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Nornen
Die Nornen (altnordisch nornir) sind in der nordischen Mythologie schicksalsbestimmende weibliche Wesen, von denen einige von Göttern, andere von Zwergen oder Elfen abstammen sollen.[1] Innerhalb der indogermanischen Religionen und Mythologien besteht eine Verwandtschaft mit den römischen Parzen und den griechischen Moiren.[2]
Die Nornen in der Edda
Drei Schicksalsfrauen werden mit Namen genannt: Sie heißen Urd (Schicksal), Verdandi (das Werdende) und Skuld (Schuld; das, was sein soll). Ihre Namen gelten als nordische Entsprechungen gängiger mittelalterlicher Vorstellungskonzepte der Zeit in Form von Personifikationen der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Auch wenn ihre Namen jung sind, scheinen sie auf eine alte germanische Vorstellung einer namenlosen Dreiheit von Schicksalsfrauen zurückzugehen.
Nach der Völuspá wohnen sie an der Wurzel der Weltenesche Yggdrasil an der Urdquelle, der Quelle des Schicksals, nach der die Norne Urd benannt ist. Sie lenken die Geschicke der Menschen und Götter.
Ask veit ek standa, |
Eine Esche weiß ich, |
Verdandi kommt nur hier vor und hat sonst keine nachweisbare Tradition und wird dem Dichter der Völuspá selbst zugeschrieben.[3] Skuld ist in anderem Zusammenhang der Name einer Walküre, und auch Urd ist lediglich eine hochmittelalterliche Personifikation der Schicksalsmacht.
Nach der Gylfaginning in der Snorra-Edda wird der Baum nicht durch Nebel erhalten, sondern die Nornen pflegen ihn:
„Enn er þat sagt, at nornir þær, er byggja við Urðarbrunn, taka hvern dag vatn í brunninum ok með aurinn þann, er liggr um brunninn, ok ausa upp yfir askinn, til þess at eigi skuli limar hans tréna eða fúna. En þat vatn er svá heilagt, at allir hlutir, þeir er þar koma í brunninn, verða svá hvítir sem hinna sú, er skjall heitir, er innan liggr við eggskurn.“
„Ferner erzählt man, dass die Nornen, die am Urdabrunnen hausen, täglich Wasser aus dem Brunnen schöpfen und dazu den Schlamm, der um die Quelle herum liegt, und dies über die Esche ausgießen, damit ihre Zweige nicht verdorren oder verfaulen. Dies Wasser ist so heilig, dass alle Dinge, die in jene Quelle geraten, so weiß werden wie die Haut, die man Skjall nennt und die innen an der Eierschale sitzt.“
Daneben werden noch solche Nornen erwähnt, die Müttern bei der Geburt beistehen: In Fafnismál fragt Sigurd den Drachen Fafnir:
Segðu mér, Fáfnir, |
Laß dich fragen, Fafnir, |
Im Anschluss daran wuchs ihnen die Aufgabe zu, dem Kind seine Lebensdauer anzusagen. Hier erzeugen sie das persönliche Fatum (lat.: Schicksal) des einzelnen Menschen.[1] In der Edda heißt es:
Nótt varð í bæ, |
Nacht wurde es im Gehöft, |
„Skuld“ (wörtlich: Schuld, „skal“: sollen) ist auch bekannt als der Name einer Walküre.
Sá hún valkyrjur |
Ich sah Walküren |
Ähnliche Schicksalsfrauen gibt es auch in der griechischen (Moiren), der römischen (Parzen) und der slawischen Mythologie (Zorya).
Eine weitere Variante ist, dass die Nornen nicht das Geschick als solches bestimmen, sondern dass gute Nornen Gutes und böse Nornen Böses zuteilen.
„Góðar nornir ok vel ættaðar skapa góðan aldr, en þeir menn, er fyrir ósköpum verða, þá valda því illar nornir.“
„Gute Nornen aus vornehmem Geschlecht bescheren gutes Leben; wen aber Unglück heimsucht, der verdankt das den bösen Nornen.“
In der Urdquelle schwimmen zwei Schwäne, von denen alle weißen Schwäne abstammen:
„Fuglar tveir fæðast í Urðarbrunni. Þeir heita svanir, ok af þeim fuglum hefir komit þat fuglakyn, er svá heitir.“
„Im Urdabrunnen leben zwei Vögel, die heißen Schwäne, und von ihnen stammt die Vogelart dieses Namens.“
Oft werden die Nornen mit den Walküren verwechselt. Manchmal werden sie auch mit den Schutzgeistern Fylgja sowie den weisen Frauen volur und spåkonur vermischt.
Rezeption
Aufgrund der dem Schicksal naturgemäß innewohnenden Unwägbarkeiten gelten die Nornen als Ausprägung des ambivalenten Aspekts des sog. Mutterarchetyps im Sinne der Analytischen Psychologie Carl Gustav Jungs.
Im Vorspiel von Richard Wagners Götterdämmerung, dem letzten Teil seiner Tetralogie Der Ring des Nibelungen, spielen die Nornen eine wesentliche Rolle. Sie erinnern an das in den drei Abenden vorher Geschehene, das Gegenwärtige und schließlich, während ihnen das Schicksals-Seil reißt, von dem sie wie träumend die Runen ablesen, das nahe Ende der Götter, die hereinbrechende Götterdämmerung (Ragnarök).
Literatur
- François-Xavier Dillmann: Nornen. In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde (RGA). 2. Auflage. Band 21, Walter de Gruyter, Berlin/New York 2002, ISBN 3-11-017272-0, S. 388–394.
- Klaus von See, Beatrice La Farge, Wolfgang Gerhold, Debora Dusse, Eve Picard, Katja Schulz: Kommentar zu den Liedern der Edda. 4. Band: Heldenlieder, Winter, Heidelberg 2004, ISBN 978-3-8253-5007-9.
- Hildegard Kirschenknapp: Parzen und Nornen. Die poetische Ausformung der mythologischen Schicksalsfiguren zwischen Aufklärung und Expressionismus. Lang, Frankfurt am Main u. a. 2000, ISBN 3-631-36024-X (= Europäische Hochschulschriften. Reihe 1, Band 1750, zugleich Dissertation, Universität Düsseldorf 1999).
Siehe auch
Weblinks
Einzelnachweise
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Nornen aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar. |