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Meisterzwang

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Unter Meisterzwang versteht man eine gesetzliche Regelung in Deutschland (§ 1 Abs. 1 in Verbindung mit § 7 Handwerksordnung (HwO)), Österreich (bis 1999[1]), Luxemburg und Südtirol (dem deutschsprachigen Teil Italiens), die es nur Handwerksmeistern und Gleichgestellten erlaubt, handwerkliche Betriebe zu führen. Der Erwerb des Meisterbriefes ist kostenpflichtig und dauert in der Regel nebenberuflich zwei bis drei Jahre, in Vollzeit vier Monate bis zwei Jahre.

Die Eintragung in die Handwerksrolle und damit die selbständige Ausübung eines Handwerks ist außer aufgrund des Meisterbriefs auch aufgrund einer Ausnahmebewilligung (§§ 8 oder 9 HwO) oder einer Altgesellenregelung (Ausübungsberechtigung nach § 7b HwO) möglich. Weiter haben Industriemeister, Staatlich geprüfte Techniker und Hochschulabsolventen (der entsprechenden Fachrichtungen) die Möglichkeit, selbständig ein Handwerk im stehenden Gewerbe auszuüben.

Ohne die Beschränkungen des Meisterzwangs dürfen nichtwesentliche Tätigkeiten (im Sinne von § 1 Abs. 2 HwO) – insbesondere Tätigkeiten, die in einem Zeitraum von bis zu drei Monaten erlernt werden können – ausgeführt werden. Im Reisegewerbe sowie im unerheblichen handwerklichen Nebenbetrieb dürfen auch wesentliche Tätigkeiten ohne Eintragung in die Handwerksrolle, das heißt ohne Meisterbrief, ausgeführt werden.

Der Begriff Meisterzwang

In der Handwerkspolitik ist (fast) alles umstritten, so auch der Begriff Meisterzwang. Dieser wird von den Gegnern der Marktzugangsbeschränkung gebraucht. Die Befürworter dieser Regel sprechen vom Großen Befähigungsnachweis – manchmal wird auch der Begriff Meisterpflicht verwendet.

Geschichtliche Entwicklung des Meisterzwangs in Deutschland

Marktzugangsbeschränkungen gab es im Handwerk seit dem Mittelalter. Dazu zählten sowohl die zahlenmäßige Begrenzung der Meisterstellen in einer Stadt, die eine Zunahme an Meisterbetrieben verhinderte, als auch das Verbot für bestimmte Gruppen (z.B. Juden), Handwerksberufe auszuüben. Der Stillstand bei der Zahl an Meistern führte auch dazu, dass Altgesellen zur Betriebsübernahme in der Regel die Meisterwitwe ehelichen mussten.

Durch die Stein-Hardenbergschen Reformen wurde der Meisterzwang in Preußen 1810 aufgehoben. Regional und zeitlich wurden die Marktzugangsbeschränkungen im Laufe des neunzehnten Jahrhunderts sehr unterschiedlich umgesetzt. Nach der Verkündung der Gewerbeordnung des Norddeutschen Bundes 1869 wurde die Gewerbefreiheit im Handwerk flächendeckend umgesetzt.

1897 wurde der Meistertitel wieder eingeführt und ab 1908 der Meisterbrief von denjenigen verlangt, die Lehrlinge ausbilden wollten. Die Handwerkerschutzgesetzgebung wurde zur Grundlage des Berufsbildungssystems. Sie war ein Element der so genannten Sammlungspolitik, die sich gegen die erstarkende sozialdemokratische Arbeiterbewegung richtete. „Als umfassende gesellschaftspolitische Integrationsstrategie war diese vom Bündnis zwischen Großgrundbesitzern und Schwerindustriellen getragene Politik berufsständisch und gegen jede Art der proletarischen Interessenbündelung gerichtet, wie sie in der freigewerkschaftlich bzw. parteipolitisch in der Sozialdemokratie organisierten Arbeiterbewegung zum Tragen kam.“[2] Die Historiker sprechen vom „Mittelstandsprotektionismus als Integrationsstrategie“.[2]

1935 wurde der Meisterbrief als Voraussetzung zur Selbständigkeit in Deutschland im Handwerk wieder eingeführt. Dies entsprach den neoständischen gesellschaftspolitischen Vorstellungen im Dritten Reich.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde zumindest in der amerikanisch besetzten Zone die Gewerbefreiheit auch im Handwerk erneut eingeführt. 1953 wurde das Gesetz zur Ordnung des Handwerks erlassen, nach dem grundsätzlich ein Meisterbrief zur selbständigen Ausübung des Handwerks verlangt wurde. Das 1953 wieder-erlassene Gesetz war weitestgehend textgleich zu der Gesetzestextfassung aus dem Jahr 1935.

Im Jahr 2004 wurde die Zahl der Handwerke, in denen ein Meisterzwang besteht, deutlich reduziert. In Österreich gibt es den Meisterzwang seit dem 1. Januar 2000 nicht mehr.

Kontroverse in Deutschland

Regelmäßig wurde in der Geschichte der Sinn des Meisterzwanges diskutiert. Die Vereinfachung zahlreicher Produktionsmethoden, der Einsatz leicht benutzbarer vorkonfektionierter Produkte sowie Zunahmen bei Arbeitslosigkeit und Schwarzarbeit lösten eine Diskussion über den Sinn der bestehenden Handwerksordnung aus.

Gegner des Meisterzwanges argumentieren, dass der Markt unnötig eingeschränkt wird, Versorgungsengpässe auftreten und die Gründung besonders effizient arbeitender Spezialbetriebe verhindert wird. Die Befürworter verweisen auf die hohen Anforderungen an handwerkliche Berufe – insbesondere im Hinblick auf den Verbraucherschutz –, die nur durch eine entsprechende Ausbildung sichergestellt werden könnten.

Volkswirtschaftliche Diskussion zum Meisterzwang

Der Meisterzwang stellt eine Marktzugangshürde dar. Innerhalb von marktwirtschaftlich orientierten Wirtschaftssystemen lassen sich Marktzugangshürden mit einer asymmetrischen Informationsverteilung rechtfertigen – so argumentieren die Befürworter der Marktzugangsbeschränkung. Weil die Kunden die Qualität der handwerklichen Leistungen nicht oder nicht direkt beurteilen können, hätten sie Vorteile, wenn sie sich auf die Qualifikation der Anbieter verlassen könnten.

Die Kritiker bezweifeln, dass tatsächlich eine asymmetrische Informationsverteilung vorliegt. Sie machen dagegen geltend, dass wegen der Marktzugangsbeschränkung durch den Meisterzwang weniger Wettbewerb bestehe und deswegen die Marktteilnehmer mit höheren Preisen eine Monopolrendite erzielen könnten. Auch bestände für die Marktteilnehmer ein geringerer Anreiz, hohe Qualität zu liefern und durch Innovation Wettbewerbsvorteile zu erzielen.

Ein verminderter Wettbewerb wird von den Befürwortern des Meisterzwangs bestritten. Sie argumentieren, es gäbe eine erhebliche „Meisterreserve“ von nicht selbständigen Meistern, die auf günstige Gelegenheiten für einen Markteintritt warten. Außerdem würden auch Ingenieure und Handwerker aus anderen EU-Ländern auf dem Handwerksmarkt als Konkurrenten auftreten. Indem Handwerker/Ingenieure aus europäischen Ländern sich auf deren jeweilige nationale Gesetzgebung (Marktzugangsvoraussetzungen) berufen können bei ihrer, gegebenenfalls auch nur vorübergehenden, Tätigkeit in Deutschland werden inländische Handwerker ohne Meisterbrief im Falle selbständiger Tätigkeit regelmäßig gegenüber diesen Konkurrenten diskriminiert.

Immer wieder befassen sich wissenschaftliche Studien und Berichte mit den Marktzugangsbeschränkungen im Handwerk. Insbesondere in den Stellungnahme von Wissenschaft und Verbänden zur Handwerksrechtsnovelle 2004 finden sich Argumentationen für und gegen den Meisterzwang.[3] Die Monopolkommission der Bundesregierung hat sich mehrfach mit dem Meisterzwang auseinandergesetzt und spricht sich für seine Abschaffung aus.[4] Das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung argumentiert hingegen, dass ein wesentlicher Wettbewerbsgarant im Handwerk die potentielle Konkurrenz der „Meisterreserve“ sei und der Große Befähigungsnachweis diesen Wettbewerb verschärfe.[5]

Eine Studie auf Basis des Mikrozensus zeigt, dass durch die Novelle die Wahrscheinlichkeit, einen Handwerksbetrieb zu gründen, nahezu verdoppelt wurde, während die Wahrscheinlichkeit einen Handwerksbetrieb aufzugeben konstant geblieben ist. Insgesamt hat die Novelle die Zahl der selbstständigen Handwerker also erhöht. Die Studie zeigt weiterhin, dass die Zuwächse hauptsächlich von männlichen, geringqualifizierten Handwerkern stammen.[6]

Verfassungsrechtliche Diskussion zum Meisterzwang

Die Beschränkung von Grundrechten durch den Meisterzwang wird seit der Handwerksnovelle 2004 mit dem „Schutz vor Gefahren für Gesundheit oder Leben von Dritten“ sowie der Ausbildungsleistung des Handwerks begründet (vorher sollte durch die Regelung der Leistungsstand und der Leistungsfähigkeit des Handwerks erhalten und der Nachwuchs für die gesamte gewerbliche Wirtschaft gesichert werden).

Handwerker ohne Meisterbrief berufen sich demgegenüber auf ihr Grundrecht auf freie Berufsausübung (zu diesem Grundrecht gehört nicht nur die Wahl eines Berufes, sondern auch die Wahl, ob dieser selbstständig oder in abhängiger Beschäftigung ausgeübt werden soll). Der Meisterzwang wird als unverhältnismäßig schwerer Eingriff in dieses Grundrecht angesehen, weil das Ziel der Gefahrenabwehr mit weniger belastenden Mitteln erreicht werden könne. So könnten Berufszulassungsbeschränkungen statt auf ganze Handwerke nur für einzelne gefahrengeneigte Tätigkeiten eingeführt werden. Auch dürften nur der Nachweis von Kenntnissen und Fähigkeiten verlangt werden, die für die Abwehr von Gefahren relevant sind – nicht aber kaufmännische oder arbeitspädagogische Kenntnisse (Teile 3 und 4 der Meisterprüfung). Auch der Vergleich mit anderen Staaten zeige, dass Marktzugangsbeschränkungen im Handwerk zur Gefahrenabwehr nicht erforderlich seien. Dass die Ausbildungsleistung des Handwerks eine Marktzugangsbeschränkung noch rechtfertigen könnte (wie es das Bundesverfassungsgericht 1961[7] akzeptiert hat), wird heute von mehreren Autoren[8][9][10] bestritten.

Weiter wird vorgebracht, dass die Regelung den Gleichheitsgrundsatz verletze. Zum einen durch eine ungleiche Behandlung von Bewerbern aus anderen EU/EWR- Staaten (Inländerdiskriminierung) und zum anderen aufgrund von Ausnahmebestimmungen, die die selbständige Ausübung von Handwerkstätigkeiten ohne eine nachgewiesene Qualifikation erlauben (beispielsweise unerheblicher handwerklicher Nebenbetrieb nach § 3 Abs. 2 HwO).

Die Handwerksordnung enthält an unterschiedlichen Stellen unbestimmte Rechtsbegriffe. Einer ist dieser Begriff ist der Begriff wesentliche Tätigkeiten in § 1 Abs. 2 HwO. Auch die nicht abschließenden Aufzählung, wann Tätigkeiten nicht wesentlich sind (§ 1 Abs. 2 Nr. 1-3 HwO) ändert nach Ansicht von Kritikern an der Unbestimmtheit nichts. Dies führe dazu, dass für Normadressaten nicht abschätzbar sei, welche einzelnen Tätigkeiten als wesentlich im Sinne von § 1 Abs. 2 HwO angesehen werden, für die dann eine Eintragung in die Handwerksrolle und damit ein Qualifikationsnachweis gefordert werde. Hierin wird ein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot gesehen.[11]

Das Bundesverfassungsgericht billigt allerdings dem Gesetzgeber einen großen Beurteilungsspielraum bei der Gestaltung der Rahmenbedingungen für das Handwerk zu.[12]

In einer Entscheidung vom Dezember 2005[13] hat das deutsche Verfassungsgericht „Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Regelungen der alten Handwerksordnung zum Meisterzwang“ geäußert, aber den Fall gelöst, ohne über seine Zweifel – oder gar über den Meisterzwang in der aktuellen Fassung – zu entscheiden.

Verbraucherschutz und Qualitätssicherung

Die Befürworter der Marktzugangsbeschränkung heben die Bedeutung der Beschränkung für den Verbraucherschutz hervor. Aufgrund der nachgewiesenen Qualifikation der Betriebsleiter könnten die Verbraucher auf die Qualität der Produkte und Dienstleistungen vertrauen.

In der Gegenposition wird vorgebracht, dass eine Qualitätssicherung durch andere Gesetze wie etwa das Produkthaftungsgesetz oder die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB) sowie durch das Haftungsrecht sichergestellt würde. Auch würde die Gesellenausbildung ausreichen, um qualitativ hochwertige Qualität zu liefern.

Quellen

  1. Österreichischer Verfassungsgerichtshof: Erkenntnis vom 9. Dezember 1999 Gz.: G42/99; G135/99; V18/99; V77/99
  2. 2,0 2,1 Klaus Harney, Geschichte der Berufsbildung, in: Klaus Harney, Heinz-Hermann Krüger (Hrg.): Einführung in die Geschichte der Erziehungswissenschaft und Erziehungswirklichkeit, Opladen & Bloomfield Hills, 3. Auflage 2006, S. 231–267, Zitat S. 245–246.
  3. Deutscher Bundestag, Ausschussdrucksache des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit 15(9)519, 7. Juli 2003
  4. Hauptgutachten von 2004 und 1998, XV Hauptgutachten der Monopolkommission – 2002/2003 – und XVI Hauptgutachten der Monopolkommission (Bundestagsdrucksache 16/2460 (PDF; 7,1 MB) sowie im Sondergutachten 31 der Monopolkommission: Reform der Handwerksordnung (2002) (PDF; 106 kB)
  5. „Der Große Befähigungsnachweis im Deutschen Handwerk“, Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung, 1999
  6. Rostam-Afschar, D. (2013): „Entry regulation and entrepreneurship: a natural experiment in German craftsmanship“ (PDF; 495 kB)
  7. BverfGE 13,97, vom 17. Juli 1961
  8. Christian Haas: Die Handwerksnovelle 2003/2004, Verlag Centaurus, S. 65 f.
  9. Raimond W. Wagner: Der Zugang zum Handwerksberuf, Verlag P.C.O., Bayreuth 2006, S. 185
  10. Simon Bulla: Freiheit der Berufswahl, Augsburger Rechtsstudien 55, Nomos-Verlagsgesellschaft, S. 267 ff. zusammenfassend S. 287 f.
  11. Simon Bulla: Freiheit der Berufswahl, Augsburger Rechtsstudien 55, Nomos-Verlagsgesellschaft, S. 294
  12. BverfGE 13,97, vom 17. Juli 1961
  13. BVerfG, 1 BvR 1730/02 vom 5.12.2005

Literatur

  • Simon Bulla: Freiheit der Berufswahl, Augsburger Rechtsstudien 55, Augsburg 2009
  • Raimond W. Wagner: Der Zugang zum Handwerksberuf, Bayreuth 2006
  • Ingo Stüben: Das Deutsche Handwerk – Der große Befähigungsnachweis (Meisterbrief) als Kriterium des Marktzutritts, Hamburg 2006
  • Markus Fredebeul-Krein, Angela Schürfeld: Marktzutrittsregulierungen im Handwerk und bei technischen Dienstleistungen. Eine ökonomische Analyse, Köln 1998
  • Ulrich Briefs: Deutsche Rückständigkeit. Alles verboten – Die deutsche Handwerksordnung gehört abgeschafft, in: Stefan Bollmann (Hrsg): Patient Deutschland. Eine Therapie, München 2002
  • Egon Tuchtfeld: Gewerbefreiheit als wirtschaftspolitisches Problem, Berlin 1955

Siehe auch

Weblinks

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