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Schuldverhältnis
Das Schuldverhältnis (lat. obligatio) bezeichnet ein besonderes Rechtsverhältnis zwischen Rechtssubjekten, in dem ein Rechtssubjekt (Schuldner) einem anderen Rechtssubjekt (Gläubiger) eine Leistung oder Rücksichtnahme i.S.d § 241 Abs. 2 BGB schuldet. In der Schweiz ist es üblich das Schuldverhältnis auch als Obligation zu bezeichnen.
Schuldverhältnis im engeren und weiteren Sinne
Da das Gesetz den Begriff des Schuldverhältnisses mit verschiedenen Bedeutungsinhalten verwendet, unterscheidet die Rechtswissenschaft zwischen dem Schuldverhältnis im engeren und weiteren Sinne.
Schuldverhältnis im engeren Sinne
Das Schuldverhältnis im engeren Sinne bezeichnet die einzelne Leistungsbeziehung zwischen Gläubiger und Schuldner. Es beschreibt somit den Zustand, in dem sich ein Anspruch und die entsprechende Schuld gegenüberstehen, ohne wie bei den Begriffen „Anspruch“ oder „Schuld“ die Sicht des Gläubigers beziehungsweise die des Schuldners vorauszusetzen.
Schließen der Käufer K und der Verkäufer V zum Beispiel einen Kaufvertrag, so stellt zum einen der Anspruch des K gegen V auf Übereignung der Kaufsache, als auch die Ansprüche des V gegen K auf Übereignung des Kaufpreises und auf Abnahme der Kaufsache jeweils eigene Schuldverhältnisse im engeren Sinne dar.
Beispiele für Stellen an denen das Gesetz den Begriff Schuldverhältnis im engeren Sinne verwendet: § 241 Abs.1 BGB, § 311 Abs.1 BGB § 362 Abs.1 BGB
Schuldverhältnis im weiteren Sinne
Das Schuldverhältnis im weiteren Sinne bezeichnet nicht nur die einzelne Leistungsbeziehung (und damit das Schuldverhältnisse im engeren Sinne), sondern die Gesamtheit der konnexen Leistungsbeziehungen zwischen den Rechtssubjekten.
Schließen der Käufer K und der Verkäufer V zum Beispiel wieder einen Kaufvertrag, so stellen der Anspruch des K gegen V auf Übereignung der Kaufsache, als auch die Ansprüche des V gegen K auf Übereignung des Kaufpreises und auf Abnahme der Kaufsache zusammen das Schuldverhältnisse im weiteren Sinne dar.
Beispiele für Stellen an denen das Gesetz den Begriff Schuldverhältnis im weiteren Sinne verwendet: Überschrift des 8. Abschnitt des Schuldrechts, § 273 Abs.1 BGB, § 292 Abs.1 BGB, § 425 Abs.1 BGB
Entstehung von Schuldverhältnissen
Schuldverhältnisse können durch Rechtsgeschäft, rechtsgeschäftsähnliche Umstände oder Gesetz entstehen.
Rechtsgeschäftliche Schuldverhältnisse
Rechtsgeschäftliche Schuldverhältnisse entstehen durch Vertrag (§ 311 Abs. 1 BGB), ausnahmsweise aber durch ein einseitiges Rechtsgeschäft, zum Beispiel bei der Auslobung (§ 657 BGB). Das vertragliche Schuldverhältnis ist in § 241 Abs. 1 BGB geregelt. Danach ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen. Jeder Vertragspartei erwachsen aus einem Schuldverhältnis nicht nur diese Leistungspflichten, sondern auch Verhaltenspflichten zur Rücksichtnahme und zum Schutz der Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils (§ 241 Abs. 2 BGB). Wichtige einzelne Vertragstypen, die ein Schuldverhältnis begründen, sind im BGB besonders geregelt (z. B. Kauf, Schenkung, Miete, Pacht, Darlehen), doch können auch andere Vertragstypen im Rechtsverkehr verwendet werden (z. B. Leasing), wenn sie die Leitgedanken des Schuldrechts erfüllen. Aus diesen Vertragstypen resultieren für beide Vertragsparteien bestimmte Verpflichtungen, die zur Bezeichnung rechtsgeschäftliches Schuldverhältnis geführt haben.
Rechtsgeschäftsähnliche Schuldverhältnisse
Rechtsgeschäftsähnliche Schuldverhältnisse entstehen zum einen gem. § 311 Abs.2 BGB bereits durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen, die Anbahnung eines Vertrags, bei welcher der eine Teil im Hinblick auf eine etwaige rechtsgeschäftliche Beziehung dem anderen Teil die Möglichkeit zur Einwirkung auf seine Rechte, Rechtsgüter und Interessen gewährt oder ihm diese anvertraut oder durch ähnliche geschäftliche Kontakte (Culpa in contrahendo).
Zum anderen entstehen sie gem. § 311 Abs.3 BGB zu Personen, die selbst nicht Vertragspartei werden sollen, aber bei den Vertragsverhandlungen in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch genommen haben und dadurch diese oder den Vertragsschluss erheblich beeinflussten. (Sachwalterhaftung, Hintermannhaftung)
Solche Schuldverhältnisse beinhalten keine konkreten Leistungspflichten, sondern lediglich Rücksichtnahmepflichten i.S.d. § 241 Abs.2 BGB. Wird eine Pflichtverletzung, Rechtswidrigkeit oder Verschulden des Betroffenen nachgewiesen, ist ein entstandener Vertrauensschaden zu ersetzen.
Gesetzliche Schuldverhältnisse
Gesetzliche Schuldverhältnisse entstehen als sachenrechtliche, deliktische, bereicherungsrechtliche, familienrechtliche und erbrechtliche Schuldverhältnisse, durch Erfüllung bestimmter gesetzlicher Voraussetzungen. Ist beispielsweise ein Vertrag nichtig und eine der beiden Parteien hat in der Vorstellung seiner Wirksamkeit geleistet, steht dieser Partei keine rechtsgeschäftliche Rückforderungsmöglichkeit mehr zu. Der Ausgleich findet in diesem Falle im Wege der ungerechtfertigten Bereicherung statt, die ihr eine Forderung auf Herausgabe der rechtsgrundlosen Bereicherung gegen den anderen Vertragspartner einräumt (§ 812 Abs. 1 BGB). Alle deliktischen Fallgestaltungen, insbesondere der unerlaubten Handlung (§ 823 BGB) und der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung (§ 826 BGB), gehören ebenfalls zur Gruppe der gesetzlichen Schuldverhältnisse. Zwischen dem Verlierer (das Gesetz spricht genauer vom Empfangsberechtigten) und dem Finder entsteht ein sachenrechtlich begründetes gesetzliches Schuldverhältnis. Dieses verpflichtet den Finder dazu, den Fund dem Empfangsberechtigten anzuzeigen.
Erlöschen von Schuldverhältnissen
Während ein Schuldverhältnis im weiteren Sinne so lange bestehen bleibt bis alle von ihm umfassten Schuldverhältnisse im engeren Sinne erloschen sind, erlischt ein Schuldverhältnis im engeren Sinne unter anderem, wenn
- die geschuldete Leistung erbracht wurde (Erfüllung – §§ 362 ff. BGB)
- der Schuldner Wertsachen für den Gläubiger an einer dazu bestimmten öffentlichen Stelle hinterlegt (Hinterlegungsvertrag – §§ 372 ff. BGB)
- zwei Rechtssubjekte, die einander Leistungen schulden, die gegenseitigen Forderungen aufrechnen (Aufrechnung – §§ 387 ff. BGB)
- der Gläubiger dem Schuldner durch Vertrag die Schuld erlässt (Schuldenerlass; § 397 BGB)
- die Gläubigerstellung und die Schulderstellung in einem Rechtssubjekt zusammenfallen (Konfusion)
Pflichten aus dem Schuldverhältnis
In den meisten Fällen resultieren aus einem vertraglichen Schuldverhältnis gegenseitige Leistungspflichten. Unter Leistung versteht man rechtlich verallgemeinernd die bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens. Beim Kaufvertrag bestehen konkret die gegenseitigen Leistungen aus der Verschaffung des Eigentums an den Kaufgegenständen und der Bezahlung des Kaufpreises, beim Mietvertrag aus der Gebrauchsüberlassung des Mietgegenstandes und der Bezahlung des Mietzinses.
Verhaltenspflichten resultieren aus gesetzlichen Schuldverhältnissen, weil bei diesen das Gesetz die Beteiligten zu einem bestimmten Tun oder Unterlassen auffordert.
Rücksichtnahmepflichten verlangt das Gesetz bei vorvertraglichen Schuldverhältnissen wie der „culpa in contrahendo“, wo gegenüber dem Geschäftspartner eine vorvertragliche Aufklärungspflicht besteht, ohne deren Wahrnehmung eine Schadensersatzpflicht aus Verschulden bei Vertragsabschluss droht. Bei schuldhafter Verletzung dieser Pflichten kann der Geschädigte Schadensersatz verlangen (§ 280 Abs. 1 BGB).
Siehe auch
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