 betreffend die Gesetze und Gebräuche des Landkriegs (mit Ordnung) in der amtlichen Schweizer Übersetzung
- ↑ International Humanitarian Law - Geneva Protokoll 1925
- ↑ Der Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Militärgerichtshof Nürnberg. Amtlicher Wortlaut in deutscher Sprache
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