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Tamerlan

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Der Titel dieses Artikels ist mehrdeutig. Weitere Bedeutungen sind unter Tamerlan (Begriffsklärung) bzw. Timur (Begriffsklärung) aufgeführt.
Datei:Timur reconstruction02.jpg
Tamerlan. Forensische Gesichtsrekonstruktion von Michail Gerasimow 1941.

Timur (eigentlich Temür) ibn Taraghai Barlas (persisch تیمور, Tīmūr, von mitteltürkisch Temür – „das Eisen“; in der abendländischen Geschichtsschreibung besser bekannt als Tamerlan bzw. Timur Lenk (von persisch Timur-i Lang – „Timur der Lahme“)[1]; geb. 8. April 1336 in Kesh, heute Shaxrisabz; gest. 19. Februar 1405 in Schymkent) war ein zentralasiatischer Eroberer am Ende des 14. Jahrhunderts und Gründer der Timuriden-Dynastie in Persien und Transoxanien.

Aufgewachsen in der nomadischen Stammeskonföderation des Tschagatai-Chanats, strebte er die Wiederherstellung des Mongolischen Reiches an. Timurs Herrschaft war gezeichnet durch Brutalität und Tyrannei. Gleichzeitig ist er aber auch als großzügiger Kunst- und Literaturförderer bekannt.

Leben

Name

Timur wird in einigen persischen Quellen pejorativ als Timur-i Lang (تیمور لنگ – „Timur der Gelähmte“) bezeichnet. Aufgrund einer Verwachsung an der rechten Kniescheibe (Knochentuberkulose lt. sowj. Forschern) war er von einer Lähmung des rechten Beines betroffen, dazu kam eine Verwachsung an der rechten Schulter, des Weiteren hatte ein Pfeilschuss die Beweglichkeit der rechten Hand eingeschränkt, wie sowjetische Wissenschaftler bei einer Untersuchung des Skelettes im Jahre 1941 bestätigten. „Timur der Lahme“ wurde in Europa zu dem hier gebräuchlichen Namen Tamerlan verkürzt. Selbst bezeichnete er sich als gurkāni,[2][3] als „Schwiegersohn“, und deutete somit auf seine Heirat in die Familie Dschingis Khans, um so seine Herrschaftsansprüche weiter zu untermauern.

Herkunft und Aufstieg

Das Reich Timurs

Timur entstammte dem im 13. Jahrhundert in Transoxanien eingewanderten mongolischen Nomadenstamm der Barlas,[4][5][6] welcher jedoch mit der Zeit eine Turksprache angenommen hatte und von den türkischen Nomaden Zentralasiens nicht mehr zu unterscheiden war. [7][8] Der Stamm der Barlas teilte sich in mehrere Zweige auf und Timurs Vater Taragai beherrschte als Stammesfürst[9] die Gegend um Kesch und das Tal des Flusses Kaschkadarja. Die Barlas führten ihre Abstammung auf Qarchar Barlas zurück, einen militärischen Führer in Tschagatais Armee,[6] und über diesen – wie einst auch Dschingis Khan – auf einen legendären mongolischen Kriegsherren mit dem Namen Bodon'ar Mungqaq.[5] Die Kindheit Timurs liegt weitgehend im Dunkeln und wurde später nach seinem Aufstieg stark mythologisiert. Es ist bekannt, dass seine Mutter Tikina-Chatun sehr früh starb und dass er drei Brüder und zwei Schwestern hatte.

Als Heranwachsender trat Timur in die Dienste des Qaraunas-Emirs Kazagan (1346–1357), eine damals durchaus übliche Laufbahn für Kinder aus dem niederen Adel, und er verblieb dort mehrere Jahre. Er nahm auch nach der Ermordung Kazagans durch einen Rivalen an den Bürger- und Stammeskriegen in Transoxanien aktiv teil und versuchte durch etliche Intrigen und ständigen Positionenwechsel zwischen dem 1360 in diese Gegend eingefallenen Mongolenherrscher Tughluq Timur († 1363) und Haddschi Barlas, seinem Onkel, der den Widerstand gegen die Mongolen anführte, seine Machtbasis zu erhalten. 1361 fiel Tughluq Timur noch einmal in Transoxanien ein. Haddschi Barlas floh und kam auf ungeklärte Art und Weise um. Timur, der sich als Erster der Macht des Mongolenfürsten unterwarf, erhielt von ihm einen Beraterposten bei seinem Sohn und neuem Herrscher von ganz Transoxanien Ilias Hodscha. Timur hatte versucht, die Macht an sich zu reißen, jedoch überschätzte er seine Popularität und sein Auflehnungsversuch wurde im Keime erstickt. Er musste fliehen und fand bei seinem Schwager Husain, dem Enkel Kazagans, einen Unterschlupf. Da aber Hussain auch über keine ausreichende Machtbasis verfügte, zogen die beiden in Begleitung weniger Soldaten in der Gegend umher, bevor sie sich entschlossen, in Choresm um Hilfe zu ersuchen. Auf dem Weg dorthin wurde ihre Abteilung in einer Schlacht fast vollständig aufgerieben und Timur in der Nähe der Stadt Merw gefangen genommen. Bald war er wieder frei und sammelte um sich einen Haufen Abenteurer und Söldner, die zum Schrecken Transoxaniens wurden.

1363 gelang es Timur und Husain, die Truppen des Ilias Hodscha zu schlagen und in die Stadt Kesch einzuziehen. Im gleichen Jahr besiegten sie den mittlerweile zum Khan aufgestiegenen Ilias Hodscha erneut. Er floh in sein östliches Stammland Mogulistan. Timur, der selbst keine Legitimation besaß, musste akzeptieren, dass von den versammelten Adeligen ein Nachfahre Dschingis Khans namens Kabul Khan zum obersten Herrscher Transoxaniens gewählt wurde.

Zwei Jahre später wurden die transoxanischen Truppen vom wiedererstarkten Ilias Hodscha in einer Schlacht in der Nähe Taschkents vernichtend geschlagen. Die Mongolen besetzten große Gebiete und belagerten erfolglos Samarkand. Ilias Hodscha wurde wenig später von einem Rivalen umgebracht und die Mongolen zogen sich zurück. Jedoch sah Timur sich starker Rivalität seines Schwagers Husain ausgesetzt, der jetzt die Macht übernahm und musste wiederum das unstete Leben eines Flüchtlings führen. Nach mehreren Scharmützeln und kleinen Auseinandersetzungen gelang es Timur, eine starke Armee aufzustellen. Er besetzte Baktrien und zog den Herrscher von Badachschan auf seine Seite. Kurz darauf stand seine Armee vor den Mauern von Balch. Husain, von seinen Getreuen verlassen, unterwarf sich und ging als Pilger nach Mekka. Auf dem Weg dorthin wurde er - mutmaßlich auf Befehl Timurs - umgebracht. Am 10. April 1370 rief Timur sich zum Herrscher ganz Transoxaniens aus und nahm den Titel eines Emirs an.

Merkmale seiner Herrschaft

Timur heiratete in das Haus Tschagatais, d. h. die Familie Dschingis Khans ein und wollte allem Anschein nach dessen Reich unter dem Vorzeichen des Islams erneuern. Das hinderte ihn aber nicht daran, die Muslime massakrieren zu lassen oder gegen die Herrschaften der Dschingisiden vorzugehen. Dieser scheinbare Widerspruch wird erklärbar vor dem Hintergrund seiner Heimat: Der Respekt vor der mongolischen Tradition war ungebrochen und ein Maßstab der Politik, selbst wenn dem mongolischen Recht längst das islamische Recht gegenüberstand und die Dschingisidenprinzen selten besondere Persönlichkeiten darstellten. Ein Khan wurde Timur Lenk daher nie, er hatte stattdessen zwei Khane aus dem Haus Tschagatai zu seiner Legitimation eingesetzt. Als „Emir“ beanspruchte er allerdings aufgrund der Heirat mit Sarai Mulk den Titel Gurgani (benutzt im Sinne von „Königlicher Schwiegersohn“, mongolisch: güregen – „Schwiegersohn“).

Der Herrscher versuchte sowohl der traditionellen Lebensweise der Nomaden als auch der Stadtkultur gerecht zu werden. Das lag schon allein darin begründet, dass sich seine Macht sowohl auf turkomongolische, als auch in zunehmendem Maße auf iranische Truppenverbände (besonders aus Chorasan), stützte, und eine persisch geprägte Verwaltung. Er vollendete die Islamisierung der in Zentralasien eingewanderten Mongolen, die allerdings schon unter Tarmaschirin ihren Höhepunkt erlebt hatte. In der Theorie galt in seinem Reich die mongolische Jassa, in der Praxis eher die Scharia, das islamische Gesetz. Persönlich war er von einer volkstümlichen Frömmigkeit, die sich damals in Derwischorden und Qalandaren niederschlug, und wurde zu Füßen eines Derwischs begraben. Er gilt als Sunnit, aber das Verhältnis ist widersprüchlich, denn in Syrien trat er als Schirmherr der Schia auf. Er hielt an turkomongolischen Traditionen fest, auch wenn sie mit der Scharia im Widerspruch standen.

Datei:Emir Timur statue - Samarkand.jpg
Timur-Denkmal in Samarkand

Der Emir schuf eines der größten und kurzlebigsten Reiche, die jemals in Mittelasien existierten. Dabei erlangte er den Ruf eines skrupellosen Eroberers, der die Bevölkerung in den eroberten Gebieten und Städten zu hunderttausenden ermorden (u. a. in Indien und Georgien) und Aufstände gnadenlos unterdrücken ließ. Beispielsweise wurden bei der Eroberung von Isfahan 1387 laut Hafiz-i Abru 28 Schädeltürme auf einer Stadtseite gezählt, sodass man durchaus von einer Zahl von 70.000 Toten ausgehen kann. In der Stadt Isfizar ließ er z. B. 2000 Menschen lebendig einmauern.

Trotz seiner die Mongolen übertreffenden Bestialität gibt es ein gewisses System: Die Spitzen der städtischen Aristokratie wurden für gewöhnlich verschont, die Geistlichkeit sowieso, man verzeichnet Verhandlungen um Freikaufpreise, Tributeintreibungen und (seltener) sogar Requisitionsscheine. Timur hatte offensichtlich die Absicht, das im 13./14. Jahrhundert versunkene wirtschaftliche und kulturelle Niveau Transoxaniens durch eine Flut von erbeuteten Tieren, Waffen, Lebensmitteln, Gebrauchsgütern, Theologen, Gelehrten und Handwerkern zu heben.

Den Zerstörungen seiner Soldaten steht sein Städtebau gegenüber, allerdings beschränkt auf einige wenige transoxanische Städte, und eine gelegentliche Wiederherstellung zerstörter Bewässerungsanlagen. Wirtschaftliche Planungen lassen sich aber nicht erkennen. Das „Zentrum der Welt“ – seiner Welt: Samarkand, Buchara, Kesh – wurde prachtvoll ausgebaut. In Mittelasien entstand in der Folge ein eigener (der timuridischer) Architekturstil (Gur-e Amir, Bibi Chanum-Moschee usw.). Persien (Chorasan) war für ihn dabei offenbar Inbegriff aller Kultur, der persische Geschmack war vorherrschend. Die Hauptstadt war Samarkand im heutigen Usbekistan. Dort empfing er unter anderem eine spanische Gesandtschaft unter Clavijo und Gesandtschaften mit Ming-China, letzteres, um sich in seinen unablässigen Kämpfen den Rücken freizuhalten.

Statue Timurs in Shaxrisabz, Usbekistan

Überblick der Eroberungen

Seit 1380 begann er die Eroberung des Südens von Chorasan, Mittel- und West-Persiens und des Iraks, wobei lokale Dynastien wie die Kartiden, Sarbadaren, Muzaffariden und Dschalairiden beseitigt wurden. Bereits 1394 kontrollierte Timur ein Gebiet, das sich über Teile des heutigen Iraks (mit Bagdad), Iran (das damalige Persien), Aserbaidschan, Usbekistan, Armenien und Georgien erstreckte. Im Osten erreichten seine Truppen über das restliche Tschagatai-Gebiet in Moghulistan die Grenze zur Mongolei (ca. 1389).

In den Jahren 1391 und 1395 errang Timur entscheidende Siege über die Mongolen, deren Reich danach unaufhaltsam zerfiel. 1398 eroberte er Delhi, 1401 fielen Damaskus sowie Bagdad in seine Hände. Am 20. Juli 1402 fügte er – zu dem Zeitpunkt schon fast blind – dem osmanischen Heer unter Sultan Bayezid I. in der Schlacht bei Ankara (Angora) eine der schwersten Niederlagen in dessen Geschichte zu. Tausende von Soldaten waren verdurstet, noch ehe sie das Schlachtfeld erreichten, weil Tamerlans Soldaten alle Brunnen weit und breit zerstört hatten. Die tatarischen Truppen des Sultans liefen zu den Mongolen über. Die Truppen des hinkenden Herrschers waren den osmanischen um das (angeblich) Siebenfache überlegen (etwa 120.000 Mann). Nach beinahe zwanzigstündigem Kampf gaben auch die serbischen Truppen des Sultans auf und flohen (etwa 10.000 Serben unter Stefan Lazarević). Bayezid wurde gefangen genommen; Timur dadurch auch in Europa „berühmt“. Bayezid starb in mongolischer Gefangenschaft. Der Emir verließ jedoch bald Anatolien ohne auf Konstantinopel vorzustoßen. Die Gründe für diese Entscheidung sind nicht bekannt. Die Osmanen mussten nicht mehr mit einem übermächtigen Feind rechnen und setzten ihre Eroberungsfeldzüge fort.[1]

Timur und die Goldene Horde

Der Konflikt mit der Goldenen Horde unter Toktamisch prägte während vieler Jahre die Politik Timurs und stellte für diesen eine ernst zu nehmende Herausforderung dar. Toktamisch erschien zum ersten Mal in Samarkand 1376, jedoch nicht als Gegner, sondern als Bittsteller. Da seine Thronambitionen von Urus Khan vereitelt wurden, suchte Toktamisch Timur auf, ihm zu seinem Erbe zu verhelfen. Toktamisch bekam sehr schnell die von ihm erbetenen Truppen und griff die Goldene Horde an, wurde jedoch von Urus Khan vertrieben. Dann nahm Timur den Kampf selbst auf und ging im Winter 1376/1377 gegen Urus Khan mit großem Erfolg vor. Urus Khan wurde in einer Schlacht irgendwo bei Otrar vernichtend geschlagen und verstarb bald darauf. Somit gewann Toktamisch die Macht in der Goldenen Horde nur dank der tatkräftigen Unterstützung Timurs.

Zehn Jahre später, 1387, erschien Toktamisch mit einem starken Heer an der Grenze zu Transoxanien. Da Timur sich zu diesem Zeitpunkt in Karabach befand und auf einen Überfall nicht vorbereitet war, hatte er kaum Truppen, um Toktamisch aufzuhalten. Sein Sohn, Miran Schah, kam ihm jedoch rechtzeitig zur Hilfe und Toktamischs Truppen wurden vernichtend geschlagen. Timur befahl, entgegen den Gepflogenheiten der Zeit, die Gefangenen zu schonen und sie in ihre Heimat zu entlassen. Damit wollte er der Goldenen Horde zeigen, dass er kein Feind der Tschingisiden war.

Toktamisch ließ aber nicht locker. Bereits im Winter 1388/1389 erschien sein Heer, das in sich die ganze Völkervielfalt der Goldenen Horde vereinigte (darunter sogar Kaukasier, Russen und Bulgaren), wieder an den Grenzen von Timurs Reich. Im Januar 1389 kam es zur Entscheidungsschlacht in der Nähe von Chodschent. Die mit äußerster Härte geführte Schlacht wurde durch das unerwartete Eingreifen eines der Söhne Timurs, Omar Scheichs, entschieden, der die Nachhut des Gegners aufrieb und ihn in Panik versetzte. Die Truppen Toktamischs flohen und zerstreuten sich in alle Himmelsrichtungen.

Dieser Überfall zeigte Timur, dass er die Bedrohung durch seinen früheren Schützling ernst nehmen musste. Er konnte nicht mehr gefahrlos seine Macht in Iran und Afghanistan konsolidieren, da er mit ständigen Überfällen durch Toktamisch während seiner Abwesenheit rechnen musste. Um diese Bedrohung ein für allemal zu beseitigen, zog Timur im Jahr 1391 gegen Toktamisch. Er beschloss, die Steppengebiete so schnell wie möglich zu überqueren und seinen Gegner zu einer Entscheidungsschlacht zu zwingen. Ganze drei Monate bewegte sich sein Heer durch die Weiten der kasachischen Steppe, immer bestrebt, die Spuren der Nomaden zu finden. Bei Tobolsk wandt sich das Heer nach Nordwesten. In dieser Gegend, die im heutigen Sibirien liegt, wurden die Armeen aus Mittelasien zum ersten Mal mit dem Polartag konfrontiert, so dass die Mullahs das Abendgebet vorübergehend aussetzten. Nach fast viermonatiger Suche gelang es Timurs Sohn Omar Scheich, den Feind in der Nähe des Flusses Kondurtscha westlich des Urals zum Kampf zu stellen. Timurs Hauptstreitmacht erschien wenige Stunden, nachdem der Kampf begonnen hatte. Die Schlacht dauerte mit mehreren Unterbrechungen drei Tage lang, vom 18. bis 21. Juni 1391, und endete mit vollständiger Niederlage Toktamischs, der vom Schlachtfeld floh.

Jedoch erwies sich Toktamisch als ein zäher Gegner. Unterstützt vom Moskauer Fürsten Wassili erschien Toktamisch 1395 im Nordkaukasus, wo Timurs Truppen georgische Fürsten zu unterwerfen suchten. Toktamischs versuchte, die erst vor kurzem von Timur eroberten Gebiete von Aserbaidschan auf seine Seite zu ziehen und sich dadurch eine Operationsbasis zu schaffen, von wo aus er in Verbindung mit Mamluken treten wollte. Nachdem er angefangen hatte, Schirwan zu belagern, floh Toktamisch, sobald er von Timurs Herannahen hörte, und stellte sich am 15. April 1395 nördlich des Flusses Terek zur Schlacht. Die Schlacht war blutig, den Nomaden gelang es, Timur zu umzingeln, der sich selbst verteidigen musste und nur durch seine Leibgarde, die fast ausnahmslos im Kampf umkam, gerettet wurde. Toktamisch verlor die Schlacht und mit ihr endgültig seine Vormacht in der Goldenen Horde. Er floh nach Litauen. Timurs Truppen plünderten im Wolgadelta und zerstörten Sarai, die Hauptstadt der Goldenen Horde.

Als ein letztes Problem sah Timur seine Vasallen-Stellung gegenüber dem Kaiserreich China der Ming-Dynastie, dem er eine Zeit lang Tribut hatte zahlen müssen. 1405 brach er mitten im Winter zum Feldzug nach China auf, starb aber in der Nähe des heutigen Schymkent in Kasachstan nach einem mehrtägigen Alkoholexzess. Er wurde in Samarkand bestattet, sein Mausoleum Gur-e Amir ist eines der bedeutendsten Architekturdenkmäler dieser Zeit. Es wurde unter Muḥammad Sultān Mirzā, dem Sohn von Jahāngīr Mirzā, also einem Enkel von Timur erbaut[10]. Sein Reich zerfiel bald infolge von Nachfolgestreitigkeiten.

Verwaltung

Timur hinterließ außerhalb seines Kernlandes keine geregelte Verwaltung. Er setzte einige seiner Nachkommen als Fürsten in Persien und Mittelasien ein, beließ aber die Gebiete in Südrussland und Moghulistan bei mongolischen Prinzen und machte auch keine Anstalten zur Verwaltung des Vorderen Orients. Die Statthalterposten im Kernland, d. h. in Iran und Transoxanien waren uneinheitlich bemessen und organisiert. So gab es große und kleine Statthalterschaften, erblich oder auch nur auf Zeit verliehen, steuerbefreit oder auch nicht. Die Organisation ließ dem Herrscher auch weitreichende Eingriffsmöglichkeiten offen, z. B. indem den Statthaltern nur kleine Kontingente der jeweils ausgehobenen Truppen unterstellt wurden. Kurz: die Qualität der Verwaltung war ausbaufähig, aber als Ersatz für derartige Maßnahmen diente ihm die Furcht vor dem massiven Terror, mit dem die Unterworfenen im Falle einer Auflehnung zu rechnen hatten.

Bauten

In Samarkand ließ Timur zahlreiche Bauwerke errichten. Die Freitagsmoschee (sangīn) in der Nähe des eisernen Tores wurde von Steinmetzen aus Indien gestaltet. Über dem Eingang wurde ein Spruch aus dem Quran eingemeißelt (i, 24). Der vierstöckigen Kiösk, Gūk Sarāī lag in der Zitadelle[11]. Hier wurden später die erfolglosen Thronprätendenden aus dem Geschlecht Timurs hingerichtet [12].

Timur ließ auch mehrere Gärten anlegen, den Bāgh-i-bulandī im Osten der Stadt, den Bāgh-i-dilkuschā, der durch eine Allee von weißen Platanen mit dem Türkistor verbunden war, den Naqsch-i-jahān am Rand von Kohik, oberhalb des Qara-Su, den Bāgh-i-chanār südlich der Stadtmauer, den Bāgh-i-schamāl im Norden sowie den Bāgh-i-bibischt. Der Naqsch-i-jahān war zu Baburs Zeiten bereits zerstört[13].

Wertung

Timur der Eroberer war in erster Linie ein zentralasiatischer Militärführer und selbst für damalige Maßstäbe ein grausamer Zerstörer, aber nicht ohne kulturelle Interessen und geistige Bildung. Er konnte weder lesen noch schreiben, beherrschte aber die osttürkische und die persische Sprache und bediente sich beider, pflegte auch den Umgang mit Vertretern des geistigen Lebens; so gab es z. B. Gespräche mit Ibn Chaldun. Eine längerfristig orientierte Verwaltung schien ihm nicht wichtig gewesen zu sein. Daraus resultierte die Schwäche seiner Dynastie: Die Herrschaft war eine private Verfügungsgewalt und konnte auf militärischem Wege angefochten werden, was gleich nach seinem Tod passierte.

Sämtliche Bemühungen Timurs hoben das Niveau Transoxaniens nur einige Generationen hindurch, denn letztlich wogen die Zerstörungen der Nachbarländer schwerer und hatten zur Folge, dass das Europa der Renaissance mit der islamischen Welt gleichzog. Konstantinopel bekam eine Atempause vor der osmanischen Eroberung, und Moskau wurde durch Toktamischs Niederlage mittelfristig vom Druck der Goldenen Horde befreit. Die Denk- und Lebensweise der Nomaden übte einen erneuerten Einfluss im Iran aus, wie man an der mangelhaften Staatsorganisation der Turkmenen im Verlauf des 15. Jahrhunderts sehen kann. Trotzdem war die von Timur begründete Dynastie der Timuriden nicht glanzlos: sie verzeichnete Persönlichkeiten wie den sog. „Astronomenprinz“ Ulugh Beg († 1449) und herrschte bis Anfang des 16. Jahrhunderts in Transoxanien (bis 1500/01) und Chorasan (bis 1507). Timurs Urenkel Zahir ad-Din Muhammad Babur gründete 1526 das Mogulreich in Indien.

Rezeption

Timur diente zur historischen Legitimation unterschiedlicher Herrscher. Er gilt trotz aller Verbrechen und trotz seines eingeschränkten politischen Weitblicks im heutigen Usbekistan als eine Art Nationalheld.

Timur ist immer wieder literarisches oder musikalisches Sujet gewesen: Christopher Marlowe schrieb um 1587 das Drama Tamburlaine, The Great.[14] Eine seiner Vorlagen war wahrscheinlich Perondinos Vita Magni Tamerlanis (Florenz 1551). Der Erfolg des ersten Teils von Tamburlaine war so groß, dass eiligst eine Fortsetzung (Teil II) geschrieben und bereits 1587 produziert und in London aufgeführt wurde.

Georg Friedrich Händel schrieb die dramatische Oper Tamerlano, das Libretto stammte von Nicola Francesco Haym. Rudolf Nelson schuf die Musik und Kurt Tucholsky den Text zu einem gleichnamigen Kabarett-Song („Mir ist heut so nach Tamerlan zu Mut – ein kleines bisschen Tamerlan wär gut“).

Nach dem Besuch des Mausoleums Gur-e Amir in Samarkand schrieb der polnische Dichter Władysław Broniewski das Antikriegsgedicht Grób Tamerlana („Tamerlans Grab“, 1942).

Literatur

Weblinks

 Commons: Timur – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Gerhard Herm: Der Balkan. Das Pulverfaß Europas. Düsseldorf, Wien, New York, Moskau: Econ, 1993; ISBN 978-3-430-14445-2; S. 164.
  2. Sharaf ud-Dīn Alī Yazdī: Zafarnāma (zeitgenössische Biografie; Im Auftrag von Timur entstanden), 14. Jht.
  3. „gurkāni“ – گوركانى – ist die iranisierte Form des ursprünglich mongolischen Wortes kürügän und bedeutet „Schwiegersohn“. Der Titel ist als „fu ma“ und mit derselben Bedeutung im Chinesischen attestiert und wurde von mongolischen Fürsten getragen, die mit einer Nachkommin Dschingis Khans verheiratet waren.
  4. B. F. Manz: Artikel Tīmūr Lang; in: Encyclopaedia of Islam, digitale Edition, 2006
  5. 5,0 5,1 Die Geheime Geschichte der Mongolen; ins Englische übersetzt von I. De Rachewiltz, Kapitel 1, Bezug auf den Stammesnamen „Barlas“ [„Birlas“]; Brill Inner Asian Library, 2004.
  6. 6,0 6,1 B. F. Manz: The rise and rule of Tamerlan; Cambridge University Press, Cambridge 1989, S. 28: „We know definitely that the leading clan of the Barlas tribe traced its origin to Qarchar Barlas, head of one of Chaghadai’s regiments […] These then were the most prominent members of the Ulus Chaghadai: the old Mongolian tribes – Barlas, Arlat, Soldus and Jalayir“.
  7. Aufgrund ihrer Assimilierung durch die türkischen Steppennomaden Turkistans werden die „Barlas“ in der Literatur auch manchmal als „Barlas-Türken“ bezeichnet.
  8. Monika Gronke: Timur und seine Nachfolger; in: Geschichte Irans; München 2003; S. 60
  9. Mme. Mahin Hajianpur: Das Timuridenreich und die Eroberung von Mawarannar durch die Usbeken; in: Fischer Weltgeschichte, Band 16, Zentralasien; S. 162: „Sein Vater Taraghai war ein türkischer Emir vom Clan der Barlas“.
  10. Annette Susanne Beveridge, Babur-nama (Memoirs of Babur). Translated from the original Turki text of Zahiru'd-din Muhammad Babur Padsha Ghazo. Delhi 1921 (Reprint Low Price Publications 1989 in einem Band, ISBN 81-85395-07-1), 78)
  11. Annette Susanne Beveridge, Babur-nama (Memoirs of Babur). Translated from the original Turki text of Zahiru'd-din Muhammad Babur Padsha Ghazo. Delhi 1921 (Reprint Low Price Publications 1989 in einem Band, ISBN 81-85395-07-1), 77)
  12. Annette Susanne Beveridge, Babur-nama (Memoirs of Babur). Translated from the original Turki text of Zahiru'd-din Muhammad Babur Padsha Ghazo. Delhi 1921 (Reprint Low Price Publications 1989 in einem Band, ISBN 81-85395-07-1), Anm. p. 63)
  13. Annette Susanne Beveridge, Babur-nama (Memoirs of Babur). Translated from the original Turki text of Zahiru'd-din Muhammad Babur Padsha Ghazo. Delhi 1921 (Reprint Low Price Publications 1989 in einem Band, ISBN 81-85395-07-1), 78)
  14. http://www2.prestel.co.uk/rey/tam1.htm
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