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Nationalliteratur

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Als Nationalliteratur bezeichnet man die Gesamtheit der schöngeistigen Literatur einer Nation.[1] Sach- und Fachliteratur wird nicht zur Nationalliteratur gezählt. Mit der Emanzipation der Nationalstaaten und der Berufung auf nationale Traditionen und Werte trug die Nationalliteratur jeweils zur Entwicklung der nationalen Kultur und des Nationalgefühls bei.

Zum Begriff

Die Forderung nach einer „nationalen Literatur“ entstand im 18. Jahrhundert in Abgrenzung gegenüber fremdkulturellen Einflüssen. In den „Fragmenten über die ie neuere deutsche Literatur“ forderte Herder er eine eigenständige Literatur der Deutschen, die frei von Einflüssen der englischen sowie der französischen Literatur sein sollte. In der „Abhandlung über den Ursprung der Sprache“ formulierte er die Idee, dass sich der Volksgeist eines Volkes in Sprache und Literatur ausdrücken sollten.

Der Begriff der Nationalliteratur entstand im 19. Jahrhundert, als auch das Wort „Literatur“ neu definiert wurde (dazu ausführlich das Stichwort Literatur). Als „Literatur im engeren Sinne“ galt nun Literatur mit kunstvollem Sprachgebrauch. Dabei reifte die Erkenntnis, dass diese „schöne Literatur“ sich in nationalsprachlichen Traditionen entwickelt und demnach von den Philologien der einzelnen Sprachen zu untersuchen wäre. Komplementär dazu entstand der Begriff der Weltliteratur, der zuerst von August Wilhelm Schlegel 1802 eingeführt wurde.

Die Literaturwissenschaft beschreibt die jeweiligen Charakteristika der Nationalliteraturen. Die Wirkungen der verschiedenen Nationalliteraturen aufeinander wird seit dem 20. Jahrhundert in der vergleichenden Literaturwissenschaft (Komparatistik) untersucht.

Das Wort „Nationalliteratur“ wird von manchen heute als irritierend oder historisch belastet empfunden. Anstelle von „englische Nationalliteratur“ oder „britische Nationalliteratur“ wird in der Regel die Bezeichnung „englische Literatur“ verwendet, wenn die Bedeutung „Nationalliteratur“ im Kontext klar genug ist. Englische Literatur in diesem Sinne ist zu unterscheiden von englischsprachiger Literatur (Literatur in englischer Sprache, auch aus anderen Ländern).

Die Entstehung von Nationalliteraturen

Nationalliteraturen bildeten sich in der Folge der staatlichen Emanzipation einzelner Nationen heraus. So spricht man beispielsweise von der amerikanischen Literatur als Nationalliteratur der Vereinigten Staaten, die sich im 19. Jahrhundert aus der englischen Literaturtradition entwickelt hat, oder von der österreichischen Literatur.

Infolge der Entkolonialisierung bildeten sich neue Nationalstaaten heraus. Die ehemaligen Kolonialmächte hatten in den Kolonien auch als literarisch und mental prägender Sprachgeber gewirkt; dieser Einfluss blieb auch nach der Entkolonialisierung zunächst bestehen. England und Frankreich übten einen wesentlichen Einfluss besonders in Afrika und Asien aus. Der Einfluss der Europäer in Afrika wurde durch das Aufkommen der Négritude im 20. Jahrhundert gebrochen und führte zu einem Erblühen jeweiliger Nationalliteraturen (siehe auch afrikanische Literatur). Spanien und Portugal wirkten besonders in Lateinamerika prägend; mittlerweile sind jedoch in Brasilien, Argentinien, Peru und anderen lateinamerikanischen Ländern Nationalliteraturen von weltliterarischem Rang entstanden.

Ende der Nationalliteraturen?

Gerade in Lateinamerika zeigt sich aber auch der Trend zur Auflösung von Konzepten nationalkultureller Exklusion und räumlich definierter Identität zugunsten von Konzepten der Koexistenz und Hybridisierung von Kulturen, die hier eine lange Tradition haben: Seit dem Beginn der Missionierung in den spanischen Kolonien kann man die lateinamerikanischen Kulturen als Kulturen der Verschmelzung, des Übergangs und der Bewegung interpretieren.[2]

Durch die zahlreichen Exilbewegungen des späten 19. und 20. Jahrhunderts innerhalb und außerhalb des spanischen Sprachraums und die Orientierung der hispanoamerikanischen Modernisten an französischen Vorbildern – in Abgrenzung von der früheren Kolonialmacht – wurde dieser Prozess noch verstärkt.

Ähnliche Prozesse spielten sich nach dem Zweiten Weltkrieg im englisch und französischen Sprachraum ab, wobei die Migration eine zentrale Rolle spielt.

Seit den 1990er Jahren wirken die neuen technischen Medien zusätzlich im Sinne einer Hybridisierung nationaler Literaturen.

Literatur

  • Geschichte der poetischen National-Literatur der Deutschen von Dr. G. G. Gervinus. Erster Theil. Von den ersten Spuren der deutschen Dichtung bis gegen Ende des 13. Jahrhunderts (Leipzig: W. Engelmann, 1835).
  • Vorlesungen über die Geschichte der deutschen National-Literatur von Dr. A. F. C. Vilmar, 2. Aufl. (Marburg/ Leipzig: Elwert'sche Universitäts-Buchhandlung, 1847).
  • National-Texturen. Nationalliteratur als literarisches Konzept in Nordosteuropa. Hrsg. v. Jürgen Joachimsthaler und Hans-Christian Trepte. Lüneburg: Nordost-Institut 2009 (=Nordost-Archiv N.F. XVI/2007).

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Duden online verwendet bei seiner Bedeutungsangabe zu Nationalliteratur den Bezug auf ein „Volk“.
  2. Borsó, Vittoria: Hybrid Perceptions, in: Frank Heidemann (Hrsg.): New Hybridities. Societies in Transition. Hildesheim 2006.
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Nationalliteratur aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.