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Haushaltssaldo
Haushaltssaldo ist in der Finanzwissenschaft der kameralistische Saldo aus der Gegenüberstellung der Ausgaben und Einnahmen eines öffentlichen Haushalts.
Allgemeines
Der Haushalt ist die zusammenfassende Darstellung der öffentlichen Finanzwirtschaft, ausgedrückt in Einnahmen und Ausgaben. Aufgrund des Ausgabendeckungsprinzips, aber auch aus gesetzlichen Gründen (Art. 110 Abs. 1 Satz 2 GG, § 8 BHO) sind haushaltsführende Stellen auf Bundesebene verpflichtet, einen ausgeglichenen Haushalt aufzustellen. In Art. 109 Abs. 3 GG ist erläutert, was bei Bundes- und Länderhaushalten unter Haushaltsausgleich zu verstehen ist. Danach sind im Regelfall diese Haushalte ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen. Die Ausgaben sind – auch für planmäßige Tilgungen – durch reguläre Einnahmen vollständig zu decken. Auf kommunaler Ebene ist das Ziel der Ausgeglichenheit des Haushaltes in den Gemeindeordnungen verankert (z. B. § 75 Abs. 2 GemO NRW). Der Haushalt ist ausgeglichen, wenn die Einnahmen (in der Doppik: Erträge) die Ausgaben (Aufwendungen) erreichen oder übersteigen. Er gilt auch dann als ausgeglichen, wenn der Fehlbedarf im Ergebnisplan und der Fehlbetrag in der Ergebnisrechnung durch Inanspruchnahme der Ausgleichsrücklage gedeckt werden können.
Formaler und materieller Haushaltsausgleich
Ein ausgeglichener Haushalt endet ohne Haushaltssaldo (genauer: der Saldo ist Null). Im formalen Sinne kann kein Haushaltssaldo entstehen, da Haushalte formal immer ausgeglichen sein müssen.[1] Es kommt jedoch darauf an, wie der Ausgleich herbeigeführt worden ist. Ein materieller Haushaltsausgleich liegt vor, wenn die Einnahmen auch Zinsen und planmäßige Tilgung für aufgenommene Kredite decken können. Ein materieller Haushaltsausgleich ist schwierig, weil die Einnahmen auf Steuerschätzungen beruhen, während der größte Teil der Ausgaben bereits gesetzlich feststeht. Deckungsprobleme werden sich somit beim Haushaltsvollzug ergeben, wenn die tatsächlichen Einnahmen geringer als die geplanten fließen.[2] In Art. 109 Abs. 3 GG ist vorgeschrieben, dass die Haushalte von Bund und Ländern grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen sind. Da der Staat jedoch Schulden machen darf, kann die Forderung nach Haushaltsausgleich des Art. 110 Abs. 1 Satz 2 GG deshalb nach herrschender Meinung nur im formellen Sinne gemeint sein.[3] Tritt neben dem staatlichen Haushaltsdefizit auch ein Leistungsbilanzdefizit auf, so spricht man von einem Zwillingsdefizit. Der kommunale Haushalt ist dann ausgeglichen, wenn die Zuführung vom Verwaltungs- an den Vermögenshaushalt mindestens der Höhe der planmäßigen Tilgungsleistungen entspricht. Ist der Zuführungsbetrag an den Vermögenshaushalt höher, verfügt die haushaltsführende Stelle über eine „freie Spitze“, fällt er geringer aus, weist der Haushalt ein Haushaltsdefizit auf. Der Haushaltsausgleich gehört zum Prinzip der Haushaltswahrheit und damit zu den Haushaltsgrundsätzen.
Positiver und negativer Haushaltssaldo
Ist der Haushaltssaldo positiv, wird von einem Überschuss (auch Budgetüberschuss oder positiver Haushaltssaldo genannt) gesprochen, bei einem negativen Haushaltssaldo handelt es sich um ein Haushaltsdefizit (auch Budgetdefizit oder negativer Haushaltssaldo). Weist etwa der kommunale Verwaltungshaushalt einen Überschuss aus, ist dieser auf den Vermögenshaushalt zu übertragen, Defizite werden durch Auflösung von Rücklagen oder Veräußerungen im Vermögenshaushalt ausgeglichen. Diese Übertragungen zum oder vom Vermögenshaushalt führen in jedem Fall zu einem Ausgleich des Verwaltungshaushalts. „Freie Spitze“ ist haushaltsrechtlich der positive Saldo des Verwaltungshaushalts nach Abzug der planmäßigen Kredittilgungen, der an den Vermögenshaushalt abzuführen ist. Der Haushaltssaldo ist also das normierte Ergebnis, ausgedrückt in Haushaltsdefizit oder –überschuss („freie Spitze“). Die meisten Staaten weisen seit Jahrzehnten fast immer Haushaltsdefizite auf, was zu einer weltweit immer weiter zunehmenden Staatsverschuldung führt. Dies kann zu Krisen führen, z.B. die Staatsschuldenkrise im Euroraum.
Ein Haushaltsdefizit muss – zwecks formal erforderlichen Haushaltsausgleichs – durch Rücklagen und/oder Kreditaufnahmen ausgeglichen werden. Rücklagen dienen nach § 103 HessGemO zum Ausgleich von Einnahmeschwankungen und zur Sicherung der Zahlungsfähigkeit. Steht eine Rücklage nicht zur Verfügung, bleiben Kreditaufnahmen als einzige Ausgleichsoption übrig. Das ist grundsätzlich auf Bundesebene der Fall, sodass dort ein Haushaltsdefizit mit einer Kreditaufnahme gleichzusetzen ist. Ein Defizit legt offen, dass Ausgaben nicht mehr durch laufende Einnahmen gedeckt werden können und deshalb Neukredite zur Finanzierung der Deckungslücke aufgenommen werden müssen. Auf Bundesebene ist der Finanzierungssaldo haushaltsrechtlich die Differenz zwischen Einnahmen und Ausgaben, bereinigt um besondere Finanzierungsvorgänge (Kreditmarkttransaktionen, Rücklagenbewegungen, Abwicklungen kassenmäßiger Überschüsse und Fehlbeträge und Münzeinnahmen), die aus den Einnahmen und Ausgaben herausgenommen werden (§ 13 Abs. 4 BHO).
Haushaltsüberschuss
Im Falle eines Haushaltsüberschusses erwirtschaftet der Staat einen Überschuss der Einnahmen über die Ausgaben. Man spricht nicht von 'Gewinn', da der Staat nicht mit Gewinnerzielungsabsicht handelt. Er wird als Rücklage für zukünftige Ausgaben verwendet. In der Praxis ist ein Haushaltsüberschuss in der Bundesrepublik Deutschland seit den 1950er Jahren (siehe Juliusturm) nur in wenigen Jahren vorgekommen. Ein ausgeglichener Haushalt und später ein Haushaltsdefizit waren die Regel. 1969 blieb für lange Zeit das letzte Jahr mit ausgeglichenem Haushalt in Deutschland.[4] Erst 2007 - fast 40 Jahre später - konnte in Deutschland wieder ein ausgeglichener Gesamtsstaatshaushalt erreicht werden.[4] Es folgten vier weitere Jahre mit einem Haushaltsdefizit. Seit 2012 ist der deutsche Gesamtsstaatshaushalt (bestehend aus den Haushalten auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene sowie der Sozialversicherung) wieder ausgeglichen, seit 2014 auch der Bundeshaushalt. Deutschland konnte 2014 einen Überschuss des Gesamtstaatshaushaltes von 18,0 Mrd. Euro oder 0,6 % des BIP erzielen.[5]
Brutto- und Nettokreditaufnahme
Diese beiden Begriffe stehen im Mittelpunkt der öffentlichen Diskussion über den Bundeshaushalt, betreffen jedoch alle öffentlichen Haushalte. Eine Bruttokreditaufnahme liegt vor, wenn zum Zwecke des Haushaltsausgleichs Kredite aufgenommen werden müssen. Die Nettokreditaufnahme ergibt sich aus der Bruttokreditaufnahme abzüglich der Tilgungen auf Altkredite. Ist die Nettokreditaufnahme null, dient die Bruttokreditaufnahme lediglich zur Finanzierung von Tilgungen auf Altkredite.
Verwandt mit dem Haushaltsdefizit ist der Begriff der Neuverschuldung. Die Neuverschuldung bezeichnet die Differenz der staatlichen Schuldenstände zwischen zwei Zeitpunkten (meist Defizithöhe pro Kalenderjahr).
Folgen eines Haushaltsdefizits
Um das Postulat eines Haushaltsausgleichs durchzusetzen, sind gesetzliche Sanktionen für den Fall eines Haushaltsdefizits vorgesehen. Diese greifen jedoch nicht bei einem einmaligen und geringen Haushaltsdefizit, sondern erst bei dauerhaften und hohen Defiziten. In Art. 109 Abs. 3 GG ist vorgesehen, dass die Bundes- und Länderhaushalte im Regelfall ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen sind („Schuldenbremse“). Diese Forderung gilt als eingehalten, wenn das Haushaltsdefizit 0,35 % des nominalen Bruttoinlandsprodukts nicht überschreitet (Art. 115 Abs. 2 Satz 2 GG). Damit ist ein materieller Haushaltsausgleich gemeint. Nach Art. 126 AEU-Vertrag sind übermäßige Defizite zu vermeiden, sodass Haushaltsdefizite europarechtlich nicht grundsätzlich verboten sind. Überschreitet das Defizit im Bundeshaushalt allerdings 3 % des Bruttoinlandsprodukts, so drohen die in Art. 126 Abs. 11 AEU-Vertrag aufgeführten Sanktionen. Da das nationale zulässige Haushaltsdefizit wesentlich niedriger ist als das europarechtliche, führt dessen Einhaltung automatisch auch zur Einhaltung der europarechtlichen Defizitgrenze.
Auf kommunaler Ebene ist die Verfehlung des Ziels eines Haushaltsausgleichs ebenfalls mit gesetzlichen Konsequenzen verbunden. Kann nämlich ein ausgeglichener Haushalt nicht vorgelegt werden, greift das so genannte Haushaltssicherungskonzept mit dem Ziel, künftig wieder einen ausgeglichenen Haushalt erreichen zu können (§ 76 GemO NRW). Es darf ein Drittel der Rücklage aufgebraucht werden, um einen ausgeglichenen Haushalt zu ermöglichen. Wird dieser Schwellenwert überschritten, wird das Haushaltssicherungskonzept ausgelöst. Dann wird vermutet, dass eine Verringerung der Rücklage in zwei aufeinanderfolgenden Haushaltsjahren auf strukturelle Haushaltsdefizite hinweist. Dabei wirkt im Wege der Genehmigung und Überwachung die Kommunalaufsicht mit.
Die Bedeutung von Haushaltsdefiziten wird in der Volkswirtschaftslehre kontrovers diskutiert, siehe dazu den Hauptartikel Staatsverschuldung.
Sonstiges
Das Profizit ist ein in Russland verwendeter Begriff für einen positiven Haushaltssaldo der Staatskasse. Ein Profizit liegt vor, wenn die Erträge des Staates höher sind als die Aufwendungen. Wenn ein Staat, wie beispielsweise Norwegen, aufgrund seiner reichen Rohstoffvorkommen, wie ein Unternehmen agieren kann, kann es mit den übersteigenden Einnahmen seine Neuverschuldung erst gar nicht entstehen lassen oder sogar abbauen.[6]
Ein Staat, der seine relative Staatsverschuldung (Kriterien) abbauen möchte, muss mehr einnehmen als ausgeben, was befürchten lässt, dass dadurch die gesamtwirtschaftliche Nachfrage, Konjunktur und BIP sinken, was wiederum die (relative) Staatsschuldenquote erhöhe. Manche sprechen auch von Totsparen.
Eine Politik zur Reduzierung des Haushaltsdefizites wird in der Politik oft euphemistisch als sparen, Sparpolitik oder Sparkurs bezeichnet, auch wenn der Haushalt (seine kontinuierliche Neu- und Höherverschuldung „nur“ bremst) weiterhin defizitär bleibt und der Staat zwar an seinen Ausgaben spart, trotzdem Schulden weiterhin aufbaut.
Einzelnachweise
- ↑ Dieter Brümmerhoff, Finanzwissenschaft, 2007, S. 152
- ↑ Willi Albers, Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaft, 1980, S. 55
- ↑ Josef Isensee/Paul Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 2007, S. 844
- ↑ 4,0 4,1 Deutschland: Erster ausgeglichener Haushalt seit 1969, Die Zeit, 15. Januar 2008
- ↑ Statistisches Bundesamt: Staat erzielte im Jahr 2014 Überschuss von 18 Milliarden Euro Pressemitteilung Nr. 062 vom 24. Februar 2015, abgerufen am 24. Februar 2015
- ↑ Die Welt, 15. August 2011: Dank der Milliarden des Ölfonds hat Norwegen keine Schulden mehr. Abgerufen am 12. Januar 2013.
Weblinks
- Die Verschuldung des Bundes 1962-2001, Arbeitspapier der Konrad-Adenauer-Stiftung über den Zusammenhang von Zinsen (auf die Staatsschulden) und Nettokreditaufnahme (PDF; 210 kB)
- Monatsbericht des Bundesfinanzministeriums
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Haushaltssaldo aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar. |