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Retinopathia praematurorum

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Klassifikation nach ICD-10
H35.1 Retinopathia praematurorum

Retrolentale Fibroplasie

ICD-10 online (WHO-Version 2013)

Die Retinopathia praematurorum (RPM; Synonyme: retrolentale Fibroplasie (RLF) oder Frühgeborenen-Retinopathie, Retinopathy of prematurity (ROP), Terry-Syndrom) wird wegen der Verwechslungsmöglichkeit mit Retinoblastom auch zu den Pseudogliomen gezählt und ist eine Netzhauterkrankung bei Frühgeborenen. Ursache ist die unvollständige Ausreifung (Gefäßversorgung) der äußeren Netzhaut bei Geburt in Kombination mit einer künstlichen Beatmung in den ersten Lebenstagen.

Ursache

Beim Fetus ist die äußere Netzhaut noch nicht vollständig mit Gefäßen versorgt. Während der Schwangerschaft herrscht in der Netzhaut ein relativer Sauerstoffmangel (Hypoxie). Dieser ist ein Stimulus für die Aussprossung der Netzhautgefäße in die äußere Netzhaut, die normalerweise zum Zeitpunkt der Geburt vollständig abgeschlossen ist.

Entfällt bei der noch unvollständig mit Gefäßen versorgten Netzhaut von Frühgeborenen diese Sauerstoffunterversorgung nach der Geburt (insbesondere bei Beatmung), unterbleibt die weitere Gefäßausreifung; es kommt zu einer Ausbildung von sogenannten Leisten und Demarkationslinien an der Grenze zwischen vaskularisierter und nichtvaskularisierter Netzhaut. 6 bis 8 Wochen nach der Geburt kann es zu einer überschießenden und unkontrollierten Gefäßneubildung kommen. Dies geschieht unter Wachstumsfaktoren (z. B. VEGF). Die Gefäße können sich im weiteren Verlauf zu fibrovaskulären Strängen umbilden, die zu einer Netzhautablösung (Traktionsamotio) und Erblindung führen können.

Vorkommen

Laut Bundesauswertung des Instituts für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) kamen 2017 in Deutschland von 773.317 lebendgeborenen Kindern 64.652 (8,41 %) als Frühgeborene (< 37 Schwangerschaftswochen) zur Welt. Von diesen Frühgeborenen entwickelten 2.263 (3,50 %) eine Frühgeborenenretinopathie und 232 mussten wegen Frühgeborenenretinopathie behandelt werden. Die Erkrankung tritt zwischen der 32. und 45. Woche nach Befruchtung auf. 90 % der Kinder zeigen eine spontane Regression der Veränderungen. Die Rückbildung dauert ca. 15 Wochen. Der wichtigste Risikofaktor ist das Entwicklungsniveau des Kindes bei Geburt, daneben ist eine künstliche Beatmung oder Sauerstoffzugabe ein wichtiger Risikofaktor.[1]

Einteilung

Lokalisation

Die Einteilung beschreibt zunächst das Vorliegen der typischen Stadienveränderung im Hinblick auf ihre Lokalisation in der Netzhaut, wobei die Papille als Bezugspunkt dient.

  • Zone I: Kreis um die Papille mit dem doppelten Papillen-Fovea-Abstand.
  • Zone II: Bereich peripher zu Zone I bis zu einem Kreis um die Papille, der nasal die Ora serrata einschließt.
  • Zone III: peripherer retinaler Restbezirk.

Stadieneinteilung

Die krankhaften Veränderungen werden in unterschiedliche Stadien unterteilt:

  • Stadium 1: dünne, scharf begrenzte Demarkationslinie zwischen peripherer avaskulärer und zentraler vaskularisierter Netzhaut.
  • Stadium 2: zunehmende Ausdehnung der Demarkationslinie in Breite und Höhe. Diese sog. Leiste kann weißlich oder rötlich gefärbt sein. Retinale Gefäße können in die Leiste einsprossen.
  • Stadium 3: zusätzliche Gefäßneubildungen mit Ausdehnung in den Glaskörper.
  • Stadium 4a: traktive Abhebung der peripheren Netzhaut, Makula anliegend.
  • Stadium 4b: traktive Abhebung der peripheren Netzhaut, Makula abgehoben.
  • Stadium 5: totale traktive Netzhautabhebung mit Ausbildung eines zentralen Netzhauttrichters. Je nach Konfiguration des Trichters können weitere Untergruppierungen vorgenommen werden.

Zusätzliche Merkmale

  • Pluszeichen: Gefäßschlängelung infolge des erhöhten Shuntvolumens, Glaskörpertrübung, vermehrte Irisgefäßzeichnung, schwache Pupillenreaktion, Netzhaut- und Glaskörperblutungen.
  • Threshold-Disease liegt vor, wenn 5 zusammenhängende oder 8 nicht zusammenhängende Stunden von präretinalen Proliferationen betroffen sind (mittelschweres Stadium 3) und zugleich die Gefäße am hinteren Augenpol pathologisch erweitert und geschlängelt sind (Pluszeichen).

Diagnose

Zunächst erfolgt eine Screening-Untersuchung bei gefährdeten Säuglingen durch einen Augenarzt. Unnötige und unnötig frühe Untersuchungen sollten vermieden werden. Zusätzliche können beispielsweise natriuretische Peptide im Urin bestimmt werden, um die zu untersuchenden Kinder besser auswählen zu können. Ein obligates Screening erfolgt bei Kindern mit einem Geburtszeitpunkt in der 31+0 SSW oder darunter. Ist das genaue Gestationsalter unklar, liegt die Untergrenze für eine Screening-Untersuchung bei einem Geburtsgewicht von unter 1500 Gramm. Zusätzlich kann ein Screening auch bei allen Frühgeborenen, also Neugeborenen mit einem Gestationsalter unter 37+0 SSW, nach ärztlichem Ermessen erfolgen, etwa aufgrund einer postnatalen inhalativen Sauerstoffsupplementation von mehr als 5 Tagen Dauer oder einer ECMO-Therapie oder relevanter Begleiterkrankungen (etwa schwerer nekrotisierender Enterokolitis, bronchopulmonaler Dysplasie, Sepsis, transfusionsbedürftiger Anämie). Die erste augenärztliche Untersuchung soll in der sechsten postnatalen Woche (Lebenstag 36 – 42) erfolgen. Die Screening-Untersuchungen sollen grundsätzlich in zweiwöchentlichen Intervallen durchgeführt werden, in bestimmten Fällen auch häufiger.[2]

Differentialdiagnose

Abzugrenzen ist u. a. die Familiäre exsudative Vitreoretinopathie.

Behandlung

Die Behandlung richtet sich nach dem vorliegenden Krankheitsstadium und -lokalisation, die durch regelmäßige augenärztliche Untersuchung verfolgt werden. In frühen Stadien kann eine Spontanabheilung (unter engmaschigen augenärztlichen Kontrollen) abgewartet werden. In späteren Stadien ist eine Verödung der nicht mit Gefäßen versorgten Netzhaut durch Laserkoagulation oder Eisbehandlung notwendig. Eine abgehobene Netzhaut muss oft durch eine Vitrektomie behandelt werden. Auch im späteren Leben ist das Risiko für eine Netzhautablösung erhöht. Seit Ende 2019 ist auch die Spritzentherapie mit dem Wirkstoff Ranibizumab von den europäischen Behörden zur Behandlung der ROP zugelassen.[3][4] Das Medikament, das ins Auge injiziert wird, hemmt die Krankheitsaktivität mindestens so gut wie die Lasertherapie – das belegt eine weltweit an 86 Zentren durchgeführte, randomisierte Studie, die zwei verschiedene Ranibizumab-Dosierungen mit der herkömmlichen Lasertherapie verglich. Den Ergebnissen der RAINBOW-Studie zufolge hat die Injektionstherapie sogar Vorteile gegenüber der Laserkoagulation.[5]

Siehe auch

Belege

  1. http://springerlink.springermedizin.de/content/333u500337758q53/ (Link nicht mehr abrufbar) , S. 75.
  2. AWMF: Detail. Abgerufen am 28. September 2020.
  3. EMEA-000527-PIP04-13-M01. Abgerufen am 28. September 2020.
  4. Andreas Stahl, Tim U. Krohne, Nicole Eter, Isabel Oberacher-Velten, Rainer Guthoff: Comparing Alternative Ranibizumab Dosages for Safety and Efficacy in Retinopathy of Prematurity: A Randomized Clinical Trial. In: JAMA Pediatrics. 172, Nr. 3, 2018-03-01 ISSN 2168-6203, S. 278–286, doi:10.1001/jamapediatrics.2017.4838 (https://jamanetwork.com/journals/jamapediatrics/fullarticle/2667558).
  5. Andreas Stahl, Domenico Lepore, Alistair Fielder, Brian Fleck, James D. Reynolds: Ranibizumab versus laser therapy for the treatment of very low birthweight infants with retinopathy of prematurity (RAINBOW): an open-label randomised controlled trial. In: The Lancet. 394, Nr. 10208, 2019-10-26 ISSN 0140-6736, S. 1551–1559, doi:10.1016/S0140-6736(19)31344-3, PMID 31522845.

Weblinks

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Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Retinopathia praematurorum aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.