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Urbanisierung

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Nur in wenigen Fällen (hier Chicago, 1909) wird starkes Stadtwachstum planerisch in die gewünschten Bahnen gelenkt

Unter Urbanisierung (lateinisch urbs „Stadt“) oder Verstädterung versteht man die Ausbreitung städtischer Lebensformen. Diese kann sich einerseits im Wachstum von Städten ausdrücken (physische Urbanisierung), andererseits durch verändertes Verhalten der Bewohner von ländlichen Gebieten (funktionale Urbanisierung). Der Prozess der physischen Urbanisierung ist seit Jahrhunderten zu beobachten (in Europa vor allem im 19. Jahrhundert) und hat in den letzten Jahrzehnten in den Schwellen- und Entwicklungsländern bisher ungekannte Ausmaße angenommen. In den Industrieländern wurde die physische Urbanisierung weitgehend von der funktionalen Urbanisierung abgelöst, das heißt von der Ausbreitung städtischer Lebensformen in benachbarte, bisher ländliche Räume (Suburbanisierung).

Historisch gesehen ist eine Zunahme des Anteils der Stadtbevölkerung festzustellen. Im Jahr 2008 lebten weltweit erstmals in der Menschheitsgeschichte mehr Menschen in Städten als auf dem Land. Der Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen rechnet mit 5 Milliarden Städtern im Jahr 2030. In Zukunft wird sich die Urbanisierung am stärksten in Afrika und Asien vollziehen.[1]

Geschichte

Urbanisierung in Europa 2010
Agglomerationen 1950-2050
Karte der Hauptflächennutzungstypen in Nordrhein-Westfalen: Urbanisierung als Folge der Industrialisierung im 19. und 20. Jahrhundert

Um 1800 lebten nur etwa 25 % der deutschen Bevölkerung in Städten und rund 75 % auf dem Land,[2] doch dort waren die Lebensbedingungen nicht immer einfach. Durch einen enormen Bevölkerungsanstieg – ausgelöst durch sinkende Sterberaten – wurde es zunehmend schwerer, sich zu ernähren, weil es einfach nicht genügend Land für alle gab. Diese Verarmung („Pauperismus”) führte u. a. dazu, dass die Menschen in der Hoffnung auf bessere Lebensverhältnisse zu Beginn der Industrialisierung (19. Jahrhundert) vom ländlich geprägten Raum in die umliegenden Kleinstädte zogen, die sich dadurch schnell vergrößerten.[3] Während es im Jahr 1800 nur rund 80.000 Manufakturarbeiter gab[Anm 1], stieg diese Zahl von 1800 bis 1910 auf das 100-fache (8 Millionen). Das Bevölkerungswachstum der Städte des späteren Deutschen Reiches entwickelte sich dabei erst nach 1850 überdurchschnittlich – vorgängig war schon seit den 1740er Jahren die Bevölkerungsvermehrung auf dem Lande gewesen.

Dieser einer Völkerwanderung ähnliche Prozess brachte viele Folgen mit sich. Unter den Menschen, die in den großen Städten ihr Glück suchten, waren viele landlose Arbeiter und verarmte Kleinbauern. Diese beiden Gruppen bildeten zusammen die neue soziale Klasse des Industrieproletariats. Obwohl sie rechtlich frei waren, verfügten sie jedoch nicht über eigene Produktionsmittel (Maschinen, Geräte, etc.), daher mussten sie als Lohnarbeiter versuchen, ihre Familie zu ernähren, was jedoch angesichts der niedrigen Löhne schier unmöglich war. Diese schlechten Arbeits- und Lebensbedingungen führten kurz darauf zur „sozialen Frage“.[4]

Gründe

Die chinesische Stadt Shenzhen am Rande Hongkongs hatte 1979 nur 30.000 Einwohner, heute etwa 12 Millionen

Heute findet der Urbanisierungsprozess vor allem in Staaten mit expandierenden Industrien statt, aber auch in Ländern, deren ländliche Regionen kaum Erwerbsmöglichkeiten bieten oder von Krieg bzw. Bürgerkrieg verwüstet werden. In diesen Ländern entwickeln sich rapide wachsende Millionenstädte mit einer häufig kaum überschaubaren oder gar steuerbaren Bebauung. Beispiele für solche Städte sind Istanbul (Türkei, mit über 14 Millionen Einwohnern), Lagos (Nigeria, 10 Millionen) oder Mexiko-Stadt (Mexiko, 9 Millionen). Die Bedingungen in diesen neuen Megastädten sind häufig in vielen Aspekten katastrophal (siehe auch Slums), aber für die Landflüchtenden aus den genannten Gründen immer noch attraktiver als in ihrer Herkunftsregion. Diese Form der Urbanisierung wird auch als Landflucht oder „Land-Stadt-Migration“ bezeichnet. Diese Begriffe beschreiben traditionell die Wanderung innerhalb eines Landes, treffen aber zunehmend auch auf die länderübergreifende Migration zu, also auf die Wanderung von der ländlichen Region eines Landes in die Stadt eines anderen. Diese Form der Migration ist insbesondere in jenen Zielländern von Bedeutung, deren eigene Landbevölkerung sich bereits stabilisiert hat. Der Begriff Kettenwanderung bedeutet, dass ein Pionierwanderer später Ehepartner, Kinder oder Verwandte nachholt.

Aber auch in den Industrienationen gibt es heute eine Landflucht. Einer der Gründe ist die Reduktion des Arbeitskräftebedarfs in der Landwirtschaft. Davon besonders betroffen sind junge Frauen, die deshalb in urbane Agglomerationen migrieren, um Arbeitsplätze im Dienstleistungssektor anzunehmen. In der ruralen Region entsteht dadurch ein demografisches Ungleichgewicht. Auch die Infrastruktur wird in solchen Regionen aufgrund höherer Kosten und geringerer Rentabilität nicht so schnell zur Verfügung gestellt, wie im städtischen Bereich. Hier ist die Politik gefordert, steuernd über Steuererleichterungen und Subventionierung der Infrastruktur einzugreifen, was aber andererseits einer freien Marktwirtschaft oft widerspricht.

Das Gegenteil der Landflucht ist die Stadtflucht, bei der heute in der Regel gutverdienende Mittelschichtsfamilien die Städte verlassen, um sich in Vororten oder im Umland anzusiedeln.

Folgen

Eine Alternative zum Umzug in die Stadt: Chinesische Landbewohner bilden für den Weg zur Arbeit in der Innenstadt eine Fahrgemeinschaft

Durch den Zuzug in die Städte kommt es zum Bau neuer Häuser, Straßen und Versorgungseinrichtungen. Letztlich dehnen sich die Städte immer weiter aus und verbrauchen Flächen der sie umgebenden „freien Natur“.

Seit dem Jahr 2007 wohnt mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung in Städten, während 1950 noch 70 % auf dem Land lebten. Nach Prognosen der UNO wird der weltweite Anteil der städtischen Bevölkerung bis 2030 auf über 60 % steigen und im Jahr 2050 rund 70 % erreichen. Weltweit gibt es über 63 Städte mit mehr als drei Millionen Einwohnern.

In Deutschland liegt der Verstädterungsgrad wesentlich über dem weltweiten Durchschnitt. Die elf Agglomerationsräume mit mehr als einer Million Einwohnern zählen allein rund 25,6 Millionen Menschen. Der weltweit nicht einheitlich verwendete Begriff der Agglomeration entspricht der Stadt im geographischen Sinn, ohne die Beachtung der Verwaltungsgrenzen. Die nach Verwaltungsgrenzen gerechneten 82 Städte über 100.000 Einwohner in Deutschland im Jahr 2004 besitzen 25,3 Millionen Einwohner, das sind bereits über 30 % der Gesamtbevölkerung von 82 Millionen. Die elf Metropolregionen Deutschlands mit 44,3 Millionen Einwohnern sind räumlich wesentlich weiter gefasst und beinhalten auch große ländliche Gebiete.

Die Folgen der Verstädterung in Entwicklungsländern, verbunden mit einem weiterhin anhaltenden starken Bevölkerungswachstum, sind in ihren ökologischen, ökonomischen und sozialen Tragweiten noch nicht vollständig absehbar. Neben den offensichtlichen Problemen bei der Entstehung von Megastädten richtet sich der Blick der Fachdiskussion in den letzten Jahren verstärkt auch auf die Chancen dieser Entwicklung.

Eine weitere Folge der Urbanisierung ist ein starker Einbruch der Geburtenraten. Vor allem in den Entwicklungsländern ist die Geburtenrate der Städte im Vergleich zu der auf dem Land sehr niedrig, während in den Industriestaaten fast kein Unterschied mehr besteht. Nach verschiedenen 'Demographic and Health Surveys' liegt die Fertilitätsrate in Addis Abeba und den Vietnamesischen Städten bei 1,4, was der Rate Deutschlands entspricht. In der iranischen Hauptstadt Teheran bekommen die Frauen durchschnittlich 1,32 Kinder.

Arten der Urbanisierung

Verdichtung des Städtesystems: Stadtneugründung Brasília (Brasilien)

Es wird zwischen verschiedenen Arten der Urbanisierung unterschieden:

Physische Verstädterung

Sie bedeutet eine Ausbreitung städtischer Wohnformen und Flächennutzung.

Funktionale Verstädterung

Es kommt zu einer Verflechtung zwischen Stadt und Land („Stadt-Land-Kontinuum“). Dabei breitet sich die städtische Produktion aus und es entwickeln sich neue Kommunikations- und Informationsnetze.

Soziale Verstädterung

Das Umland nimmt Richtlinien und Wertvorstellungen der städtischen Bevölkerung an, auch das Konsumverhalten gleicht sich an. Gesamtgesellschaftlich stellt sich Urbanität ein.

Demographische Verstädterung

Diese kennzeichnet den (steigenden) Anteil der in Städten lebenden Bevölkerung eines Gebietes, Landes oder Staates. Unter „Verstädterung“ kann sowohl der Verstädterungsgrad (demographischer Zustand) als auch die Verstädterungsrate (demographischer Prozess) verstanden werden (siehe unten).

Verdichtung des Städtesystems

Die Zahl der Städte nimmt zu, dies kann durch Neugründungen oder Verleihung des Stadttitels geschehen. Typische Gründungsphasen sind Hochmittelalter, Barock (Residenz-/Festungsstädte) und das Industriezeitalter (z. B. Wolfsburg, Eisenhüttenstadt).

Messung von Verstädterung und Urbanität

Verstädterungsgrad (oder Verstädterungsquote): Anteil der Stadtbevölkerung an der Gesamtbevölkerung. Sie gibt das Ausmaß der Verstädterung in einem Raum an (Zustand). Der Verstädterungsgrad betrug im Jahr 2007 weltweit 50 %.

Verstädterungsrate: Zuwachs des Anteils der Stadtbevölkerung an der Gesamtbevölkerung. Sie gibt die Zunahme der Verstädterung in einem Raum an (Prozess). Die durchschnittliche Verstädterungsrate betrug im Jahr 1990 weltweit 4,2 %.

Urbanität als soziales Verhalten wird als Offenheit sozialer Netzwerke interpretiert und dann mit Hilfe des Indikators der Abnahme der Netzwerkdichte gemessen.

Wichtige Umstrukturierungsprozesse

Eng mit der Urbanisierung verbunden sind folgende Prozesse, die nacheinander oder auch gleichzeitig auftreten können:

Typisch für die neueste Zeit ist das Nebeneinander von raschen Auf- und Abwertungsprozessen verschiedener stadträumlicher Lagen.

Unterschiede der Verstädterung in Industrie- und Entwicklungsländern

Downtown Toronto

Mit dem Prozess der Verstädterung war in den Industrieländern die Umgestaltung von einer traditionellen ländlichen Gesellschaft in eine stark arbeitsteilig-urbane Gesellschaft verbunden. Hier ging der Industrialisierung und Verstädterung entweder eine tiefgreifende Agrarreform voraus, oder beide Prozesse erfolgten gleichzeitig.

Die Verstädterung in den heutigen Entwicklungsländern setzte in den 1920er Jahren in Lateinamerika ein und hat seit dem Zweiten Weltkrieg auf alle Länder übergegriffen. Jedoch weist sie gegenüber dem Verstädterungsprozess der Industrieländer grundlegende Unterschiede auf:

  • In den Industrieländern wuchsen die Städte im 19. Jahrhundert hauptsächlich durch Zuwanderung infolge der Industrialisierung, weniger durch natürliches Bevölkerungswachstum, stets begleitet von bereits ausgebauten und nunmehr sich anpassenden Verwaltungs- und Rechtsstrukturen.
  • Die städtische Bevölkerung in den Entwicklungsländern wächst wesentlich stärker als in den meisten europäischen Industrieländern, und ohne die kommunalpolitischen Traditionen der „okzidentalen Stadt“ (nach Max Weber). Mit Ausnahme weniger Newly Industrializing Countries (NIC) und Schwellenländer fehlen in den Entwicklungsländern aufeinander abgestimmte, miteinander verknüpfte Formen des sozialen Wandels. Auf den Megastädten der Entwicklungsländer lastet außerdem ein doppelter Druck: die starke Zuwanderung (40–50 % des jährlichen Wachstums) wird von einem noch höheren, wenn auch sich abschwächenden natürlichen Bevölkerungswachstum begleitet. Hinzu kommt, dass der Infrastrukturausbau mit dem Wachstum immer weniger Schritt hält. So stieg die Bevölkerung von Nouakchott, der Hauptstadt Mauretaniens, von 1958 (500 Einwohner) bis 2008 auf 800.000, möglicherweise sogar auf zwei Millionen Einwohner, also um mindestens 160.000 Prozent (das Tausendsechshundertfache), wobei ein permanent steigender Anteil der Bevölkerung unter Plastikplanen und in ähnlichen Quartieren „wohnt“.[5] Die indische Wirtschaftswissenschaftlerin Yayati Gosh, Trägerin des ILO-Forschungspreises 2010, kritisiert den Zusammenbruch der Stadtplanung unter dem Einfluss neoliberaler Reformen in vielen Ländern und beschreibt ihn als „tendency to create urban monstrosities of congestion, inequality and insecurity.“[6]

Situation in Deutschland

In Deutschland steigt aufgrund verschiedener Faktoren – vor allem wegen des demographischen Wandels und höherer Energiepreise, aber auch wegen steuerlicher Eingriffe (Abschaffung der Eigenheimzulage und Reduzierung der Entfernungspauschale führen zu sinkender Bereitschaft, Häuser auf dem Lande zu erwerben) – der Urbanisierungsgrad wieder (Reurbanisierung). Während die Bevölkerung in Deutschland insgesamt, insbesondere aber in den ländlichen Gebieten Ostdeutschlands seit ca. 2000 abnimmt, nimmt sie in vielen Großstädten oder in deren unmittelbarem Umland weiter zu.[7] Insbesondere ist eine stärkere Überalterung der Bevölkerung auf dem Land zu beobachten.

Situation in den USA

Der Urbanisierungsgrad in den USA ist von 2001 bis 2011 von 79,4 Prozent auf 82,4 Prozent gestiegen.[8] Allerdings vollzieht sich innerhalb der Ballungsräume nach wie vor eine erhebliche Umschichtung der Bevölkerung. Die USA sind das klassische Studienobjekt für die in allen Industrieländern seit 1945 zu beobachtenden Prozesse der Suburbanisierung, d. h. der Abwanderung von Einwohnern und Arbeitsplätzen aus der Kernzone der Städte in die Peripherie. Die Verdichtung auf Basis urbaner Planung galt seit jeher als Problemlöser für viele infrastrukturelle und soziale Probleme des ausgedehnten nordamerikanischen Kontinents; seit den 1950er Jahren mehren sich jedoch kritische Stimmen (so die von Lewis Mumford, William Whyte und Jane Jacobs sowie der Chicago School of Urban Sociology), die die Entwicklung der Städte und insbesondere ihre Kehrseite – das Wuchern des Suburbs – als kritische Symptome der Massengesellschaft, der Homogenität und Konformität städtischer Siedlungsräume bewerten.

Robert Beauregard[9] beschreibt den Prozess des Niedergangs der altindustriellen Central Cities, der eng verknüpft ist mit dem Auszug der weißen Mittelschichten ins Umland, als „parasitäre Urbanisierung“[10] Sie ersetzt seit 1945 die „distributive Urbanisierung“, einen Zyklus der Stadtentwicklung in Nordamerika, in dem alle großen Städte vom demographischen und ökonomischen Wachstum des Landes gleichermaßen profitierten und der kurzfristig in den 1980er Jahren wiederkehrte. Die Phase der parasitären Urbanisierung bezeichnet Beauregard auch als short American century, eine historisch einzigartige Formation, geprägt durch den Niedergang der alten Industriezentren, den Aufstieg der Suburbs insbesondere im Sunbelt[11] und eine bis dahin unerreichte wirtschaftliche Prosperität und militärische Hegemonie in der Welt: „Parasitic urbanization [...] produced the trauma that devastated older, industrial cities, created a crisis of national consequences, and undermined the way of life that had defined achievement in the United States for hundreds of years. The dominance of the center [...] was replaced by a fragmentation of the periphery brought about by suburban development. Urbanization had jumped to the metropolitan scale.“[12] In seiner Betrachtung verknüpft Beauregard den Prozess der Suburbanisierung mit den langen Wellen der wirtschaftlichen und technologischen Entwicklung einerseits und ihrer Interpretation im Kontext der Herausbildung einer nationalen Identität, dem becoming suburban, andererseits.

Situation in China

In China hat in den letzten Jahrzehnten ein rapider Urbanisierungsprozess stattgefunden, der sich fortsetzen und zentral geplant noch beschleunigen soll. 1980 lebten etwa 20 Prozent der Chinesen in Städten, 2001 waren es 37,7 Prozent, 2012 bereits 52,6 Prozent [13], und 2025 sollen es 70 Prozent sein, also mehr als 900 Millionen Menschen. Allein in den nächsten 12 Jahren sollen 250 Millionen Menschen das Land verlassen und gezielt in Städten angesiedelt werden – das ist etwa die zwanzigfache Population des Großraums Los Angeles. Premierminister Li Keqiang verkündete im März 2013, dass die planmäßige Urbanisierung eines der vorrangigen Ziele der Regierung sei, um Wertschöpfung und Wirtschaftswachstum zu beschleunigen. Die Präsentation der Detailplanung wurde allerdings auf den Herbst 2013 verschoben, vermutlich weil auch negative Effekte durch Inflation und die Entstehung einer entwurzelten arbeitslosen Unterschicht befürchtet werden. Man rechnet mit einer Verdoppelung der Zahl von städtischen Wohlfahrtsprogrammen abhängiger Menschen. Auch stellen die Banken weniger Geld für großdimensionierte Infrastrukturprojekte zur Verfügung, so dass die Städte sich dieses durch Landverkäufe oder die Ausgabe von Schuldverschreibungen besorgen müssen.[14]

Situation in Indien

In Indien existieren mit Mumbai, Delhi, Kolkata, Chennai, Bangalore und Hyderabad sechs Megacities. 2010 lebten jedoch nur 30 Prozent der Inder in Städten (2001: 28 Prozent; 2010 weltweit zum Vergleich: 50 Prozent). Der Zuwachs beträgt jährlich etwa 2,4 Prozent (weltweit zum Vergleich: 4,2 Prozent).[15] Selbst bei dieser vergleichsweise mäßigen Zuwachsrate der städtischen Bevölkerung hält der Ausbau der Infrastruktur, vor allem das Wasser- und Müllmanagement in keiner Weise mit diesem Anstieg mit. Wissenschaftler beschreiben das Wachstum indischer Städte als fragmentiert, ungeplant und ohne Berücksichtigung sozialer und ökologischer Aspekte. Studien belegen einen signifikanten Zusammenhang zwischen dem ungesteuerten Städtewachstum Indiens und durch Kontaminationen von Trink- und Brauchwasser ausgelösten Krankheiten.[16] Die Ausbreitung von Slums schreitet trotz des Baubooms kaum gebremst voran.[17]

Literatur

  • Heinz Heineberg: Stadtgeographie. UTB u. a., Stuttgart u. a. 2000, ISBN 3-8252-2166-0 (Grundriss Allgemeine Geographie – UTB 2166).
  • Jürgen Bähr: Einführung in die Urbanisierung. Kiel 2001 (Elektronische Quelle, Stand 2008: [2]).
  • Wolf Gaebe: Urbane Räume. Ulmer, Stuttgart 2004, ISBN 3-8252-2511-9 (UTB – Geographie 2511).
  • Elisabeth Blum, Peter Neitzke (Hrsg.): FavelaMetropolis. Berichte und Projekte aus Rio de Janeiro und São Paulo. Birkhäuser u. a., Basel u. a. 2004, ISBN 3-7643-7063-7 (Bauwelt-Fundamente – Architektur- und Städtebaupolitik 130).
  • Johannes Fiedler: Urbanisierung, globale. Böhlau, Wien u. a. 2004, ISBN 3-205-77247-4.
  • Jane Jacobs: The Death and Life of Great American Cities. New York: Random House 1961.
  • Nicole Huber, Ralph Stern: Urbanizing the Mojave Desert. Las Vegas. = Die Urbanisierung der Mojave-Wüste. Las Vegas. Jovis, Berlin 2008, ISBN 978-3-939633-50-1 (Ausstellungskatalog, Frankfurt am Main, Deutsches Architekturmuseum, 24. November 2007 – 25. Januar 2008).
  • Matthew Gandy, Hg.: Urban Constellations, JOVIS Verlag Berlin 2011, ISBN 978-3-86859-118-7
  • Doug Saunders: Arrival City. Karl Blessing Verlag, München 2011, ISBN 978-3-89667-392-3

Siehe auch

Weblinks

Wiktionary: Urbanisierung – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Anmerkungen

  1. Der in diesem Zusammenhang oft verwendete Begriff „Fabrikarbeiter“ ist falsch, da zu dieser Zeit in Deutschland noch keine Fabriken existierten.

Einzelnachweise

  1. linking Population, Poverty and Development. UNFPA, Mai 2007.
  2. Helmut Rankl: Landvolk und frühmoderner Staat in Bayern 1400-1800. Kommission für Bayerische Landesgeschichte, 1999, ISBN 3-7696-9692-1, S. 8.
  3. H. Häussermann, W. Siebel: Stadtsoziologie. Kommission für Bayerische Landesgeschichte, 2004, ISBN 3-5933-7497-8, S. 19.
  4. Hartmut Hirsch-Kreinsen: Wirtschafts- und Industriesoziologie. Juventa Verlag, 2005, ISBN 3-7799-1481-6, S. 12.
  5. http://www.irinnews.org/report/83724/mauritania-city-versus-slum Zugriff 24. Juni 2013
  6. World Economics Association Newsletter (PDF; 908 kB), June 2013, S. 12
  7. Prognose der regionalen Bevölkerungsentwicklung 2007-2025 aus www.fokus.de Abruf 22. Juni 2013. Ausnahmen u. a.: Ruhrgebiet, Saarland, Hamburg (hier wird verstärkt im unmittelbaren Umland gesiedelt), Dresden, Leipzig
  8. http://de.statista.com/statistik/daten/studie/165800/umfrage/urbanisierung-in-den-usa/ Zugriff 23. Juli 2013
  9. Robert A. Beauregard, When America Became Suburban, Minneapolis, London 2006
  10. Beauregard 2006, S. 40 ff.
  11. Vgl. auch R. E. Lang, J. Le Furgy, Boomburbs. The Rise of America's Accidental Cities, Washington D. C.: Brookings Institution Press 2007
  12. Beauregard 2006, S. 4
  13. http://de.statista.com/statistik/daten/studie/166163/umfrage/urbanisierung-in-china/ Zugriff 23. Juli 2013
  14. Ian Johnson, 'China Plans Vast Urbanization, The New York Times International Weekly (in Kooperation mit Süddeutscher Zeitung), 21. Juni 2013
  15. Länderdaten (Quelle: Weltbank) Zugriff 24. Juni 2013
  16. [1] Lehrstuhl für Ingenieurgeologie und Hydrogeologie der RWTH Aachen, Zugriff 24. Juni 2013
  17. Axel Prokof, Mumbai, Delhi und Kolkata – Megastädte Indiens: Ausgewählte Aspekte der Urbanisierung in Indien unter besonderer Berücksichtigung der Elendsviertel, VDM Verlag, 2010, ISBN 978-3639261622
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