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Metrum (Musik)
Die Metrik als Wissenschaft vom Metrum in Sprache und Musik ist nicht exakte Natur-, sondern logische Geisteswissenschaft. Unter Metrum (gr. μέτρον métron, allgemein: Maß, Maßstab, speziell: Silben- und Versmaß) werden – im engeren Sinn – die Gewichts- bzw. Betonungsverhältnisse (Akzentuation), in der Sprache der Wörter und Sätze, in der Musik der diesen entsprechenden Motive und Phrasen verstanden, durch welche der geistige Bedeutungsinhalt bzw. Sinngehalt dieser Formgebilde ('Gestalten') zum Ausdruck gebracht wird.
In der Sprache beruht der Metrumbegriff – im weiteren Sinn – auf seiner Bedeutung als Silbenmaß. Gemessen wird erstens die nicht genau bestimmbare quantitative Länge ('quantitierende Metrik') und zweitens das durch die Wortbedeutung festgelegte qualitative Gewicht ('akzentuierende Metrik') der Silben im natürlichen Wort und im künstlichen Vers.
In der melodischen Dimension der Musik bildet die zeitliche Aufeinanderfolge unterschiedlicher Tondauern den Rhythmus und das Betonungsgefüge ('Gewichtung') der Töne innerhalb formaler Bildungen (also nicht die einfache Aufeinanderfolge unterschiedlicher Tonstärken) das Metrum. Die Tondauer ist ein genaues Zeitmaß, die Tonstärke ein genaues Schwingungsmaß (Amplitude); das (metrische) Tongewicht hingegen ist ein ideeller Wert, der einem Ton durch seine rangmäßige Beziehung zu mindestens einem weiteren Ton (im Intervall) zukommt.
Die Theorie
Musikmetrum und Sprachmetrum
Sprache und Musik treten erst in ihrer differenzierenden und wertenden Laut- bzw. Klangform, die ja die eigentlich metrische ist, voll in Erscheinung. Die Theorie muss sich daher primär der realen, also tönenden Gestalten von Wort und Satz bzw. von Motiv und Phrase annehmen, andernfalls operiert sie mit leeren Begriffen. Die höheren Formbildungen wie Vers, Strophe, Periode usw., sind künstliche Gebilde, die nicht zur Metrik, sondern in der Sprache zur Verslehre und in der Musik zur Formenlehre gehören.
Das Sprachmetrum ist an das lexikalisch definierte Wort gebunden, die Silbengewichtung ist zusammen mit der Wortbedeutung gegeben (Beispiele: alle und Allee, übersetzen und übersetzen). Die grammatische Silbentrennung missachtet meistens diesen Sachverhalt (Beispiele: Hil-fe, rin-gen). In der Musik sind die formalen Sinneinheiten, an die das Metrum gebunden ist (Figur, Tonsilbe, Motiv, Phrase), weder a priori bekannt, noch eindeutig dem Notentext oder spontan der Musik zu entnehmen. Sie müssen durch künstlerische, das heißt bewusst-intuitive Analyse gefunden oder bestimmt werden.
Musikmetrische Begriffe und Zeichen
Es gibt zwei polare metrische Werte oder Elemente: ein Ton (oder eine kurze Tonfolge) ist schwer (betont) oder leicht (unbetont). Ein betonter Ton wird Schwere oder Hebung genannt (Zeichen: —), ein unbetonter Ton Leichte oder Senkung (Zeichen: ‿), abgeleitet vom Erheben und Absenken der Stimme. Bezüglich der altgriechischen Begriffe Arsis und Thesis s. d. Die metrischen Elemente können noch differenziert werden, in der Notation erhalten sie dann ein Akzentzeichen.
Ein musikalisches Metrum von bestimmter Form heißt Klangfuß, nach dem Vorbild von Wortfuß und Versfuß. Die wichtigsten sind: Trochäus — ‿ , Jambus ‿ — , Daktylus — ‿ ‿ , Amphibrachys ‿ — ‿, Anapäst ‿ ‿ — , Erster — ‿ ‿ ‿ bis Vierter Päon ‿ ‿ ‿ — .
Metrum und Takt
Der 'Takt' dient der Notation des Metrums, er ist ein treues Abbild des metrischen Systems. Er wird in der Musik nicht unmittelbar gehört, sondern wohnt ihr virtuell inne. Will man ihn bewusst erfassen, muss man ihn durch Abzählen, Klopfen, Taktschlagen oder Tanzen mitmachen.
Der vollständige Taktbegriff beinhaltet: 1. den gleichmäßigen Grundschlag (Taktschlag, Taktteil, Zählzeit; Beispiele: Pulsschlag); 2. einen Notenwert als relative Zeitdauer des Grundschlags; 3. die Anzahl der Grundschläge, die den Taktumfang bedingen; und 4. das Betonungsmuster oder Metrum dieser Grundschläge, deren erster, die 'Eins', die Taktschwere darstellt.
Metrum und Rhythmus
Der Rhythmus ist ein vital-zeitliches, das Metrum ein mental-überzeitliches Prinzip der Musik, ersteres bildet den Unterbau, letzteres den Überbau. Der melodische Bewegungsverlauf basiert auf einem vollkommenen, mathematisch fundierten rhythmischen System. Die in der Notation an ihre graphische Form gebundenen relativen Ton- und Pausendauern, Ganze, Halbe, Viertel, Achtel usw., werden theoretisch als hierarchisch angeordnete Zeitwert-Ebenen beschrieben. Die Hauptebene ist in der Taktbezeichnung angegeben. In der erklingenden Musik aber erlebt man den ganzheitlichen Rhythmus (gr. ruϑμός rhythmos, Rhythmus, Takt; Gleichmaß, Regelmäßigkeit), die sog. Ebenen existieren nur begrifflich.
Dieses exakte rhythmische System bildet die materiale Grundlage für das nicht quantifizierbare metrische System, indem eine bestimmte Tondauer zum Zeitmaß für das einzelne metrische Element (Hebung oder Senkung) und eine bestimmte Tonanzahl zum Betonungsmuster des Taktes werden.
Die Musik in ihrer Klanggestalt hat ihre eigene, organische Struktur, die von den rhythmisch wie metrisch konstituierten Formgestalten gebildet wird, nach denen auch das zugrunde liegende Taktmodell eingerichtet ist.
Metrum und Form
Vom Taktmetrum können abstrakte Formen, Metren, abgeleitet werden. Der Zweiertakt liefert den Trochäus und Jambus, der Dreiertakt den Daktylus, Anapäst und Amphibrachys, der Vierertakt die vier Päone. In der erklingenden Musik werden diese Metren durch ihre künstlerische, besonders rhythmische Form zu Klangfüßen.
Wird ein Taktteil rhythmisch unterteilt, so wird eine weitere Zeitwert-Ebene aktiv, so dass ein dritter Klangfuß abgeleitet werden kann, z. B. wenn im Zweiertakt eine Viertelnote zu zwei Achtelnoten wird:
Und umgekehrt führt ein doppelter Notenwert zum Wegfall eines metrischen Elements und damit eines Klangfußes.
Die Praxis
Der Takt
Der notierte Takt liefert optisch ein klares Bild des einem Musikstück zugrunde liegenden metrischen Systems. Der Nenner des Taktbruchs bezeichnet die einzelne Schlagdauer, der Zähler die Anzahl dieser Dauern (pro Takt), und der Taktstrich den ersten Schlag als Schwere und damit die übrigen als Leichte. Die häufigsten Taktarten sind der Zweier- oder binäre, der Dreier- oder ternäre und der Vierer- oder quaternäre Takt.
Auch die Schlagfiguren der Chor- und Orchesterleiter machen den Takt sichtbar:
Taktmetrum und Rhythmus
Der 'Takt' kann bereits durch den Rhythmus allein verändert werden, daher muss immer zwischen dem theoretischen, starren Metrum des Taktschemas und dem erklingenden, sich unaufhörlich verwandelnden Metrum der Musik unterschieden werden:
Die Synkope
Eine Spannung oder Reibung zwischen dem Taktmetrum und dem Musikmetrum führt zur sogenannten Synkope (von gr. συν-κοπτειν syn-koptein, zusammenschlagen, -stoßen), die je nach Lage im Takt von unterschiedlicher Stärke ist. Im folgenden Beispiel wird die schwere Silbe [un-] auf der Takt-Eins zur eigentlich leichten Takt-Drei noch gesteigert. Das wird damit erklärt, dass die folgende, schwere Takt-Eins auf die Takt-Drei zurück verlagert wird; in Wirklichkeit aber bestimmt immer das Motiv, welches hier das Wort "unverstanden" vertont, den Takt, und nicht der Takt das Motiv. Auch sollten rhythmische Bildungen nicht in den Synkopenbegriff einbezogen werden, andernfalls verwässert man ihn. Die musikalische Synkope ist ein rein metrisches Phänomen.
Motiv- und Phrasenmetrum
Das Metrum ist untrennbar an die musikalischen Formbildungen der Figuren, Motive, Phrasen und Themen gebunden, in welchen sich neben der klangsinnlichen Tonhöhenordnung und dem vitalen Rhythmus der ideelle Gehalt der Musik ausspricht, der selbstverständlich nicht begrifflicher, sondern klangbildlicher Natur ist. Für die Notation dieser Formbildungen gibt es keine verbindlichen Schriftzeichen. Wird aber die Melodie nur dem Taktmetrum unterworfen, so kann sie bis zur Unkenntlichkeit entstellt werden.
In der Vokalmusik lässt sich das Problem vom Text her lösen: das Wortmetrum ist für die Vertonung verbindlich. Abweichungen zwischen Sprach- und Musikmetrum gehören zur künstlerischen Natur der Sache. Dem Anfang des folgenden Schubert-Liedes sind die vorliegenden drei metrischen Ebenen, das Taktmetrum, das Sprachmetrum und (rot) das Musikmetrum, eingezeichnet.
Am Fugenthema C-Dur aus dem Wohltemperierten Klavier II von J. S. Bach wird gezeigt, wie die Motive nach Umfang und Metrum aus dem reinen Notentext gewonnen werden. Sie sind mit einer Klammer formal und innerhalb der Klammer metrisch bezeichnet. Das Thema, das eine Phrase darstellt, besteht aus zwei verschiedenen Motiven, das erste kann auch als zweisilbig aufgefasst werden, das zweite, das den Anfang des ersten (die erste Silbe) aufgreift, wird mit geringer Änderung eine Stufe höher wiederholt (Sequenz). Das erste Motiv gehorcht dem Takt, die beiden folgenden setzen sich über ihn hinweg. Selbstverständlich muss das alles auditiv zum Ausdruck kommen, andernfalls wird schlecht oder falsch gespielt
Literatur
- Peter Benary: Rhythmik und Metrik. Eine praktische Anleitung (= Musik-Taschen-Bücher. Theoretica. 7 = TB. 254). 2. Auflage. Musikverlag Gerig, Köln 1973, ISBN 3-89007-004-3.
- Walther Dürr, Walter Gerstenberg: Rhythmus, Metrum, Takt. In: Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Band 11: Rasch – Schnyder von Wartensee. Bärenreiter, Kassel u. a. 1963, Sp. 383–419.
- Robert Jourdain: Das wohltemperierte Gehirn. Wie Musik im Kopf entsteht und wirkt. Spektrum – Akademischer Verlag, Heidelberg u. a. 1998, ISBN 3-8274-0224-7.
- Otto Paul: Deutsche Metrik. 3., vermehrte und verbesserte Auflage. Hueber, München 1950.
- Egon Sarabèr: Methode und Praxis der Musikgestaltung. Papierflieger-Verlag, Clausthal-Zellerfeld 2011, ISBN 978-3-86948-171-5.
- Egon Sarabèr: Die Kunst des Notenlesens. Für Anfänger und Fortgeschrittene. Papierflieger-Verlag, Clausthal-Zellerfeld 2015, ISBN 978-3-86948-430-3.
- Manfred Spitzer: Musik im Kopf. Hören, Musizieren, Verstehen und Erleben im neuronalen Netzwerk. 2. Auflage. Schattauer, Stuttgart 2014, ISBN 978-3-7945-2940-7.
Weblinks
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