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Schichtarbeit
Mit Schichtarbeit oder Schichtdienst wird eine Arbeitsgestaltung bezeichnet, bei der Arbeitnehmer nach einem bestimmten Zeitplan versetzt nacheinander an der gleichen Arbeitsstelle eingesetzt werden, so dass sie ihre Arbeit innerhalb eines bestimmten Zeitraums zu unterschiedlichen Zeiten verrichten müssen[1]. Schichtarbeit wird durchgeführt, wenn in einem Betrieb länger als die übliche Tagesarbeitszeit gearbeitet werden soll oder aus anderen Gründen auch außerhalb der üblichen Tagesarbeitszeit Tätigkeiten oder Bereitschaftsdienste erforderlich sind.
Beschreibung
Schichtarbeit wird als nicht kontinuierliche Schichtarbeit bezeichnet, wenn die Arbeitszeit am Ende des Tages unterbrochen wird, in der Regel bei einem Zweischichtbetrieb mit Früh- und Spätschicht (auch Mittagsschicht genannt). Von kontinuierlicher Schichtarbeit spricht man, wenn rund um die Uhr, also auch in einer Nachtschicht gearbeitet wird. Wird die kontinuierliche Schichtarbeit an Wochenenden unterbrochen, liegt teilkontinuierliche Schichtarbeit vor, sonst vollkontinuierliche Schichtarbeit, wenn auch die Wochenenden einbezogen sind. Muss ein Arbeitnehmer Schichtarbeit zu unterschiedlichen Tageszeiten leisten, handelt es sich um Wechselschicht.
Der Begriff Schichtarbeit findet eher in der Privatwirtschaft Verwendung, Schichtdienst hingegen häufiger im öffentlichen Dienst. Auf größeren Schiffen werden sowohl die Schichten als auch der zugehörige Teil der Besatzung seit altersher als Wache bezeichnet. In Krankenhäusern wird der nächtliche Anteil des Schichtdienstes traditionell als Nachtwache bezeichnet.
In manchen Branchen ohne durchgehende Schichtarbeit sind auch die Begriffe Frühdienst und/oder Spätdienst gebräuchlich. In anderen wieder müssen sich Bedienstete lediglich für Notfälle zur Verfügung halten -- siehe Bereitschaftsdienst.
Übliche Schichtsysteme
Im Industriebereich sind folgende Systeme weit verbreitet:
- Zweischichtbetrieb
- der als Faustregel zwei nacheinander liegende 8-Stunden-Schichten und damit eine Kapazitätsnutzung von 16 Stunden pro Tag ermöglicht.
- Dreischichtbetrieb
- der wie oben beschrieben einen Rundum-Betrieb in der Woche ermöglicht.
- Vier- oder Fünfschichtbetrieb
- der einen kontinuierlichen Arbeitsbetrieb 7 Tage und 24 Stunden ermöglicht.
Je nach tariflicher Arbeitszeit der Mitarbeiter nutzt man bei „Vollkonti“ vier oder fünf Schichtgruppen. Beim Vierschichtbetrieb ergibt sich eine Wochenarbeitszeit von 42 Stunden für den Mitarbeiter. Liegt die Arbeitszeit darunter – was die Regel ist – gleicht man das durch zusätzlich gewährte Freischichten aus. Betragen die tariflichen Arbeitszeiten unter 38 Stunden pro Woche, wird das Arbeitszeitmanagement der Freischichten (es sind ja auch noch Urlaub und Feiertage und Zusatzfreischichten für die Arbeit an Sonn- und Feiertagen vorzusehen und Krankheit auszugleichen) sehr aufwändig, und es entstehen tendenziell arbeitswissenschaftlich ungünstige Arbeitsprofile für Beschäftigte. Dann bietet sich Fünfschichtbetrieb an. Die Arbeitszeit beträgt in diesem Fall 33,6 Stunden pro Woche. Eine höhere tarifliche Arbeitszeit führt dann zu so genannten Verfügungsschichten, die zum Krankheitsausgleich oder zur Weiterbildung eingesetzt werden können. Gerade Fünfschichtmodelle erlauben arbeitswissenschaftlich verhältnismäßig günstige Modelle.
Je nach Art des Betriebs können auch andere Schichtsysteme oder überlappende Zeiten zur Arbeitsübergabe eingeplant werden. Die genauen Regelungen zu Arbeitszeiten werden im Allgemeinen in den Tarifverträgen grundsätzlich festgelegt und in Betriebsvereinbarungen für das jeweilige Unternehmen oder den Standort detailliert.
Üblicherweise wird die Schicht des einzelnen Beschäftigten turnusmäßig gewechselt; es gibt aber auch Modelle (in Deutschland wenig verbreitet), in denen nur für eine bestimmte Schicht eingestellt wird (Dauernachtdienst beispielsweise). Schichtarbeit und „Flexible Arbeitszeit“ gehen teilweise nahtlos ineinander über.
Wechselschicht
Wechselschicht ist ein Arbeitszeitmodell, das auf der Schichtarbeit basiert. Bei Wechselschicht ändert sich die Arbeitszeit in einem regelmäßigen Rhythmus, um alle eingebundenen Mitarbeiter gleichmäßig zu belasten. Nach einer Nachtschicht führen die Regelungen des Arbeitszeitgesetzes zu einer Freischicht, um eine ausreichende Erholung zu gewährleisten. Das gleiche für Arbeiten an Wochenenden. Neben den Freischichten werden je nach Tarifvertrag auch finanzielle Zahlungen geleistet. In Tarifverträgen kann eine Mindestzahl von Schichtwechseln in einer Periode vorgeschrieben sein, damit Vergünstigungen aus dieser Form der Arbeit für die betroffenen Mitarbeiter über die Perioden verstetigt werden (z.B. zur Wahrung des finanziellen Besitzstandes).
Gesundheitliche Risiken
Schichtarbeit birgt ein gegenüber der Arbeit zu regelmäßigen Arbeitszeiten erhöhtes gesundheitliches Risiko, insbesondere dann, wenn Nachtarbeit eingeschlossen ist. In vielen Ländern sind bei Nachtarbeitern deshalb ärztliche Kontrollen vorgeschrieben. Häufige mit (Nacht-)Schichtarbeit verbundene Erkrankungen sind Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Depressionen, Magengeschwüre, Bluthochdruck, Herz- und Kreislauferkrankungen. Kontinuierliche Schichtarbeit ist physisch belastend und behindert soziale Aktivitäten (Sport, Familie etc.). Oft werden die Ruhezeiten beeinträchtigt. So ist zum Beispiel der Schlaf nach einer Nachtschicht meist kürzer und schlechter als geregelter Nachtschlaf.
Die Bedeutung der psycho-sozialen Belastungen für die Gesundheit wird oft unterschätzt. Jüngere Forschungsergebnisse zeigen Hinweise auf eine positive Korrelation von Schichtarbeit und Krebserkrankungen. Größere Bedeutung wird dabei insbesondere den bei Nacht- und Schichtarbeit veränderten Melatoninspiegeln beigemessen. Die Störung der physiologischen circadianen Rhythmik führt unter anderem zu einer eingeschränkten Melatoninproduktion und folglich erniedrigten Spiegeln. Die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) führt Schichtarbeit seit dem 5. Dezember 2007 in der offiziellen Liste wahrscheinlich krebserregender Agenzien („probably carcinogenic to humans“).[2]
Eine zusätzliche Arbeitsbelastung ergibt sich bei Schichtarbeit durch die laufenden (Teil-)Anpassungen des Circadianrhythmus. Um diese zu vermindern wird insbesondere empfohlen, mit eingestreuten Nachtschichten, also nicht mehr als drei Nachtschichten hintereinander, zu arbeiten[3].
Längere Schichten (beispielsweise 12-Stunden-Schichten) sind oft beliebt, weil sie mehr freie Tage oder mehr Geld bringen. Sie bergen aber auch erheblich höhere Belastungen wegen des über eine Zeit der Beanspruchung exponentiell steigenden Belastungsverlaufes und damit ein deutlich erhöhtes Unfallrisiko. 12-Stunden-Schichten sind nach dem Arbeitszeitgesetz deswegen nur unter besonderen, belastungsarmen Arbeitsbedingungen oder nur ausnahmsweise gestattet.
Sehr frühe Beginnzeiten – womöglich noch verbunden mit langen Anreisewegen – bringen eine ähnliche Belastung wie Nachtschichten. Dauernachtschichtsysteme verringern zwar die Belastungen aus sonst stattfindenden Teilanpassungsleistungen des Circadianrhythmus, begünstigen dafür aber häufig erhebliche andere Probleme wie zum Beispiel Desozialisierungstendenzen, Alkoholmissbrauch und Drogenabhängigkeit.
Gesundheitliche Risiken im Zusammenhang mit Schichtarbeit sind für Betroffene oft schwer direkt abschätzbar. Erstens scheiden diejenigen, die nicht mehr wollen oder können, aus und sind infolgedessen nicht mehr in der Statistik vorhanden („healthy worker effect“). Zweitens handelt es sich meist um sehr langsam und im Aufbau nicht oder nur schwer wahrnehmbare Schädigungen, die dann „überraschend sichtbar“ werden.
Branchen
Schichtarbeit kommt in allen Unternehmen und Organisationen vor, bei denen an jedem Tag und zu jeder Stunde gearbeitet werden muss oder bei denen die Betriebszeit die tägliche oder wöchentliche Arbeitszeit erheblich überschreitet. Sie ergeben sich aus der Notwendigkeit, lange Servicezeiten zu bieten (Krankenhaus, Verkehr, Kraftwerk) oder aus den hohen Kosten, die bei einem Stillstand von Anlagen entstehen würden (Hochofen, Chemieanlagen, Nahrungsmittel- und Getränkeindustrie), oder generell aus der Notwendigkeit, hohe Anlageninvestitionen durch entsprechende Betriebszeiten zu amortisieren (Flugverkehr, Fertigungsstraßen in der Automobilindustrie).
Literatur
- Hiltraut Paridon, Sabine Ernst, Volker Harth, Peter Nickel, Annette Nold, Dirk Pallapies; Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (Hrsg.): Schichtarbeit – Rechtslage, gesundheitliche Risiken und Präventionsmöglichkeiten. Berlin Februar 2012, ISBN 978-3-86423-022-6 (online (PDF; 4,0 MB), abgerufen am 14. März 2012).
Weblinks
- Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin für diagnostische und therapeutische Maßnahmen bei Nacht- und Schichtarbeit (PDF-Datei; 180 kB)
- Working Time Society - weltweiter Verein von rund 400 Forschern zum Thema
- tempora - Journal für moderne Arbeitszeiten zum Thema "Schichtarbeit - rund um die Uhr" Herausgeber: Zeitbüro NRW (gefördert durch das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales NRW und den ESF; PDF-Datei; 1,09 MB)
- Informationen zur Lage und Verteilung von Arbeitszeit Internetseite des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen.
- Kolleg "ClockWORK", das die Beziehung zwischen "Innerer Uhr" und Schichtarbeit erforscht: [1]
Belege
- ↑ Vergleiche Artikel 2 Nr. 5 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung
- ↑ IARC Press Release 180 (5. Dezember 2007)
- ↑ Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (Hrsg.): Positive Gestaltungsbeispiele der softwaregestützten Arbeitszeitgestaltung. Dortmund: baua, 2008. ISBN 978-3-88261-604-0. S. 11. PDF
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Schichtarbeit aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar. |