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Orlando Figes
Orlando Figes [ɔːˈlændəʊ ˈfaɪdʒiːz] (* 20. November 1959 in London) ist ein britischer Historiker.
Figes war von 1999 bis 2022 Professor für neuere und neueste russische Geschichte am Birkbeck College der University of London.[1][2] Seit dem 13. Februar 2017 besitzt er nach eigener Aussage auch die deutsche Staatsbürgerschaft, weil er „kein Brexit-Brite“ sein wolle.[3]
Leben, Werk und Kritik
Seine Mutter ist die britische Schriftstellerin und Feministin Eva Figes. Figes studierte an der Universität Cambridge Geschichte, wo er nach dem Abschluss seines Studiums und dem Erwerb des Doktorgrades im Jahre 1984 die akademische Stelle eines Fellow und Dozenten für russische Geschichte annahm, die er bis 1999 innehatte. Über die Fachkreise hinaus berühmt wurde er durch die Veröffentlichung seines Buches über die Geschichte der russischen Revolutionen, Die Tragödie eines Volkes, für das er mehrfach ausgezeichnet wurde,[4] das aber von Richard Pipes als wissenschaftlich ungenau kritisiert wurde[5] sowie durch die im Anschluss daran in fast allen wichtigen Zeitungen Großbritanniens sowie der New York Times publizierten Artikel zu diesem Thema. Sein zweites wichtiges Werk, Die Flüsterer. Leben in Stalins Russland, wurde in rund 20 Sprachen übersetzt. In Deutschland schrieb er Beiträge für die Frankfurter Allgemeine Zeitung und Die Welt.
Figes erregte 2009/2010 mit fingierten Online-Rezensionen einiges Aufsehen. Er hatte unter einem Pseudonym als vermeintlicher Laie die Werke von Kollegen in so genannten Kundenrezensionen auf amazon.co.uk verrissen und seine eigenen Werke gelobt.[6] Dies betraf u. a. die Historikerin Rachel Polonsky, die seinem Buch Natasha’s Dance zahlreiche Ungenauigkeiten und unsaubere Zitierweise vorwarf, was die amerikanische Historikerin Priscilla Roosevelt in einem Brief an die Autoren einer Kritik in der Zeitschrift The Nation bestätigte. Dem Historiker Robert Service drohte er wegen dessen Vorwurf, sein Werk anonym rezensiert zu haben, zunächst mit einer Klage, nahm diese Drohung aber später zurück und gab die anonymen Rezensionen zu.[5]
Im Jahre 2012 wurde sein Werk Die Flüsterer auf der Basis russischsprachiger Originalinterviews kritisiert, die Figes für das Buch genutzt hat. Einige der vom britischen Historiker gemachten Aussagen seien durch die Interviews nicht gedeckt. Kritiker von den Organisationen Memorial und Dynastia sowie ein russischer Verleger, die Figes bei der Erstellung der Interviews behilflich waren, warfen ihm hier große Ungenauigkeiten und Fehler vor.[5] Eine geplante russische Ausgabe von Die Flüsterer sei dadurch verzögert beziehungsweise kaum möglich.[7]
Auszeichnungen
- Wolfson History Prize für „Die Tragödie eines Volkes“ (1997)
- WH Smith Literary Award für „Die Tragödie eines Volkes“ (1997)
- NCR Book Award für „Die Tragödie eines Volkes“ (1997)
- Los Angeles Times Book Prize für „Die Tragödie eines Volkes“ (1997)
Werke
- Peasant Russia, Civil War: The Volga Countryside in Revolution, 1917–21. Clarendon Press, Oxford 1989, ISBN 0-19-822169-X.
- A People’s Tragedy: The Russian Revolution, 1891–1924. Pimlico, London 1996, ISBN 0-7126-7327-X.
- Übersetzung: Die Tragödie eines Volkes: Die Epoche der russischen Revolution 1891 bis 1924 Berlin Verlag, Berlin 1998, ISBN 3-8270-0243-5.
- (mit Boris Kolonitski) Interpreting the Russian Revolution: the Language and Symbols of 1917. Yale University Press, New Haven 1999, ISBN 0-300-08106-5.
- Natasha’s Dance: a cultural history of Russia. Penguin, London 2002. ISBN 978-0-14-029796-6.
- Übersetzung: Nataschas Tanz. Eine Kulturgeschichte Russlands. Berlin Verlag, Berlin 2002, ISBN 3-8270-0487-X.
- The Whisperers: Private Life in Stalin’s Russia. Lane, London 2007 ISBN 978-0-7139-9702-6.
- Übersetzung: Die Flüsterer. Leben in Stalins Russland. Berlin Verlag, Berlin 2008, ISBN 978-3-8270-0745-2.
- The Crimean War: A History. Lane, London 2010. ISBN 978-0-7139-9704-0.
- Übersetzung: Krimkrieg. Der letzte Kreuzzug. Berlin Verlag, Berlin 2011, ISBN 978-3-8270-1028-5.
- Just Send Me Word: A True Story of Love and Survival in the Gulag. Lane, London 2012, ISBN 978-0-8050-9522-7.
- Übersetzung: Schick einen Gruß, zuweilen durch die Sterne: Eine Geschichte von Liebe und Überleben in Zeiten des Terrors. Hanser, Berlin 2012, ISBN 978-3-446-24031-5.
- Revolutionary Russia, 1891–1991. Pelican, London 2014, ISBN 978-0-14-104367-8.
- Übersetzung: Hundert Jahre Revolution. Russland und das 20. Jahrhundert. Aus dem Englischen von Bernd Rullkötter. Hanser Berlin, Berlin 2015, ISBN 978-3-446-24775-8.
- The Europeans: Three Lives and the Making of a Cosmopolitan Culture. Lane, London 2019, ISBN 978-0-241-00489-0.
Weblinks
- Literatur von und über Orlando Figes im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Offizielle Webseite von Orlando Figes
- Rezension von „Die Tragödie eines Volkes“, mit Leseproben
- „Den Opfern eine Stimme geben.“ In: Die Welt, 9. August 2008. Aufgerufen am 1. Oktober 2012.
- Kurze Darstellung des Rezensionsskandals
Fußnoten
- ↑ "Youtube Video zur Geschichte Russlands"
- ↑ "Interview im Guardian zu Gorbatschow"
- ↑ “77 years ago my family fled to England from Nazi Germany. Today I became a German citizen bec I don’t want to be a Brexit Brit.” Twitter, 13. Januar 2017.
- ↑ Siehe Website von Figes.
- ↑ 5,0 5,1 5,2 Peter Reddaway, Stephen F. Cohen: Orlando Figes and Stalin’s Victims. The Nation, 23. Mai 2012 mit Briefwechsel zwischen Reddaway, Cohen und Figes
- ↑ Fingierte Online-Rezensionen. Ein Flüsterer. Der Historiker Orlando Figes als anonymer Rezensent im Internet. In: Die Zeit, 19. April 2010.
- ↑ Robert Booth, Miriam Elder: Orlando Figes translation scrapped in Russia amid claims of inaccuracies. In: The Guardian, 23. Mai 2012 (Abruf am 4. Juni 2012); Streit um Orlando Figes. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 4. Juni 2012 (Abruf am 4. Juni 2012).
Personendaten | |
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NAME | Figes, Orlando |
KURZBESCHREIBUNG | britischer Historiker, Spezialist für russische Geschichte |
GEBURTSDATUM | 20. November 1959 |
GEBURTSORT | London |
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Orlando Figes aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar. |