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Ukrainische Literatur

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Die ukrainische Literatur umfasst diejenigen literarischen Werke, die in ukrainischer Sprache geschrieben sind.

Vorgeschichte: Altostslawische Literatur bis 18. Jahrhundert auf dem Boden der heutigen Ukraine

Bereits seit dem 11. Jahrhundert entstanden auf dem Gebiet der Kiewer Rus Chroniken und Heldenepen wie das Igorlied, das mit dem Nibelungenlied verglichen werden kann. Im Wesentlichen bilden sich jedoch erst nach dem Niedergang des Kiewer Reiches im 13. Jahrhundert getrennte Literaturen in russischer, weißrussischer und ukrainischer Sprache heraus. Mit dem „Evangelium von Peresopnycja“ (1556–1561) entstand eine volkstümliche Bibelübersetzung in ukrainisch-weißrussischem Dialekt.

Im Großfürstentum Litauen wurde im 17. Jahrhundert neben dem Polnischen und Litauischen im Süden das Weißrussisch-Ukrainische als Verkehrssprache verwendet, doch die kulturelle und politische Elite polonisierte sich. Die Schulen wurden von kirchlichen Laienbruderschaften geleitet, die die Volksbildung stärker förderten als dies die orthodoxen Priester getan hatten. Mit dem kulturellen (Wieder-)Aufstieg Kiews bildete sich eine ukrainische Barockliteratur heraus, die an den Hof und an die katholische Kirche, namentlich an die jesuitische Scholastik gebunden war. Wichtigster Vertreter war der Philosoph und Dichter Grigorij Skoworoda. Ende des 17. Jahrhunderts wurde dieser Einfluss durch das Kirchenslawische wieder zurückgedrängt. Das Schrifttum jener Zeit umfasste vor allem theologisch-propagandistische Traktate. Eine fest Sprachnorm gab es nicht.[1]

Zar Peter der Große und seine Nachfolger banden die östliche Ukraine und ihre Adelselite enger an Russland und unterdrückten die Verwendung der ukrainischen Sprache, während die Westukraine 1793 von Österreich annektiert wurde.

19. Jahrhundert – Ukrainische Romantik und Realismus

Mit der Entwicklung einer rein ukrainischen Schriftsprache (im Gegensatz zum bis dahin geschriebenen Kirchenslawischen und zum nicht spezifisch ukrainischen Ruthenischen) entstand eine eigenständige ukrainische Literatur vergleichsweise spät. Wegbereiter war der Theaterleiter, Mystiker, Freimaurer, Spieler und Trinker Iwan Kotljarewskyj mit seinem Werk Aeneis (Enejida) 1798, einer volkstümlichen, im Kosakenmilieu angesiedelten Travestie auf das klassische Werk von Vergil. Hryhorij Kwitka-Osnowjanenko (1778–1843) verfasste das Landleben idyllisierender Erzählungen.[2] Auch die deutsche Romantik begann sich für die ukrainische Sprache und die Geschichte der Kosaken zu interessieren: 1845 wurde ein Band ukrainischer Volkslieder von Friedrich Bodenstedt ins Deutsche übersetzt.[3]

Der als Fronbauer geborene Dichter Taras Schewtschenko, der in der Ukraine mehrheitlich als bedeutendste historische und literarische Gestalt verehrt wird, trug maßgeblich zur weiteren Ausbildung der Schriftsprache bei. Gedichte wie Vermächtnis (Sapowit) aus seiner Gedichtsammlung Kobsar, sind bis heute im Bewusstsein aller Generationen und Gesellschaftsschichten tief verankert. Neben Schewtschenko, dem „Kristallisationspunkt“ (Literatur-Brockhaus) der ukrainischen Nationalromantik, die sich sowohl gegen den Zarismus als auch gegen den polnischen Adel richtete, stehen im 19. Jahrhundert Dichter wie Amwrossij Metlynskyj, Nikolai Kostomarow, Markijan Schaschkewytsch sowie der auch in deutscher Sprache schreibende Lyriker Jurij Fedkowytsch.

Themen der seit Mitte des 19. Jahrhunderts einsetzenden realistischen Strömung in der Literatur wurden Leibeigenschaft, Knechtschaft und Unterdrückung der Kleinbauern. Nach der weiteren Verschärfung des Verbots ukrainischer (nunmehr nur noch als „kleinrussisch“ bezeichneter) Literatur auf dem Boden des russischen Zarenreichs, unter dem Schewtschenko als früheres Mitglied der verfolgten Bruderschaft der Heiligen Kyrill und Method zu leiden hatte, und wegen der strengen Zensur ab 1876 konzentrierte sich das kulturelle Leben auf das Staatsgebiet Österreich-Ungarns, zu dem damals die westliche Ukraine (Lemberg, Galizien, Karpaten) gehörte. Die österreichische Verwaltung förderte das ruthenische Bildungswesen. Zu den bedeutendsten Dichtern und Schriftstellern dieser Periode gehören Lesja Ukrajinka und Iwan Franko. Zu nennen sind ferner der Dichter, Prosaist und Übersetzer Ossyp Makowej, der das Leben der galizischen Bauern schilderte, die impressionistische Dichterin und Dramatikerin Lesja Ukrajinka sowie Olha Kobyljanska aus der Bukowina, die zunächst in deutscher, später ukrainischer Sprache schrieb und das dörfliche Leben sowie die Emanzipationsbestrebungen der Frauen schilderte. Da es auch in der Westukraine zu Konflikten mit dem polnischen Landadel und der Intelligenz kam, wurde das kosakophile Wandertheater mit Stücken von Iwan Tobilewytsch und Marko Kropywnyzkyj zu einer Pflegestätte der ukrainischen Sprache.[4] Andere Schriftsteller wanderten nach St. Petersburg und Moskau ab.

In der zum Zarenreich gehörenden Südukraine verfasste Wolodymyr Wynnytschenko naturalistische Erzählungen aus dem Leben des Landproletariats, schilderte dann die Hinwendung der jungen Generation zur sozialistischen Bewegung und schrieb auch Dramen. Unter dem Zarismus mehrfach in Haft, versuchte er als überzeugter Sozialist am Aufbau der neuen ukrainische Republik mitzuwirken, ging aber schon 1920 ins Pariser Exil.

20. Jahrhundert

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die von Polen annektierte Westukraine rasch polonisiert. Eine ukrainische Literatur konnte sich hier nicht entfalten. Die Literatur in der Zentral- und Ostukraine hingegen wurde geprägt von der Sowjetzeit, ihren Chancen und Einschränkungen. Hier wurde seit 1923 die ukrainische Sprache im Rahmen der Korenisazija-Politik wieder gefördert (Ukrainisierung). Es entstand eine literarische Öffentlichkeit; viele Autoren orientierten sich an westeuropäischen Vorbildern, so etwa Dmytro Sahul am Symbolismus. Mykola Kulisch trat als Dramatiker hervor. In Charkow wurde das expressionistische Theater Berezil gegründet. In den frühen 1930er Jahren – der Zeit der Kollektivierung der Landwirtschaft und der Hungersnot – fielen jedoch zahlreiche ukrainische Intellektuelle, darunter etwa 300 Schriftsteller, Stalins Verfolgungen zum Opfer (Rosstriljane widrodschennja). Der ukrainische Schriftstellerverband wurde zugunsten des gesamtsowjetischen liquidiert. Die nächste Generation, die schon unter Stalin aufgewachsen war, beschäftigte sich mit dem Kriegsthema, so vor allem der Stalinpreisträger Oles Hontschar, dessen Texte weit verbreitet und oft übersetzt wurden. Darstellungen der sozialen Gegenwart hatten mit der Zensur zu kämpfen, so etwa der Filmregisseur Oleksandr Dowschenko bei der Schilderung des Verfalls des ukrainischen Dorfes.

In der Westukraine entstand in den 1920er Jahren ein reges literarisches Leben, das sich in sozialistischen (um die Zeitschrift Mytusa) wie in katholischen ukrainischen Dichtergruppen (um die Zeitschrift Novi Schlachy) organisierte. Eine Reihe von Autoren aus der Ostukraine gingen ins Exil in die USA und nach Nachkriegsdeutschland.

In der Tauwetterperiode der späten 1950er Jahre lebte die ukrainische Literatur wieder auf und beschäftigte sich verstärkt mit der historischen und mythischen Vergangenheit der Ukraine. Wichtige Autoren dieser Phase waren Iwan Switlytschnyj und Iwan Dsjuba. Seit den mittleren 1960er Jahren stagnierte die literarische Produktion unter Breschnew, erfuhr aber seit 1980 und in der postsowjetischen Phase eine neue Blütezeit, in der sie wieder an die 1920er und 1930er Jahre anknüpfen konnte.[5] Seit 1989 wurden zahlreiche Autoren, die wegen des Gebrauchs der ukrainische Sprache diskriminiert oder aus politischen Gründen verfolgt worden waren, rehabilitiert, darunter auch der Wolodymyr Wynnytschenko.[6] Zu den intellektuellen Wortführern der Orangenen Revolution gehörte Juri Andruchowytsch.

Seit Mitte der 1990er Jahre wurde der Gebrauch der russischen Sprache im Bildungswesen und in den Medien im Zuge der Ukrainisierungspolitik zurückgedrängt,[7] was auch negative Konsequenzen für die mediale Präsenz russischsprachiger Autoren hatte.

Lyrik

Man kann vier Strömungen unterscheiden, die jeweils in ihrer Zeit betrachtet werden müssen: die Dichter der 1920er und 30er Jahre, wie Wolodymyr Swidsinskyj, Pawlo Tytschyna und Jewhen Pluschnyk; die „Tauwetter“-Periode unter Chruschtschow brachte in den 60er Jahren Lina Kostenko, Mykola Winhranowskyj, Wasyl Stus und Iwan Dratsch hervor. Als „chancenlos“ galt die Dichtergeneration der stagnierenden 70er unter Breschnew, darunter die so genannte Kiewer Schule sowie Ihor Kalynetz und Hryhorij Tschubaj aus Lwiw. In den 80ern sind Dichter wie Wassyl Herassymjuk, Ihor Rymaruk, Oksana Sabuschko und Iwan Malkowytsch (* 1965) (Der weiße Stein 1984) bekannt geworden. Eine besondere Rolle hat die ukrainische Lyrik ausgewanderter Dichter gespielt. Im Speziellen Mykhajlo Orest und Ihor Kaczurowskyj vertraten den Neoklassizismus, jene Richtung, die auch als der „ukrainische Parnaß“ bekannt ist und sich durch das Festhalten an den althergebrachten, klassischen Normen der Dichtkunst auszeichnet. Sie haben viele moderne europäische Strömungen in ihren Werken rezipiert, so zum Beispiel die Surrealistin Emma Andijewska.

Dramatik

Die wichtigsten ukrainischsprachigen Dramen, z. T. mit sozialkritischem Inhalt stammen wohl von Iwan Franko (1856–1916). Ukrainische Gegenwartsdramen spielen auf den meisten Spielplänen eine vergleichsweise geringe Rolle. Zu nennen wären hier beispielsweise die ukrainischsprachigen Farcen von Olexander Bejderman.

Der Dramatiker und Erzähler Mosche Altman wurde zwar in der Westukraine geboren, schrieb aber in jiddischer und später in russischer Sprache.

Gegenwart

Zu den wichtigen gegenwärtigen Autoren der Ukraine gehören die 1959 geborene Maria Matios, deren Romane auch ins Deutsche übersetzt wurden, ferner der Romanautor, Essayist und Lyriker Serhij Schadan (* 1974), Andrij Ljubka (* 1987), der sich besonders der Karpatenukraine verbunden fühlt, und Tanja Maljartschuk (* 1983), die heute in Wien lebt.

Buchmarkt

Das Lemberger Buchforum ist aktuell die größte Buchmesse in der Ukraine im September. Deutsche Bücher sind für die meisten Besucher der Lemberger Buchmesse noch unerschwinglich, immerhin neuerdings gegenwärtiger: Eine Kiewer Agentur, die Sprachbücher des Hueber Verlags in der Ukraine vertreibt, bietet inzwischen neben preiswerten Remittenden auch alle lieferbaren Bücher aus Deutschland für Bestellungen an.

Der Buchvertrieb funktioniert dort insgesamt sehr schlecht. Die Buchhandelskette Bukwa (Der Buchstabe) hat 22 große Buchläden in der gesamten Ukraine eröffnet und will weiterhin expandieren. Lange war die Konkurrenz des starken russischen Marktes im eigenen Land spürbar. Noch immer erscheinen viele Bücher in ukrainischer Sprache nur mit staatlicher Förderung. Der Verlegerverband zählt rund 350 Verlage, die regelmäßig Bücher veröffentlichen. 2004 wurden 14.970 Neuerscheinungen registriert, die Gesamtauflage betrug dabei 52,8 Millionen Exemplare. Außerhalb des recht lukrativen Schulbuchgeschäfts beträgt allerdings die Durchschnittsauflage eines Titels 300 Exemplare. Trotz aller Schwierigkeiten wächst auch der ukrainische Gemeinschaftsstand auf der Frankfurter Buchmesse und im Forum Dialog dieser Messe kommen ukrainische Autoren zu Wort. 2012 stand die Ukraine auch im Fokus der Leipziger Buchmesse.

Der wichtigste Kulturpreis der Ukraine ist der seit 1962 verliehene Taras-Schewtschenko-Preis.

Ukrainische Gegenwartsliteratur in deutschsprachiger Übersetzung

Im Roman „Zwölf Ringe“ verläuft auf der ersten Ebene alles recht logisch und melancholisch, ein einsamer Held geht seinen Sehnsüchten nach und stirbt wie eine Figur von Joseph Roth. Gleichzeitig ist in diesem Helden-Körper ein ganzer Kulturkreis eingenistet, welcher zu den Ukrainern der Gegenwart spricht, ihre Identität zu fördern sucht und sie von Moskau-Phobien und westlichem Kultur-Kitsch gleichsam abhalten will. In der entlegenen Karpatenkultur werden seltsame Mythen aufgewärmt, die Eisenbahn fährt sinnentlegen wie in einem Märchen einmal am Tag ans Ende der Welt, ein Fisch aus der Donau wird den Bach hinauf schwimmen und das Land verändern, die zwölf Ringe der Liebe werden zu einem heftigen und anstrengenden Glück führen.

Der Underground-Künstler Stanislaw Perfecki ist unterwegs zu einem internationalen Symposion über „postkarnevalistischen Irrsinn der Welt“ in Venedig, bleibt zwischenzeitlich in der Münchner Bohème hängen, verliebt sich in eine Frau, die ihn bespitzelt und hat sich möglicherweise aus dem Fenster seines Hotels am Canal Grande gestürzt. Ein postmodernes Spiel mit Zitaten von Rabelais bis Michail Bulgakow.

„Der Papierjunge“ zeigt hinter dem Ambiente einer entlegenen galizischen Habsburgerstadt um 1900 jede Menge politischer Facetten. Die akute Herrschaft beschränkt sich offiziell auf Manöver und Ansprachen, die Religionen scheinen allgegenwärtig zu sein und haben in jeder Seitengasse ihre Dependancen, für Frauen bleibt nur gut zu heiraten oder gut „Dienst zu boteln“. Der Roman erweist sich unter der magischen Hülle als brodelnder Kessel für Illusionen jeglicher Art.

  • Ljubko Deresch: Die Anbetung der Eidechse Oder Wie man Engel vernichtet. Roman. A. d. Ukrain. von Maria Weissenböck. [Orig.: Pokloninnja jascirci. Jak nyscyty anheliv, Lwiw 2004]. Frankfurt/M: Suhrkamp 2006. ( = es 2480). ISBN 978-3-518-12480-2.

Ein paar Jugendliche verlaufen sich in der Weite der Karpaten und versaufen sich in dem kleinen Ort Midni Buky. Die Hitze wird nahezu unerträglich, sie wird noch verstärkt durch Pop-Musik, die aus allen Poren und Kassetten-Recordern dringt. Ein Feindbild stellen die Moskau-Menschen dar, sie haben nicht nur das Land mit ihrem Kommunismus ruiniert, sondern ruinieren es jetzt abermals mit dem Neo-Kapitalistischen Hammer.

Die Notaufnahme ist einerseits jene Stelle, wo Menschen im Koma abgeliefert werden, andererseits ist es ein besonderer Zustand der Wahrnehmung. Filmrisse, Figuren aus Hollywoodstreifen, Liebeserklärungen am Abstreifer einer verkommenen Bar, Partikel eines versickerten Prüfungsstoffes an der Uni, Prüfungsangst und Kater sind Themen der Gedichte, ihre Semantik ist seltsam eingekringelt, der sogenannte Sinn lässt sich nur über Umwege dechiffrieren.

Der Roman von der „süßen Darina“ spielt in der entlegenen Bukowina, die einst in der Habsburgermonarchie noch vergeblich auf Anweisungen aus Wien wartete, als die Monarchie schon längst zerfallen war. Diese Gegend wird oft als sanft und süß bezeichnet, aber es bedeutet auch eigenwillig. So wird auch Darina, wegen ihrer Eigentümlichkeit und ihrem abgeschotteten Wesen als die Süße bezeichnet.

Mitternachtsblüte erzählt vielleicht das Wesen der Ukraine in magisch-brutaler Form. Selbst in der größten Tiefe des Waldes gibt es kein Versteck, denn ständig marschiert jemand durch das Land, das alt-slawisch „Land an der Grenze“ heißt.

  • Taras Prochasko: Daraus lassen sich ein paar Erzählungen machen. A. d. Ukrain. von Maria Weissenböck. (Orig.: Z c’oho mozna zrobyty kil’ka opowidan‘, Lwiw 2005). Frankfurt/M: Suhrkamp 2009. ( = es 2578). ISBN 978-3-518-12578-6.

Verwandte tauchen in der Erzählung auf, kommen in den Schredder der Zeitgeschichte und sterben. Bekannte machen Kunst, werden verraten und verschwinden. In der Zeitung steht etwas von einem Unruheherd irgendwo auf der Welt, schon gibt es eine Verbindung zur Ukraine und ein paar Menschen segnen wieder einmal das Zeitliche.

Auf drei Schauplätzen der Geschichtsschreibung wird das Land aufgerollt. Die TV-Journalistin Daryna berichtet von allen möglichen offiziösen Ereignissen im Land. Ihr Zugang zu den Themen ist ein durchaus erotischer, wenn sie in das Bild der ehemaligen Partisanin Helzja vertieft, worüber sie eine Dokumentation drehen wird. Schließlich kommt auch noch die Künstlerin Wlada ins Spiel, die einen tödlichen Verkehrsunfall erleidet, worauf hin ihr Geheimnis-Zyklus verschwindet. Journalismus, Widerstandskampf und Kunst sind drei Facetten, wie man die Gesellschaft umkrempeln könnte.

  • Serhij Schadan (Zhadan): Depeche Mode. Roman. A. d. Ukrain. von Juri Durkot und Sabine Stöhr. [Orig.: Depes Mod, Charkiw 2004]. Frankfurt/M: Suhrkamp 2007. ( = es 2494). ISBN 978-3-518-12494-9.

Die Handlung beginnt damit, dass sich der Stiefvater von einem der Helden erschossen hat. Da der Stiefsohn aber verschwunden ist, sucht die Truppe ihren Kommilitonen für das Begräbnis, landet aber in einer stillgelegten Fabrik, wo sie die Büste von Molotow klaut. Schließlich steigen die Protagonisten völlig zugekifft in die Live-Diskussion bei einem Musiksender ein, wo es gerade um die Band Depeche Mode geht.

Der Ich-Erzähler Hermann versucht über ein Werbeunternehmen den Anschluss an die Gegenwart, wenn nicht gar an die Zukunft zu gewinnen. Was er an Bewerbungszonen, Produkten, Märkten und vor allem Käufern vorfindet, ist allerdings deprimierend. So scheint sich seine Werbetätigkeit auf einen Brückenschlag zwischen trostloser Vergangenheit und reduzierter Gegenwart zu beschränken.

  • Serhij Schadan (Zhadan): Mesopotamien. (Roman). A. d. Ukrain. von Claudia Dathe, Juri Durkot und Sabine Stöhr. [Orig.: „Mesopotamija“, Charkiw 2014]. Berlin: Suhrkamp 2015. ISBN 978-3-518-42504-6.

In beinahe lyrischen Sequenzen werden ukrainische „Heldentaten“ erzählt. Zu Ellipsen verkürzt und mit Traumfäden umsponnen taucht die Stadt Charkiw des Zweistromlandes auf: „Viel zu hoch / greifen deine Finger, / um die Leere einzufangen.“ – Hinter diesen Kostümresten der Poesie vergisst man beinahe das Chaos in einem angedeuteten Mesopotamien.

Chrystyna und Solomija sind Musiklehrerinnen in Lemberg, sie haben alles versucht, um sich durchs Leben zu schlagen, zwischendurch sind sie sogar ein Liebespaar geworden. Im ersten Anlauf gelingt es nur Chrystyna, ein Visum nach Berlin zu ergattern, ihre Freundin muss warten. Das Reisen in peripheren Landstrichen ist ein bürokratisches Abenteuer, dagegen wirkt der Westen beinahe logisch, wenn auch nicht golden.

Eine bewegende Geschichte über Freundschaft, Ideale und Rückgrat im Angesicht größter Grausamkeit, die zeigt, dass Schatten stets auch Licht bedingt.

Einzelnachweise

  1. Tschižewskij, Horbatsch 1996, S. 394.
  2. Tschižewskij, Horbatsch 1996, S. 394.
  3. A.-H. Horbatsch: Vorwort zu Ein Brunnen für Durstige, 1970, S. 7.
  4. Horbatsch, S. 15.
  5. Lara Kobilke, Ukrainische Literatur, Literaturjournal
  6. Tschižewskij, Horbatsch 1996, S. 397.
  7. 'Ukrainisierung' des ukrainischen Rundfunks, Neue Zürcher Zeitung, 23. April 2004, online: [1]

Siehe auch

Literatur

  • Elisabeth Kottmeier (Hrsg.): Weinstock der Wiedergeburt. Moderne ukrainische Lyrik. Kessler, Mannheim 1957.
  • Dimitrij Tschižewskij, Anna-Halja Horbatsch: Die ukrainische Literatur. In: Kindlers neues Literatur-Lexikon. Bd. 20. München 1996, S. 393–399.
  • Ein Brunnen für Durstige und andere ukrainische Erzählungen. Hrsg. von Anna-Halja Horbatsch. Erdmann Verlag. Tübingen 1970.
  • Reich mir die steinerne Laute. Ukrainische Lyrik des 20. Jahrhunderts. Brodina Verlag, 1996. ISBN 3-931180-05-0
  • Zweiter Anlauf. Ukrainische Literatur heute. Hrsg. von Karin Warter und Alois Woldan. Verlag Karl Stutz, Passau 2004. ISBN 3-88849-094-4
  • Ukraine-Lesebuch: Literarische Streifzüge durch die Ukraine. Trescher Verlag, 2006. ISBN 978-3-89794-097-0
  • Wodka für den Torwart. 11 Fußball-Geschichten aus der Ukraine. edition.fotoTAPETA, 2012. ISBN 978-3-940524-16-4
  • Juri Andruchowytsch, Engel und Dämonen, Edition Suhrkamp 2513, Frankfurt 2007 (mit Essays u. a. zur ukrainischen Literatur)

Weblinks

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