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Trauung per Stellvertreter

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Eine Trauung per Stellvertreter ist eine Eheschließung, die formgültig vollzogen wird, obwohl einer der Brautleute bei der Trauung nicht persönlich zugegen ist. Ein Stellvertreter des abwesenden Partners gibt dabei per procurationem (kraft Vollmacht) in dessen Namen und Auftrag das Jawort ab, mit dem die Ehe zwischen dem abwesenden und dem anwesenden Partner als geschlossen gilt.

Andere Bezeichnungen für diese Art des Eheschlusses sind die Stellvertreterhochzeit oder Handschuhehe. Letztere Bezeichnung deutet auf die früher übliche Überreichung eines Handschuhs als Sinnzeichen der Botenbeauftragung hin. Als Stellvertreter konnte ein Ehevormund, Bevollmächtigter, Bote oder Diplomat auftreten.

Die Stellvertretung bei der Eheschließung war historisch vor allem in Adelskreisen weit verbreitet und ist heute noch in einigen Rechtsordnungen möglich, auch innerhalb Europas. In den deutschsprachigen Ländern ist für die Eheschließung als personenrechtlichem Rechtsgeschäft heute jedoch überall die höchstpersönliche Mitwirkung erforderlich und eine Stellvertretertrauung daher ausgeschlossen.

Mit der so genannten Stahlhelmtrauung gab es während des Zweiten Weltkriegs auch in Deutschland die Möglichkeit einer Ferntrauung, bei der die persönliche Gegenwart des Soldaten (Bräutigam) nicht notwendig war, sondern eine von seinem Vorgesetzten beglaubigte schriftliche Erklärung ausreichte.

Geschichte

Politische Allianzen wurden durch Heiraten zwischen den herrschenden Familien geschlossen. War solch eine Allianz vereinbart, so konnte es aber durchaus eine Weile dauern, bis die Braut auf die Reise zu ihrem oftmals in einem fernen Land lebenden Bräutigam geschickt wurde. Dabei war nicht nur die reine Reisezeit zu bedenken, die bei den damals notorisch schlechten Straßenverbindungen schon lange genug war. Prinzessinnen konnten auch nur mit einem standesgemäßen Gefolge reisen, das schon mal mehrere hundert Personen umfassen konnte, so dass eine solche Reise auch eine logistische Herausforderung darstellte, deren Planung Zeit in Anspruch nahm. Diese Reise endete erst mit der feierlichen Übergabe der Braut an der Landesgrenze des Landes des Bräutigams (der rémise).

Wollte man die politische Allianz schon befestigen, bevor sich Braut und Bräutigam persönlich gegenüberstanden (oft zum ersten Mal in ihrem Leben), feierte man eine Stellvertreterhochzeit.

Anne de Bretagne, Ausschnitt aus einem Gemälde von Jean Bourdichon

So wurde z. B. 1490 die 13-jährige Anna von Bretagne dem deutschen Kronprinzen Maximilian angetraut. Dabei entblößte sein Gesandter, Wolfgang von Polheim, in Gegenwart des gesamten bretonischen Hofes sein Bein bis zu dem Knie und schob es in das Bett der schlafenden Prinzessin. Damit galt die Ehe auch als vollzogen.[1] Diese wurde später mit päpstlichem Dispens aus dynastischen Gründen für ungültig erklärt.

Ein weiteres jüngeres Beispiel zeigt, dass diese Praxis - wenn auch weniger spektakulär - auch im ausgehenden 17. Jahrhundert noch üblich war. Herzog Johann II. von Jülich und Berg gedachte nach dem Tode seiner ersten Frau, Erzherzogin Maria Anna Josepha († 1687), sich neu zu vermählen. Daher schickte er 1691 den Freiherrn von Wachtendonk nach Florenz zur Brautwerbung. Dort sollte dieser die Tochter des Großherzogs der Toskana, Cosimo III. de’ Medici, Anna Maria Luisa de’ Medici, für ihn werben. Nachdem die Werbung Erfolg hatte, vertrat ihr Bruder, der Erbprinz Ferdinando de’ Medici, am 29. April 1691 den Bräutigam bei der vorläufigen Hochzeit in Florenz, die am 5. Juni 1691 in Ulm an der Donau mit der regelrechten Hochzeit abgeschlossen wurde.[2]

Die Handschuhehe war noch im Europa des 18. Jahrhunderts weithin zulässig. Sie war im Adelsstand und insbesondere am Hofe der Habsburger in Wien und Madrid gebräuchlich. Allerdings konnte eine auf diese Weise geschlossene Ehe nach kirchlichem Recht bis zu ihrem Vollzug (Geschlechtsverkehr der Ehegatten) annulliert werden.

Marie Antoinette beim Spinett-Spiel, gemalt von Franz Xaver Wagenschön, kurz vor ihrer Heirat 1770

Ein weiteres prominentes Beispiel ist der Eheschluss von Marie Antoinette und dem späteren Ludwig XVI. am 19. April 1770 in der Augustinerkirche in Wien, bei der der französische Thronfolger durch ihren Bruder, in diesem Fall Erzherzog Ferdinand vertreten wurde.[3]

Nach der Reise nach Frankreich fand erst am 16. Mai die eigentliche Vermählung von Marie Antoinette und dem Dauphin Louis Auguste, dem späteren Ludwig XVI. in der Schlosskapelle von Versailles durch den Erzbischof von Reims statt.[4]

Am Hof der Habsburger in Wien hatte sich daher für die Handschuhehe eine skurrile Prozedur entwickelt. Braut und Stellvertreter des Bräutigams (es gab auch Hochzeiten, bei denen sich die Braut vertreten ließ; dies kam allerdings seltener vor) stiegen voll bekleidet vor der versammelten Hofgesellschaft in ein prächtig geschmücktes Bett und entblößten jeweils ein Bein; dies galt als symbolischer Vollzug der Ehe.

Situation heute

Heute müssen nach den meisten Rechtsordnungen der Welt die Verlobten persönlich zur Heirat erscheinen; die so genannte Handschuhehe ist im Geltungsbereich dieser Rechtsordnungen daher unzulässig. Dies gilt gemäß § 1311 Satz 1 BGB auch im Geltungsbereich des deutschen Rechts[5]; immerhin hatte der historische Gesetzgeber des BGB die Zulassung der Handschuhehe Ende des 19. Jahrhunderts allerdings erwogen (Prot. IV 51 f.). Dem Verbot der Handschuhehe liegt die Idee zugrunde, dass die Ehe ein höchstpersönliches Rechtsgeschäft ist. Manche andere Rechtsordnungen lassen die Handschuhehe hingegen zu;

  1. gemäß der unten als erstes genannten Fallgruppe ist die Handschuhehe zulässig nach dem Recht Italiens, Kolumbiens, Mazedoniens, Mexikos,[6] der Niederlande im Falle der Ministererlaubnis, Polens, Portugals, Spaniens und diverser US-amerikanischer Bundesstaaten;
  2. gemäß der unten als zweites genannten Fallgruppe ist die Handschuhehe zulässig nach dem Recht einiger islamischer Staaten.

In Fällen grenzüberschreitender Eheschließungen (d.h. zumindest einer der Ehegatten gehört einem Staat an oder hat seinen Wohnsitz in einem Staat, der nicht identisch ist mit demjenigen Staat, in dem sich der Ort des Eheschlusses befindet) gilt:

Welche Rechtsordnung bei der Beantwortung der Frage über die Zulässigkeit der Handschuhehe zur Anwendung kommt, entscheidet sich nach dem sog. Internationalen Privatrecht desjenigen Staates, dessen Gericht um Beantwortung angerufen wird. Nach dem Internationalen Privatrecht Deutschlands - Art. 11 Abs. 3 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) - ist die Rechtsordnung desjenigen Staates anzuwenden, in dem sich der Bote oder der Vertreter zum Zeitpunkt des Eheschlusses befindet. Zudem haben die Gerichte stets den sog. ordre public desjenigen Staates zu beachten, in dem sich ihr Sitz befindet (siehe unten, zweite Fallgruppe). Der ordre public sind die rechtlichen Mindestanforderungen, die ein jeder Staat an die Anerkennung ausländischer Rechtsakte stellt; die Anforderungen können, je nach den Grundwertungen seiner Rechtsordnung, unterschiedlich ausfallen.

Bei der Handschuhehe sind danach zwei Fallgruppen zu unterscheiden:

  1. Bei der ersten Fallgruppe haben der Bote bzw. der Vertreter keinerlei Entscheidungsspielraum (Vertreter mit „festgelegter Marschroute“). Sie überbringen lediglich die Erklärung des Eheschließenden bzw. vertreten den Eheschließenden nach dessen Weisungen. Für den Fall, dass eine solche Ehe nach der gemäß dem Internationalen Privatrecht anwendbaren Rechtsordnung wirksam zustande gekommen ist (s.o. die unter Ziff. 1 und 2 genannten Staaten), ist sie auch vor deutschen Gerichten als wirksam anzusehen.
  2. Bei der zweiten Fallgruppe wird dem Vertreter sogar die Auswahl des Ehepartners ermöglicht („Vertretung im Willen“). Nutzt ein Vertreter eine solche rechtliche Möglichkeit tatsächlich aus und würde diese Ehe nach der gemäß dem Internationalen Privatrecht anwendbaren Rechtsordnung wirksam sein (s.o. die unter Ziff. 2 genannten Staaten), wäre sie jedenfalls im deutschen Rechtsraum dennoch als unwirksam anzusehen, weil sie mit dem ordre public Deutschlands nicht vereinbar ist (Art. 6 EGBGB). Der Grund für die Annahme des ordre-public-Verstoßes wird darin gesehen, dass diese Art der Handschuhehe gegen das aus Art. 2 Abs. 1 GG bzw. Art. 6 Abs. 1 GG resultierende Verbot des Eheschließungszwangs verstößt. Diesem Verbot entspricht es, dass die Ehe nur zwischen Partnern geschlossen werden kann, die sich aufgrund freien Entschlusses und übereinstimmenden Willens selbst gewählt haben. In der Folge ist bei der Frage der Wirksamkeit von Handschuhehen in solchen Ländern stets zu prüfen, ob die Vollmacht zur Eheschließung soweit eingeschränkt und konkretisiert war, dass keine Stellvertretung im Willen mehr vorlag.[7]

Die rechtliche Beurteilung einer Handschuhehe hängt nicht davon ab, ob diese in einem Vertragsstaat des CIEC-Übereinkommens vom 10. September 1964 zur Erleichterung der Eheschließung im Ausland (Deutschland, Griechenland, die Niederlande, Spanien und die Türkei) geschlossen wurde oder nicht. Denn das CIEC-Übereinkommen enthält keinerlei Regelung zur Handschuhehe.

Literatur

  • Jörg von Uthmann: Die Diplomaten. Affären und Staatsaffären von den Pharaonen bis zu den Ostverträgen (= dtv 10926 dtv-Geschichte). Deutscher Taschenbuch-Verlag, München 1988, ISBN 3-423-10926-2, insb. S. 107.

Einzelnachweise

  1. Jörg von Uthmann: Die Diplomaten. 1988, S. 107.
  2. Franz Gruß: Geschichte des Bergischen Landes. Neu bearbeitet von Klaus Herdepe. Vollständig überarbeitete Neuauflage. Bücken Sulzer, Overath u. a. 2007, ISBN 978-3-936405-06-4, S. 247.
  3. historicum.net: Marie Antoinette.
  4. Peter C. Hartmann (Hrsg.): Französische Könige und Kaiser der Neuzeit. Von Ludwig XII. bis Napoleon III. 1498–1870 (= Beck'sche Reihe. Bd. 1724). 2. Auflage. Beck, München 2006, ISBN 3-406-54740-0, S. 276 f.
  5. § 1311 BGB
  6. Die Ehe zwischen Ingrid Bergman und Roberto Rossellini wurde 1950 als Handschuhehe in Mexiko geschlossen, wobei sich beide vertreten ließen. (Aussage Isabella Rosselini in der Dokumentation „Ingrid Bergman – zum Gedenken“ über ihre Mutter Ingrid Bergman auf der DVD Indiskret)
  7. OLG Zweibrücken, Beschluss vom 8. Dezember 2010 - 3 W 175/10.
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