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Vera Gissing
Vera Gissing (1928–2022), tschechisch-britische Autorin und Übersetzerin
Leben
- tachles-Newsletter vom 31. März 2022:
Vera Gissing verstorben
Durch einen Kindertransport unter Regie von Nicholas Winton gerettet, wurde die gebürtige Pragerin 93 Jahre alt.
Wie jüngst von der «New York Times» vermeldet, ist am 12. März in einem Pflegeheim in Wargrave im südöstlichen England Vera Gissing verstorben. Sie wurde 93 Jahre alt. Gissing wuchs ausserhalb von Prag als Veruska Diamantova auf, wo die Eltern Karel und Irma einen Weinhandel betrieben. Nach dem deutschen Einmarsch im «Rumpf-Tschechien» im März 1939 bemühte sich die Mutter unermüdlich um die Rettung Veras und der älteren Schwester Eva durch die Ausreise nach England über einen «Kindertransport». Dies gelang schliesslich am 1. Juli 1939. Eltern und Kindern fiel der Abschied schrecklich schwer. Aber die Mädchen trugen genau passende Kleidung – in der Hoffnung auf eine zeitige Heimkehr ehe sie aus den Grössen «hinauswachsen» konnten. Doch bei Kriegsbeginn am 1. September 1939 stoppten die Nazis einen achten «Kindertransport» mit 250 tschechisch-jüdischen Kindern, darunter zwei Cousinen von Vera und Eva. Der Vater wurde am Kriegsende von SS-Wachen auf einem Todesmarsch aus dem KZ Theresienstadt erschossen. Die Mutter starb kurz nach der Befreiung aus Bergen-Belsen an Typhus.
Vera kehrte nach dem Krieg zurück nach Prag und studierte dort Englisch. Sie floh die Heimat nach der Machtergreifung der Kommunisten 1948 erneut und wurde in London Literatur-Übersetzerin. Sie hat dort den im Lederwaren-Handel tätigen Michael Gissing geheiratet und die Autobiographie «Pearls of Childhood» verfasst. Nach der späten Würdigung Wintons stand Gissing für Dokumentationsfilme und Forschungsprojekte zur Verfügung.
Winton hatte ein halbes Jahrhundert über seine heroischen Verdienste geschwiegen. Der Nachkomme deutsch-jüdischer Emigranten in England war mit seinen Eltern zum Christentum übergetreten. Im Winter 1938 reiste der junge Börsenmakler zu Skiferien in die Schweiz, folgte aber spontan dem Ruf eines Freundes in die Tschechoslowakei. Das Land war wenige Monate nach dem «Münchner Abkommen» in eine existentielle Krise geraten und hatte Grenzprovinzen an Nazi-Deutschland verloren. In Prag bangten Tausende jüdischer Emigranten und Mitglieder der jüdischen Gemeinde um ihre Existenz. Davon angerührt, begann Winton eine historische Rettungsaktion, die ihm den Beinamen «britischer Schindler» einbrachte.
Bis August 1939 organisierte Winton acht Züge, die insgesamt 669 Kinder über die Niederlande nach Grossbritannien brachten. 1988 fand seine Frau Grete im Speicher ihres Hauses Dokumente mit Namen und Adressen der geretteten Kinder. Sie sandte Briefe an diese und erhielt 80 Botschaften zurück. So wurde Winton als Held bekannt und anschliessend mehrfach geehrt, unter anderem 2003 von Queen Elizabeth mit einem Ritterschlag. Zu den Geretteten zählte der bekannte Regisseur Karel Reisz («Die Geliebte des französischen Leutnants»).
2014 wurde Winton in Prag von Präsident Miloš Zeman mit dem «Orden des Weissen Löwen» ausgezeichnet, der höchsten Ehrung Tschechiens. Sir Nicholas hatte dabei auch sieben Überlebende getroffen, die er einst gerettet hatte. Der stille Held ist 2015 in seinem Heimatort Maidenhead bei London im Alter von 106 Jahren verstorben.