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Paul Winter (Historiker)
Paul Winter (geb. 27. September 1904 in Strážnice (Straßnitz), Mähren[1]; gest. 9. Oktober 1969 in London) war ein tschechisch-britischer Rechtsanwalt, Lyriker und Theologiehistoriker. Als deutschsprachiger Jude floh er vor der nationalsozialistischen Verfolgung nach London und widmete sich dort der historischen Jesusforschung.
Leben
Paul Winters Eltern waren der jüdische Kaufmann Moritz F. Winter und dessen Ehefrau Rosa Winter.[1] Nach der Gymnasialzeit in Strážnice inskribierte er für das Wintersemester 1923/24 an der Universität Wien, wechselte jedoch im Wintersemester 1925/26 an die Juristische Fakultät der Deutschen Universität Prag. Er bestand die Rechtshistorische Staatsprüfung am 11. Februar 1926, die Judizielle Staatsprüfung am 8. Februar 1930 und die Staatswissenschaftliche Staatsprüfung am 17. Februar 1930. Die Promotion zum Dr. jur. erfolgte am 19. Juni 1931 durch den Prüfer Peterka.[2] Anschließend praktizierte er als Rechtsanwalt in Prag.
Paul Winter war Dichterjurist, der neben seiner Berufstätigkeit Lyrik verfasste, die in Zeitschriften und Anthologien erschienen. 1928 war er Herausgeber einer Sondernummer Jüngste deutsche Dichtung der Prager Zeitschrift Deutsche Hochschulwarte. Im selben Jahr erschienen Gedichte von ihm in Otto Heuscheles Anthologie Junge Deutsche Lyrik im Leipziger Reclam-Verlag.[3] In der Anthologie »Beständig ist das leicht Verletzliche« ist er mit seinem Gedicht Vom Laurenziberg (1928) vertreten.
1939 emigrierte Paul Winter nach London und meldete sich freiwillig zur Britischen Armee.[4] 1950 erlangte er die britische Staatsbürgerschaft. In den Nachkriegsjahren lebte Winter unter beengten Verhältnissen und verdiente sich seinen Unterhalt als Pförtner. Für das Jahr 1959 sind von ihm zwei Londoner Postanschriften belegt: anfangs 268 Creighton Ave., East Finchley, London N 2; später 39 Aberdare Gardens, London N. W. 6.[5]
Spätes Wirken als Theologiehistoriker
In den 50er- und 60er-Jahren erforschte Winter in den Londoner Bibliotheken die historischen Umstände des Prozesses gegen Jesus und veröffentlichte in diesem Zusammenhang an die hundert Artikel in theologischen Fachzeitschriften.[4] 1961 erschien schließlich seine Monographie On the Trial of Jesus (2. Auflage posthum 1974), die sehr beachtet und vielfach rezensiert wurde. Im Buch werden die Umstände des Prozesses – vor dem Hintergrund der im 1. Jahrhundert praktizierten Verfahren und Rechtspraktiken – aufgeklärt, und zwar sowohl nach römischem als auch nach jüdischem Recht.[4] Seine Schlussfolgerung spricht den jüdischen Hohen Rat, den Sanhedrin, von der Schuld am Tode Christus' frei: Jesus sei von Römern (wenn auch in Begleitung von Bewaffneten der jüdischen Tempelgarde) festgenommen worden, weil er als Aufrührer gegen römisches Recht verstoßen habe, indem er König der Juden sein wollte. Die Kreuzigung war eine ausschließlich römische Hinrichtungsform, die im jüdischen Recht nicht existierte, auch nicht für Kapitalverbrechen.
Werke von Paul Winter
Lyrik
Gedichte von ihm sind nur in Anthologien erhalten geblieben:
- Otto Heuschele (Hrsg.): Junge Deutsche Lyrik. Eine Anthologie, Philipp Reclam jun., Leipzig 1928.
- Wulf Kirsten (Hrsg.): »Beständig ist das leicht Verletzliche« Gedichte in deutscher Sprache von Nietzsche bis Celan Ammann Verlag, Zürich 2010, ISBN 978-3-250-10535-0. Seite 602 f. und 1067 f.
Aufsätze (Auswahl)
- Simeon der Gerechte und Gaius Caligula: Versuch einer Lösung. In: Judaica: Beiträge zum Verstehen des Judentums. Vol. 12 1956 (3) S. 129–132. Zürcher Institut für Interreligiösen Dialog(ZIID).[6]
- Marginal Notes on the Trial of Jesus. In: Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft und die Kunde der Älteren Kirche, Vol. 50, Jahresband, 1959, De Gruyter, Berlin.
- The Marcan account of Jesus' trial by the Sanhedrin. In: The journal of theological studies, New Series, Vol. XIV, Issue 1, April 1963, S. 94–102. Oxford University Press. Jstor
- The Trial of Jesus and the Competence of the Sanhedrin. In: New Testament studies, Vol. 10, Issue 4, Juli 1964, S. 494–499. Cambridge University Press. DOI
Monografie
- On the Trial of Jesus. (Studia Judaica; Band 1)
- 1. Auflage, De Gruyer, Berlin 1961. 216 S. Online-Ausgabe 2014[7], ISBN 3-11-138663-5.
- 2. Auflage, revidiert und herausgegeben von Tom Alec Burkill und Géza Vermès. De Gruyer, Berlin/New York 1974, ISBN 3-11-002283-4. XXII + 225 S. Online-Ausgabe 2010[7], ISBN 3-11-082540-6.
Weblink
- Eintrag Paul Winter in: Students of the Universities of Prague 1882–1945.
Einzelnachweise
- ↑ 1,0 1,1 Protokoll über die Promotion Register der Deutschen Universität in Prag, Inv. Nr. 5, Verzeichnis der Doktoren der Deutschen Universität in Prag (1931–1936), S. 4.
- ↑ Urkunde Staatswissenschftliche Staatsprüfung Juristische Fakultät der Deutschen Universität Prag, Bücher der Prüfungsprotokolle der Staatlichen Prüfungskommissionen, Inv. Nr. 95, Gerichtliche Staatliche Prüfungskommission an der Deutschen Universität Prag (1929–1931), S. 2009.
- ↑ Wulf Kirsten (Hrsg.): »Beständig ist das leicht Verletzliche« Gedichte in deutscher Sprache von Nietzsche bis Celan Ammann Verlag, Zürich 2010, ISBN 978-3-250-10535-0. Seite 1067 f.
- ↑ 4,0 4,1 4,2 Paul Winter: On the Trial of Jesus 2. Auflage. Vorwort, S. XI–XII.
- ↑ Paul Winter: Marginal Notes on the Trial of Jesus, S. 14 bzw. 221
- ↑ Universität Tübingen
- ↑ 7,0 7,1 nicht frei zugänglich
Personendaten | |
---|---|
NAME | Winter, Paul |
KURZBESCHREIBUNG | tschechisch-britischer Rechtsanwalt, Lyriker und Theologiehistoriker |
GEBURTSDATUM | 27. September 1904 |
GEBURTSORT | Strážnice, Mähren |
STERBEDATUM | 9. Oktober 1969 |
STERBEORT | London |
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Paul Winter (Historiker) aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar. |
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