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Psychischer Defekt
Ein psychischer Defekt oder eine kürzer nur Defekt genannte krankhafte Störung ist in der psychiatrischen Fachsprache durch Ausfall und unwiederbringlichen Verlust von früher vorhandenen komplexen seelischen Qualitäten gekennzeichnet, so wie z. B. Verlust intellektueller Fähigkeiten, Reichhaltigkeit des Gefühlslebens, moralischer Qualitäten oder der Individualität. Insbesondere wird von einem „Defekt“ bei chronischem Verlauf schwerer psychischer Krankheiten gesprochen, die einen irreversiblen Abbau von psychischen Fähigkeiten mit sich führen. In diesem Sinne wird z. B. der Begriff Defektschizophenie gebraucht.[1]
Kontroversen der Begriffsbildung
Die kontroverse Verwendung des Begriffs „Defekt“ geht auf die Geschichte der Psychiatrie und auf die Einschätzung chronischer psychischer Krankheiten als unheilbare Störungen zurück. Dies trifft insbesondere auf die Gruppe der früher so genannten endogenen Psychosen zu. Damit sei nach Auffassung der Gegner des Begriffs eine abwertende Haltung gegenüber dem betroffenen Patienten verbunden. Der Begriff führe zum therapeutischen Nihilismus, der somit auch beigetragen habe zur politisch unheilvollen Entwicklung im Zusammenhang des Euthanasieprogrammms.[2] Die Gegner der Verwendung des Begriffs „Defekt“ nehmen an, dass die Begriffsbildung von einseitig mechanistischen oder bloß organischen Vorstellungen ausgeht und das Seelenleben einseitig als Auswirkung eines apparativen Geschehens aufgefasst wird, siehe auch → Maschinenparadigma. Diese Tendenz wurde bereits durch den Vitalismus oder speziell durch die Schule von Montpellier kritisiert und kann sich daher auf eine lange Tradition berufen. Gegen den einseitig mechanistischen Gebrauch von Vorstellungen, die sich auf das Seelenleben beziehen, hatte sich schon Georg Ernst Stahl (1659-1734) verwahrt.[3][4] Durch die oft unreflektierte Verwendung des Begriffs bleibt die Frage offen, ob es sich um einen schweren und irreversiblen körperlichen Defekt oder nur um eine leichte funktionelle Störung von eher psychogener Art handelt. Oft wird nämlich hier stillschweigend eine Negativbedeutung unterstellt. Gerade hier hat die Psychiatrie aber eine Reihe von Konzepten entwickelt, die es zu unterscheiden gilt, so in erster Linie die unterschiedlichen psychodynamischen Konzepte. Diese gehen zwar z.T. auch von einem psychischen Apparat aus, verwenden jedoch nicht ausschließlich physikalische Begriffe, sondern setzen einen seelischen Innenraum voraus, der u. a. das Unbewusste enthält. Der Psychodynamismus vermeidet und neutralisiert die Kontroversen über die Natur der seelischen Kräfte, da hier nur von Kräften ganz allgemein und nicht speziell von Kräften im physikalischen oder geistigen Sinne gesprochen wird.[5]
Begriffliches Umfeld
Der Begriff des psychischen Defekts bedeutet nicht nur eine bestimmte Form der psychischen Störung, sondern umfasst auch die damit verbundene Symptomatik. So wird auch von Defizienzsymptomatik im Rahmen der Diagnostik der Schizophrenie gesprochen. Defizienzsymptomatik wird auch als Minussymptomatik bezeichnet und von der Plussymptomatik unterschieden.[1]
Einzelnachweise
- ↑ 1,0 1,1 Uwe Henrik Peters: Wörterbuch der Psychiatrie und medizinischen Psychologie. 3. Auflage. Urban & Schwarzenberg, München 1984; (a) zu Wb.-Lemma: Defekt: S. 106; (b) zu Wb.-Lemmata: Minussymptomatik: S. 352 und Plussymptomatik: S. 417
- ↑ Thomas Bock, Dorothea Buck, Ingeborg Esterer: Es ist normal, verschieden zu sein. 2. Auflage. Psychiatrie, Bonn 2000, ISBN 3-88414-206-2, S. 12.
- ↑ Erwin H. Ackerknecht: Kurze Geschichte der Psychiatrie. 3. Auflage. Enke, Stuttgart 1985, ISBN 3-432-80043-6, S. 36
- ↑ Klaus Dörner: Bürger und Irre. Zur Sozialgeschichte und Wissenschaftssoziologie der Psychiatrie. Fischer, Frankfurt am Main 1975, ISBN 3-436-02101-6, S. 121 ff.
- ↑ Stavros Mentzos: Psychodynamische Modelle in der Psychiatrie. 2. Auflage. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1992, ISBN 3-525-45727-8, S. 13, 29 ff.
Weblink
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