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Sozialismuskritik
Der Begriff Sozialismuskritik bezeichnet – analog zur Kapitalismuskritik – die Kritik einer gesellschaftlichen Produktionsweise, die sich ihrem Selbstverständnis nach als sozialistische versteht, aber von Systemkritikern als eine neuartige Gesellschaftsformation mit Klassencharakter analysiert wird. Ins Visier ihrer Kritik geraten insbesondere die „Arbeiterbürokratie“ bzw. „Monopolbürokratie“ als eine neue herrschende Klasse, die über die kollektivierten Produktionsmittel verfügt. Die Sowjetunion und die von ihr abhängigen sozialistischen Länder wurden von Sozialismuskritikern als „bürokratisch degenerierter Arbeiterstaat“ (Trotzki) , „Monopolsozialismus“ (Kuron/Modzelewski), „Staatskapitalismus“ (Tony Cliff) oder „real existierender Sozialismus“ (Rudolf Bahro) bezeichnet.
Die Kritik ist zumeist eine immanente Kritik, die vorherige Parteigänger und Anhänger der sozialistischen Lehre artikulieren. Leo Trotzkis „Verratene Revolution“ und Djilas' „Neue Klasse“ zählen zu den frühen Publikationen, die eine derartige Sozialismuskritik formulierten.
Anarchistische Kritik
Schon Bakunin stritt mit Marx über die Rolle der politischen Herrschaft, gleich welcher Art, ob Absolutismus oder Diktatur des Proletariats. Die Zerschlagung des Kapitalismus müsse mit der Zerschlagung des Staates zugleich erfolgen. Er befürchtete, dass der marxistische Sozialismus die Beherrschung der Massen durch einen Staatssozialismus fortsetzen werde. Anarchisten wie Victor Serge waren zunächst Parteigänger Lenins in der Russischen Revolution, solidarisierten sich aber mit dem Kronstädter Aufstand gegen die Parteibürokratie und traten unter Stalins Herrschaft mehr und mehr in Opposition zum sowjetischen Herrschaftssystem.
Trotzkistische Kritik
Während Trotzki die Sowjetunion noch als einen – zwar „bürokratisch degenerierten“ – Arbeiterstaat ansah, verbreitete Tony Cliff und die von seinen Ideen beeinflusste International Socialist Tendency die Version eines staatskapitalistischen Systems mit allen Merkmalen kapitalistischer Klassenherrschaft.
Budapester Schule
Die Budapester Schule um Agnes Heller und Ferenc Fehér analysierte mit marxistischem Instrumentarium die Sowjetgesellschaften als totalitäre Systeme mit einer „Diktatur über die Bedürfnisse“.
Kritik des real existierenden Sozialismus
Eine marxistisch fundierte Analyse und Kritik des „real existierenden Sozialismus“ als einer „nichtkapitalistischen“ Klassengesellschaft unter der Diktatur von Partei und Bürokratie legte das SED-Mitglied Rudolf Bahro 1977 mit seiner bekannten Publikation „Die Alternative“ vor.
Literatur
- Klassische Texte
- Leo Trotzki: Verratene Revolution. Was ist die Sowjetunion und wohin treibt sie?, Antwerpen/Zürich/Prag 1936.
- Milovan Djilas: Die neue Klasse. Eine Analyse des kommunistischen Systems (Originaltitel: Nova klasa. Kritika savremenog komunizma). Kindler, München 1958.
- Wolfgang Leonhard: Die Revolution entläßt ihre Kinder. Kiepenheuer & Witsch, Köln 1955, ISBN 3-462-01463-3.
- Rudolf Bahro: Die Alternative. Zur Kritik des real existierenden Sozialismus. Europäische Verlagsanstalt, Köln/Frankfurt am Main 1977.
- Weitere Literatur
- Tony Cliff: Staatskapitalismus in Rußland. Sozialistische Arbeitergruppe Frankfurt 1975.
- Ferenc Fehér / Ágnes Heller: Diktatur über die Bedürfnisse. Sozialistische Kritik osteuropäischer Gesellschaftsformationen. VSA-Verlag, Hamburg 1979.
- Ágnes Heller / Ferenc Fehér / György Makus: Der sowjetische Weg. Bedürfnisdiktatur und entfremdeter Alltag. VSA-Verlag, Hamburg 1983.
- Günther Hillmann: Selbstkritik des Kommunismus. Texte der Opposition. Rowohlt, Reinbek b. Hamburg 1967.
- Jacek Kuron / Karol Modzelewski: Monopolsozialismus. Offener Brief an die Polnische Vereinigte Arbeiterpartei. Hoffmann und Campe, Hamburg 1969.
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Sozialismuskritik aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar. |