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Schauerliteratur
Die Schauerliteratur (Englisch Gothic fiction) bzw. der Schauerroman (englisch Gothic novel) ist ein literarisches Genre der Phantastik, das Mitte des 18. Jahrhunderts in England entstand und seine Blüte am Anfang des 19. Jahrhunderts erlebte.
Der englische Schauerroman
Mit Das Schloss von Otranto schrieb Horace Walpole 1764 die erste Gothic Novel und begründete ein neues Genre, das sich ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts enormer Beliebtheit erfreute. Richard Hurd beschrieb die neue Richtung in seinen Letters on Chivalry and Romance als „Gothic Romance“, in der er etwas fand, das „der Sichtweise eines Genies und dem Zweck der Poesie in besonderem Maße angemessen“ sei. Er untermauerte sein Lob mit einem Beispiel aus der Architektur:
- „Wenn ein Architekt einen gotischen Bau an griechischen Regeln misst, findet er nichts als Unförmigkeit. Doch die gotische Architektur hat ihre eigenen Regeln, und wenn man sie nach diesen untersucht, stellt man fest, dass sie ihre eigenen Qualitäten hat, ebenso wie die griechische.“[1]
Der Aufstieg der Schauerliteratur hängt eng zusammen mit einer Erweiterung des Ästhetikbegriffes, der seit Joseph Addisons Spectator-Essay über „Imagination“ einmal die verschiedenen Spielarten der Natur und ihrer Wirkung auf den Menschen entdeckt, zum anderen deren gefährliche und unheimliche Seiten. Die erweiterte Ästhetik bezieht sich daher nicht mehr allein auf die arkadische Landschaft, sondern auch auf das Düstere und das Erhabene.
Die theoretische Pionierarbeit für diesen Paradigmenwechsel hatte vor allem Edmund Burke mit seiner Schrift A Philosophical Enquiry into the Origin of our Ideas of the Sublime and Beautiful (1747) geleistet. Für die Schauerliteratur ist das Dunkle und Erhabene auch in dem Sinne entscheidend, dass die Konzeption des Menschen nicht mehr allein die Seite der Vernunft, des balancierten gesellschaftlichen Verhaltens und eines ihnen zukommenden ästhetischen Ausdrucks in den Vordergrund stellt, sondern ebenso die irrationalen, düsteren und zerstörerischen Züge des Ich, so dass sich eine bislang unbekannte Seelenlandschaft in der Spannung von Mensch, Natur und Kultur ergibt, gleichsam eine künstlerisch-literarische Exemplifikation der „Dialektik der Aufklärung“ avant la lettre. Bei Burke hat das Schreckliche als Grund des Erhabenen eine eher rezeptionsästhetische Qualität. Das Erhabene ist Sache der künstlerischen, hier der literarischen Darstellung, die mit ästhetischer Distanz arbeitet. Eine zu mimetische Darstellung stört die Rezeption. das Gefühl des Erhabenen (beim Leser) stellt sich nach Burke nur ein, wenn das Schreckliche "does not press to nearly." Bekannte Vertreter der angelsächsischen Schauerliteratur sind (in chronologischer Folge mit ihren Hauptwerken):
- Horace Walpole, "The Castle of Otranto", 1764
- Clara Reeve (The Old English Baron, 1778)
- William Beckford (Vathek, 1786)
- Ann Radcliffe (The Mysteries of Udolpho, 1794, und The Italian, 1797)
- William Godwin (Caleb Williams, 1794)
- Matthew Gregory Lewis (The Monk, 1796)
- Percy Bysshe Shelley (Zastrozzi, 1801)
- Mary Shelley (Frankenstein, 1818)
- Charles Robert Maturin (Melmoth der Wanderer, 1820)
- James Hogg (The Private Memoirs and Confessions of a Justified Sinner, 1824)
Um 1825 war die Blütezeit der Gothic Novel vorbei. Zahlreiche Motive des Schauerromans wurden aber von der Literatur der Romantik aufgenommen. Es entstand die Schauerromantik oder Schwarze Romantik. Dagegen standen Autoren wie Edgar Allan Poe und Wilkie Collins am Anfang der Entwicklung des Kriminalromans, der in seiner Ausprägung als Mystery Thriller stark auf Motive des Schauerromans zurückgreift. In eine dritte Richtung bewegte sich die Entwicklung hin zur modernen Horrorliteratur mit Vertretern wie Howard Phillips Lovecraft oder Stephen King.
Literatur
- Christopher Frayling: Nightmare. The birth of horror. BBC Books, London 1996, ISBN 0-563-37198-6. (Deutsch: Alpträume. Die Ursprünge des Horror. vgs, Köln 1996, ISBN 3-8025-2303-2.)
- Jürgen Klein: Der gotische Roman und die Ästhetik des Bösen. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1975, ISBN 3-534-06858-0. (= Impulse der Forschung 20)
- Jürgen Klein: Anfänge der englischen Romantik 1740 - 1780. Heidelberger Vorlesungen. Carl Winter Universitätsverlag, Heidelberg 1986, ISBN 3-533-03825-4.
- Jürgen Klein: Schwarze Romantik . Peter Lang, Bern/ Frankfurt/ New York 2005, ISBN 3-631-38977-9.
- Jürgen Klein/Gunda Kuttler: Mathematik des Begehrens. Shoebox House, Hamburg 2011.
- Jan C. L. König: Herstellung des Grauens. Wirkungsästhetik und emotional-kognitive Rezeption von Schauerfilm und -literatur. Peter Lang, Frankfurt am Main u. a. 2005, ISBN 3-631-54675-0.
- H. P. Lovecraft: Die Literatur der Angst. Zur Geschichte der Phantastik. (= Phantastische Bibliothek 320 = Suhrkamp-Taschenbuch 2422) Suhrkamp, Frankfurt am Main 1995, ISBN 3-518-38922-X. (Englische Originalausgabe: Supernatural Horror in Literature. Online-Text)
- Dirk Sangmeister: Zehn Thesen zu Produktion, Rezeption und Erforschung des Schauerromans um 1800. In: Lichtenberg Jahrbuch. 2010, ISSN 0936-4246(?!?!) , S. 177–217.
- Wolfgang Trautwein: Erlesene Angst. Schauerliteratur im 18. und 19. Jahrhundert. Systematischer Aufriss, Untersuchungen zu Bürger, Maturin, Hoffmann, Poe und Maupassant. Hanser, München u. a. 1980, ISBN 3-446-12987-1. (Zugleich: Diss., Stuttgart 1979: Schauerliteratur 1765–1915.)
- Ingeborg Weber: Der englische Schauerroman. Eine Einführung. Artemis, München 1983, ISBN 3-7608-1307-0. (= Artemis Einführungen 7)
- Gero von Wilpert: Die deutsche Gespenstergeschichte. Motiv – Form – Entwicklung.. Kröner, Stuttgart 1994, ISBN 3-520-40601-2. (= Kröners Taschenausgabe 406)
Weblinks
- The Literary Gothic – Kurzbiographien, Essays und Links zu Autoren der Gothic Novel (englisch)
Einzelnachweise
- ↑ „[…] something in the Gothic Romance peculiarly suited to the views of a genius, and to the ends of poetry“ und „[…] when an architect examines a Gothic structure by Grecian rules, he finds nothing but deformity. But the Gothic architecture has it's own rules, by which, when it comes to be examined, it is seen to have it's merit, as well as the Grecian.“ In: Richard Hurd: Letters on Chivalry and Romance. Hrsg. von Edith J. Morley. London 1911, S. 81 und 118.
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