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Neue Synagoge (Wunstorf)

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Neue Synagoge Wunstorf – Küsterstraße
Apsis / Ostseite

Die neue Synagoge der Stadt Wunstorf befand sich in der Küsterstraße. Beim Novemberpogrom 1938 wurde sie verwüstet. Das Gebäude existiert als Wohnhaus bis heute.

Geschichte

Wunstorf gehört zu den wenigen Kleinstädten, in denen bereits im 13. Jahrhundert Menschen jüdischen Glaubens lebten. Wohlhabende Juden entrichteten eine bestimmte Summe an den jeweiligen Landesherrn, um einen Schutzbrief zu erwerben, der ihnen die Erlaubnis gab, sich niederzulassen, und der sie vor Willkür schützte. Die sogenannten Schutzjuden waren jedoch gegenüber den Bürgern der Stadt durch die Gesetzgebung in jeder Hinsicht benachteiligt. Mit dem Gesetz vom 30. September 1842 und den Folgegesetzen wurde eine Gleichstellung der Juden mit der übrigen Bevölkerung im Königreich Hannover und damit in Wunstorf angestrebt. Am 29. Mai 1843 erhielten erstmals Wunstorfer Juden das Bürgerrecht. Im Paragraphen 35 dieses Gesetzes wurde bestimmt, dass jeder Jude im Königreich fortan einer Synagogengemeinde angehören musste (Parochialzwang). Die Bezirke der Synagogengemeinden wurden von der Regierung festgesetzt. „Zur Anlegung, Verlegung und Aufhebung einer Synagoge ist Genehmigung der Regierung notwendig, zur Einrichtung und Einweihung die des Landesrabbiners.“[1]

Synagogengemeinde

Aufgaben

Die Aufgaben der Synagogengemeinde lassen sich mit drei Begriffen benennen: Kultus, Finanzen und Schule. Die Institutionen, ohne welche keine jüdische Gemeinde ihren Aufgaben gerecht werden kann, sind Synagoge, Friedhof und das rituelle Tauchbad. Die wichtigste Einrichtung der Gemeinde ist die Synagoge und der Gottesdienst. Weiter hat die Gemeinde dafür zu sorgen, dass ihre Mitglieder die gemeinsame religiöse Überzeugung leben und die Religionsgesetze einhalten können. Dazu gehört die Einrichtung der Schechita und des Koscherfleischverkaufs.

Synagogen in Wunstorf

Seit 1810 bestand in der Nordstraße 14 eine Synagoge in Gestalt eines kleinen Bethauses. Dieses nutzte die wachsende Gemeinde, bis sie 1912 beschloss, das inzwischen baufällig und wohl auch zu klein gewordene Haus, in dem sich auch die Schule und die Lehrerwohnung befanden, zu verkaufen. Im gleichen Jahr wurde in der Küsterstraße 9 ein fünf Jahre altes Gebäude erworben und so umgebaut, dass es ab 1913 im Erdgeschoss als Synagoge und Schule genutzt werden konnte. Im ersten Stock befand sich die Lehrerwohnung, im zweiten waren die Wohnräume des Hausmeisters untergebracht.[2][3]

Heiner Wittrock berichtet in seiner Veröffentlichung über „Das Schicksal der Juden in Wunstorf“ aufgrund von Zeitzeugenberichten:

Jeder Besucher der Synagoge hatte sich der im Jahre 1832 aufgestellten Synagogenordnung zu unterwerfen. Durch das Gesetz von 1842 über die Rechtsverhältnisse der Juden hatte die Obrigkeit bestimmt, dass im Gottesdienst 'wenigstens ein Vortrag in deutscher Sprache zu halten' sei. Direkt neben der neuen Synagoge in der Küsterstraße 5 wohnte David Goldschmidt mit seiner Familie. Auf seinem Hof erfolgte die Schächtung der Lämmer und anderen Tiere, mit deren Fellen Goldschmidt auch handelte. Bei Familie Goldschmidt versammelten sich ab 1913 die jüdische Gemeinde jeden Freitagabend bei Sonnenuntergang vor dem Gang in die Synagoge. Die Bestimmungen des Sabbats wurden streng geachtet. (…) Jedes Jahr im Oktober wurde im Garten hinter der Synagoge die Laubhütte errichtet und darin das Laubhüttenfest gefeiert.[4]

Schicksal der Juden

In den 1920er Jahren erreichten die Wunstorfer Juden durch zahlreiche prominente Vertreter in Wirtschaft, Wissenschaft und im gesellschaftlichen und Vereinsleben den Höhepunkt ihrer sozialen Stellung und Integration. Dennoch sahen sie sich in dieser Zeit der noch labilen und durch die Weltwirtschaftskrise erschütterten Republik wieder auflebenden Anfeindungen ausgesetzt. Bemerkenswert ist, dass auf dem 1931 eingeweihten Kriegerdenkmal die Namen der drei im Ersten Weltkrieg gefallenen jüdischen Soldaten aus Wunstorf nicht in die Namensliste eingraviert worden waren.[5]

Nach der Machtübergabe an Hitler 1933 liefen auch in Wunstorf Maßnahmen der Diskriminierung gegen Juden (Boykott von Geschäften) an. Die NSDAP-Ortsgruppe organisierte Hetze gegen Juden, förderte gesellschaftliche Diskriminierung und Denunziatentum, selbst gegen einzelne abweichende Parteigenossen. Durch das Anlegen einer „Judenkartei“ bereitete die Gestapo 1935 die spätere Verfolgung und Deportation der in Wunstorf wohnenden Juden vor. Eine Reihe von ihnen konnte sich ab 1936 durch Emigration retten vor der massiven Verfolgung 1939.

Reichspogromnacht in Wunstorf

In der Pogromnacht wohnten noch 27 Menschen jüdischen Glaubens in Wunstorf, in neun Haushalten. Am Abend des 9. November 1939 war in München das Startzeichen zu einem reichsweiten Pogrom gegeben worden. Um 23:55 Uhr erreichte die Stapo-Leitstelle Hannover ein Fernschreiben aus Berlin. In Wunstorf begann die Umsetzung der erhaltenen Anweisungen zu Aktionen gegen jüdische Einrichtungen sowie gegen vermögende Juden am Morgen des 10. November zwischen drei und vier Uhr.[6]

Verzeichnis der „sichergestellten Gegenstände“

Heiner Wittrock fasst Berichte von Augenzeugen der Ereignisse zusammen:

SA mit Pinsel und Farbe machte sich auf, die jüdischen Geschäfte mit einem Kreuz zu markieren. Währenddessen drangen Bordenauer SA-Männer von der Rückseite in die Synagoge ein, indem sie die dortige Tür aufbrachen. Sofort wurde im östlichen Teil der Synagoge Feuer gelegt. Als jedoch die auswärtigen SA-Männer kurz darauf von eintreffender örtlicher SA erfuhren, dass im Obergeschoss der Synagoge die christliche Hausmeisterfamilie Heußmann wohnte, konnte das Feuer gerade noch rechtzeitig gelöscht werden. Danach wurde die SA ihrem Ruf als Schlägertruppe in jeder Hinsicht gerecht: Sie demolierte das Innere der Synagoge, indem sie sich an die Kronleuchter hing und sie niederriss. Weiterhin wurde der Thoraschrein und sämtliches Inventar zerschlagen. Schließlich baute sie noch aus Ofen, Ofenrohr und einem geeigneten Umhang einen Spottrabbiner. (…) Durch den Lärm der SA wurde der zur Arbeit gehende Lokomotivführer Bergmann angelockt. Er hielt es für originell, sich mit dem Heiligtum der Juden, der Thorarolle, fotografieren zu lassen. Diese wurde danach mit anderen Büchern und Schriften zur Verbrennung vor die Stadtkirche gebracht.

Bis morgens um sieben Uhr waren auch die jüdischen Geschäfte demoliert. Deren Eigentümer wurden bei der Verhaftung misshandelt. Alle jüdischen Einwohner Wunstorfs, mit Ausnahme der wenigen Kinder, wurden im Rathauskeller eingesperrt. Währenddessen verwüsteten SA-Leute den jüdischen Friedhof am Nordrehr.[7] Die meisten Eingesperrten wurden um zehn Uhr wieder freigelassen; die auf der Liste der Gestapo als „vermögend“ eingestuften blieben weiterhin in „Schutzhaft“ und wurden ins Polizeigefängnis nach Hannover transportiert, danach ins Konzentrationslager Buchenwald.[8] Unterdessen plünderte die SA bei den noch in Wunstorf verbliebenen 19 jüdischen Einwohnern.[9]

Schicksal der neuen Synagoge

Im Jahr 1945 musste die Stadt Wunstorf auf Anordnung des Gouverneurs der britischen Besatzungsmacht die Synagoge wieder instand setzen lassen. Sie zahlte dafür dafür die Summe von 9.917,81.[10]

Siehe auch

Literatur

  • Fesche, Klaus: Geschichte Wunstorfs. Die Stadt, der Flecken und die Dörfer. zu Klampen Verlag, Springe 2010
  • Löb, Abraham: Die Rechtsverhältnisse der Juden im ehemaligen Königreiche und in der jetzigen Provinz Hannover. Inaugural-Dissertation Göttingen, Frankfurt a. M. 1908
  • Wittrock, Heiner: Das Schicksal der Juden in Wunstorf. Hg.: Stadt Wunstorf, Wunstorf 2007

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Abraham Löb: Die Rechtsverhältnisse der Juden im ehemaligen Königreiche und in der jetzigen Provinz Hannover, Frankfurt a. M. 1908, S. 103
  2. Klaus Fesche: Geschichte Wunstorfs. Die Stadt, der Flecken und die Dörfer. zu Klampen Verlag, Springe 2010, S. 153
  3. Heiner Wittrock: Das Schicksal der Juden in Wunstorf, Hg. Stadt Wunstorf, Wunstorf 2007, S. 17
  4. Heiner Wittrock: Das Schicksal der Juden in Wunstorf, Hg. Stadt Wunstorf, Wunstorf 2007, S. 17f.
  5. Fesche, a. a. O., S. 189f.
  6. Wittrock, S. 51
  7. Jüdische Friedhöfe Wunstorf
  8. Fetsche, S. 217
  9. Wittrock, S. 52—54
  10. Wittrock, S. 52
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